Der Kläger ist ein in der Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins (§ 22 BGB) errichtete gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes im Sinne von § 4 Abs. 2 TVG. Er hat seinen Sitz in Wiesbaden. Der Hessische Minister des Innern hat ihm am 20. Juli 1950 die Rechtsfähigkeit verliehen.
Die Beklagte betreibt als Einzelfirma norwegischen Rechts ein Bauunternehmen mit Sitz in Norwegen. Sie erbrachte jedenfalls in dem Zeitraum Januar bis August 1997 baugewerbliche Arbeiten in der Bundesrepublik Deutschland. Zu diesem Zweck beschäftigte sie ständig 11 aus Norwegen entsandte gewerbliche Arbeitnehmer.
Mit vorliegender Klage verlangt der Kläger von der Beklagten unter Berufung auf das Arbeitnehmerentsendegesetz vom 26. Februar 1996 (BGBl. I Seite 227) und die dieses Gesetz ausführenden §§ 55 ff. des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassen verfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12.11.1986 in der Fassung vom 18.12.1996 Auskünfte nach Maßgabe des Klageantrags.
Der Kläger beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen über
1. inländische und ausländische Bankverbindung
2. Steuernummer des von ihr betriebenen Unternehmens;
II. die Beklagte weiter zu verurteilen, ihm hinsichtlich jedes einzelnen gewerblichen Arbeitnehmers, den sie seit 01.01.1997 in der Bundesrepublik Deutschland entsandt hat, auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular folgende Auskünfte zu erteilen:
1. Name, Vorname, Geburtsdatum und Heimatadresse,
2. inländische und ausländische Bankverbindung,
3. Ort der Baustelle, auf der er eingesetzt wird / wurde,
4. Art der Tätigkeit,
5. Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland,
6. Einzugsstellen und deren Adressen, an welche die lohnbezogenen Beiträge zu den Systemen der sozialen Sicherheit abgeführt werden,
7. Nummer, unter denen der Arbeitnehmer bei den unter Ziff. 6 genannten Stellen geführt wird,
8. Finanzamt und dessen Adresse, an welches die Lohnsteuer abgeführt wird,
9. Steuernummer;
III. die Beklagte weiter zu verurteilen, ihm auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular Auskunft zu erteilen über
1. Name, Vorname und Geburtsdatum,
2. Höhe des monatlichen Bruttolohnes in deutscher Währung jedes einzelnen von ihr in den Monaten
Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli und August 1997
in die Bundesrepublik Deutschland entsandten gewerblichen Arbeitnehmers sowie über die Höhe des in den Monaten
Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli und August 1997
jeweils fällig gewordenen Urlaubskassenbeitrages;
IV. die Beklagte weiter zu verurteilen, für den Fall, daß sie diese Auskunftspflichten innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt, ihm eine Entschädigung in Höhe von 89.880,‑ zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, das erkennende Gericht sei international unzuständig. Sie vertritt weiter die Auffassung, keine Auskünfte und entsprechende Beiträge nach den oben genannten Vorschriften zu schulden, da sie bereits in Norwegen zu vergleichbaren Beitragsleistungen herangezogen werde. Dies stelle auch eine unzulässige Beeinträchtigung im Sinne der Art. 36 und 37 des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum vom 02.05.1992 (BGBl. 93 II 266) dar. Außerdem rügt sie, daß die an den Kläger zu entrichtenden Monatsbeiträge stets auf der Grundlage des vollen Bruttomonatslohnes berechnet werden, unabhängig davon, wieviele Tage der entsandte Arbeitnehmer in dem jeweiligen Monat tatsächlich in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt gewesen sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 1998 vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das erkennende Gericht international und örtlich zuständig.
Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus dem Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988 (LugÜ; BGBl 1995 II 221) in Verbindung mit Abs. 1 des Protokolls Nr. 3 über die Anwendung von Art. 57 LugÜ (BGBl 1994 II 2699) und der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie; ABl. Nr. L 18 vom 21.01.1997, Seite 1 ff.).
Das Lugano-Übereinkommen ist auf den vorliegenden Fall anwendbar.
Sachlich anwendbar ist das Abkommen nach Art. 1 in „Zivil- und Handelssachen, ohne daß es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt.“ Für die Einordnung als Zivil- und Handelssache sind materiellrechtliche Kriterien maßgebend. Das Lugano-Übereinkommen beschränkt sich daher nicht auf Klagen vor den (ordentlichen) Zivilgerichten. Es gilt auch für Verfahren vor sonstigen Gerichten, etwa Arbeits-, Straf- oder Verwaltungsgerichten, sofern Gegenstand der Klage eine Zivil- oder Handelssache ist.
Unbestritten sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten eine Zivil- oder Handelssache in diesem Sinne (Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl. 1997 Anhang I., Art. 1 GVÜ Randziffer 4; Baumbach/Albers, ZPO, 54. Aufl. 1996, AnerkVollstrAbk, Art. 1 EuGVÜ, Randziffer 1 mwN; MüKO ZPO 1992/Gottwald Art. 1 IZPR Randziffer 24).
Das Lugano-Übereinkommen ist im vorliegenden Fall auch zeitlich anwendbar. Dies ist der Fall, wenn die Klage zeitlich nach Inkrafttreten des Lugano-Übereinkommens erhoben worden ist. Hieran gibt es hier keinen Zweifel.
Das Lugano-Übereinkommen gilt für Deutschland im Verhältnis zu Norwegen, dem Sitz der Beklagten. Das nach Art. 54 b LugÜ grundsätzlich vorrangige Brüsseler Abkommen kommt vorliegend nicht zum Zuge, da Norwegen jenem Abkommen nicht beigetreten ist (vgl. Geimer/ Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 1997, Einleitung Rn. 11 und 12).
Für die Anwendbarkeit des Lugano-Übereinkommens muß die Beklagte ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben. Für Gesellschaften und juristische Personen steht deren Sitz dem Wohnsitz gleich (Art. 53 Abs. 1 LugÜ). Die Beklagte hat ihren Sitz in Norwegen und damit im Hoheitsbereich eines Vertragsstaates.
Mit der Anwendbarkeit des Lugano-Übereinkommens ist auch dessen ausschließliche Anwendbarkeit festgestellt. Seine Zuständigkeitsregeln verdrängen die Bestimmungen der deutschen ZPO. In seinem Zuständigkeitsbereich darf deshalb zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nicht mehr auf die ZPO zurückgegriffen werden (MüKO ZPO, 1992/Gottwald Art. 2 IZPR Randziffern 2, 7; Geimer/Schütze, aaO Einleitung Rn. 21).
Art. 2 des Lugano-Übereinkommens bestimmt, daß Personen, die ihren Wohnsitz/Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind. Damit sind grundsätzlich die Gerichte des Staates, in dem das verklagte Unternehmen seinen Sitz hat, international zuständig. Entgegen der Ansicht des Klägers läßt sich dem Lugano-Übereinkommen unmittelbar auch keine besondere internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts entnehmen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die erkennende Kammer diesbezüglich auf das Urteil der 8. Kammer des erkennenden Gerichts vom 07. Oktober 1997 – 8 Ca 1172/97 -, in dem dies zu dem sinngleichen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968, dem sogenannten Brüsseler Abkommen, im einzelnen ausgeführt ist.
Die internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts folgt vielmehr aus Art. 6 der oben zitierten Entsenderichtlinie. Gemäß Art. 57 Abs. 1 LugÜ läßt dieses nämlich Übereinkommen unberührt, denen die Vertragsstaaten angehören oder angehören werden und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln. In Ausführung dieser Bestimmung ist in Abs. 1 des Protokolls Nr. 3 über die Anwendung von Art. 57 LugÜ (BGBl. 1994 II 2699) folgendes festgehalten:
Für die Zwecke dieses Übereinkommens werden die Bestimmungen, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln und in Rechtsakten der Organe der europäischen Gemeinschaften enthalten sind oder künftig darin enthalten sein werden, ebenso behandelt wie die in Art. 57 Abs. 1 bezeichneten Übereinkommen.
„Rechtsakte der Organe der europäischen Gemeinschaften“ sollen also so behandelt werden wie Übereinkommen gemäß Art. 57 Abs. 1 LugÜ, die ihrerseits vom Lugano-Übereinkommen nicht berührt werden. Bei der zitierten Entsenderichtlinie handelt es sich nach Ansicht der Kammer um einen solchen Rechtsakt der Organe der europäischen Gemeinschaften. Dort ist in Art. 6 folgendes festgestellt:
Gerichtliche Zuständigkeit:
Zur Durchsetzung des Rechts auf die in Art. 3 gewährleisteten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen kann eine Klage in dem Mitgliedsstaat erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt ist oder war; ...
Der Qualifizierung der Entsenderichtlinie als „Rechtsakt eines Organs der europäischen Gemeinschaft“ steht nicht entgegen, daß sich diese Richtlinie nur an die Mitgliedstaaten richtet (vgl. Art. 9). Sie verliert dadurch nicht ihre Rechtsnatur als Rechtsakt der Organe der europäischen Gemeinschaften im Sinne des Protokolls Nr. 3 über die Anwendung von Art. 57 LugÜ. Unterstützend ist insoweit auch auf Art. 1 Abs. 4 der Entsenderichtlinie zu verweisen, nach der Unternehmen mit Sitz in einem Nichtmitgliedsstaat keine günstigere Behandlung zuteil werden darf als Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat. Daraus wird nach Ansicht der erkennenden Kammer die gleiche Zwecksetzung wie aus dem zitierten Protokoll Nr. 3 deutlich, nämlich die Absicht einer möglichst einheitlichen Rechtsanwendung über die Grenzen der EG-Staaten hinaus (vgl. auch Geimer/Schütze, aaO Art. 57 Randziffer 27).
Der Anwendung der Entsenderichtlinie im vorliegenden Zusammenhang stehen auch keine grundsätzlichen Erwägungen entgegen.
In einem Teil der Literatur wird die Auffassung vertreten, die Entsenderichtlinie sei nicht rechtswirksam erlassen worden. Dies deshalb, weil die in der Richtlinie angegebenen Art. 57 Abs. 2 und 66 EGV als Ermächtigungsgrundlage für eine Richtlinie solchen Inhalts nicht in Frage kämen.
Vielmehr habe sie nur auf die Grundlage des Art. 100 EGV ergehen können, der Einstimmigkeit voraussetzt, die im vorliegenden Fall aber nicht gegeben war, da England gegen den Erlaß der Richtlinie gestimmt hat. Die Vertreter dieser Ansicht (Koenigs, DB 97, 225, 227, 230; Selmayr ZfA 1996, 615, 656) meinen, tatsächlich betreffe die Richtlinie Regelungen „für die Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken“ (Art. 100 EGV). Dieser Ansicht folgt die erkennende Kammer nicht. Sie ist vielmehr der Ansicht, daß die Entsenderichtlinie auf zutreffende Ermächtigungsgrundlagen gestützt ist. Art. 66 EGV verweist auf die Ausgestaltungs- und Einschränkungsmöglichkeiten, die im Bereich der Niederlassungsfreiheit bestehen und ordnet ihre entsprechende Anwendung für den Bereich der Erbringung von Dienstleistungen an. Nach Art. 57 Abs. 2 EGV kann der Rat zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten Richtlinien erlassen, um dadurch die Ausübung der Grundfreiheit (Niederlassung bzw. Erbringung von Dienstleistungen) zu erleichtern. Mit der vorliegenden Entsenderichtlinie ist vom Gegenstand her genau dies geschehen; die Richtlinie koordiniert die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen, die Dienstleistungserbringer zu beachten haben. Beim (grenzüberschreitenden) Einsatz von Arbeitnehmern geht es gerade um das zentrale Element der Dienstleistungsfreiheit. Zur „Ausgestaltung“ der Dienstleistungen gehört auch das „Innenverhältnis“ zu den Beschäftigten (ebenso Däubler EuZW 1997, 613 f).
Auch die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts ist gegeben.
Diese wird nach bundesdeutschem Recht bestimmt, denn Art. 6 der Entsenderichtlinie regelt ausschließlich die internationale Zuständigkeit. In diesen Fällen bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach autonomem nationalem Recht (MüKO ZPO 1992/Gottwald, Art. 2 IZPR Randziffer 2, 8; Geimer/Schütze, aaO Art. 2 Randziffern 121 ff.). § 48 Abs. 2 ArbGG erlaubt es den Tarifvertragsparteien, im Tarifvertrag die Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts festzulegen für (u.a.) bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu den Arbeitnehmern oder Arbeitgebern. Die Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft haben unter anderem in § 57 Abs. 1 des oben zitierten Sozialkassentarifvertrages vom 12.11.1986 als Erfüllungsort und Gerichtsstand für Ansprüche des Klägers gegenüber Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie für deren Ansprüche gegenüber dem Kläger Wiesbaden bestimmt. Damit ist das erkennende Gericht auch örtlich zuständig. Die Frage der Anwendbarkeit dieses Tarifvertrages kann dabei einstweilen unterstellt werden. Die Parteien streiten im Rahmen der Begründetheit auch um die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrages, nämlich um die sich aus ihm ergebende Verpflichtung zu entsprechender Auskunftserteilung und Beitragszahlung. Damit fallen zuständigkeitsbegründende und anspruchsbegründende Tatsachen zusammen. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgend (BAG AP Nr. 30 zu § 2 ArbGG 53) ist in derartigen Fällen aber nicht durch Prozeßurteil, sondern durch Urteil in der Sache selbst zu entscheiden (ebenso LAG Frankfurt vom 09.09.1988, Az.: 15/5 Sa 44/88).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die §§ 55 ff VTV sind unwirksam.
Für diese Regelungen fehlte den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes die sachliche Tarifmacht, die ihnen staatlicherseits überlassene Normsetzungsbefugnis.
Die §§ 55 ff VTV regeln einen Sachverhalt mit ausländischem Bezug. Sie sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffen, die aus dem Ausland in die Bundesrepublik kommen, um hier baugewerbliche Arbeiten zu verrichten. Nach deutschem internationalem Privatrecht können sowohl inländische Sachverhalte von deutschem Recht ausgenommen werden, wie auch ausländische Sachverhalte dem deutschem Recht unterstellt werden. Für das Tarifrecht gibt es zwar keine expliziten Normen des IPR. Es ist jedoch als Teil des Arbeitsverhältnisrechts Teil des Schuldrechts, das in den Art. 27 ff., insbesondere Art. 30 EGBGB kollisionsrechtlich geregelt ist (vgl. im einzelnen Münch ArbR/Birk § 19 Rn. 3 ff.; Münch ArbR/Löwisch, § 247 Rn. 4 und Löwisch/Rieble, TVG 1992, Grundlagen, Rn. 66; Friedrich, RdA 80, 111 ff.). Für Tarifverträge, die mit ihren Rechtsnormen Bestandteil des deutschen Arbeitsrechts sind (BAG AP Nr. 30 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), bedeutet dies: Die Tarifmacht für tarifliche Regelungen bemißt sich danach, ob und inwieweit das betroffene Arbeitsverhältnis nach den Art. 27 ff., insbesondere Art. 30 EGBGB dem deutschen Arbeitsrecht untersteht. Eine „grenzüberschreitende“ Regelungsbefugnis kommt den Tarifvertragsparteien nicht zu. Die ihnen von Staats wegen überlassene Normsetzungsbefugnis kann nicht weiter gehen als die Normsetzungsbefugnis des Staates selbst (Münch ArbR/Löwisch § 246 Randziffer 29 und § 247 Randziffer 5). Auch die an sich gegebene Möglichkeit, die Arbeitsrechtsordnung vertraglich zu wählen, hat gegenüber der Tarifmacht keine Bedeutung. Denn die zwingenden Normen von Tarifverträgen behalten diese zwingende Wirkung gem. Art. 30 Abs. 2 EGBGB auch bei einer abweichenden Rechtswahl der Arbeitsvertragsparteien, so daß es nur darauf ankommt, ob das Arbeitsverhältnis nach dem objektiven Arbeitsvertragsstatut des Art. 30 Abs. 1 EGBGB ohne Rechtswahl dem deutschen Arbeitsverhältnisrecht untersteht (Begründung zu Art. 30 EGBGB, BT-Drucksache 10/504, Seite 81; BAG AP Nr. 28 IPR, Arbeitsrecht; Löwisch/Rieble, aaO Rdz 64 u. 75; Junker SAE 90, 323).
Im vorliegenden Fall wäre gemäß Art. 30 Abs. 2 EGBGB an sich nicht das deutsche, sondern das norwegische Arbeitsverhältnisrecht anwendbar. Zu einer vorrangig durchgreifenden Rechtswahl des nationalen Arbeitsrechts (Art. 27 EGBGB) ist nichts vorgetragen. Sie wäre tarifrechtlich auch ohne Belang. Dann unterliegt das Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung dem Recht des Staates
– in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist
oder
– in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet,
es sei denn, daß sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Die Rechtswahl darf allerdings nicht dazu führen, daß dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre (Art. 30 Abs. 1 EGBGB). Damit gilt für Arbeitnehmer, die zur Erbringung einer Dienstleistung vorübergehend ins Ausland entsandt werden, grundsätzlich das ohnehin auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Recht, in der Regel und auch hier also das Recht des Herkunftslandes (Kretz, Arbeitnehmerentsendegesetz, 1996, Teil B Randziffer 5; Koberski/Sahl/Hold, Arbeitnehmerentsendegesetz, 1997, Einleitung Randziffer 3; Lorenz, Arbeitnehmerentsendegesetz, Gesetzestext und Materialien, 1996, Einführung Seite 9 ff.). Das ist hier Norwegen. Zweifelsfälle bei der Anknüpfung könnten sich nur ergeben, wenn ausländische Arbeitnehmer allein wegen des Auslandseinsatzes beschäftigt werden oder direkt bei der einer ausländischen Tochter in Deutschland angestellt werden. Hier spricht vieles dafür, daß in diesen Fällen – unabhängig von der Wahl des ausländischen Vertragsstatut – nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB deutsches Arbeitsrecht maßgeblich ist (Kretz, aaO).
Von einem solchen Ausnahmefall kann im vorliegenden Zusammenhang wie auch bei allen üblichen „Entsendefällen“ aber nicht ausgegangen werden. Schließlich beweist auch die Existenz des Arbeitnehmerentsendegesetzes und die ihm beigegebene zwingende Wirkung nach Art. 34 EGBGB (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 3 AEntG) die Richtigkeit dieser rechtlichen Beurteilung. Das AEntG wäre überflüssig, wenn sich die Rechtsbeziehungen der entsendenden Arbeitgeber zu ihren nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern ohnehin generell und nicht nur in seltenen wirtschaftlich unbedeutenden Ausnahmefällen nach deutschem Arbeitsrecht richten würden (vgl. Lorenz, AEntG, aaO, Begründung zu § 1 Abs. 1 AEntG, Seite 32 ff.).
Das Arbeitnehmerentsendegesetz hat diese Rechtslage nunmehr verändert. Es ist in der Absicht geschaffen worden, die „Inseln fremden Rechts“ in der Bundesrepublik (Koberski/Sahl/Hold, aaO; Lorenz, aaO, Einführung Seite 17; Hanau/Heyer, Die Mitbestimmung 10/93, Seite 17) zu beseitigen. Dazu hat es sich selbst bzw. die in Bezug genommenen Tarifverträge zur zwingenden Bestimmung gemäß Art. 34 EGBGB erklärt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AEntG) mit der Folge, daß den in § 1 AEntG genannten tariflich ausgestalteten Arbeitsbedingungen zwingender Charakter im Sinne des IPR zukommen soll und sich diese im Wege der Sonderanknüpfung als lex fori international auch dann durchsetzen, wenn auf den Sachverhalt im übrigen ausländisches Recht zur Anwendung käme (vgl. dazu auch Däubler, DB 95, 726 mwN). Ob diese Verfahrensweise rechtlich zulässig ist, mag problematisch sein ebenso wie die Frage, ob die Normen des AEntG bzw. der in Bezug genommenen Tarifverträge überhaupt zur zwingenden Norm im Sinne des Art. 34 EGBGB taugen (vgl. dazu BAG AP Nr. 30 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; Koberski/Sahl/Hold, aaO, § 1 Randziffer 87 ff.; Kretz, aaO, Teil B Randziffer 10). Die Kammer unterstellt dies zugunsten des Klägers als zulässig.
Für den hier anstehenden Fall heißt dies gemäß § 1 Abs. 3 AEntG konkret, daß der deutsche Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien eine besondere Tarifmacht verliehen hat zur Erstreckung allgemeinverbindlicher Tarifverträge, die sich mit der Gewährung von Urlaub und dem Einzug von Beiträgen unter Gewährung entsprechender Leistungen durch gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien befassen (bei Beachtung der Bedingungen aus Ziffer 1 und 2 des Abs. es 3), auch auf ausländische Arbeitgeber und ihre nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern, selbst wenn im übrigen ausländisches Recht anwendbar wäre. Dies ergibt der Wortlaut des § 1 Abs. 3 AEntG. Dort ist davon die Rede, daß „die Rechtsnormen solcher Tarifverträge auch auf einen ausländischen Arbeitgeber und seinen im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer zwingend Anwendung“ finden, wenn ... In der amtlichen Begründung ist von der „Einbeziehung“ ausländischer Arbeitgeber in das Sozialkassenverfahren die Rede (Lorenz aaO Seite 35). Die Kommentarliteratur versteht dies unter Hinweis auf die ratio legis ebenso (vgl. Kretz, aaO, Teil C Randziffer 73 ff., insbesondere Randziffer 81; Koberski/Sahl/Hold, aaO, § 1 Randziffer 186 ff.).
Bei den §§ 55 ff. VTV, auf die der Kläger sein Begehren stützt, handelt es sich aber nicht um tarifliche Normen, die für im Inland ansässige Arbeitgeber gelten und die nun auch auf im Ausland ansässige Arbeitgeber Anwendung finden sollen, deren Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten.
Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben vielmehr für die in Anspruchnahme von Bauunternehmen mit Sitz im Ausland nicht nur einen besonderen Tarifabschnitt mit besonderer Überschrift („Urlaubskassenverfahren für außerhalb Deutschlands ansässige Arbeitgeber und ihre in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmern“) geschaffen, sondern für diese auch ein gänzlich anderes Verfahren mit völlig unterschiedlichen Rechten und Pflichten konstituiert:
Ausgangspunkt für das Beitragseinzugsverfahren bei in Deutschland ansässigen Bauunternehmen ist § 13 Abs. 2 des Bundesurlaubsgesetzes. Nach dieser Vorschrift kann für das Baugewerbe oder sonstige Wirtschaftszweige mit häufig wechselnden Einsatzorten von den Regelungen des BUrlG durch Tarifvertrag abgewichen werden, soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist. Dabei geht das Gesetz selbst in seinem Wortlaut davon aus, daß u. a. im Baugewerbe wegen der häufig wechselnden Arbeitsorte „Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfang üblich sind“ und deshalb in einer Vielzahl von Fällen die gesetzliche Wartezeit von 6 Monaten, nach der erstmals der volle Jahresurlaub beansprucht werden kann (§ 4 BUrlG), nicht erfüllt wird, so daß die betroffenen Arbeitnehmer nur einen Urlaubsanspruch von wenigen Tagen oder auch keinen Anspruch auf Urlaub erwerben. Hinzu kommt in den meisten Fällen, daß die Arbeitnehmer ihren Urlaubsanspruch wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Freizeit gewährt bekommen, sondern sich mit der Abgeltung ihres Urlaubs in Geld begnügen müssen, § 7 Abs. 4 BUrlG.
Um diese Folgen zu vermeiden, haben die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in § 8 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) eine vom BUrlG abweichende Regelung vereinbart. Danach beträgt der Urlaubsanspruch im Kalenderjahr 30 Arbeitstage (= 36 Werktage). Maßgeblich für den Erwerb von Urlaubsansprüchen ist die Gesamtdauer der Beschäftigung in Betrieben des Baugewerbes während des urlaubsjahres. Zugunsten des Arbeitnehmers werden die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse im Baugewerbe zu einem Arbeitsverhältnis zusammengefaßt. Mit einer bestimmten Zahl von Beschäftigungstagen (seit 1993: 16,5) erwirbt der Arbeitnehmer Anspruch auf einen Urlaubstag. Im Urlaubsjahr kann ein Teil des Jahresurlaubs erstmals angetreten werden, wenn der Anspruch darauf einschließlich eines etwa übertragenen Resturlaubs aus dem Vorjahr mindestens 9 Tage beträgt. Vom Schlechtwetterzeitraum 1. November 1997 bis 31. März 1998 an muß sich allerdings jeder Arbeitnehmer im räumlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau im Falle witterungsbedingter Ausfallstunden bis zu 5 Urlaubstage hierauf anrechnen lassen, wodurch sich sein darüber hinaus frei disponibler Jahresurlaubsanspruch möglicherweise auf 25 Arbeitstage (= 30 Werktage) reduziert.
Der Arbeitnehmer kann seinen vollen bis dahin erworbenen Urlaubsanspruch bei dem Arbeitgeber, bei dem er aktuell beschäftigt ist, geltend machen, und zwar unabhängig davon, wie lange er bei diesem Arbeitgeber beschäftigt ist (Mitnahme des Urlaubsanspruchs).
Diese Möglichkeit, den Urlaubsanspruch von einem zum nächsten Arbeitgeber mitzunehmen, würde freilich – unter der vom Gesetzgeber angenommenen Prämisse häufiger kurzfristiger Arbeitsverhältnisse – zu einer grob ungleichmäßigen Belastung der verschiedenen Arbeitgeber führen, da ein Urlaubsanspruch möglicherweise während eines Arbeitsverhältnisses erworben, dann aber während eines anderen Arbeitsverhältnisses erfüllt wird. Im Rahmen des im wesentlichen im VTV vom 12. November 1986 geregelten Umlageverfahrens zahlen die tarifunterworfenen Arbeitgeber des Baugewerbes einen bestimmten Prozentsatz der in ihrem Betrieb angefallenen Bruttolohnsumme an den Kläger und erwerben im Gegenzug Ansprüche gegen sie auf volle oder teilweise Erstattung derjenigen Leistungen, die die Arbeitgeber an die Arbeitnehmer erbracht haben (Urlaubsentgelt, zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine prozentuale Pauschale für die vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge).
Dieses im VTV ausführlich mit Vorschriften über Nachweispflichten, Melde-, Zahlungs- und Verfallfristen geregelte Beitrags- und Erstattungsverfahren stellt sich für Betriebe mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt dar:
Gemäß § 3 VTV erbringt der Kläger Leistungen im Urlaubsverfahren und hat Anspruch auch auf die zur Finanzierung dieses Verfahrens festgesetzten Beiträge. Die ZVK ist Einzugsstelle für den gesamten Sozialkassenbeitrag nach § 24 Abs. 1 VTV. Dieser Beitrag ist als Gesamtbeitrag für alle Sozialkassen des Baugewerbes ausgewiesen und beträgt derzeit 20,1 % der Bruttolohnsumme in den alten Bundesländern, 18,4 % in den neuen Bundesländern (§ 48 BRTV-Bau). In diesem Gesamtbeitrag ist ein Anteil für den Urlaub in Höhe von 14,45 % (bis 30.06.1997 14,95 %) der Bruttolohnsumme enthalten. Berechnungsgröße für den Beitrag ist die Bruttolohnsumme des betroffenen Betriebs. Für Arbeitgeber mit Sitz im Inland ergibt sich die Bruttolohnsumme aus der Addition der Bruttolöhne aller im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer (§ 24 Abs. 2 VTV).
Die Bruttolohnsumme ist gemäß § 27 Abs. 1 VTV monatlich bis zur Mitte des Folgemonats der ZVK-Bau als Einzugsstelle zu melden. Auf dem von der Kasse zur Verfügung zu stellenden Formular hat jeder Arbeitgeber hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer außerdem anzugeben:
1) Name, Anschrift und Betriebskontonummer des Arbeitgebers,
2) den für den Abrechnungszeitraum fällig gewordenen Sozialkassenbeitrag,
3) jeweils die Zahl aller vom Tarifvertrag erfaßten gewerblichen Arbeitnehmer des Betriebes für den Abrechnungszeitraum.
Nur auf besondere Anforderung der ZVK hat der Arbeitgeber gem. § 27 Abs. 2 VTV darüber hinaus auch Namen und Anschriften der im Abrechnungszeitraum beschäftigten Arbeitnehmer mitzuteilen und die Bruttolohnsumme des Abrechnungszeitraums auf die einzelnen Arbeitnehmer aufzuschlüsseln.
Ebenfalls zum 15. des jeweiligen Folgemonats hat der Arbeitgeber die entsprechenden Beiträge zu überweisen, § 29 Abs. 1 VTV. Der Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung von Urlaubsentgelt und zusätzlichem Urlaubsgeld entsteht jeweils erst nach Gewährung des Urlaubs und der Zahlung an den Arbeitnehmer und ist auf entsprechenden Formularen gegenüber der Urlaubskasse geltend zu machen. Der beitragspflichtige Arbeitgeber ist nicht berechtigt, mit Erstattungsansprüchen gegen Beitragsforderungen der ZVK aufzurechnen.
Die Kasse stellt dem Arbeitgeber auf Anforderung sogenannte Lohnnachweiskarten zur Verfügung, die vom Arbeitgeber für die einzelnen Arbeitnehmer nach Maßgabe der §§ 4 – 6 VTV zu führen sind. Sie enthalten die wichtigsten Daten zur Ermittlung der tariflichen Ansprüche des Arbeitnehmers und zur Feststellung von Erstattungsansprüchen des Arbeitgebers gegenüber der Urlaubskasse. Die Lohnnachweiskarte gehört zu den Arbeitspapieren des Arbeitnehmers. Am Jahresende oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Herausgabe der Karte.
Wegen der Einzelheiten des Verfahrens und seiner Rechtsgrundlagen wird auf die ausführliche Darstellung von Koch: Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes, München 1994, sowie auf Matthes: Das Sozialkassensystem im Baugewerbe der Bundesrepublik Deutschland (in Köbele/Sahl, Die Zukunft der Sozialkassensysteme der Bauwirtschaft im Europäischen Binnenmarkt, Köln 1993) und Kretz, aaO, Teil C Rn. 67 – 71, 90 – 94 verwiesen.
Das Urlaubskassenverfahren, das die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in den §§ 55 – 71 VTV per 01.12.1996 für im Ausland ansässige Bauunternehmen neu geschaffen haben, sieht demgegenüber wie folgt aus:
Gegenstand des Verfahrens ist ebenfalls die Beitragsleistung durch Bauarbeitgeber auf der Grundlage von Bruttolohnsummen beschäftigter Arbeitnehmer einerseits und die Zahlung angefallener Urlaubsvergütung durch den Kläger andererseits. Anders als beim Verfahren für im Inland ansässige Arbeitgeber ist jedoch ein Erstattungsanspruch der im Ausland ansässigen Arbeitgeber gegen den Kläger nicht vorgesehen. Vielmehr begründet der Tarifvertrag einen Anspruch jedes einzelnen entsandten Arbeitnehmers gegenüber dem Kläger auf Zahlung der Urlaubsvergütung. An diesen zahlt der Kläger erfüllungshalber die ihm bei Urlaubsantritt zustehende Urlaubsvergütung nach Maßgabe des § 65 VTV aus. Gleiches gilt gem. § 66 VTV im Falle der Urlaubsabgeltung bei Rückkehr des entsandten Arbeitnehmers in sein Heimatland unter den Bedingungen des § 8 Ziff. 7.1. lit. i. BRTV-Bau.
Das in § 1 Abs. 3 Ziff. 1 AEntG angesprochene Doppelbelastungsverbot findet sich in § 8 Ziff. 11.2. BRTV-Bau. Die in § 1 Abs. 3 Ziff. 2 AEntG angesprochene Regelung der Anrechnung bereits erbrachter Arbeitgeberleistungen findet sich in § 64 VTV.
Ein weiterer Unterschied des Verfahrens besteht im Umfang der Auskunftspflichten des im Ausland ansässigen Arbeitgebers. Zusätzlich zu den in § 27 Abs. 1 und 2 VTV von inländischen Arbeitgebern geforderten Auskünfte hat der im Ausland ansässige Arbeitgeber gem. § 59 Abs. 2 VTV unmittelbar vor Aufnahme der jeweiligen Tätigkeit der einzelnen Arbeitnehmer auf einem Formular der Urlaubskasse folgende Daten mitzuteilen:
1. Name, Vorname, Geburtsdatum und Heimatadresse des entsandten
gewerblichen Arbeitnehmers sowie die bei der Urlaubskasse registrierte Arbeitnehmernummer, soweit sie bereits vergeben wurde;
2. inländische und ausländische Bankverbindung des Arbeitnehmers;
3. Ort der Baustelle, auf welcher der Arbeitnehmer arbeiten wird;
4. Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers;
5. Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung;
6. inländische, postalisch erreichbare Zustelladresse des Arbeitgebers;
7. die Einzugsstellen und deren Adressen, an welche die lohnbezogenen Beiträge zu den Systemen der sozialen Sicherheit abgeführt werden, sowie die Nummer, unter welcher der Arbeitnehmer bei diesen Einzugsstellen geführt wird;
8. das Finanzamt und dessen Adresse, an welches die Lohnsteuer abgeführt wird, sowie die Steuernummer des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers.
Hinzu kommt gem. § 59 Abs. 3 VTV die tarifvertragliche Verpflichtung, monatlich ohne besondere Aufforderung auf einem Formular der Urlaubskasse folgende Daten für jeden einzelnen entsandten Arbeitnehmer mitzuteilen:
1. Name, Vorname, Geburtsdatum und Arbeitnehmernummer;
2. Abweichungen gegenüber der oben angeführten Erstmeldung;
3. Höhe des monatlichen Bruttolohnes in deutscher Währung.
Anders als für Arbeitnehmer, die bei inländischen Arbeitgebern beschäftigt sind, ist die Ausstellung einer ständigen Lohnnachweiskarte für aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer tarifvertraglich nicht vorgesehen. Stattdessen sieht § 68 VTV in den dort genannten Fällen eine Bescheinigung des Klägers über die für den Urlaubsvergütungsanspruch wesentlichen Daten des entsandten Arbeitnehmers vor. Die Beitragshöhe, die ein ausländischer Arbeitgeber zu entrichten hat, beträgt gem. § 61 VTV 14,25 % (bis 30.06.1997 14,82 %) der Bruttolohnsumme der entsandten Arbeitnehmer.
Schließlich enthält § 70 VTV hinsichtlich ausländischer Arbeitgeber die Verpflichtung der Urlaubskasse, „der Bundesanstalt für Arbeit, deren Dienststellen und den Hauptzollämtern diejenigen Auskünfte zu erteilen, die zur Beurteilung der ordnungsgemäßen Teilnahme am Urlaubskassenverfahren benötigt werden“.
Die Tarifvertragsparteien haben damit für im Ausland ansässige Bauunternehmen ein neues und völlig anderes Urlaubskassenverfahren konzipiert. Hierfür hat ihnen das Arbeitnehmerentsendegesetz aber keine Normsetzungskompetenz, keine Tarifmacht, eingeräumt, derer es aber – wie oben ausführlich dargelegt – bedurft hätte, da jenseits des Regelungsbereichs des Arbeitnehmerentsendegesetzes ausländisches Recht, hier norwegisches Recht, gilt.
Dabei spielt es entgegen der Ansicht des Klägers keine Rolle, ob die Bauunternehmen und/oder die Arbeitnehmer aus dem Ausland im Einzelfall günstiger behandelt werden als inländische Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer. Fehlende Tarifmacht wird durch bevorzugte Behandlung der Betroffenen nicht geheilt.
Diese Überschreitung tariflicher Regelungskompetenz führt zur Unwirksamkeit der §§ 55 ff. VTV.
Obwohl der Tarifvertrag als Vertrag zustande kommt, richtet sich die eventuelle Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit nicht nach § 139 BGB, da wegen des Rechtsnormcharakters und den damit verbundenen Anforderungen an die Rechtssicherheit nicht auf den hypothetischen Willen der Tarifvertragsparteien abgestellt werden kann. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksamen Bestimmungen noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (BAG AP Nr. 8 zu § 4 TVG Effektivklausel; BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen; BAG AP Nr. 12 zu § 4 TVG Ordnungsprinzip; BAG AP Nr. 1 zu § 1 TVG Teilnichtigkeit; LAG Köln LAGE § 622 BGB Nr. 20). Totalnichtigkeit ist dabei die Ausnahme.
Auch im vorliegenden Fall führt die Unwirksamkeit der §§ 55 ff. VTV nicht zur Totalnichtigkeit des gesamten Verfahrenstarifvertrages. Die §§ 1 – 54 VTV beschäftigen sich ausschließlich mit dem Sozialkassenverfahren für Arbeitgeber, die ihren Sitz im Inland haben. Diese Regelung ist als solche funktionsfähig, praktizierbar und in sich geschlossen. Dies wird schon durch die Tatsache bewiesen, daß dieses Verfahren in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten eingeführt ist. Aus diesem Grunde reicht es auch hier aus, die §§ 55 ff., die sich ausschließlich mit der Einbeziehung außerhalb Deutschlands ansässige Arbeitgeber in das Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft beschäftigen, für unwirksam zu erklären. Auch ohne diese Normen ist der übrige Tarifvertrag funktionstüchtig.
Die §§ 55 ff. VTV sind auch noch aus einem weiteren rechtlichen Gesichtspunkt unwirksam. Sie verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Grundgesetz.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) gehört dem vorstaatlichen überpositivem Recht an (BVerfG 1, 223; 6, 91). An ihn sind auch die Träger kollektiver Ordnungen, wie z. B. die Tarifvertragsparteien gebunden, da sie Gesetze im materiellen Sinne, also objektives Recht setzen (BAG AP Nr. 4, 6, 7, 68, 117 zu Art. 3 Grundgesetz). Es herrscht Einigkeit darüber, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz zu den tragenden Ordnungsprinzipien des Arbeitsrecht gehört, auch wenn seine dogmatische Begründung im einzelnen streitig sein mag (vgl. i. E. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl. 1996, S. 968 ff. mwN).
Gemäß Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz darf niemand wegen ... seiner Abstammung, ..., seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, ..., benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Bedeutung dieser Vorschrift besteht darin, daß die von der Verfassung aufgezählten Merkmale nicht zum Anlaß einer Differenzierung genommen werden dürfen, und zwar weder belastend noch begünstigend.
Genau dies ist in den §§ 55 ff. VTV jedoch geschehen. Wie oben bereits ausführlich dargestellt, haben die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in den §§ 55 ff. VTV für im Ausland ansässige Bauunternehmen ein spezielles Urlaubskassenverfahren entwickelt, das sich von dem Urlaubskassenverfahren für inländische Bauunternehmer fundamental unterscheidet. Diese Unterscheidung beruht allein auf der Herkunft der ausländischen Bauunternehmen. Dies kann bereits der Überschrift zu den §§ 55 ff. VTV zwanglos entnommen werden. Auch in diesem Zusammenhang muß der Kläger darauf hingewiesen werden, daß entgegen seiner Ansicht auch bevorzugende Differenzierungen nach Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz unzulässig sind.
Selbst wenn man sich auch dieser Auffassung nicht anschließen wollte, wären die §§ 55 ff. VTV unwirksam, und zwar wegen Verstoßes gegen § 13 Abs. 2 BUrlG.
Danach kann, wie oben ebenfalls bereits ausgeführt, für das Baugewerbe durch Tarifvertrag von den Vorschriften des BUrlG abgewichen werden, „soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist.“ Die Kammer kann diese Erforderlichkeit für die aus dem Ausland entsandten Arbeitnehmer nicht erkennen.
Für Arbeitnehmer inländischer Bauunternehmen begründet das Gesetz das Recht zu abweichender tariflicher Regelung damit, daß wegen der häufig wechselnden Arbeitsorte Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichen Umfang üblich sind und deshalb in einer Vielzahl von Fällen nur Bruchteile des Jahresurlaubs beansprucht werden könnten. Ob dies heutzutage tatsächlich noch immer zutrifft, erscheint der Kammer zwar zweifelhaft, kann hier aber dahinstehen.
Für die aus dem Ausland entsandten Arbeitnehmer trifft dies jedenfalls nicht zu, zumindest hat der Kläger dazu trotz Hinweises nichts vorgetragen. Die Kammer geht davon aus, daß aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer während der Zeit ihrer Entsendung ihren Arbeitgeber in der Regel nicht wechseln, sondern so lange für ihn in Deutschland arbeiten, bis er sie wieder in ihr Herkunftsland beordert (ebenso die Vorlagebeschlüsse des erkennenden Gerichts, vgl. z. B. vom 03.02.1998, 7 Ca 2239/97, Seite 17). Damit entfällt ein Bedürfnis zu abweichender tariflicher Regelung von Urlaub zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs. Die §§ 55 ff. VTV sind demgemäß nicht „erforderlich“ im Sinne von § 13 Abs. 2 BUrlG und damit unwirksam. Dabei wird zu Gunsten des Klägers die grundsätzliche Eignung der §§ 55 ff. VTV zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs unterstellt (a. A. die Vorlagebeschlüsse des erkennenden Gerichts, vgl. z. B. vom 13.02.1998, 7 Ca 2239/97, Seite 17).
Der Kläger könnte sich demgegenüber nicht darauf berufen, durch § 1 Abs. 3 des erst am 01.03.1996 in Kraft getretenen Arbeitnehmerentsendegesetzes sei das Merkmal der Erforderlichkeit aus § 13 Abs. 2 BUrlG für entsandte Arbeitnehmer aufgegeben worden und die Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft dürften nunmehr nach eigenem Ermessen Urlaubsregelungen in Abweichung zum BUrlG schaffen. Ausdrückliche Hinweise darauf finden sich weder im Arbeitnehmerentsendegesetz selbst noch in dessen Materialien. Ein solcher „Freibrief“ verstieße auch gegen Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz. Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes wären dann nämlich in der Situation, die Bedingungen für die Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs gem. § 13 Abs. 2 BUrlG für Arbeitnehmer inländischer Bauunternehmen beachten zu müssen, für entsandte Arbeitnehmer aber nicht. Damit hätten die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes offenkundig gegen das Differenzierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz verstoßen. Eine Ermächtigung zu verfassungswidriger Differenzierung kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden.
Solange der Kläger also nicht vortragen kann, daß entsandte Arbeitnehmer in ähnlicher Weise ihren Arbeitgeber während des Urlaubsjahres wechseln wie Arbeitnehmer inländischer Bauunternehmen, erscheint eine vom Bundesurlaubsgesetz abweichende tarifliche Regelung wie die §§ 55 ff. VTV nicht erforderlich im Rechtssinne und damit unwirksam.
Bei alle dem kann sogar ungeprüft bleiben, ob die §§ 55 ff. VTV im vorliegenden Fall nicht auch unanwendbar sind, weil das norwegische Recht, so wie dies die Beklagte im einzelnen vorgetragen hat, dem Kläger vergleichbare Einrichtungen zur Verfügung hält und dadurch eine Doppelbelastung der Beklagten auftritt, die § 1 Abs. 3 Ziff. 1 AEntG gerade ausschließen will.
Es kann bei dem gefundenen Ergebnis auch dahinstehen, ob und inwieweit die §§ 55 ff. VTV nicht auch gegen die Art. 4, 36 und 37 des zwischen Deutschland und Norwegen geltenden Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum vom 02.05.1992 (BGBl. 93 II 266) verstoßen. Hierauf hat die Beklagte mit beachtlichen Argumenten hingewiesen. Art. 4 des Abkommens verbietet in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Nach Art. 36 und 37 des Abkommens unterliegt der freie Dienstleistungsverkehr im Gebiet der Vertragsparteien, und damit auch die von der Beklagten in Deutschland angebotenen Tätigkeiten, keinen Beschränkungen.
Schließlich kann auch ungeprüft bleiben, ob der Verfahrenstarifvertrag in seiner jüngsten, auf Arbeitgeber außerhalb Deutschlands erstreckten Fassung überhaupt ordnungsgemäß für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Immerhin ist gemäß § 5 Abs. 1 Ziffer. 1 TVG eine der Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeit, daß die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Wie diese Feststellungen europaweit für alle baugewerblichen Unternehmen, die Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden könnten, getroffen worden sein sollen, ist der erkennenden Kammer nicht nachvollziehbar.
Genauso fragwürdig erscheint die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Blick auf die Art der Veröffentlichung (§ 5 Abs. 7 TVG). Das Bundesverfassungsgericht hat die vorgeschriebene Form der öffentlichen Bekanntmachung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung schon für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer für nicht befriedigend, aber noch ausreichend gehalten (BVerfG AP Nr. 15 zu § 5 TVG; BVerfG NZA 92, 125; vgl. auch BAG AP Nr. 25 zu § 5 TVG). Danach erfolgt die Veröffentlichung der AVE gem. § 11 Nr. 2 TVG in Verbindung mit § 11 der Verordnung zur Durchführung des TVG durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger. Dadurch werde – so das Bundesverfassungsgericht – der Rechtssetzungsakt der Allgemeinverbindlichkeitserklärung den Betroffenen in noch hinlänglicher Weise bekannt gemacht. Ob mit dieser Form der Bekanntmachung auch bezüglich aller baugewerblichen Unternehmen in Europa, die Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden könnten, ein ausreichendes Maß an Publizität gewährleistet ist, dürfte zumindest zweifelhaft sein.