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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutschen Kläger haben mit der Beklagten, einer auf der Isle of Man niedergelassenen Gesellschaft, einen Vertrag über die Nutzung eines Ferienappartements in einer in Griechenland belegenen Hotelanlage abgeschlossen. Der Vertrag vermittelte zugleich und notwendigerweise die Aufnahme in einen Club. Die Clubmitgliedschaft war Voraussetzung für den Erwerb eines Nutzungsrechts an den Ferienappartements. Allerdings verschaffte sie keine zusätzlichen Vorteile. Die Kläger haben zunächst eine Anzahlung geleistet und später den Gesamtpreis ohne Abzug der Anzahlung überwiesen. Sie klagen nunmehr vor einem deutschen Gericht auf Rückzahlung der ohne rechtlichen Grund überwiesenen Beträgen.
Das Oberlandesgericht Hamm (DE) setzt sich mit der Frage auseinander, ob eine ausschließliche Zuständigkeit der griechischen Gerichte gemäß Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte entgegen stehe. Dies wäre der Fall, wenn der streitige Vertrag „die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ i.S. dieser Vorschrift zum Gegenstand habe. Ein sog. „gemischter Vertrag“, der die Anwendung des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ ausschließe, liege hier nicht vor, da die Clubmitgliedschaft den Klägern keine zusätzlichen Vorteile verschaffe. Trotz dieser Feststellung, sei eine Anwendung des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ nicht ohne Bedenken zu bejahen, da es immer noch fraglich sei, ob auch reine Time Sharing-Verträge unter den Anwendungsbereich dieser Norm fielen. Auch wenn man annehmen würde, dass Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ im streitigen Fall heranzuziehen sei, stelle sich die Frage, ob diese Vorschrift auch Ansprüche umfasse, die zwar im Rahmen eines Miet- oder Pachtverhältnisses entstünden, sich aber auf eine außervertragliche Rechtsgrundlage stützten (vorliegend auf ungerechtfertigte Bereicherung). Da eine Antwort auf die oben genannten Fragen entscheidungserheblich sei, legt das Gericht diese dem EuGH zur Vorabentscheidung vor (EuGH 13.10.2005 C-73/04).
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
1. Die Fragen stellen sich in dem Rechtsstreit der Eheleute L2 aus Dortmund um die Rückzahlung ihrer Leistungen von insgesamt 15.940,‑ DM / 8.150,‑ EUR für die Nutzung eines Ferienappartements in einer Hotelanlage in J auf Rhodos/Griechenland mit Vertrag vom 15.9.1992 für die 13. Kalenderwoche jeden Jahres bis 2031. Die beklagte S Ltd., mit Sitz auf der Isle of Man, ist nach Ausscheiden des T Clubs durch rechtskräftige Klageabweisung und einer weiteren Partei durch Klagerücknahme mit Schriftsatz vom 12.12.2003 die letzte noch verbleibende Beklagte. Sie war neben einer weiteren Gesellschaft Partnerin des Vertrages vom 15.9.1992.
2. Wenn die zur Auslegung von Art. 16 Nr. 1 a Brüsseler Übereinkommen gestellten Fragen bejaht werden, muß das Oberlandesgericht Hamm sich – wie es auch schon die 1. Instanz getan hat – gemäß Art. 19 des Übereinkommens für unzuständig erklären. Wird Frage 1 verneint, kommt nach Art. 4 des Übereinkommens die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Verbrauchergerichtsstand des § 29c ZPO oder im Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes nach § 29 ZPO in Betracht.
3. Zweifel an der Anwendbarkeit des Art. 16 Nr. 1a Brüsseler Übereinkommen ergeben sich aus der erkennbaren Absicht der Anbieterseite, den Vertrag abweichend von einem normalen Austauschverhältnis wie z.B. Miete und Pacht zu konstruieren. Zwar werden die Kläger als „Käufer“ tituliert, der Vertrag ist aber als Mitgliedschaftsvertrag überschrieben und eine Mitgliedschaft im T Club wird zugleich vermittelt. Sie scheint angesichts der Verbindlichkeit der Club-Statuten für das Vertragsverhältnis auch keine bloße Nebenleistung zu sein. Ein Erwerb des Nutzungsrechts ohne Clubmitgliedschaft ist nicht vorgesehen. Im Gesamtpreis von 13.300,‑ DM dominiert die „Mitgliedschaftsgebühr“ von 10.153,‑ DM.
4. Allerdings verschafft die Clubmitgliedschaft keine zusätzlichen Vorteile mit Ausnahme des Zugangs zur Tauschorganisation S2, die gesondert zu vergüten ist (350 DM für 3 Jahre). Das „Serviceangebot“ (Bl. 24 der Akten) betrifft Leistungen der Hotelanlage, die diese den Nutzern der im Wege des Time Sharing vermarkteten Ferienappartements ebenso zur Verfügung stellt wie den Hotelgästen. Es liegt also kein gemischter Vertrag im Sinne des Urteils des Gerichtshofs vom 26.2.1992 (Hacker./. EUR Relais GmbH, Slg. 1992 I 1127) vor, der die Anwendung von Art. 16 Nr. 1a des Übereinkommens ausschlösse (so etwa Jayme IPRax 1996, 87, 88).
5. Die Kläger meinen, daß diese Ansätze ausreichen, dem vorliegenden Time Sharing-Vertrag ein gesellschafts- oder vereinsrechtliches Gepräge zu verleihen, das die Qualifikation als „Miete oder Pacht“ im Sinne von Art. 16 Nr. 1 a des Übereinkommens ausschließt und damit den ausschließlichen Gerichtsstand unanwendbar macht. Auch die deutsche Rechtsprechung hat verschiedentlich die Anwendung des Art. 16 Nr. 1a des Übereinkommens wegen vereins- oder gesellschaftsrechtlicher Vertragsgestaltungen abgelehnt (Kammergericht Berlin v. 21.1.1998, IPRspr. 1998 Nr. 251; LG Dresden v. 23.6.1998, IPRspr. 1998 Nr. 146). Dem liegen jedoch die Vorstellungen des nationalen Rechts zugrunde. Die Fragestellung verlangt eine vertragsautonome Interpretation und damit der Entscheidung des Gerichtshofs.
6. Das vorlegende Gericht erwartet, daß damit zugleich die Frage beantwortet werden wird, ob ein Time Sharing-Vertrag über die Nutzung eines Ferienappartements auch ohne solche gesellschafts- und vereinsrechtlichen Aspekte stets ein Vertrag über „Miete oder Pacht“ unbeweglicher Sachen ist, wie es in der deutschen Rechtsprechung und dem deutschen Schrifttum ganz überwiegend angenommen wird (z.B. OLG Koblenz v. 8.9.2000, IPRspr. 2000 Nr. 130; LG Darmstadt v. 23.8.1995, IPRspr. 1995 Nr. 149; LG Heilbronn v. 6.10.1996, Bl. 96 ff der Akten; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Art. 16 Rn. 17; Schlosser, EU-Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. Art. 22 Rn. 10; Mankowski EuZW 1996, 177; ders. VuR 2001, 257). Demgegenüber hatte sich der Kommissionsvorschlag für den Entwurf der das Übereinkommen ablösenden Verordnung vom 14.7.1999, KOM (1999) 348 endg., dafür ausgesprochen, Time Sharing-Verträge den Verbrauchergerichtsständen zu unterstellen (dort zu Art. 15).
7. Auch die zweite Frage bedarf der autonomen Interpretation durch den Gerichtshof. Die Kläger haben zunächst die geforderte Anzahlung von 2.640,‑ DM geleistet und wenig später den Gesamtpreis ohne Abzug der Anzahlung überwiesen. Können sie auch diese Überzahlung nur im forum rei sitae einklagen? Es geht insoweit nicht um die Auslegung der Begriffe „Miete oder Pacht“, sondern darum, ob Ansprüche, die im Rahmen eines Miet- oder Pachtverhältnisses entstanden sind, aber auf eine außervertragliche Rechtsgrundlage gestellt werden können (unerlaubte Handlung oder – wie hier – ungerechtfertigte Bereicherung), dadurch ihre Verknüpfung mit dem forum rei sitae verlieren.