I. Mit dem angefochtenen Beschluß vom 9. August 2004 hat das Landgericht Coburg einen gegen den Antragsgegner gerichteten Wechselzahlbefehl des Bezirksgerichts Brno vom 16. September 2002 auf Antrag des Antragstellers mit der Vollstreckungsklausel versehen (§§ 3, 6, 8, 9 AVAG, Art. 38 ff. EuGVVO).
Der vorgenannte Beschluß und die Vollstreckungsklausel wurden dem Antragsgegner unter seiner Wohnanschrift in Bad Kissingen am 7.10.2004 persönlich zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 21.1.2005, eingegangen, per Telefax beim Landgericht Coburg am gleichen Tage, legte der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts Coburg vom 9.8.2004 Beschwerde ein und beantragte, den Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung und Klauselerteilung für den Beschluß des Bezirksgerichts Brno vom 16.9.2002 zurückzuweisen. Gleichzeitig beantragte der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Beschwerdefrist nach § 11 AVAG/Art.43 EuGVVO und die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt der Antragsgegner vor, es sei nicht ersichtlich, ob ihm der angegriffene Beschluß vollständig zugestellt worden sei. Der angefochtene Beschluß sei nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen, so daß ihm Wiedereinsetzung analog § 44 S. 2 StPO zu gewähren sei. Wiedereinsetzung sei dem Antragsgegner, einem tschechischen Staatsangehörigen, auch wegen der vorhandenen Sprachschwierigkeiten zu gewähren. Im übrigen sei der Antragsgegner davon ausgegangen, daß es ausreichend für seine Rechtswahrung sei, wenn er sich, wie er dies im Oktober 2004 bereits getan habe, unmittelbar an das Erstgericht in Tschechien wende.
Zur Beschwerdebegründung trägt der Antragsgegner vor, die Anerkennung der tschechischen Entscheidung widerspreche der deutschen verfahrens- und materiellrechtlichen öffentlichen Ordnung. Der Antragsteller habe sich durch betrügerische und verfälschende rechtswidrige bzw. strafbare Handlungen illegal einen vollstreckbaren Titel gegen ihn verschafft. Zwischenzeitlich sei der Rechtskraftvermerk des tschechischen Titels auch gestrichen worden (vgl. Bl. 39 – 43 der Akten).
Bei weiterer Fortsetzung der Zwangsvollstreckung würde dem Antragsgegner ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Antragsgegners wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 21.1.2005 (Bl. 27 – 33 der Akten) Bezug genommen.
Der Antragsteller hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. 1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landgerichts Coburg vom 9.8.2004 ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt wurde.
Das Erstgericht hat dem Antrag des Antragstellers auf Vollstreckbarerklärung des Wechselzahlbefehls des Bezirksgerichts Brno vom 16.9.2002 (Az.: 42/Sm 292/2002-11) zu Unrecht auf, der Grundlage des AVAG/EuGVVO entsprochen. Dem Anwendungsbereich des AVAL unterliegt die Ausführung der EUGVVO (§ 1 Abs. 1 Ziff. 2 b AVAG).
Die EuGVVO, die in ihrem Anwendungsbereich das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) ersetzt (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 25.Aufl., Anh. I, Rn. 3 zu Art. 1 EUGVVO), ist am 1.3.2002 in den Mitgliedstaaten der europäischen Union in Kraft getreten (vgl. Zöller-Geimer, aaO, Rn. 1), im Verhältnis zu Tschechien erst nach dessen Beitritt am 1.5.2004 (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Auf1., A. 1 Art. 1 Rn. 170). Aus der in Art. 66 EuGVVO enthaltenen Übergangsregelung folgt, daß im vorliegenden Fall die Vorschriften der EuGVVO nicht zur Anwendung kommen, da der Wechselzahlbefehl beim Bezirksgericht Brno vor dem 1.5.2004 (Inkrafttreten der VO im Verhältnis zu Tschechien) beantragt wurde (Erlaß am 16.9.2002). Es liegen damit weder die Voraussetzungen des Art.66 Abs. 1 EuGVVO noch die des Art.66 Abs. 2 EuGVVO vor., Tschechien war weder dem EuGVÜ noch dem damit weitgehend inhaltsgleichen Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 (LugÜ) beigetreten (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 25. Auf1., Anh. I, Rn. 18 zu Art. 1 EugVVO).
Ein die Anerkennung der Entscheidung des Bezirksgerichts Brno vom 16.9.2002 regelndes bilaterales Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Tschechien für den Zeitraum vor dem 1.5.2004 existiert nicht. Hieraus folgt, daß auch die Verfahrensvorschriften des AVAG nicht anwendbar sind.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung hätte nach Maßgabe der §§ 722 ff. ZPO durch Urteil erfolgen müssen (vgl. MünchKomm-Gottwald, ZPO, 2.Aufl., § 722 Rn. 4).
Die vorstehenden Ausführungen führen jedoch nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde des Antragsgegners.
Bei inkorrekten Entscheidungen ist sowohl das Rechtsmittel gegeben, das der erkennbar gewordenen Entscheidungsart entspricht, wie dasjenige, das der Entscheidung entspricht; für die die Voraussetzungen gegeben waren (Grundsatz der Meistbegünstigung: BGHZ 40, 265; 98, 362; NJW 1997, 1448; MDR 2002, 1204).
Bei korrekter Entscheidung des Erstgerichts wäre dies das Rechtsmittel der Berufung gewesen, das vom Antragsgegner jedoch nicht gewählt wurde und im Zeitpunkt des Eingangs des Rechtsmittels am 21.1.2005 auch verfristet gewesen wäre, da die Frist für die Berufungseinlegung einen Monat ab Zustellung der Entscheidung (hier der 7.10.2004) beträgt (§ 517 ZPO).
Im Hinblick auf die vom Erstgericht gewählte Entscheidungsform (Beschluß) war nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz das vom Antragsgegner gewählte Rechtsmittel der Beschwerde statthaft, und zwar sowohl im Hinblick auf das vom Erstgericht zu Unrecht zur Anwendung gebrachte AVAG (§ 11 Abs. l; Abs. 2 AVAG) als auch nach § 567 Abs. 1 ZPO.
In jedem Fall ist jedoch die Beschwerde unzulässig, da sie nicht fristgemäß eingelegt wurde: Weder ist die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 S. 1, S. 2 ZPO noch die 1-Monatsfrist des § 11 Abs. 3 AVAG eingehalten.
Auf §. 10 Abs. 2 AVAG, der eine Verlängerung der Beschwerdefrist vorsieht, kann der Antragsgegner sich bereits deshalb nicht berufen, da die Zustellung an ihn nicht im Ausland, sondern am 7.10.2004 in Bad Kissingen erfolgt ist.
Die am 21. Januar 2005 beim Landgericht Coburg eingegangene Beschwerde war daher verfristet.
2. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist als unzulässig zurückzuweisen.
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob es erforderlich war, den angefochtenen Beschluß mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, obwohl solche im zivilprozessualen Verfahren nicht vorgesehen sind (vgl. Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 25. Auf1., vor § 511 Rn. 39), denn auch das Unterlassen einer erforderlichen Rechtsmittelbelehrung steht weder der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung noch dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist entgegen (BGH NJW 2002, 2171 – 2174).
Ein Wiedereinsetzungsantrag kann jedoch nur Erfolg haben, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
Dem Antragsgegner kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist (§ 569 Abs. 1 ZPO bzw. § 11 Abs. 3 AVAG) nicht bewilligt werden, weil er nicht dargetan und glaubhaft gemacht hat, daß die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt ist. Zur Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2. S. 1 ZPO) und damit zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört grundsätzlich Sachvortrag, aus dem sich ergibt, daß der Antrag rechtzeitig nach der Behebung des Hindernisses (§ 234.Abs. 2 ZPO) gestellt wurde (BGHZ 5, 157; BGH NJW 2000, 592).
Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Frist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten ist (BGH NJW 1997, 1079). Das ist vorliegend nicht der Fall.
Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem das Hindernis behoben ist, durch das die Partei von der Einhaltung der Frist abgehalten worden ist. Das Hindernis für die rechtzeitige Einlegung der Beschwerde bestand vorliegend in der fehlenden Kenntnis des Antragsgegners von der laufenden Beschwerdefrist ab Zustellung. Kenntnis vom Beschluß des Landgerichts Coburg vom 9.8.2004 hat der Antragsgegner bereits am 7.10.2004 erlangt.
Wann er Kenntnis von der Beschwerdefrist erlangt hat, hat der Antragsgegner nicht vorgetragen.
Dem Akteninhalt ist nicht zu entnehmen, daß die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag offensichtlich eingehalten wurde.
Zwischen der Zustellung des Beschlusses (7.10.2004) und Einlegung der Beschwerde (21.1.2005) liegt ein Zeitraum von mehr als 3 Monaten. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß der Antragsgegner bereits im Oktober oder November 2004 anwaltlichen Rat einholte und ab diesem Zeitpunkt dann das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden könnte. Eine sachliche Prüfung des Beschwerdevorbringens ist dem Senat aus den vorstehenden Gründen verwehrt.
3. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen nicht in Betracht.