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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte am 2.12.1998 ein Urteil des Landgerichts Katowice (PL) gegen die Antragsgegnerin. Auf Antrag der Antragstellerin wurde das Urteil vom Vorsitzenden der Zivilkammer des Landgerichts Aschaffenburg (DE) im Verfahren nach dem EuGVÜ durch Beschluss für in Deutschland vollstreckbar erklärt. Dagegen erhob die Antragsgegnerin Beschwerde.
Das Oberlandesgericht Bamberg (DE) führt aus, dass der Beschluss aufzuheben sei. Das EuGVÜ sei nicht anzuwenden gewesen, da Polen dem EuGVÜ nicht beigetreten sei. Dem weitgehend inhaltsgleichen LugÜ sei Polen zwar beigetreten, jedoch erst am 1.2.2000. Gemäß Art. 54 Abs. 1 LugÜ seien nur solche Entscheidungen nach den Vorschriften des Übereinkommens anzuerkennen, bei denen die Klage erhoben worden sei, nachdem das Abkommen im Ursprungsstaat in Kraft getreten sei. Nach Art. 54 Abs. 2 LugÜ könnten unter den dort genannten Voraussetzungen auch Entscheidungen anerkannt werden, denen eine vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens erhobene Klage zugrunde lag. Voraussetzung sei jedoch stets, dass die zu vollstreckende Entscheidung nach Inkrafttreten des Abkommens ergangen ist. Dies sei hier nicht der Fall. Ein bilaterales Abkommen zwischen der Bundesrepublik und Polen für den Zeitraum vor dem 1.2.2000 existiere nicht. Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung hätte also nach §§ 722, 723 ZPO durch Urteil erfolgen müssen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Beschwerde ist gemäß Art. 36 Abs. 1, 37 EuGVÜ, §§ 11, 12 AVAG zulässig.
Der vom Landgericht Aschaffenburg ohne mündliche Verhandlung gemäß § 6 Abs. 2 AVAL (Fassung vom 19.2.2001) erlassene Beschluß vom 10.11.2003 wurde der Antragsgegnerin am 9.12.2003 zugestellt. Sie hat am 29.12.2003 form- und fristgerecht Beschwerde beim Oberlandesgericht Bamberg eingelegt.
II. Das Rechtsmittel hat vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Das Erstgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des Landgerichts in Katowice vom 2.12.1998 (Az.: XIV. GC. 1772/96/8) zu Unrecht auf der Grundrage des EuGVÜ im Beschlußverfahren entsprochen.
1. Das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) ist nur im Verhältnis zu EU-Staaten anwendbar (vgl. MünchKomm-Gottwald, ZPO, 2. Aufl, Rn. 18 vor Art. 1 EuGVÜ). Polen war dem EuGVÜ nicht beigetreten (siehe Zöller/Geimer, ZPO, 22. Aufl., Anhang I, Rn. 1 zu Art. 1 EuGVÜ).
2. Dem mit dem EuGVÜ weitgehend inhaltsgleichen Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 (LugÜ) ist Polen zwar beigetreten, jedoch erst am 1.2.2000 (BGBl. 2000 II S. 1246). Gemäß Art.54 Abs. 1 LugÜ werden nur solche Entscheidungen nach den Vorschriften des Übereinkommens anerkannt, bei denen die Klage erhoben worden ist, nachdem das Abkommen im Ursprungsstaat in Kraft getreten ist. Nach Art. 54 Abs. 2 LugÜ können unter den dort genannten Voraussetzungen auch Entscheidungen anerkannt werden, denen eine vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens erhobene Klage zugrunde lag. Voraussetzung ist jedoch stets, daß die zu vollstreckende Entscheidung nach Inkrafttreten des Abkommens ergangen ist.
Dies ist hier nicht der Fall.
Vielmehr ist die Entscheidung des Sad Wojewodzki (Landgericht) in Katowice bereits am 2.12.1998 und damit vor Inkrafttreten des Übereinkommens in Polen erlassen worden.
3. Ein die Anerkennung dieser Entscheidung regelndes bilaterales Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen für den Zeitraum vor dem 1.2.2000 existiert nicht (vgl. MünchKomm-Gottwald, ZPO, 2. Aufl., Rn. 4 zu § 722 ZPO und Rn. 19 Anh. zu § 723 ZPO).
Hieraus folgt, daß auch die Verfahrensvorschriften des AVAG hier nicht anwendbar sind. Die Entscheidung über die Anerkennung hat vielmehr nach Maßgabe der §§ 722 ff. ZPO durch Urteil zu erfolgen.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin führt deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 10.11.2003.
4. Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil über die Vollstreckbarkeit des Urteils vom 2.12.1998 gemäß § 722 ZPO im Urteilsverfahren zu entscheiden ist. Zudem wäre in diesem Verfahren möglicherweise ein anderer Richter (gemäß § 348 Abs. 1 ZPO ein Einzelrichter der Zivilkammer und nicht gemäß Art. 32 LugÜ, § 3 Abs. 3 AVAG der Vorsitzende der Zivilkammer) für die Entscheidung zuständig gewesen.