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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsgegner wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Kufstein (AT) verurteilt, an den Antragssteller monatlichen Unterhalt zu leisten. Der Antragssteller beantragte daraufhin beim örtlich zuständigen deutschen Landgericht, das Urteil mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen. Dagegen wandte sich der Antragsgegner.
Das OLG München (DE) führt aus, dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 57 Abs. 2 S. 2 EuGVÜ i.V.m. dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 (HUÜ) zu beurteilen sei. Zwar gehen die Vorschriften des HUÜ grundsätzlich dem EuGVÜ vor. Jedoch gehen beide Instrumente vom Günstigkeitsprinzip aus, d.h. wenn sich der Antragsteller auf die Anwendung der Verfahrensvorschriften des EuGVÜ beruft, so sind diese anzuwenden, mit der Folge, dass die Zuständigkeit des Landgerichts nach Art. 32 EuGVÜ für die Vollstreckbarerklärung gegeben ist. Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarkerklärung beurteilen sich jedoch nach dem HUÜ, da Art. 57 Abs. 2 S. 3 EuGVÜ nur auf das Verfahren nach dem EuGVÜ verweist. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Art. 5 i.V.m. Art. 2 und 4 HUÜ liegen jedoch vor.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Auf Antrag des Antragstellers hat der Vorsitzende der 6. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein mit Beschluss vom 6.9.2001 angeordnet, das am 23.2.2001 erlassene Urteil des Bezirksgerichts Kufstein Gz. 1 C 91/99b, mit dem der Antragsgegner verurteilt worden ist, an den Antragsteller monatlichen Unterhalt in Höhe von ATS 2.700 seit 24.3.1997 sowie Kosten in Höhe von ATS 1.350, mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass dem Antrag gem. Art. 31 EuGVÜ zu entsprechen ist, nachdem ein Nachweis über die Rechtskraft der österreichischen Entscheidung vorliege und Gründe für die Nichtanerkennung nach Art. 27, 28 EuGVÜ nicht vorlägen.
Die daraufhin am 26.9.2001 von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilte Vollstreckungsklausel wurde am 8.5.2002 zusammen mit dem Beschluss vom 6.9.2001 dem Antragsgegner persönlich zugestellt.
Am 22.5.2002 hat der Antragsgegner Beschwerde beim Oberlandesgericht München gegen den Beschluss vom 8.5.2002 eingelegt.
Er trägt vor, die Anerkennung des Urteils sei gem. § 328 I Nr. 4 ZPO ausgeschlossen. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public liege deshalb vor, weil das Bezirksgericht Kufstein in seinem Urteil vom 23.2.2001 die Vaterschaft des Antragsgegners deshalb festgestellt habe, weil es die innerhalb der Empfängniszeit verheiratete Mutter hierzu einvernommen habe. In einem deutschen Verfahren müsste von Amts wegen mit allen brauchbaren Beweismitteln, insbesondere mit einem Blutgruppengutachten die Vaterschaft festgestellt werden. Da das Bezirksgericht Kufstein dies unterlassen habe, liege ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vor. Allein die Tatsache, dass der Antragsgegner der Ladung zum Termin vor dem Bezirksgericht Kufstein keine Folge geleistet hat, stehe einem ordre public Verstoß nicht entgegen.
Der Antragssteller, der eine Zurückweisung der Beschwerde begehrt, meint, dass der Antragsgegner mit seinen Einwendungen in dem Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht gehört werden könne. Allenfalls könne er in Österreich eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen, wenn er meint, nicht der Vater des Kindes zu sein.
Nachdem der Berichterstatter den Antragsteller darauf hingewiesen hat, dass der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht auf die Verfahrensvorschriften des EuGVÜ gestützt wurde, sondern auf den vorliegend nicht mehr anzuwendenden deutsch-österreichischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag vom 6.6.1959, hat der Antragsteller beantragt, das Verfahren nach dem EuGVÜ durchzuführen.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Das Landgericht hat seine Entscheidung nach den Vorschriften des EuGVÜ erlassen. Ob dies zu Recht geschehen ist, kann hier dahin gestellt bleiben, da nach der Meistbegünstigungstheorie der Beschwerdeführer sowohl nach denjenigen Vorschriften, auf die die Entscheidung gestützt wurde als auch nach den eigentlich anwendbaren Vorschriften ein Rechtsmittel einlegen kann. Die somit gem. Art. 36 I, 37 II EuGVÜ, § 11 I AVAG statthafte Beschwerde wurde innerhalb der in Art. 36 I EuGVÜ, § 11 III AVAG vorgesehenen einmonatigen Beschwerdefrist frist- und formgerecht (§ 11 I, II AVAG) eingelegt.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
a) Zwar leidet das Verfahren erster Instanz an einem schwerwiegenden Verfahrenfehler, denn das Landgericht war im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht zuständig für die getroffene Entscheidung. Dieser Umstand ist in der Beschwerdeinstanz im Verfahren nach dem EuGVÜ grundsätzlich zu berücksichtigen (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., vor § 1 AVAG Rn. 3). § 571 II S. 2 ZPO ist auf das vorliegende Verfahren noch nicht anzuwenden (§ 26 Nr. 10 EGZPO). Dieser Mangel ist jedoch in der Beschwerdeinstanz durch einen Antrag des Antragsstellers gem. Art. 57 II S. 3 EuGVÜ i.V.m. Art. 11 HUÜ 1958 geheilt worden.
(1) Der Antrag wurde an das Landgericht Traunstein gerichtet und auf den deutsch-österreichischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag vom 6.6.1959 gestützt. Gem. § 1 Ausführungsgesetz vom 8.3.1960 zum o.g. Vertrag wäre aber für die Vollstreckbarerklärung nach dem o.g. Vertrag das Amtsgericht zuständig. Auch wenn sich vorliegend die Vollstreckbarerklärung nicht nach dem o.g. Vertrag, sondern nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 (HUÜ 1958), der nach Art. 18 des deutsch-österreichischen Vertrags vom 6.6.1959 vorrangig anzuwenden ist, da sowohl Deutschland als auch Österreich Vertragsstaaten des HUÜ 1958 sind, richtet, wäre an sich gem. § 1 Ausführungsgesetz vom 18.7.1961 das Amtsgericht sachlich zuständig.
(2) Da Österreich und Deutschland im Zeitpunkt der Antragstellung auch Vertragsstaaten des EuGVÜ waren und der zu vollstreckende österreichische Titel auch in den Anwendungsbereich des EuGVÜ fällt, beurteilt sich die Frage, welche Verfahrensvorschriften anzuwenden sind, nach Art. 57 EuGVÜ. Nach Art. 57 II S. 2 EuGVÜ ist grds. das HUÜ 1958 als Spezialregelung anzuwenden, so dass sich an sich das Verfahren nach dem HUÜ 1958 richten würde. Art. 57 II S. 3 EuGVÜ i.V.m. Art. 11 HUÜ 1958 gehen jedoch vom Günstigkeitsprinzip aus, d.h. wenn sich der Antragsteller auf die Anwendung der Verfahrensvorschriften des EuGVÜ beruft, so sind diese anzuwenden, mit der Folge, dass die Zuständigkeit des Landgerichts nach Art. 32 EuGVÜ für die Vollstreckbarerklärung gegeben ist (vgl. hierzu Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., Art. 57 EuGVÜ Rn. 5; MüKo/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., Art. 11 HUÜ 1958 Rn. 2). Eine solche Erklärung lag im Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts zwar nicht vor – der Antragsteller hat sich ausdrücklich auf den deutsch-österreichischen Vertrag bezogen -, jedoch hat der Antragsteller in der Beschwerdeinstanz den erforderlichen Antrag gestellt. Dies ist zulässig, da die Beschwerdeinstanz auch eine Tatsacheninstanz ist und der Antrag daher nachgeholt werden konnte. Daher beurteilt sich das Verfahren nach dem EuGVÜ. Danach war der Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer des Landgerichts für die Entscheidung gem. Art. 32 EuGVÜ zuständig.
b) Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarkerklärung beurteilen sich jedoch nach dem HUÜ 1958, da Art. 57 II S. 3 EuGVÜ nur auf das Verfahren nach dem EuGVÜ, verweist (MüKo/Gottwald, Art. 57 EuGVÜ Rn. 8). Die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Art. 5 iVm Art. 2 und 4 HUÜ 1958 liegen jedoch vor.
(1) Die österreichischen Gerichte waren gem. Art. 3 Nr. 2 HUÜ 1958 international zuständig (Art. 2 Nr. 1 HUÜ 1958).
(2) Der Antragsgegner ist zu dem Verfahren vor dem österreichischen Gericht ordnungsgemäß geladen worden (Art. 2 Nr. 2 HUÜ 1958). Da der Antragsgegner sich am Verfahren vor dem Bezirksgericht Kufstein nicht beteiligt hat, liegt in Bezug auf den Unterhalt eine Versäumnisentscheidung vor. Gem. Art. 5 i.V.m. 4 Nr. 3 HUÜ 1958 hat der Antragsteller durch Vorlage des Zustellungsnachweises nachgewiesen, dass dem Antragsgegner die Ladung und die Klageschrift persönlich zugestellt worden sind.
(3) Ferner hat der Antragsteller nachgewiesen, dass das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein rechtskräftig ist (Art. 2 Nr. 3 HUÜ 1958).
(4) Ein offensichtlicher Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 2 Nr. 5 HUÜ 1958) liegt nicht vor. Dies wäre nur der Fall, wenn die Anerkennung unzweifelhaft in ihrem Ergebnis im konkreten Fall die tragenden Grundlagen des deutschen staatlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebens angreifen würde (BGH ZIP 1999, 483). Aus Art. 5 HUÜ folgt, dass die Entscheidung in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden darf. Die Vaterschaftsfeststellung ist nicht Gegenstand des Verfahrens auf Erteilung der Vollstreckungsklausel. Auch wenn die Vaterschaft Vorfrage für die Verpflichtung zur Zahlung des Unterhalts ist, so können im Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel die Feststellungen des Bezirksgerichts Kufstein hierzu nicht überprüft werden. Der Umstand, dass kein Blutgruppengutachten erholt wurde, steht dem nicht entgegen. Zum einen gibt Art. 2 Nr. 5 HUÜ 1958 keinen Anspruch auf eine bestimmte verfahrensrechtliche Ausgestaltung (BGH NJW 1999, 3198/3201). Zum anderen kann auch im deutschen Kindschaftsprozess die Vaterschaft ohne ein Gutachten festgestellt werden. Beteiligt sich der als Vater in Anspruch genommene an dem Verfahren nicht, so liegt ein unerreichbares Beweismittel vor. In diesem Fall wäre auch in einem deutschen Kindschaftsprozess nur die Mutter des Kindes zu vernehmen (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 640 Rn. 7; MüKo/Coester-Waltjen, § 640 Rn. 79).