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Zusammenfassung der Entscheidung Die Gläubigerin erwirkte in Frankreich ein Urteil, in dem die Schuldnerin verurteilt wurde, den Gegenwert von DM 195.249,56 in französischen Francs zu bezahlen. In Deutschland wurde vom zuständigen Landgericht das Urteil für in Deutschland vollstreckbar erklärt. Dagegen wandte sich die Schuldnerin. Im Beschwerdeverfahren stritten die Parteien darüber, ob eine Umrechnung des DM-Betrages in französische Francs auch bei einer Vollstreckung in Deutschland zu erfolgen habe und nach welchem Recht der Umrechnungszeitpunkt zu ermitteln sei. Zwischenzeitlich legte die Schuldnerin in Frankreich beim zuständigen Appellationsgericht einen "recours en révision" ein und beantragte die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens nach Art. 38 EuGVÜ. Nachdem der Bundesgerichtshof zur Entscheidung der Frage, welches Recht für die Bestimmung des Umrechnungszeitpunktes maßgeblich sei, die Sache zurückverwiesen hatte, hatte das OLG darüber zu entscheiden.
Das OLG Karlsruhe (DE) entscheidet, dass der Umrechnungszeitpunkt nach französischem Recht zu ermitteln sei; danach sei der Zeitpunkt der effektiven Zahlung maßgeblich. Die Anwendbarkeit französischen Rechts ergebe sich schon aus der Überlegung, dass die Auslegung eines Urteils nur nach dem Recht des Urteilsstaates sinnvoll erfolgen könne. Die Aussetzung des Verfahrens komme nicht in Betracht. Der Rechtsbehelf des "recours en révision" sei kein "ordentlicher Rechtsbehelf" im Sinne des Art. 38. Dies sei nach der Rechtsprechung des EuGH jeder Rechtsbehelf, der zur Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung führen könne und für dessen Einlegung im Urteilsstaat eine durch die Entscheidung selbst in Lauf gesetzte gesetzliche Frist bestimmt sei. Beim "recours en révision" beginne jedoch die zwölfmonatige Frist des Art. 596 nouv. c. pr. civ. (französische Zivilprozessordnung) mit dem Tag der Kenntnis des Revisionsgrundes zu laufen. Sie sei also von der Entscheidung in der Sache selbst unabhängig.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
1. Wegen des Sachverhalts wird auf den Beschluß des Senats vom 14.02.1984 – 11 W 6/84 – und die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 28.6.1984 – IX ZB 31/84 – und vom 21.2.1985 – IX ZB 124/84 – verwiesen. Aufgrund der vorgenannten Beschlüsse des Bundesgerichtshofes ist nur noch darüber zu entscheiden, zu welchem Kurswert der nach dem Urteil des Handelsgerichts S. in FF zu zahlende DM-Betrag umzurechnen ist.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, diese im genannten Urteil offen gelassene Frage sei nach französischem Recht zu beurteilen und hält es für wahrscheinlich, daß nach französischem Recht für die Umrechnung der Zeitpunkt des Erlasses des Urteils des Handelsgerichts S. vom 3.7.1980 zugrunde zu legen sei (vgl. Schriftsatz vom 15.5.1985, AS. 163 ff.).
Die Antragstellerin ist demgegenüber der Meinung, maßgebend sei § 244 BGB und damit der Zeitpunkt, in dem tatsächlich gezahlt werde (vgl. Schriftsatz vom 7.6.1985, AS. 193).
Die Antragsgegnerin hatte zwischenzeitlich beim Appelationsgericht in D. einen „recours en révision“ gemäß Art. 593 ff. der neuen französischen Zivilprozeßordnung (nouv.c.pr.civ.) eingelegt und im Hinblick hierauf beantragt, das vorliegende Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung jenes Verfahrens auszusetzen. Der „recours en révision“ ist durch Urteil des Appelationsgerichtes vom 19. Dezember 1985 zurückgewiesen worden (vgl. AS. 297 ff.).
Der Senat hat über die Frage des anzuwendenden Rechts und die sich nach französischem Recht ergebende Rechtslage bezüglich des Umrechnungszeitpunktes ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. ... Direktor des Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht der ... Universität ... verwiesen.
Die Antragsgegnerin hat im Hinblick auf die in diesem Gutachten erörterten Fragen die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens und Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof beantragt (vgl. AS. 283).
2. Maßgebender Umrechnungszeitpunkt des im Urteil des Handelsgerichtes S. festgelegten DM-Betrages in Französische Franc ist der Zeitpunkt der effektiven Zahlung.
a) Die Frage des maßgeblichen Zeitpunktes ist nach französischem Recht zu beantworten. Das ergibt sich schon aus der Überlegung, daß die Auslegung eines Urteils sinnvollerweise nur nach dem Recht des Urteilsstaates vorgenommen werden kann. Dieses entspricht auch deutschem Kollisionsrecht (vgl. Gutachten des Sachverständigen S. 4 u. 11 mwN). Das Gutachten des Sachverständigen kommt auch unter eingehender Auseinandersetzung mit dem EuGVÜ und dessen Anwendung auf den vorliegenden Fall zu dem gleichen Ergebnis. Das EuGVÜ enthält zu der hier zu entscheidenden Frage keine ausdrückliche Regelung.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, ist französisches Recht auch dann anzuwenden, wenn davon auszugehen ist, daß hinsichtlich der hier zu beurteilenden Frage eine sog. „interne Lücke“ im internationalen Einheitsrecht vorliegt. Eine Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof zur Beurteilung eben dieser Frage hält der Senat nicht für erforderlich.
b) Nach französischem Recht ist bei einem Urteil der vorliegenden Art, das vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche zum Gegenstand hat, zumindest bei fallendem Kurs des Franc nach ganz einhelliger Ansicht die Umrechnung im Zeitpunkt der effektiven Zahlung vorzunehmen. Zu diesem Ergebnis gelangt der Sachverständige unter Berücksichtigung umfangreicher Literatur und Rechtsprechung und Darstellung der geschichtlichen Entwicklung dieser Rechtsauffassung. Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit an.
Die weiteren Darlegungen des Sachverständigen, der Gläubiger könne bei Zahlungsrückstand und Vorliegen von Verzug, wenn ihm ein Kursverlust drohe, wahlweise auch Zahlung zum Kurs des Fälligkeitszeitpunktes verlangen, haben im vorliegenden Fall keinen Einfluß auf die zu treffende Entscheidung. Denn die Antragstellerin hat im Laufe des Verfahrens ausdrücklich als maßgeblichen Zeitpunkt denjenigen der effektiven Zahlung bezeichnet und somit dahin ihren Antrag konkretisiert. Die Antragsgegnerin wird durch diesen Zeitpunkt gegenüber demjenigen der Fälligkeit nicht benachteiligt, da der französische Kurs fallend ist.
3. Die Auffassung der Antragsgegnerin, die Auslegung des französischen Urteils sei im vorliegenden Verfahren nicht zulässig, die Antragstellerin müsse vielmehr nach französischem Recht einen Antrag auf Ergänzung des Urteils stellen, teilt der Senat nicht. Der Sachverständige hat ausdrücklich festgestellt, daß die vorliegende Tenorierung von französischen Obergerichten gebilligt werde (S. 12, 13 des Gutachtens) und daß die Umrechnung zum Zeitpunkt der Zahlung in Frankreich mittlerweile als so unangefochten angesehen werde, daß es einer ausdrücklichen Erwähnung im Urteil nicht mehr bedürfe (S. 23 des Gutachtens). Dem schließt sich der Senat an.
4. Eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens im Hinblick auf den von der Antragsgegnerin eingeleiteten Rechtsbehelf des „recours en révision“ kommt nicht in Betracht.
a) Gemäß Art. 38 EuGVÜ kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers seine Entscheidung aussetzen, wenn gegen die für vollstreckbar zu erklärende Entscheidung im Urteilsstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt oder die Frist für einen solchen Rechtsbehelf noch nicht verstrichen ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da der Rechtsbehelf des recours en révision kein ordentlicher Rechtsbehelf im Sinne des Art. 38 EuGVÜ ist.
Der Europäische Gerichtshof hat hierzu wie folgt entschieden (vgl. NJW 78, 1107):
1. Der Begriff „ordentlicher Rechtsbehelf“ im Sinne der Art. 30, 38 EuGVÜ ist allein aus dem Übereinkommen heraus und nicht nach dem Recht des Urteilsstaates oder des Staates zu bestimmen, in dem die Anerkennung verlangt oder die Vollstreckung betrieben wird.
2. „Ordentlicher Rechtsbehelf“ im Sinne der Art. 30, 38 EuGVÜ, der gegen eine Entscheidung im Urteilsstaat eingelegt ist oder eingelegt werden kann, ist jeder Rechtsbehelf, der zur Aufhebung oder Abänderung der dem Anerkennungs- oder Klauselerteilungsverfahren nach dem Übereinkommen zugrunde liegenden Entscheidung führen kann und für dessen Einlegung im Urteilsstaat eine gesetzliche Frist bestimmt ist, die durch die Entscheidung selbst in Lauf gesetzt wird.
Der von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbehelf gemäß Art. 593 nouv.c.pr.civ. ist zwar nach Art. 596 nouv.c.pr.civ. an eine Frist von 12 Monaten gebunden. Diese Frist beginnt jedoch mit dem Tag der Kenntnis des im Verfahren geltend gemachten Revisionsgrundes zu laufen und ist daher von der Entscheidung in der Sache selbst unabhängig. Der Rechtsbehelf des Art. 593 französischen Rechts entspricht somit dem Wiederaufnahmeverfahren der ZPO. Die Vorschriften der Art. 593 ff. stehen in der französischen Zivilprozeßordnung auch in dem Abschnitt der außerordentlichen Rechtsmittel (Art. 579 ff. nouv.c.pr.civ.).
b) Unabhängig hiervon ist das Verfahren des recours en révision auch abgeschlossen, wie die Antragstellerin unstreitig vorträgt. Damit ist der Antrag auf Aussetzung im Hinblick auf dieses Verfahren gegenstandslos geworden. Ob gegen die Entscheidung des Appelationsgerichtes vom 19. Dezember 1985 ein Rechtsmittel gegeben ist und ob die Antragsgegnerin ein solches eingelegt hat, ist unerheblich. Denn wenn die Antragsgegnerin hierauf eine Aussetzung stützen will, muß sie einen neuen Antrag stellen (vgl. Bülow-Böckstiegel Int. Rechtsverkehr Anm. II 2 zu Art. 38 EuGVÜ).