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Zusammenfassung der Entscheidung Die Gläubigerin erwirkte vor einem niederländischen Gericht ein Versäumnisurteil gegen die Schuldnerin. Der Säumnis der Schuldnerin in dem Termin zur mündlichen Verhandlung war ein Telefax-Schreiben der Gläubigerin an die Schuldnerin vorausgegangen, in dem es hieß: „Wir haben unseren Rechtsanwalt beauftragt, den Rechtsstreit einzustellen; das bedeutet, dass [die Schuldnerin] nicht vor Gericht erscheinen muss". Dennoch beantragte der Rechtsanwalt der Gläubigerin in dem Termin den Erlass eines Versäumnisurteils. Auf Antrag der Gläubigerin wurde das Urteil in Deutschland für vollstreckbar erklärt. Dagegen wandte sich die Schuldnerin mit der Beschwerde.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (DE) stellt fest, dass die Vollstreckung aus dem Urteil der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland widersprechen würde. Die Gläubigerin habe das Urteil durch Täuschung des niederländischen Gerichts erschlichen. Die Gläubigerin habe durch ihr Schreiben die Schuldnerin arglistig davon abgehalten, vor Gericht zu erscheinen und dann das Versäumnisurteil erwirkt, ohne das Gericht über die Ursache der Säumnis der Schuldnerin aufzuklären. Nach Art. 34 Abs. 2, 27 Nr. 1 EuGVÜ sei daher die Vollstreckung zu versagen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Durch Versäumnisurteil vom 09.04.1997 hat das Arrondissementsgericht … die Antragsgegnerin verurteilt, an die Antragstellerin 18.000,‑ Niederländische Gulden nebst den niederländischen gesetzlichen Zinsen und die Verfahrenskosten von bisher 1.271,35 Niederländische Gulden zu zahlen. Auf Antrag der Antragstellerin vom 04.12.2000 hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt durch Beschluß vom 26.02.2001 das Versäumnisurteil des Arrondissementsgerichts in … vom 09.04.1997 für vollstreckbar erklärt, soweit die Antragsgegnerin verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 18.000,‑ Niederländische Gulden und die Verfahrenskosten von 1.271,35 Niederländische Gulden zu zahlen. Den weitergehenden Antrag, das Versäumnisurteil auch wegen der Zinsen für vollstreckbar zu erklären, hat der Vorsitzende zurückgewiesen. Soweit das Versäumnisurteil für vollstreckbar erklärt worden ist, ist am 05.03.2001 die Vollstreckungsklausel erteilt worden. Der Beschluß vom 26.02.2001 und die mit der Vollstreckungsklausel versehene Urteilsausfertigung ist der Antragsgegnerin am 08.03.2001 zugestellt worden. Gegen diesen Beschluß hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 04.04.2001 Beschwerde eingelegt, die am 06.04.2001 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Die von der Antragsgegnerin hierfür vorgebrachte Begründung ergibt sich aus dem Inhalt ihrer Beschwerdeschrift vom 04.04.2001, auf den Bezug genommen wird. Die Antragstellerin hat mit einem am 30.05.2001 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Anschlußbeschwerde gegen den Beschluß vom 26.02.2001 eingelegt, soweit durch diesen die Vollstreckbarerklärung des zuerkannten Zinsausspruchs abgelehnt worden ist.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft nach Abs. 36 Abs. 1 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 (EuGVÜ) und nach § 11 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes vom 19.02.2001 (AVAG). Das EuGVÜ ist hier anzuwenden, da es für die Niederlande schon seit dem 01.02.1973 gilt (vgl. Zöller, Kommentare zur ZPO, 22. Aufl. 2001, Art. 1 EuGVÜ Rn. 1; s. a. Art. 32, 37, 40, 41 EuGVÜ). Das AVAG nF ist am 01.03.2001 in Kraft getreten und findet daher jedenfalls in der vorliegenden Beschwerdeinstanz Anwendung. Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist auch sonst zulässig. Insbesondere ist es rechtzeitig innerhalb eines Monats eingelegt worden, nachdem der Antragsgegnerin der angefochtene Beschluß vom 26.02.2001 zugestellt worden war (Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ, § 11 Abs. 3 AVAG).
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist auch begründet.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung des Versäumnisurteils vom 09.04.1997 allerdings zulässig. Eine Original-Ausfertigung dieses Urteils hat dem Landgericht vorgelegen (Art. 46 Nr. 1 EuGVÜ). Eine beglaubigte Abschrift der Urkunde über die Zustellung der Klageschrift an die Antragsgegnerin (Art. 46 Nr. 2 EUGVÜ) ist nicht unbedingt erforderlich, weil die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 04.04.2001 (Seite 2 unten) selbst einräumt, zum einzigen Verhandlungstermin vor dem Arrondissementsgericht in … am 22.01.1997 geladen worden zu sein (Art. 48 Abs. 1 Satzteil 3 EuGVÜ). Aus der beglaubigten Abschrift des Versäumnisurteils, die sich bei den Gerichtsakten befindet, ergibt sich, daß dieses Urteil nach niederländischem Recht vollstreckbar ist (Art. 47 Nr. 1 Halbsatz 1 EuGVÜ). Das Versäumnisurteil ist der Antragsgegnerin spätestens mit dem angefochtenen Beschluß vom 26.02.2001 zugestellt worden (Art. 47 Abs. 1 Halbsatz 2 EuGVÜ); das reicht aus (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl. 1998, Art. 47 EuGVÜ Rn. 4 am Ende).
Der Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung des Versäumnisurteils vom 09.04.1997 ist aber nach den Art. 34, Abs. 2, 27 Nr. 1 EuGVÜ abzulehnen. Die Vollstreckung aus diesem Urteil würde der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland widersprechen. Denn die Antragstellerin hat das Urteil durch Täuschung des Arrondissementsgerichts in … erschlichen (vgl. hierzu BGH, NJW – RR 1987, 377). Davon muß der Senat ausgehen. Die Antragstellerin hat mit ihrem Telefaxschreiben vom 12.12.1996 die Antragsgegnerin arglistig davon abgehalten, zum einzigen Verhandlungstermin vor dem Arrondissementsgericht in … am 22.01.1997 zu erscheinen und/oder sich dort durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten zu lassen. In dem Schreiben wird ausgeführt: „Wir haben unseren Rechtsanwalt beauftragt, den Rechtsstreit einzustellen; das bedeutet, dass sie nicht vor Gericht erscheinen muß.” Gleichwohl hat die Antragstellerin in dem Verhandlungstermin vom 22.01.1997 das Versäumnisurteil vom 09.04.1997 erwirkt, ohne das Gericht über die Ursache der Säumnis der Antragsgegnerin aufzuklären. Die Arglist, welche die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin gezeigt hat, ist um so größer, als sie dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 17.12.1996 nicht widersprochen hat, in dem es heißt: „... vielen Dank für Ihr Telefax vom 12.12.1996. Wir haben diesem Fax entnommen, daß Sie gerichtliche Schritte gegen uns eingestellt haben und wir deshalb keinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung unserer Interessen beauftragen müssen.” Die Antragstellerin tritt dem obigen Schreiben und dem Vortrag der Antragsgegnerin hierzu mit keinem Wort entgegen. Durch diese prozessuale Taktik verschließt sich dem Senat jeglicher Anhaltspunkt dafür, das Verhalten der Antragstellerin in einem anderen Licht zu sehen und etwa einen Irrtum oder ein Mißverständnis auf ihrer Seite nicht auszuschließen.
Entsprechend dem Erfolg der Beschwerde ist der angefochtene Beschluß vom 26.02.2001 aufzuheben. Damit geht auch die Anschlußbeschwerde der Antragstellerin ins Leere.