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Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien führten in Deutschland einen gerichtlichen Rechtsstreit. In dem deutschen Berufungsverfahren machte der Berufungskläger gegen den Kaufpreiszahlungsanspruch des Berufungsbeklagten die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen der Prozesskosten in zwei vorangegangenen französischen Verfahren zwischen den Parteien geltend. Über die Kosten aus den beiden Verfahren hatten die damit befassten französischen Gerichte bereits nach Art. 700 Nouveau Code de Procédure Civile (CPC, französische Zivilprozessordnung) entschieden. Der Berufungskläger machte jedoch in dem deutschen Verfahren höhere Ansprüche wegen der französischen Prozesskosten geltend, als ihm die französischen Gerichte zuerkannt hatten.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (DE) entscheidet, dass die französischen Gerichte rechtskräftig über die Kosten aus den beiden französischen Verfahren entschieden hätten und dem Berufungskläger kein weiterer aufrechenbarer Anspruch zustehe. Er habe insbesondere keinen materiellen Kostenerstattungsanspruch nach deutschem Recht. Ungeachtet der Wahl des deutschen Rechts für das Vertragsverhältnis durch die Parteien, unterliege der die Auslagen und Kosten für die französischen Prozesse betreffende Kostenerstattungsanspruch aber französischem Recht. Insoweit habe der Berufungskläger eine Rechtswahl getroffen, als er in den beiden französischen Verfahren eine Kostenerstattung nach Art. 700 CPC verlangte. Die französischen Gerichte hätten den Kostenerstattungsanspruch jeweils vollständig entschieden. Die Zubilligung eines Betrages nach Art. 700 CPC stelle eine Globalbereinigung der Kostenerstattung zwischen den Parteien dar. Diese französischen Entscheidungen seien nach Art. 26 Abs. 1 EuGVÜ anzuerkennen. Die Anerkennung umfasse auch die Beachtung der Rechtskraft.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Berufung des Beklagten ist zulässig. In der Sache hat sie nur teilweise Erfolg.
Der Restkaufpreis des Klägers von 64.336 FF ist nach § 433 Abs. 2 BGB begründet. In der Berufungsinstanz ist die Feststellung des landgerichtlichen Urteils nicht angegriffen worden, wonach die Parteien übereinstimmend von der Anwendung deutschen Rechts ausgehen.
Die Kaufpreisforderung ist auch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht streitig.
Mit der Aufrechnung, die der Beklagte allein einwendet, kann er nur in Höhe von 31.337,27 FF durchdringen.
Der Aufrechnung des Klägers mit einer in Deutsche Mark ausgedrückten Forderung gegen die in französische Franc lautende Klageforderung steht nicht entgegen, daß die einander gegenüberstehenden geschuldeten Leistungen nicht gleichartig im Sinne von § 387 BGB sind. Dieses Aufrechnungshindernis greift nämlich dann nicht ein, wenn der Schuldner, der mit einer in Deutsche Mark lautenden Forderung aufrechnet, gemäß § 244 Abs. 1 BGB berechtigt ist, die in ausländischer Währung ausgedrückte Schuld auch in inländischer Währung zu begleichen (RGZ 106, 99).
Beim Beklagten ist dies hinsichtlich der in französischen Franc lautenden Kaufpreisforderung des Klägers der Fall; denn der Erfüllungsort für die Zahlung ist gemäß §§ 269, 270 Abs. 4 BGB der Sitz des Beklagten. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Verpflichtung, nur in französischen Franc zu zahlen, ist nicht eingegangen.
Für die Frage, in welcher Höhe die Klageforderung durch die Aufrechnung erloschen ist, ist der Umrechnungskurs im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung maßgebend (RGZ 106, l00).
Dabei kann nicht von dem Schreiben des Beklagten vom 1.7.1980 ausgegangen werden; denn die für die Kostenerstattungsforderung herangezogenen Rechnungen des Rechtsanwalts … stammen erst vom 4.7.1980 und 17. oder 18.3.1981. Ausschlaggebend ist deshalb die Aufrechnungserklärung in der Klageerwiderung vom 5.8.1981, deren Zugang beim Gegner am 10.8.1981 angenommen werden kann.1. Die Aufrechnung des Beklagten ist unbegründet, soweit er sich auf Schadensersatzansprüche wegen der Prozeßkosten aus den französischen Verfahren stützt.
Der Beklagte hat die entstandenen Kosten zunächst mit 8.710,14 DM beziffert, später jedoch nach den beiden Verfahren getrennt dargelegt und auf 8.260,41 DM reduziert. Über die Kosten aus beiden Verfahren haben die französischen Gerichte rechtskräftig entschieden und dem Beklagten steht kein weitergehender Anspruch mehr zu.
Der Beklagte hat insbesondere keinen materiellen Kostenerstattungsanspruch nach deutschem Recht. Das deutsche Recht kennt die Unterscheidung zwischen materiellrechtlichem und prozeßrechtlichem Kostenerstattungsanspruch (vgl. Baumbach/ Hartmann, ZPO, 43. Aufl., Übersicht § 91 Anm. 3-5). Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch kann die Folgen einer prozeßrechtlichen Kostenbelastung aufheben und könnte deshalb auch umfassender sein als die prozessuale Erstattungspflicht.
Einen allgemeinen Kostenerstattungsanspruch gibt es allerdings nach deutschem bürgerlichem Recht nicht, sondern es muß auf die Anspruchsgrundlage des Verzuges, des Verschuldens bei Vertragsschluß, der positiven Forderungsverletzung oder der unerlaubten Handlung nach §§ 823 ff. BGB zurückgegriffen werden (Baumbach/Hartmann, Übersicht § 91 Anm. 4 A).
Ungeachtet dessen, daß die Parteien auf ihr Vertragsverhältnis grundsätzlich deutsches Recht anwenden wollen, unterliegt der die Auslagen und Kosten für die beiden französischen Prozesse betreffende Kostenerstattungsanspruch aber französischem Recht. Insoweit hat der Beklagte eine Rechtswahl getroffen, als er in den beiden Verfahren in Frankreich eine Kostenerstattung nach Art. 700 Nouveau Code de Procedure Civile (CPC) verlangte.
Abgesehen davon hat aber auch jeweils das französische Gericht den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten vollständig entschieden und zwar – die nach deutschem Recht gebräuchliche Unterscheidung unterstellt – sowohl in prozeßrechtlicher als auch in materiellrechtlicher Hinsicht.
Vor der Einführung des Art. 700 CPC pflegte die Partei, die eine Erstattung ihrer Anwaltskosten im französischen Prozeß erreichen wollte, sich auf den sachlich rechtlichen Gesichtspunkt der hartnäckigen Erfüllungsverweigerung des Schuldners („résistance avisive“) zu berufen, um so im Wege des Schadensersatzes Erstattung ihrer Kosten zu erreichen. Im Hinblick auf diese Schwierigkeit ist Art. 700 CPC eingeführt worden. Obwohl in der Prozeßordnung stehend handelt es sich dabei nicht um eine Vorschrift, die eine Korrektur der nach Art. 700 CPC getroffenen Entscheidung aus sachlich-rechtlichen Gründen zuließe. Vielmehr ist mit einer Entscheidung des französischen Gerichts der Kostenerstattungsanspruch in jeder Hinsicht, also auch materiellrechtlich erledigt.
Auch soweit dem Beklagten Ansprüche auf Ersatz von Kosten nicht zugebilligt worden sind, steht der Geltendmachung im hiesigen Prozeß jedenfalls die Rechtskraft der französischen Entscheidung entgegen, die diese Ansprüche für unbegründet erklärt. Die französische Entscheidung ist nach Art. 26 Abs. 1 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGÜbk) anzuerkennen. Die Anerkennung umfaßt auch die Beachtung der Rechtskraft (Nagel, Internationales Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., Rn. 638; Kropholler, Europäisches Zivilrecht, vor Art. 26 EuGÜbk Rn. 10). Nach der französischen Theorie führt die negative Wirkung der materiellen Rechtskraft dazu, daß über den Streitgegenstand nicht erneut gerichtlich verhandelt und entschieden werden darf (Kropholler, aaO). Nach deutschem Recht fehlt es jedenfalls an der Zulässigkeit, die im Aufrechnungswege geltend gemachte Forderung materiell anders zu entscheiden.
Der Betrag der Kostenrechnung vom 4.7.1980 des Rechtsanwalts … betrifft den Zeitraum bis zum 30.6.1980 und geht damit über den Zeitpunkt des ersten französischen Urteils vom 5.2. 1980 weit hinaus. Auch die Gerichtsvollzieherkosten stammen offenbar aus der Zeit nach Erlaß des ersten Urteils. Dennoch hat das französische Gericht über die durch die Anwaltstätigkeit nach dem Urteil eventuell noch anfallenden Kosten entschieden. Dies hängt damit zusammen, daß es einerseits keine bestimmte Anwaltsgebührenordnung in Frankreich gibt, sondern Anwaltshonorare frei vereinbart werden. Zum andern stellt die Zubilligung eines Betrages nach Art. 700 CPC die Globalbereinigung der Kostenerstattung zwischen den Parteien dar. Für die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher gibt es in Frankreich bestimmte Gebührensätze. Die Gerichtsvollzieherkosten kann der Gerichtsvollzieher im französischen Recht grundsätzlich von dem Vollstreckungsschuldner einziehen. Insofern hat der Beklagte nicht dargelegt, daß der Gerichtsvollzieher dies nicht getan hat oder deshalb der Beklagte zusätzlich Zahlungen erbracht hat. Insgesamt muß also die Aufrechnung des Beklagten mit Ansprüchen auf Kostenerstattung aus den beiden französischen Verfahren scheitern.
2. Der Beklagte hat gegen den Kläger aber einen Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinnes durch den Lieferverzug des Klägers. Dieser bemißt sich auf den Gegenwert von 13.059,22 DM.
Bezüglich dieser Schadensersatzforderung des Beklagten findet deutsches Recht Anwendung. Dazu gehört im Verhältnis zu Frankreich nicht das EKG, da Frankreich nicht Vertragsstaat des Abkommens ist. Da als Liefermonat Oktober 1978 – nach der deutschen Bestellung in der Handakte des Rechtsanwalts auch November 1978 – vereinbart war, befand sich der Kläger mit Ablauf dieses Monats gemäß § 284 Abs. 2 BGB in Lieferverzug und schuldet nach § 286 BGB Schadensersatz.
Über diesen Anspruch auf entgangenen Gewinn hat entgegen der Annahme des Landgerichts das französische Gericht im ersten Urteil nicht entschieden. Der Begründung für die Klage vor dem Landgericht in … und der Höhe des verlangten Betrages von 4.000 FF ist zu entnehmen, daß der Beklagte … mit seinem Schadensersatzantrag nicht den entgangenen Gewinn aus dem Geschäft geltend gemacht hat, sondern den Schaden (Kosten), der ihm durch die wegen des Lieferverzugs notwendige Rechtsverfolgung des Lieferanspruchs in Frankreich entstanden ist. Er führt in der Klagebegründung nämlich aus, die Verweigerung der Lieferung durch den hiesigen Kläger zwinge ihn, in Frankreich sein Recht zu suchen, was für einen ausländischen Kläger mit Kosten verbunden sei. Zu deren Zahlung in Form von Schadensersatz müsse der dortige Beklagte und hiesige Kläger verurteilt werden. Dem auf entgangenen Gewinn gestützten Schadensersatzanspruch des Beklagten steht demgemäß nicht die Rechtskraft der französischen Entscheidung entgegen. Dem Beklagten ist durch die erhebliche Lieferverzögerung von mehr als 1 1/2 Jahren die Möglichkeit entgangen, ein gewinnbringendes Geschäft abzuschließen. Denn es kann davon ausgegangen werden, daß er den nach Lieferung des Bleies (Mitte 1980) vorgenommenen Weiterverkauf mit anderweitiger Eindeckung ohnehin abgeschlossen hätte, bei rechtzeitiger Lieferung des Klägers mit dessen Liefermenge also ein weiteres gewinnbringendes Geschäft des Beklagten möglich gewesen wäre. Der Beklagte kann den Schaden aus entgangenem Gewinn nach § 252 BGB auch abstrakt berechnen. Dabei kann allerdings nicht angenommen werden, daß er das Metall über längere Zeit zu Spekulationszwecken gelagert hätte. Vielmehr muß im Rahmen der abstrakten Schadensermittlung davon ausgegangen werden, daß der vom Handel lebende Kaufmann allenfalls über eine kürzere Frist als hier behauptet die steigende Kursentwicklung abgewartet und wegen des nicht voraussehbaren Risikos des Kurssturzes nach einer relativ starken Aufwärtsentwicklung die Gelegenheit gewinnbringenden Absatzes der Ware genutzt hätte. Der Senat nimmt deshalb an, daß ein sich üblich verhaltender Kaufmann das Blei spätestens Anfang Januar 1979 weiterverkauft hätte. In diesem Fall ist davon auszugehen, daß der Beklagte einen Verkaufspreis hätte erzielen können, der dem damaligen Preisniveau der Bleinotierung an der Londoner Börse von 465 englischen Pfund pro Tonne entsprochen hätte. Bei einem amtlichen Devisenbriefkurs von 3,71 DM für ein englisches Pfund am 2.1.1979 hätte der Verkaufserlös 172,52 DM für l00 kg betragen. Der Einkaufspreis des Beklagten von 330 FF pro l00 kg entspricht dagegen nur 143,91 DM bei einem Kurs von 100 FF = 43,61 DM am 1.12.1978. Aus der Differenz von 172,52 DM und 143,91 DM ergibt sich die Gewinnspanne von 28,61 DM je l00 kg. Für die Gesamtmenge von 49.840 kg Blei beträgt der Gewinn 14.259,22 DM. Der Beklagte hätte darauf Kosten für Umschlag und Einlagerung gehabt, die er mangels Entstehung erspart hat. Die Kosten werden gemäß § 287 ZPO auf 1.200,‑ DM geschätzt, da dem Senat bekannt ist, daß bei einem großen Spediteur die Lagerung von auf Paletten verpacktem Blei zu damaliger Zeit ca. 6,‑ DM pro Tonne und angefangenem Monat kostete und auch für den Umschlag und die Auslagerung je ca. 6,‑ DM pro Tonne berechnet wurden.
Dementsprechend vermindert sich der entgangene Gewinn von 14.259,22 DM um 1.200,‑ DM auf 13.059,22 DM. An dem für die Aufrechnung maßgeblichen Tag, dem 10.8.1981, betrug der Kurs 100 FF = 41,62 DM. Der Schadensersatzbetrag von 13.059,22 DM entspricht also 31.377,27 FF. Durch die Aufrechnung ermäßigt sich die restliche Kaufpreisforderung des Klägers von 64.336 FF auf 32.958,73 FF.