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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsgegner war vor österreichischen Gerichten in erster und zweiter Instanz mit einer Schadensersatzklage gegen Herrn B. unterlegen. Zugunsten des Herrn B. wurden in beiden Instanzen Kostenerstattungsansprüche tituliert. Diese Ansprüche trat Herr B. an die Antragstellerin, seine Haftpflichtversicherung, ab. Auf Antrag der Antragstellerin wurden diese Kostenerstattungstitel in Deutschland für vollstreckbar erklärt. Dagegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde.
Das OLG Köln (DE) entscheidet, dass das LugÜ anwendbar sei. Wenn - wie hier - nicht der Titelgläubiger selbst die Klauselerteilung begehre, beurteile sich gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 des deutschen Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG) die Frage, ob der Titel zugunsten eines Rechtsnachfolgers vollstreckbar sei, nach dem Recht des Urteilsstaates, also hier nach österreichischem Recht. Danach sei die Zwangsvollstreckung zu Gunsten des Rechtsnachfolgers des Titelgläubigers grundsätzlich möglich. Das österreichische Recht setze für eine Exekutionsbewilligung den Nachweis der Rechtsnachfolge durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden voraus. Dieser Legitimation bedürfe es jedoch im deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht, da für den Nachweis § 6 Abs. 1 S. 2 AVAG eingreife, wonach die Vorlage von „Urkunden" ausreiche, der Nachweis also auch durch Privaturkunden geführt werden könne. § 6 Abs. 1 S. 1 AVAG stelle nur klar, was sich bereits ohnehin aus Art. 31 LugÜ ergebe, nämlich dass Voraussetzung für die Vollstreckung in Deutschland die Vollstreckbarkeit im Urteilsstaat sei. Hinsichtlich des Nachweises der Vollstreckbarkeit habe der deutsche Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 S. 2 AVAG bewusst auf das Erfordernis einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde verzichtet.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Zugunsten des Herrn A. B. als damaligem Drittbeklagten sind in einem Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 30.6.1995, mit dem eine Klage des Antragstellers auf Schadensersatz aus einem Unfall bei einem Skirennen abgewiesen wurde, Kostenerstattungsansprüche von 1.041.853,83 Schilling tituliert. Weitere Kosten von 56.597,33 Schilling hat der Antragsteller aufgrund des in der gleichen Sache ergangenen Berufungsurteils des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 25.1.1996 zu entrichten. Am 11.10.1996 trat Herr B. die titulierten Ansprüche an seine Haftpflichtversicherung, die Antragstellerin, ab.
Unter Vorlage der beiden Titel, einer Amtsbestätigung des Landesgerichts Innsbruck vom 21.8.1996, wonach die beiden Urteile, den Parteivertretern ordnungsgemäß zugestellt, rechtskräftig und vollstreckbar seien, und der privatschriftlichen Abtretungserklärung vom 11.10.1996 hat die Antragstellerin beantragt, ihr zu beiden Urteilen Vollstreckungsklauseln zu erteilen. Der Vorsitzende der angerufenen Zivilkammer des Landgerichts hat dem entsprochen und dem Antragsgegner die mit den Klauseln versehenen Schuldtitel am 22.5.1998 zustellen lassen.
Mit seiner am 22.6.1998 bei dem Landgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus den beiden österreichischen Titeln und gegen seine Kostenlast für das Klauselerteilungsverfahren. Er hält die Entscheidungen des Landes- und Oberlandesgerichts Innsbruck für unzutreffend und meint, die Zwangsvollstreckung hieraus verstieße gegen die deutsche öffentliche Ordnung. Ferner meint er, die Antragstellerin, der bereits vorher bekannt gewesen sei, daß er nur eine geringe Berufsunfähigkeitsrente erhalte und eine Zwangsvollstreckung völlig aussichtslos sei, sei gehalten, die Klausel auf einen Teilbetrag der titulierten Kosten zu beschränken.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 11 II, 12 i.V.m. § 5 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen – Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz – AVAG -).
In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg. Die beiden österreichischen Schuldtitel sind zu Gunsten der Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin des Titelgläubigers B. für vollstreckbar zu erklären.
1. Der Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts ist mit Recht entsprechend dem Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 1.9.1988 – LGVÜ – i.V.m. dem AVAG verfahren, da anders als noch in dem Vollstreckbarkeitsverfahren 3 0 277/96 Landgericht Köln, das von den übrigen Beklagten des Ausgangsprozesses in Österreich eingeleitet worden war, inzwischen, nämlich seit dem 1.9.1996 auch Österreich dem Übereinkommen beigetreten ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 21. Auflage, Vorbem. zum EuGVÜ Rn. 17). Damit sind die Vorschriften des deutsch- österreichischen Vertrags vom 6.6.1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen durch diejenigen des LGVÜ ersetzt (Art. 55 LGVÜ).
2. Die förmlichen Voraussetzungen für eine Vollstreckbarkeitserklärung liegen vor; insbesondere hat die Antragstellerin die gem. den §§ 33 Abs. 3, 46, 47 LGVÜ erforderlichen Urkunden beigebracht und mit der privatschriftlichen Abtretungserklärung vom 11.10.1996 den gem. § 6 Abs. 1 S. 2 AVAG weiter erforderlichen Nachweis ihrer Rechtsnachfolge geführt.
Wenn – wie hier – nicht der Titelgläubiger selbst eine Klausel begehrt, beurteilt sich gem. § 6 Abs. 1 S. 1 AVAG die Frage, ob der Titel zugunsten eines Rechtsnachfolgers vollstreckbar ist, nach dem Recht des Urteilsstaates, also nach österreichischem Recht, wobei grundsätzlich sämtliche dortigen Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1995, 191 = IPrax 1995, 391 mit Anm. Mansel IPrax 1995, 362). In Österreich wiederum ist die Situation eine ähnliche, wie nach deutschem Recht in § 727, 731 ZPO. Gem. § 9 der Exekutionsordnung ist nämlich eine Exekutionsbewilligung für oder gegen eine nicht im Titel genannte Person statthaft, wenn deren Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge durch eine öffentliche oder öffentlich-beglaubigte Urkunde nachgewiesen wird. Für den Fall, daß ein Nachweis in dieser Form nicht möglich ist, kann er seine Rechtsnachfolge gem. § 10 der Exekutionsordnung durch eine Ergänzungsklage feststellen lassen (vgl. Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht, S. 14).
Hieraus folgt zunächst, daß nach österreichischem Recht ein Urteil zu Gunsten des Rechtsnachfolgers des Titelgläubigers vollstreckbar sein kann. Einer Legitimation durch eine öffentliche oder öffentlich-beglaubigte Urkunde bedurfte es dagegen nicht, da für den Nachweis § 6 Abs. 1 S. 2 AVAG eingreift, wonach die Vorlage von „Urkunden“ ausreicht, d. h., der Nachweis auch durch Privaturkunden geführt werden kann (vgl. z. B. Zöller/Geimer, ZPO, 20. Auflage, § 6 AVAG Rn. 2). Diese erleichterte Form des Nachweises (so Mansel aaO S. 365) entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Während mit § 6 Abs. 1 S. 1 nur etwas klargestellt werden sollte, was sich ohnehin bereits aus den Bestimmungen der jeweiligen Übereinkommen ergibt, nämlich daß Voraussetzung für eine Vollstreckbarkeitserklärung in Deutschland die Vollstreckbarkeit im Urteilsstaat ist (vgl. Art. 31 Abs. 1 LGVÜ), hat der Gesetzgeber wegen der Nachweise, die erforderlich sind, um die Vollstreckbarkeit nach dem Recht des Urteilsstaates beurteilen zu können, die Vorlage von Privaturkunden als ausreichend erachtet und bewußt davon abgesehen, eine den §§ 726, 727 ZPO entsprechende Regelung zu treffen, weil eine für den Eintritt der Bedingung oder einer Rechtsnachfolge zu beweisende Tatsache nach dem ausländischen Recht nicht in einer öffentlichen oder öffentlich- beglaubigten Urkunde niedergelegt zu sein braucht (vgl. die amtliche Begründung, BT-Drucksache 11/351 S. 20).
3. Eine Nachprüfung der sachlichen Richtigkeit der beiden Titel ist dem Senat verwehrt. Ein Verstoß gegen den ordre public, also eine Unvereinbarkeit des Verfahrens vor dem Landes- und dem Oberlandesgericht Innsbruck mit grundlegenden Verfahrensmaximen des deutschen Prozeßrechts, die allenfalls eine Zurückweisung des Vollstreckbarkeitsantrags hätte rechtfertigen können (Art. 27 Nr. 1, 34 Abs. 2 LGVÜ), ist auch unter Berücksichtigung des Sachvortrags des Antragstellers in dem Verfahren 3 O 377/96 nicht erkennbar. Das Landesgericht Innsbruck hat im Gegenteil umfassend zu dem Unfall des Antragstellers Beweis erhoben, ist also seinem Vorbringen nachgegangen, was letztlich auch die Ursache für die hohen Kosten war, die zu Gunsten des Drittbeklagten des Erstprozesses tituliert sind. Ob sodann das Landes- und das Oberlandesgericht Innsbruck die Beweise – wie der Antragsteller meint – falsch gewürdigt hat, ist einer Nachprüfung im Vollstreckbarkeitsverfahren entzogen. Entsprechendes gilt für die weitere Frage, ob die titulierten Kostenerstattungsansprüche der Höhe nach gerechtfertigt sind.
4. Das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen führt dazu, daß die Antragstellerin einen Anspruch darauf hat, daß ihrem Begehren auf Vollstreckbarkeitserklärung entsprochen wird, und zwar in vollem Umfang und nicht lediglich beschränkt auf einen Teil der titulierten Forderungen. Das Fehlen einer Zugriffsmasse führt nicht dazu, daß ihr Begehren rechtsmißbräuchlich ist, zumal ihr nicht verwehrt werden kann, sich durch die Schaffung der Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen die Option auf eine Beitreibung ihrer Forderungen für den Fall eines Vermögenserwerbs des Antragsgegners offen zu halten.
III. Ohne Erfolg wendet der Antragsgegner sich schließlich gegen seine Kostenlast. Die im Verfahren vor dem Vorsitzenden der Zivilkammer des Landgerichts entstandenen Kosten hat er gem. den §§ 8 Abs. 4 AVAG, 788 ZPO zu tragen, wobei ein ausdrücklicher Kostenausspruch zwar nicht notwendig war (vgl. OLG Köln – 18. ZS – OLGR 1996, 38), aber auch unschädlich ist.