A. Die Gläubigerin verlangt von der Schuldnerin Schadensersatz aufgrund eines Eisenbahnunfalles, der sich am 16.07.1987 in Frankreich ereignet hat. Bei dem Unfall sind vier Eisenbahnwagen der Gläubigerin entgleist. Diese führt den Unfall darauf zurück, daß die Schuldnerin einen Waggon mit fünf Rollen Blech in Deutschland fehlerhaft beladen habe. Die Schuldnerin ist durch vorläufig vollstreckbares Urteil des Handelsgerichts von …. (Tribunal de commerce de …) vom 15.12.1994 verurteilt worden, an die Gläubigerin 4.640.414 FF nebst gesetzlichen Zinsen ab 29.06.1988 sowie weitere 15.000 FF gemäß Art. 700 NCPC zu zahlen. Weiterhin wurde sie verurteilt zur Tragung der Kosten, welche die Unkosten und die Honorare des Sachverständigen mit einschließen.
Die Schuldnerin hat gegen das Urteil bei der Cour d'Appel in ... Berufung eingelegt. Über die Berufung ist noch nicht entschieden. Der Antrag der Schuldnerin auf Aufhebung der vorläufigen Vollstreckung wurde durch Beschluß des … Berufungsgerichts vom 15.01.1997 zurückgewiesen.
Das Urteil des Handelsgerichts von … ist der Schuldnerin am 18.06.1996 zugestellt worden. Mit Antrag vom 27.09.1996 hat die Gläubigerin beantragt, das Urteil des Handelsgericht von … vom 15.12.1994 – Az. ... – durch das die Antragsgegnerin zur Zahlung eines vorläufigen Schadensersatzes in Höhe von FF 4.640.414 nebst Zinsen zum gesetzlichen Zinsfuß ab dem 29.06.1988 sowie weiterer FF 15.000 verurteilt worden ist, mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Der Vorsitzende der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat am 18.10.1996 angeordnet, das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Dabei hat er die Anordnung auch auf die Verurteilung zur Tragung der Gerichtskosten einschließlich der Unkosten und Honorare des Sachverständigen erstreckt.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat am 29.10.1996 die Vollstreckungsklausel gemäß § 8 AVAG mit der Maßgabe erteilt, daß die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 1.430.000,‑ DM abwenden könne, solange die Zwangsvollstreckung über Maßnahmen zur Sicherung nicht hinausgehen dürfe.
Eine Ausfertigung des Beschlusses des Vorsitzenden der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18.10.1996 sowie eine beglaubigte Abschrift des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Urteils vom 15.12.1994 nebst Übersetzung sind der Schuldnerin am 7.11.1996 zugestellt worden. Die Schuldnerin wendet sich mit ihrer am 5.12.1996 beim Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerde gegen die Anordnung des Vorsitzenden der 5. Zivilkammer.
Sie beantragt in erster Linie Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Berufungsgericht in Reims.
Hilfsweise beantragt sie, die vom Landgericht Koblenz erteilte Vollstreckungsklausel dahingehend abzuändern, daß die zu vollstreckende Verurteilung lediglich auf Zahlung des Betrages von 4.640.414 FF laute und wegen der Verurteilung zur Zahlung des weiteren Betrages von 15.000 FF in Anwendung der Bestimmungen des Art. 700 der neuen französischen Zivilprozeßordnung und wegen der Verurteilung zur Tragung der Gerichtskosten, welche die Unkosten und die Honorare des Sachverständigen mit einschließen, bis zum Abschluß des Verfahrens vor dem Berufungsgericht Reims keine Vollstreckung erfolgen dürfe.
Außerdem beantragt die Schuldnerin hilfsweise, bei Zulassung der Zwangsvollstreckung diese in jedem Fall von der Leistung einer Sicherheit in Form einer Bürgschaft einer deutschen Großbank über den zu vollstreckenden Betrag abhängig zu machen.
Sie hält die Voraussetzungen für eine Aussetzung für gegeben. Ihre Berufung habe Aussicht auf Erfolg. Die Gläubigerin habe treuwidrig die Durchführung des Berufungsverfahrens über 1 1/2 Jahre hinweg verzögert. Ihr Hilfsantrag auf Einschränkung der Vollstreckbarkeitserklärung trage dem Umstand Rechnung, daß nach französischem Recht weder der in Anwendung des Art. 700 NCPC zugesprochene Betrag von 15.000 FF noch die zugesprochenen Gerichtskosten einschließlich der Sachverständigenkosten vorläufig vollstreckbar seien. Die Zulässigkeit ihres weiteren Hilfsantrags ergebe sich aus Art. 38 Abs. 3 EuGVÜ. Ihr könne es nicht zugemutet werden, im Falle der Aufhebung des Urteils vom 5.12.1994 erneut ein Verfahren in Frankreich zur Rückerstattung der einmal vollstreckten Beträge zu führen.
Die Gläubigerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß für die Anordnung einer Aussetzung des Verfahrens als weitreichendstes Mittel kein Anlaß besteht. Das Hilfsbegehren der Einschränkung der Vollstreckarkeitserklärung sei unbegründet, weil allein der Tenor der ausländischen Entscheidung maßgeblich sei. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach Art. 38 Abs. 3 EuGVÜ fehle es am Sicherungsinteresse der Schuldnerin.
B. I. Die Beschwerde der Schuldnerin ist gemäß Art. 36 Abs. 1, 37 EuGVÜ statthaft und auch innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat (Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ, § 11 Abs. 2 AVAG) beim OLG (§ 12 Abs. 1 AVAG) eingelegt worden.
II. Die Beschwerde hat jedoch nur insoweit Erfolg, als der Vorsitzende der 5. Zivilkammer des Landgerichts die Anordnung auch auf die Verurteilung zur Tragung der Gerichtskosten einschließlich der Honorare des Sachverständigen erstreckt hat. Insoweit war die Anordnung abzuändern, weil dies nicht beantragt wurde. Hierauf hat der Senat hingewiesen. Es kann offen bleiben, ob hinsichtlich der unbezifferten Kosten eine Vollstreckbarkeitserklärung ohnehin nicht hätte ausgesprochen werden dürfen.
III. Im übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
1. Der Antrag der Schuldnerin auf Verfahrensaussetzung gemäß Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ bleibt ohne Erfolg.
Bei der Entscheidung nach Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ darf das Beschwerdegericht nur Gründe berücksichtigen, die der Schuldner vor dem Gericht des Urteilsstaates noch nicht geltend machen konnte (vgl. BGH NJW, 1994, 2156, 2157 m. N.). Damit bleiben aber jedenfalls die von der Schuldnerin zur Stützung ihres Vortrags, sie werde zu Unrecht auf Schadensersatz in Anspruch genommen, geltend gemachten Umstände unberücksichtigt. Es ist nicht ersichtlich, daß sie diese vor dem Handelsgericht nicht geltend gemacht hat oder nicht geltend machen konnte.
Auch im übrigen sind keine Gründe vorgetragen, die es sachgerecht erscheinen ließen, die Aussetzung anzuordnen. Bei der Aussetzung handelt es sich um das weitreichendste Mittel im Rahmen der durch Art. 38 EuGVÜ eröffneten Schuldnerschutzmöglichkeiten (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 5. Aufl., Art. 38 Rn. 3), auf das im Regelfall nicht zurückgegriffen wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine treuwidrige Verzögerung des Berufungsverfahrens durch den Gläubiger ein Gesichtspunkt sein könnte, keinen Regelfall mehr anzunehmen. Die Schuldnerin macht zwar geltend, die Gläubigerin habe in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise die Durchführung des Berufungsverfahrens in Reims über 1 1/2 Jahre hinweg verzögert. Zu dieser Behauptung hat sie jedoch bereits nicht überprüfbar vorgetragen.
2. Auch der Hilfsantrag der Schuldnerin, die Zwangsvollstreckung gemäß Art. 38 Abs. 3 EuGVÜ von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen, führt nicht zum Erfolg. Die im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Art. 38 Abs. 3 gebotene Berücksichtigung aller Umstände des Falles (vgl. BGH, aaO, Seite 2157) gibt dem Senat keinen Anlaß, die Zwangsvollstreckung der Gläubigerin nur gegen Sicherheitsleistung zuzulassen. Zwar mag im Einzelfall die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei ungewissem Ausgang des Rechtsstreits vor dem ausländischen Berufungsgericht sinnvoll sein (vgl. BGH NJW 1983, 1979, 1980). Auch hier ist der Ausgang des Berufungsverfahrens vor dem OLG Reims ungewiß. Aufgrund der hier gegebenen Besonderheiten erscheint es indes nicht geboten, der Schuldnerin nach dieser Vorschrift Schuldnerschutz zu gewähren.
Der Schuldnerin droht nämlich auch bei nach Entscheidung über ihren Rechtsbehelf uneingeschränkt möglicher (Art. 39 EuGVÜ) Zwangsvollstreckung durch die Gläubigerin kein nicht zu ersetzender Nachteil. Bei der Gläubigerin handelt es sich um ein staatliches Unternehmen, bei dem die Gefahr des Ausfalls im Falle der Aufhebung des Urteils des Handelsgerichts durch das OLG in Reims offensichtlich ausgeschlossen ist. Diesem Vortrag der Gläubigerin hat die Schuldnerin nicht widersprochen.
In diesem Zusammenhang ist auch mit zu berücksichtigen, daß vom Berufungsgericht in ... am 15.01.1997 beschlossen wurde, den Antrag der Schuldnerin auf Aufhebung der vorläufigen Vollstreckbarkeit zurückzuweisen. Dabei hatte das Gericht darauf abgestellt, ob die vorläufige Vollstreckbarkeit zu offensichtlich exzessiven Folgen zu führen drohte und hat im wesentlichen im Hinblick darauf gegen die Schuldnerin entschieden, daß in jedem Fall die Firma … keine Schwierigkeiten behaupte, die für sie mit der Zahlung des ausgeurteilten Betrages entstünden bzw. kein Risiko behaupte, im Falle der Aufhebung der mit der Berufung angegriffenen Entscheidung die Rückerstattung nicht erhalten zu können; daß sie im übrigen, wie ihr Gegner ihr entgegenhalte, mit ihrem Antrag nicht durchdringen könne, weil sie bekanntermaßen über einen Haftpflichtversicherungsschutz verfüge, durch den die Zahlung der ihr gegenüber ausgesprochenen Verurteilung abgedeckt sei, und weil im übrigen die Fähigkeit der …, die gezahlten Beträge zu garantieren, nicht in Zweifel gezogen werden könne. Damit hat aber ein Gericht des Urteilsstaates aus den Gründen Schuldnerschutz versagt, die auch bei der Entscheidung des Beschwerdegerichts im Rahmen des Art. 38 Abs. 3 maßgeblich sind. Wenngleich es bei der Entscheidung des französischen Berufungsgerichts darum ging, die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ganz aufzuheben, während es hier bei der Entscheidung des Beschwerdegerichts lediglich darum geht, ob nur gegen Sicherheitsleistung der Gläubigerin vorläufig vollstreckt werden kann, was allerdings jedenfalls nur bei Annahme eines der Schuldnerin drohenden erheblichen Nachteils zu bejahen wäre, könnte eine entsprechende Annahme zum Gegenteil dessen führen, was die Schuldnerschutzvorschrift des Art. 38 EuGVÜ im Ergebnis bezweckt, nämlich auch die Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen in den Vertragsstaaten (vgl. Kropholler, aaO, Art. 38 Rn. 1).
Wenn schließlich die Schuldnerin zu ihrem Hilfsantrag nur noch geltend gemacht hat, es könne ihr nicht zugemutet werden, im Falle der Aufhebung des Urteils des Handelsgerichts erneut ein Verfahren in Frankreich zur Rückerstattung der einmal vollstreckten Beträge zu führen, ist damit schon deshalb kein erheblicher Nachteil dargelegt, zu dessen Abwendung sie Schutz verdiente, weil Schwierigkeiten, die über entsprechende Probleme bei der Durchsetzung vergleichbarer Ansprüche im Falle eines in Deutschland geführten Rechtsstreits hinausgingen, weder geltend gemacht werden, noch sonst ersichtlich sind.
3. Die Schuldnerin macht auch ohne Erfolg hilfsweise geltend, von der Vollstreckbarkeitserklärung sei die Verurteilung zur Zahlung von 15.000 FF auszunehmen, weil insoweit nach französischem Recht eine vorläufige Vollstreckbarkeit nicht zulässig sei.
Im Verfahren auf Vollstreckbarkeitserklärung darf eine ausländische Entscheidung keinesfalls auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden (Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ).
IV. Zwar hat das französische Urteil in der Entscheidungsformel und den Gründen die Höhe der gesetzlichen Zinsen nicht genannt. Dies steht jedoch der Erteilung einer Vollstreckungsklausel, die diese Konkretisierung enthält, nicht entgegen. Enthält ein auf Zahlung der „gesetzlichen Zinsen“ erkennenden französisches Urteil keine Angaben zu deren Höhe, läßt sich diese aber ohne weiteres den ausländischen Vorschriften entnehmen, ergeben sich Inhalt und Umfang der Leistungspflicht aus dem Titel. Dessen für die Zwangsvollstreckung im Inlande erforderliche Konkretisierung obliegt dem über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel entscheidenden deutschen Gericht. Der Beschwerderichter kann und muß gegebenenfalls die erforderliche Konkretisierung nachholen (vgl. BGH NJW 1990, 3084).
Dies hat der Senat getan. Die Gläubigerin hat auf Aufforderung des Senats die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes unter Angabe der in Übersetzung vorgelegten französischen Vorschriften im einzelnen dargelegt. Sie hat ebenso zu den Voraussetzungen der Erhöhung des gesetzlichen Zinssatzes um fünf Punkte unter Vorlage von Übersetzungen der entsprechenden Vorschriften im Detail vorgetragen. Die Schuldnerin ist dem nicht entgegengetreten.
Die Erhöhung des gesetzlichen Zinssatzes um fünf Punkte folgt aus den französischen Zinsbestimmungen; auch wird sie bei der mit der Vollstreckbarkeitserklärung verbundenen Konkretisierung der Zinsforderung allgemein anerkannt und berücksichtigt (vgl. OLG Hamburg, RIW 1994, 424 f.; OLG Düsseldorf, RIW 1997, 330, 331).
V. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des Verfahrens vor dem Vorsitzenden aus §§ 8 Abs. 4 AVAG, 788 ZPO, hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt unter Berücksichtigung von § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG bis zu 25.000,‑ DM. Der Senat hat den Wert der hilfsweise begehrten Anordnung, die Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, gemäß § 3 ZPO auf bis zu 12.000,‑ DM festgesetzt. Dabei wurde auf das Interesse der Schuldnerin abgestellt, die einen Nachteil allein darin gesehen hat, ihren Rückforderungsanspruch in Frankreich geltend machen zu müssen.
Der Wert des Hauptantrages wurde gemäß § 3 auf bis zu 6.000,‑ DM festgesetzt. Dabei ist berücksichtigt, daß eine Aussetzung der Schuldnerin nach Art. 39 EuGVÜ weiterhin die Möglichkeit eröffnet hätte, die nicht über Maßregeln zur Sicherung hinausgehende Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Schuldnerin zu betreiben. Diese Rechtsfolge der Aussetzung rechtfertigt es aber, den Wert des Hauptantrages niedriger festzusetzen. Der Senat hält die Hälfte des Wertes des Hilfsantrages für angemessen.