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Zusammenfassung der Entscheidung Die Gläubigerin erwirkte gegen die Schuldnerin vor einem französischen Gericht ein Versäumnisurteil. Die Beklagte (Schuldnerin) wurde in dem Urteil jedoch unzutreffend bezeichnet. Die Zustellung der Klageschrift und Ladung erfolgte unter dieser unzutreffenden Bezeichnung an die Adresse der Schuldnerin. Unter dieser Adresse befand sich ein gemeinsames Postschließfach mehrer Gesellschaften. Dort nahm ein für mehrere Gesellschaften, darunter die Schuldnerin, tätiger Postbevollmächtigter das Schriftstück entgegen. Ebenso erfolgte die Zustellung des Versäumnisurteils. Auf Antrag der Gläubigerin wurde das Versäumnisurteil in Deutschland vom zuständigen Landgericht für vollstreckbar erklärt. Dagegen wandte sich die Schuldnerin mit der Beschwerde. Die Gläubigerin beantragte im Beschwerdeverfahren, den Beschluss des Landgerichts dahingehend zu berichtigen, dass die Schuldnerin als Beklagte bezeichnet werde.
Das Hanseatische Oberlandesgericht (DE) entscheidet, dass der Schuldnerin als Beklagter des Ursprungsrechtsstreits das verfahrenseinleitende Schriftstück sowie das Urteil ordnungsgemäß zugestellt worden seien. Die Zustellung der Ladung sei durch Empfangsbestätigung des gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten unter der Anschrift der Schuldnerin nachgewiesen. Dass die Bezeichnung der Zustellungsempfängerin nicht zutreffend gewesen sei, stehe einer ordnungsgemäßen Zustellung nicht entgegen, da sich die Identität der Schuldnerin als Empfängerin zweifelsfrei aus dem Schriftstück ergeben habe. Eine zweifelsfreie Zuordnung sei unter den Gesellschaften, die sich das Postschließfach teilten, aufgrund der genauen Angaben in dem Schriftstück möglich gewesen. Aus denselben Gründen sei auch die Zustellung des Urteils wirksam erfolgt. Aus diesen Erwägungen ergebe sich auch, dass eine Konkretisierung der Parteibezeichnung auf Beklagtenseite in dem Beschluss des Landgerichts geboten sei, um den Titel formal den Erfordernissen des Zweitstaates anzupassen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Beschwerde ist gemäß Art. 11 AVAG, Art.36 EuGVÜ statthaft und auch im übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdebefugnis zu bejahen, auch wenn die Beschwerdeführerin in dem angefochtenen Beschluß nicht als Partei dieses Verfahrens bezeichnet ist, denn die Antragstellerin ist der Behauptung der Beschwerdeführerin, jene wolle aus dem angefochtenen Beschluß gegen sie vollstrecken, nicht entgegengetreten, vielmehr hat sie im Rahmen des Beschwerdeverfahrens den Antrag gestellt, die Bezeichnung der Beklagten in dem Beschluß in der Weise zu berichtigen, daß nunmehr die Beschwerdeführerin als Beklagte bezeichnet werde.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht dem Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung des gegen die Antragsgegnerin am 29.11.1994 vom Tribunal de Commerce de Saint Malo erlassenen Versäumnisurteils durch den angefochtenen Beschluß entsprochen.
Die Beschwerdeführerin wendet sich ohne Erfolg gegen diese Entscheidung.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die Antragstellerin die Voraussetzungen für eine Vollstreckbarkeitserklärung nach den Regelungen des hier anzuwendenden Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ) sowie des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen vom 30.5.1988 (AVAG) nachgewiesen hat. Der Sachvortrag der Beschwerdeführerin in diesem Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Das vom Gericht in Saint Malo erlassene Versäumnisurteil richtet sich gegen die Beschwerdeführerin. Es ist nach den von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen auch davon auszugehen, daß der Beschwerdeführerin als Beklagter jenes Rechtsstreits sowohl das verfahrenseinleitende Schriftstück als auch das Urteil selbst wirksam zugestellt worden sind.
Die Zustellung der Vorladung (Assignation) vom 21.7.1993 (vgl. Anl.1) hat die Antragstellerin durch die Vorlage der Empfangsbestätigung vom 26.7.1993 (ebenfalls Anl.1) nachgewiesen. Zwar ist in dieser Empfangsbestätigung als Empfänger angegeben „Société ...“, gleichwohl muß sich die Beschwerdeführerin den Zugang des Schriftstücks zurechnen lassen, weil dieses an einen für das gemeinsame Postschließfach mehrerer Gesellschaften, darunter auch der Beschwerdeführerin, Empfangsbevollmächtigten, ausgehändigt worden ist. Es ist Sache desjenigen, der mit anderen Unternehmen gemeinsam ein Schließfach benutzt, sicherzustellen, daß nur die ihn betreffenden Schriftstücke als zugestellt entgegengenommen werden. Wird aber ein Schriftstück von einem für mehrere Gesellschaften tätigen Postbevollmächtigten entgegengenommen, so ist der Mitbenutzer eines Schließfaches nicht berechtigt; eine in dieser Weise bestätigte Zustellung später als nicht ordnungsgemäß zu beanstanden, denn er hat in seinem Zustellbereich dafür Sorge zu tragen, daß die für ihn bestimmten Schriftstücke auch als zugestellt entgegengenommen werden. Auf eigene organisatorische Mängel in diesem Bereich darf sich daher die Beschwerdeführerin nicht berufen.
Im übrigen dürfte das zugestellte Schriftstück innerhalb des Organisationsbereichs der Beklagten und der sonst unter derselben Anschrift mit ähnlichem Firmennamen ansässigen Unternehmen auch richtig zugeordnet worden sein, denn in der Vorladung (Assignation) ist auf Seite 3 im Einzelnen angegeben, welcher Vertrag Gegenstand des Streites ist, nämlich ein Vertrag vom 5.5.1992 zwischen der jetzigen Antragstellerin und „K.“, wobei zahlreiche Einzelheiten zur Vertragsdurchführung angegeben werden, die zweifelsfrei eine richtige Zuordnung des Schriftstücks unter den Gesellschaften, die sich desselben Postschließfachs bedienten, ermöglichten.
Aus denselben Erwägungen ist auch von einer ordnungsgemäßen Zustellung des Versäumnisurteils auszugehen, denn auch dieses Urteil ist ausweislich der Empfangsbestätigung vom 6.2.1995 an einen Postbevollmächtigten ausgehändigt worden, der für mehrere unter der Anschrift „...“ residierende Gesellschaften empfangsberechtigt war.
Auch in diesem Falle war im übrigen eine Zuordnung des Schriftstücks unschwer möglich, weil das Urteil ebenfalls klare Angaben zum Streitgegenstand enthält. Die Beschwerdeführerin stellt auch gar nicht in Abrede, mit der Antragstellerin am 5.5.1992 den Vertrag über 4.000.000 MT US-CORN abgeschlossen zu haben, der in dem Urteil als Grundlage der Klage gegen die K. GmbH angeführt ist. Da eine K. GmbH nicht existiert, war für die Beschwerdeführerin ohne weiteres ersichtlich, daß sich die Klage und das Urteil gegen sie richteten.
Die Zustellungen sind nicht etwa deswegen unwirksam, weil sie nicht auf diplomatischem Wege vermittelt wurden. Die Zustellung richtet sich nach den Vorschriften des Urteilsstaates (vgl. Gottwald in Münchener Komm. zur ZPO, Art. 27 IZPR Rn. 16), und das französische Recht sieht ausdrücklich diese Form der Zustellung (remise au parquet) vor (dazu ders., aaO, Rn. 22).
Da der Postbevollmächtigte die in französischer Sprache verfaßten Schriftstücke entgegengenommen hat, ist darin das für die wirksame Zustellung der in einer Fremdsprache verfaßten Schriftstücke erforderliche Einverständnis zu sehen.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist mithin davon auszugehen, daß das verfahrenseinleitende Schriftstück der Beschwerdeführerin auch so rechtzeitig zugegangen ist, daß keine Bedenken gegen die Anerkennung des Versäumnisurteils im Inland bestehen (dazu wiederum Gottwald, aaO, Rn. 22).
Aus den Darlegungen zur Erfolglosigkeit der Beschwerde ergibt sich zugleich, daß dem Antrag der Antragstellerin auf Berichtigung des Passivrubrums zu entsprechen ist.
Es handelt sich um eine zulässige Konkretisierung der Parteibezeichnung auf der Beklagtenseite, denn sowohl der Inhalt der Vorladung als auch die Begründung des Versäumnisurteils rechtfertigen zweifelsfrei die Auslegung, daß die Beschwerdeführerin als die richtige Beklagte zu bezeichnen ist. Der Senat hält in Übereinstimmung mit seiner Entscheidung vom 18.6.1993 RIW 1994, 424 ff.) daran fest, daß bei einer derartigen Sachlage eine Konkretisierung der Parteibezeichnung nicht nur zulässig sondern sogar geboten ist, um einen Titel formal der Übung des Zweitstaates anzupassen. Andernfalls wäre in vielen Fällen die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach den zwischenstaatlichen Abkommen gefährdet, wenn nicht derartige formelle Bedenken, die sich aus den Besonderheiten es Prozeßrechts eines Zweitstaates ergeben, im Wege der Auslegung anhand eindeutiger Unterlagen beseitigt werden dürften.