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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte gegen den Antragsgegner, ihren Ehemann, einen Unterhaltstitel eines türkischen Gerichts. Auf Antrag der Antragstellerin wurde das Urteil vom zuständigen deutschen Landgericht für in Deutschland vollstreckbar erklärt. Die beglaubigte Abschrift der Vollstreckungsklausel, sowie eine Ausfertigung des die Zwangsvollstreckung zulassenden Beschlusses wurden dem Antragsgegner zugestellt. Der Beschwerdeführer wandte sich an das deutsche Landgericht und machte geltend, er habe die Zustellungen erhalten, jedoch sei er mit dem Antragsgegner nicht identisch. Er habe einen anderen Vornamen als der Antragsgegner, die Antragstellerin sei nicht seine Ehefrau und gegen ihn sei in der Türkei kein Unterhaltstitel erwirkt worden.
Das Oberlandesgericht Köln (DE) entscheidet, dass der Beschwerdeführer beschwerdeberechtigt sei, obwohl er weder Schuldner noch Gläubiger in dem Vollstreckungsverfahren sei. Auch wenn er ein nicht unmittelbar an dem Verfahren beteiligter Dritter sei, so sei er doch infolge seiner Namensgleichheit mit dem Antragsgegner und der Angabe seiner Adresse im Passivrubrum von der Sachentscheidung betroffen. Jedem, der durch unrichtige Bezeichnung in einer gerichtlichen Entscheidung betroffen sei, müsse das Recht eingeräumt werden, denjenigen Rechtsbehelf geltend zu machen, der zur Aufhebung der Entscheidung gegeben sei. Dagegen spreche auch nicht die Rechtsprechung des EuGH, wonach die zwischenstaatlichen Übereinkommen für den Bereich der Rechtsschutzmöglichkeiten ein eigenständiges und geschlossenes System darstellten, das nach nationalem Recht zulässige Rechtsmittel Dritter ausschließe. Diese Rechtsprechung zu Art. 36 EuGVÜ betreffe andere Fallkonstellationen. Hier gehe es nicht um die Geltendmachung eines nach nationalem Recht auch für einen Dritten gegebenen Rechtsbehelfs, sondern um die Rechtsschutzmöglichkeiten eines durch Falschbezeichnung im Rubrum betroffenen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Gemäß Beschluß des Amtsgerichts … vom 07.12.1989 ist der Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin ab 10.03.1988 einen laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe von 100.000 türkischen Lira zu zahlen.
Mit Schriftsatz vom 12.06.1995 hat die Antragstellerin die Vollstreckbarerklärung des türkischen Titels beantragt. Der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat diesem Antrag durch Beschluß vom 23.06.1995 entsprochen und die Erteilung der Vollstreckungsklausel zum Zwecke der Zwangsvollstreckung aus dem vorbezeichneten Beschluß angeordnet. Dementsprechend hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle unter dem 07.07.1995 die Vollstreckungsklausel erteilt.
Die beglaubigte Abschrift des türkischen Urteils, eine Abschrift der Übersetzung in die deutsche Sprache, die beglaubigte Abschrift der Vollstreckungsklausel sowie eine Ausfertigung des Beschlusses vom 23.06.1995 wurden dem Antragsgegner unter der Adresse …. durch Niederlegung zugestellt. Am 29.07.1995 erfolgte eine weitere Zustellung durch Niederlegung im Hinblick auf die Berichtigung der Vollstreckungsklausel.
Mit Schreiben vom 15.08.1995 wandte sich der Beschwerdeführer an das Landgericht und bat darum, die Kostenrechnungen an die „zuständige Person” weiterzuleiten. Der Beschwerdeführer wies darauf hin, daß er H. heiße und gegen ihn kein Zivilverfahren anhängig gewesen sei.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 14.09.1995 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle durch Beschluß vom 22.09.1995 die Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung bewilligt, da der Antragsgegner nicht innerhalb der zulässigen Frist Beschwerde erhoben habe.
Am 02.10.1995 wandte sich der Beschwerdeführer erneut an das Landgericht. Er wies darauf hin, daß er mit dem Antragsgegner nicht identisch sei, da sein Vorname anders laute, seine Ehefrau nicht die Antragstellerin sei und in der Türkei gegen ihn kein Unterhaltstitel erwirkt worden sei. Er erklärte darüber hinaus, er habe zwei Zustellungen erhalten, diese aber zur Post zurückgereicht mit dem Vermerk, daß er nicht der Adressat sei. Mittlerweile hat die Post die Zustellungen nach Ablauf der Lagerfrist zur Akte zurückgereicht. Der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat das Vorbringen vom 02.10.1995 als Beschwerde gewertet und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Die Zulässigkeit bestimmt sich vorliegend nach Art. 13 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 02.10.1973 (BGBl. 1986 II 826) nach dem Recht des Vollstreckungsstaates. Nach § 11 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) vom 30.05.1988 (BGBl. 1988 I 662) kann der Schuldner gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung binnen eines Monats Beschwerde einlegen. Nach § 12 AVAG kann die Beschwerde durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Oberlandesgericht oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, die Zulässigkeit der Beschwerde wird indes auch durch die Einlegung bei dem Landgericht, das die Zwangsvollstreckung zugelassen hat, nicht berührt.
Vorliegend ist bereits das Schreiben des Beschwerdeführers vom 15.08.1995 als Beschwerde anzusehen, denn der Beschwerdeführer bringt darin zu Ausdruck, daß er für das gesamte Verfahren nicht die „zuständige Person” sei, auch wenn unmittelbarer Anlaß des Schreibens die Zahlungsaufforderungen der Gerichtskasse sind. Auch aus dem anläßlich seiner Vorsprache bei der Geschäftsstelle des Landgerichtes am 02.10.1995 schriftlich Niedergelegten ergibt sich, daß der Beschwerdeführer eine Entscheidung in der Sache erstrebt, denn er bittet um schriftliche Benachrichtigung dahingehend, daß „die Sache für ihn erledigt ist”.
Die nach dem Vorstehenden als Beschwerde anzusehende Eingabe vom 15.08.1995 erfüllt das Schriftformerfordernis des § 12 AVAG. Auch die Frist des § 11 Abs. 2 AVAG ist eingehalten, denn die Frist begann frühestens am 29.07.1995 zu laufen, dem Tage der Zustellung der erforderlichen Urkunden in der berichtigten Fassung. Die Einlegung der Beschwerde am 17.08.1995 war damit jedenfalls fristgerecht; auf die Frage, ob die Zustellung an Herrn H. A. Wirksamkeit im Verhältnis zu dem Beschwerdeführer entfaltet, kommt es nicht an.
Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt und durch die angefochtene Entscheidung beschwert. Dies gilt auch, wenn man entgegen der Ansicht des Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln und der Beschwerdegegnerin davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer und der Antragsgegner nicht personenidentisch sind. Ist der Beschwerdeführer ein nicht unmittelbar am Verfahren beteiligter Dritter, so ist er doch infolge seiner Namensgleichheit mit dem Antragsgegner und der Angabe seiner Wohnadresse im Passivrubrum von der Sachentscheidung betroffen. Der Beschwerdeführer wurde bereits mit Zahlungsaufforderungen der Gerichtskasse konfrontiert. Die Vollstreckung wurde zunächst im Hinblick auf das Beschwerdeverfahren zurückgestellt. Aufgrund der ergänzenden Vollstreckbarkeitserklärung durch Beschluß vom 22.09.1995 droht die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des Amtsgerichts in Gerze/Türkei ohne vorherige Leistung einer Sicherheit.
Jedem, der durch eine unrichtige Bezeichnung in einer gerichtlichen Entscheidung betroffen ist, muß aber das Recht eingeräumt werden, denjenigen Rechtsbehelf geltend zu machen, der zur Beseitigung der Entscheidung gegeben ist (vgl. BGH MDR 1978, 307 – zur Berufung eines Dritten gegen ein Urteil; vgl. auch OLG Hamm, WM 1984, 1343 – zur Beschwerdebefugnis eines ehemaligen Geschäftsführers einer GmbH; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 828 – zur Beschwerdebefugnis eines durch eine Kostenentscheidung erstmals beschwerten Dritten).
Dies muß auch dann gelten, wenn, wie vorliegend, der Name des in dem Titel bezeichneten Schuldners zwar identisch, der Vorname aber ein anderer ist. Wie die bisherige Verfahrensweise der Gerichtskasse zeigt, muß der Beschwerdeführer mit Vollstreckungsmaßnahmen anläßlich des vorliegenden Verfahrens rechnen. Ihm kann nicht zugemutet werden, sich erst in den jeweiligen Vollstreckungsverfahren mit den dort gegebenen Rechtsbehelfen zur Wehr zu setzen.
Gegen die Beschwerdebefugnis des Dritten im Verfahren über die Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Titels spricht auch nicht der Gesichtspunkt, daß die zwischenstaatlichen Übereinkommen für den Bereich der Rechtsschutzmöglichkeiten ein eigenständiges und geschlossenes System darstellen, die nach nationalem Recht zulässige Rechtsmittel Dritter ausschließen. Die dahingehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Rechtssache 148/84, EuGHE 1984, 1981 ff.; NJW 1986, 657 – LS -) betrifft eine andere Fallkonstellation. Der EuGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der nach Art. 496 des Nouveau code de procedure civile zulässige Rechtsbehelf jedes Dritten, der ein berechtigtes Interesse geltend machen kann, im Hinblick auf den abschließenden Charakter des Art. 36 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 (BGBl. 1972 II 774) ausgeschlossen ist. Vorliegend geht es indes nicht um die Geltendmachung eines Rechtsbehelfs, der ausnahmsweise nach nationalem Recht für einen Dritten gegeben ist, sondern um die Rechtsschutzmöglichkeiten eines Dritten, der infolge einer Falschbezeichnung im Rubrum von dem Verfahren betroffen ist.
Die Beschwerde ist insoweit begründet, als die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung durch das Landgericht zurückzuverweisen ist.
Nach Aktenlage leidet das Verfahren an einem wesentlichen Mangel, denn ausweislich der im Beschwerdeverfahren überreichten Angaben des Unterhaltsschuldners zu seiner Person im Ermittlungsbogen vom 04.07.1994 wohnt dieser nicht, wie im Rubrum angegeben, in der ...straße in L., sondern in der ...straße in L.
Demnach und nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß dieser durch Vorlage seines Passes sowie einer Anmeldebestätigung auf der Geschäftsstelle glaubhaft gemacht hat, sind die in dem Verfahren bislang veranlaßten Zustellungen unwirksam, weil die Zustellungsversuche nicht in der Wohnung des Antragsgegners erfolgt sind und demnach eine Zustellung durch Niederlegung nach § 182 ZPO nicht in Betracht kam.
Der Prozeßkostenhilfeantrag der Antragstellerin betreffend das Beschwerdeverfahren war zurückzuweisen, da nach dem Vorstehenden ihr Antrag auf Verwerfung der Beschwerde als unzulässig keine Aussicht auf Erfolg hat.