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Zusammenfassung der Entscheidung Durch Urteil des Handelsgerichts Paris (FR) wurde die Schuldnerin verurteilt, eine Geldsumme an die Gläubigerin zu bezahlen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde mit der Auflage angeordnet, dass die Gläubigerin eine bestimmte Kaution zu stellen habe. Gegen das Urteil legte die Schuldnerin Berufung ein. Ihr Antrag, die vorläufige Vollstreckbarkeit auszusetzen, wurde zurückgewiesen, wobei entschieden wurde, dass hinsichtlich eines Teilbetrags der Verurteilung (25.000 französische Francs) gem. Art. 700 der neuen französischen Zivilprozessordnung die vorläufige Vollstreckbarkeit ausgeschlossen sei. Die Gläubigerin begehrte in Deutschland die Zulassung der Zwangsvollstreckung und legte eine beglaubigte Bürgschaftserklärung einer Bank vor. Das zuständige deutsche Landgericht ordnete die Erteilung der Vollstreckungsklausel an. Dagegen wandte sich die Schuldnerin mit der Beschwerde, da unter anderem das Ursprungsgericht bei der Entscheidung von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei und die von der Gläubigerin beigebrachte Garantieerklärung nicht ausreichend sei.
Das Oberlandesgericht Koblenz (DE) führt aus, dass die Schuldnerin inhaltliche Mängel des Urteils im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mehr geltend machen könne (Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ). Sie trage selbst nicht vor, dass die Gründe für die Unrichtigkeit erst nach Erlass der Entscheidung ergangen seien. Das Urteil sei auch weitgehend vorläufig vollstreckbar. Die Gläubigerin habe den von ihr nach Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ zu erbringenden Nachweis der vorläufigen Vollstreckbarkeit erbracht. Die nach französischem Recht zu bemessenden Voraussetzungen dafür lägen vor. Die Garantieerklärung der Bank sei ausreichend. Dem stehe nicht entgegen, dass darin eine Frist zur Erhebung der Bürgschaftsklage gegen die Bank gesetzt sei. Lediglich hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von 25.000 Francs sei die vorläufige Vollstreckbarkeit, wie das französische Berufungsgericht entschieden habe, ausgeschlossen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Schuldnerin ist durch Urteil der 9. Kammer des Handelsgerichts Paris vom 15. Mai 1986 verurteilt worden, an die Gläubigerin den am Tage der Zahlung geltenden Gegenwert von 48.822 DM sowie weiterer 1.631.666 DM in französischen Franken sowie weitere 25.000 französische Franken zu zahlen. Das Gericht hat die vorläufige Vollstreckbarkeit verfügt mit der Auflage, daß die Gläubigerin eine dem Gesamtbetrage der Verurteilungsbeträge entsprechende Kaution zu stellen hat. Dieses Urteil ist der Beklagten am 16. Juni 1986 durch Übergabe an die Staatsanwaltschaft (remise au parquet) und durch Mitteilung in Abschrift gemäß Art. 683 ff. der französischen Neuen Zivilprozeßordnung zugestellt worden.
Gegen dieses Urteil hat die Schuldnerin am 7. Juli 1986 Berufung zur Cour d'Appel de Paris eingelegt. Ihren Antrag, die vorläufige Vollstreckbarkeit auszusetzen, hat der zuständige Richter an der Cour d'Appel de Paris mit Beschluß vom 15. September 1986 zurückgewiesen und dabei klargestellt, daß die Verurteilung zur Zahlung von 25.000 Franken auf der Grundlage des Art. 700 der Neuen Zivilprozeßordnung seiner Natur nach von der vorläufigen Vollstreckbarkeit ausgeschlossen ist.
Die Gläubigerin hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Schuldtitel zuzulassen.
Sie hat beglaubigte Übersetzungen von Bürgschaftserklärungen der S. G. vom 1. September 1986 und 5. Februar 1987 vorgelegt. Hierin garantiert die S. G. die Zahlung der oben genannten Summen, wenn die Gläubigerin zur Rückzahlung dieser Beträge rechtskräftig verurteilt werden sollte; die Klage auf Erfüllung dieser Garantie muß innerhalb drei Monaten nach Rechtskraft dieser Entscheidung erhoben werden.
Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach hat am 23. Februar 1987 angeordnet, daß das Urteil der 9. Kammer des Handelsgerichts Paris vom 15. Mai 1986 mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Daraufhin hat der Rechtspfleger des Landgerichts Bad Kreuznach die Vollstreckungsklausel unter Beachtung von § 8 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGÜ) erteilt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Schuldnerin. Sie trägt vor, das Handelsgericht Paris sei bei seiner Entscheidung von falschen Voraussetzungen ausgegangen; sie sei bei Vollstreckung des Urteils in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet, aber bereit, im Falle einer Einstellung der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Form einer Bankbürgschaft zu leisten. Die Schuldnerin ist der Meinung, die von der Gläubigerin beigebrachte Garantieerklärung der Société Générale sei nicht ausreichend.
Die Gläubigerin tritt der Beschwerde entgegen.
II. Die Beschwerde der Schuldnerin ist gemäß Art. 36, 37 EuGÜ, § 12 Ausführungsgesetz zum EuGÜ zulässig, in der Sache jedoch nur zu einem geringen Teil begründet.
1. Bei dem Urteil des Handelsgerichts Paris vom 15. Mai 1986 handelt es sich um eine in einem Vertragsstaat ergangene und der Schuldnerin ordnungsgemäß zugestellte vollstreckungsfähige Entscheidung. Das wird auch von der Schuldnerin nicht bezweifelt.
Soweit die Schuldnerin geltend macht, das Urteil sei inhaltlich falsch, weil es von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen sei, kann sie mit diesem Einwand gemäß Art. 34 Abs. 3 EuGÜ nicht gehört werden. Daß die Gründe, aus denen sich die Unrichtigkeit der Entscheidung ergeben soll, erst nach ihrem Erlaß entstanden sein sollen (vgl. § 14 Abs. 1 Ausführungsgesetz), trägt die Schuldnerin nicht vor.
2. Das Urteil der 9. Kammer des Handelsgerichts Paris vom 15. Mai 1986 ist auch hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung des Gegenwerts von 48.822 DM und 1.631.666 DM zumindest vorläufig vollstreckbar. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hängt zwar davon ab, daß die Gläubigerin eine dem Gesamtbetrag der Verurteilung entsprechende Sicherheit (Kaution) stellt. Diese von der Gläubigerin gemäß Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ nachzuweisende Voraussetzung, die nach dem Recht des Urteilsstaates zu beurteilen ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Ausführungsgesetz), ist erfüllt. Aus dem Beschluß der Cour d'Appel de Paris vom 15. September 1986 ergibt sich nämlich, daß die von der Gläubigerin vorgelegte Erklärung der S. G. die Voraussetzung erfüllt, die vom Handelsgericht Paris für die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils aufgestellt worden ist. Der Senat geht davon aus, daß der Richter der Cour d'Appel de Paris diese Voraussetzung nach französischem Recht geprüft und zu Recht bejaht hat. Insbesondere ist deshalb die Bürgschaftserklärung der S. G. nicht zu beanstanden, weil sie eine Frist zur Erhebung der Klage gegen sie binnen drei Monaten nach rechtskräftiger Entscheidung über einen Schadenersatzanspruch der Schuldnerin gegen die Gläubigerin gesetzt hat.
3. Das Urteil des Handelsgerichts Paris vom 15. Mai 1986 ist allerdings nur insoweit vorläufig vollstreckbar, als die Schuldnerin verurteilt worden ist, an die Klägerin den Gegenwert von 48.822 DM und 1.631.666 DM zu zahlen, nicht jedoch hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von 25.000 französischen Franc. Das ergibt sich ebenfalls aus dem Beschluß der Cour d'Appel de Paris vom 15. September 1986. Dort ist klargestellt, daß die Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von 25.000 Franken auf der Grundlage des Art. 700 der Neuen Zivilprozeßordnung von der vorläufigen Vollstreckbarkeit ausgeschlossen ist. Insoweit war auf die Beschwerde der Schuldnerin die angefochtene Anordnung des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach abzuändern.
III. Eine Anordnung gemäß Art. 38 Abs. 2 EuGÜ, die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen, entfiel, da die vorläufige Vollstreckbarkeit bereits nach dem Ausspruch des Handelsgerichts Paris von einer ausreichenden Sicherheitsleistung abhängig gemacht ist.
Einen Antrag, wegen der von der Schuldnerin eingelegten Berufung die Entscheidung des Beschwerdegerichts auszusetzen (Art. 38 Abs. 1 EuGÜ), hat die Schuldnerin nicht gestellt.
Anordnungen gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Ausführungsgesetz zum EuGÜ, die Zwangsvollstreckung bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde mit oder ohne Sicherheitsleistung auf Maßregeln zur Sicherung zu beschränken, kam nicht in Betracht, da die Schuldnerin nicht glaubhaft gemacht hat, daß die weitergehende Vollstreckung ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Zwar hat die Schuldnerin vorgetragen, sie sei bei einer Zwangsvollsteckung in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet, weil der ausgeurteilte Betrag etwa ein Drittel ihres Kapitals darstelle; die Richtigkeit dieser Angaben hat ihr kaufmännischer Geschäftsführer F. auch an Eides Statt versichert. Die Angaben sind jedoch so pauschal und unsubstantiiert, daß sie nicht ausreichen für die Annahme, die Schuldnerin müsse Teile ihrer Produktion schließen, weil sie keinen weiteren Kredit mehr habe. Immerhin hat sie angeboten, eine Bankbürgschaft über die Urteilssummen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung beizubringen.