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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte vor einem Gericht in Aix en Provence (FR) ein unter anderem auf Zahlung einer Entschädigung lautendes Urteil gegen den Antragsgegner. Auf ihren Antrag hin wurde das Urteil vom zuständigen deutschen Landgericht für in Deutschland vollstreckbar erklärt. Dagegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde, mit der er im Wesentlichen die fehlende Zuständigkeit des Erstgerichts und die Verletzung rechtlichen Gehörs rügte. Er trug vor, die Ladung sei ihm ohne Übersetzung ins deutsche zugestellt worden und er sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, den Termin in Frankreich persönlich wahrzunehmen.
Das OLG Hamm (DE) entscheidet, dass gemäß Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ vorliegend französische Gerichte für den Rechtsstreit zuständig gewesen seien. Eine weitere Prüfung der Gerichte des Urteilsstaates finde gemäß Art. 28 Abs. 3 EuGVÜ nicht statt. Eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung des französischen Gerichts nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ komme nicht in Betracht. Zum deutschen ordre public gehöre der Anspruch auf rechtliches Gehör. Bei der Frage, ob dieser erfüllt wurde, sei auf die Grundwerte zurückzugreifen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen wolle. Das sei einmal der Umstand, dass es das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit grundsätzlich verbiete, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zu äußern. Zum anderen verlange es die Unantastbarkeit der Menschenwürde, dass ein Verfahrensbeteiligter auf die Verfahrensgestaltung aktiv Einfluss nehmen können müsse. Diese Prinzipien seien hier gewahrt, da der Antragsgegner in dem Verfahren vor dem französischen Gericht ständig anwaltlich vertreten und durch die ihm übersandten Schreiben des Gerichts und des Anwalts über den jeweiligen Stand des Verfahrens unterrichtet gewesen sei. Dass diese Schreiben in französischer Sprache abgefasst gewesen seien ändere daran nichts. Insoweit hätte er selbst für Übersetzungen sorgen müssen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin hat am 20.03.1989 vor dem Berufungsgericht in … ein u.a. auf Zahlung einer Entschädigung lautendes Urteil gegen den Antragsgegner erwirkt. Auf Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht die Vollstreckungsklausel erteilt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er im wesentlichen die fehlende Zuständigkeit des Erstgerichtes, fehlerhaftes Erkenntnisverfahren und die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt.
II. Die nach Art. 40 EuGVÜ iVm §§ 11 f AVAG statthafte Beschwerde ist zulässig. Zwar ist sie erst über einen Monat nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses bei einer zufälligen Öffnung des Briefkastens des alten Landgerichtsgebäudes in Münster gefunden worden, so daß ihr rechtzeitiger Eingang im Sinne von § 11 Abs. 2, 3 AVAG nicht feststellbar ist. Diese Unklarheit kann jedoch nicht zu Lasten des Antragsgegners gehen, weil im Umkreis des Briefkastens jeder Hinweis auf dessen Außerdienststellung gefehlt hat.
III. Die Beschwerde des Antragsgegners ist jedoch unbegründet.
Gemäß Art. 34 II, III EuGVÜ darf ein Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel für ein dem Abkommen unterfallendes ausländisches Urteil nur aus einem der in Art. 27 und 28 EuGVÜ genannten Gründe zurückgewiesen werden.
1. Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn die Zuständigkeitsvorschriften des 3., 4. und 5. Abschnitts des Teils II des EuGVÜ verletzt worden sind (Art. 28 Abs. 1 EuGVÜ).
Gemäß Art. 16 Nr. 1 (5. Abschnitt – Ausschließliche Zuständigkeiten) EuGVÜ sind für Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, ausschließlich zuständig. Für den Streitgegenstand des vorliegenden Falles waren es mithin ohne Rücksicht auf die Wohnsitze der Parteien die Gerichte des Vertragsstaates Frankreich.
Eine weitere Prüfung der Zuständigkeit der Gerichte des Urteilsstaates findet nicht statt (Art. 28 Abs. 3 EuGVÜ).
2. Eine Entscheidung wird ferner nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widersprechen würde (Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ). Dem Begriff der deutschen öffentlichen Ordnung sind aber, soweit es um die Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen geht, im Interesse des internationalen Handelsverkehrs sowie mit Rücksicht darauf, daß der Inlandsbezug der Entscheidung sich im wesentlichen auf die Vollstreckung beschränkt, enge Grenzen gesetzt (BGH NJW 86, 3207, 3208 mwN). Der deutsche Richter darf weder das dem ausländischen Urteil vorausgegangene Verfahren, also die korrekte Anwendung der Prozeßordnung, noch die tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen im Urteil selbst nachprüfen. Davon ist jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn höherwertige Interessen eine Durchbrechung dringend erfordern; die deutsche öffentliche Ordnung ist dann verletzt, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, daß sie nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (BGH aaO).
Ein Grundprinzip des deutschen Verfahrensrechts ist der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG). Bei der Frage seiner Erfüllung kann aber nicht ein Vergleich zwischen dem deutschen und ausländischen Recht vorgenommen werden. Es ist vielmehr auf die Grundwerte zurückzugehen, die Art. 103 I GG schützen will. Das ist einmal der Umstand, daß es das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zu äußern. Zum anderen verlangt es die Unantastbarkeit der Menschenwürde, daß ein Verfahrensbeteiligter auf die Verfahrensgestaltung aktiv Einfluß nehmen können muß (BGH NJW 78, 1114, 1115 mwN). Danach entspricht das Verfahren des französischen Berufungsrichters rechtsstaatlichen Grundsätzen und verstößt daher nicht gegen die deutsche öffentliche Ordnung.
Der Antragsgegner ist in dem Verfahren vor dem Berufungsgericht in Aix-en-Provence ständig anwaltlich vertreten gewesen. Er hat zudem Gelegenheit gehabt, die ihm übersandten Schreiben des Gerichts und des Berufungsanwalts – nach seiner Bezifferung etwa 10 – zur Kenntnis zu nehmen und sich dadurch über den jeweiligen Stand des Verfahrens zu unterrichten.
Auf das Fehlen einer beiliegenden Übersetzung der Schreiben in die deutsche Sprache kann sich der Antragsgegner nicht berufen. Er wäre vielmehr verpflichtet gewesen, in das erkennbar fortdauernde Verfahren aktiv einzugreifen und selbst die notwendigen Schritte zu unternehmen, um seine Rechte zu wahren und in geeigneten Fällen – etwa bei erkennbaren Ladungen – auch in zumutbarer Weise selbst für eine Übersetzung zu sorgen (vgl. auch Zöller-Geimer, ZPO, 15. Aufl. 1987, § 328 Rn. 137, 138 mwN).
Auch wenn der Antragsgegner aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sein sollte, in den verbliebenen vier Tagen nach Zugang der Terminsnachricht in deutscher Sprache am 19.01.1989 den Berufungstermin persönlich wahrzunehmen, verletzt das seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht. Auch das deutsche Verfahrensrecht sieht bei anwaltlicher Vertretung – um die sich der Antragsgegner bei rechtzeitiger Einschaltung in das Verfahren auch selbst hätte bemühen können – die Anwesenheit der Parteien nur dann als notwendig an, wenn sie zur weiteren Aufklärung oder gütlichen Einigung beitragen kann (§§ 141, 273 II 3, 279 II, 445 ff ZPO). Daß ein solcher Fall hier nicht vorgelegen hat, ergibt sich daraus, daß dem Antragsgegner keine Ladung, sondern nur eine Terminsnachricht übersandt worden ist.