Zwischen den Parteien schwebte vor der 7. Zivilkammer (Settima Sezione Civile) des Landgerichts Neapel (Tribunale di Napoli) ein Zivilrechtsstreit, in dem es um die Zahlung einer Maklerprovision für die Vermittlung des Verkaufs eines Schiffes namens … ging. Eine erste mündliche Verhandlung in diesem Verfahren fand statt am 21. Januar 1975. Der Antragsgegner wurde zu diesem Termin am 13. Januar 1975 unter Beifügung der Klageschrift auf diplomatischem Weg geladen (Zustellungszeugnis Hülle Bl. 70 a d.A.). Der Antragsgegner ließ sich vor dem Landgericht Neapel nicht vertreten. Im Säumnisverfahren (Convenuto Contumace) wurde er durch Urteil der 7. Zivilkammer vom 30. März 1977 verurteilt, an den Antragsteller 12.750,‑ DM zum amtlichen Umrechnungskurs im Zeitpunkt der Zahlung nebst den gesetzlichen Zinsen seit dem 30. August 1973 zu zahlen. Der Antragsgegner hatte nach dem Urteil darüber hinaus die im einzelnen spezifizierten Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Auf die Einzelheiten des Urteils (Hülle Bl. 62 d.A.) wird Bezug genommen. Das Urteil wurde dem Antragsgegner am 1. Februar 1977 auf diplomatischem Wege zugestellt und persönlich ausgehändigt (Zustellungszeugnis Bl. 75 d.A.).
Der Antragsteller hat beim Landgericht Dortmund beantragt, das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Neapel gemäß Art. 31, 34 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EG-Übk) für vollstreckbar zu erklären.
Der Antragsgegner ist diesem Antrag entgegengetreten. Er hat in erster Instanz bestritten, daß ihm die Klageschrift zugestellt worden sei. Er hat gemeint, die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeitserklärung seien nicht gegeben, da das Urteil des Landgerichts Neapel in der Bundesrepublik nicht anerkannt werden könne, weil das Landgericht Neapel seine internationale Zuständigkeit nicht geprüft habe.
Der Vorsitzende der 15. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund hat dem Antrag des Antragstellers durch ein ohne mündliche Verhandlung erlassenes "Vollstreckungsurteil" vom 14. Oktober 1977 stattgegeben.
Hiergegen legt der Antragsgegner Berufung, vorsorglich Beschwerde ein. Er trägt zur Begründung vor: Der Antragsteller habe nicht diejenigen Urkunden vorgelegt, deren Vorlage Voraussetzung einer Vollstreckbarkeitserklärung seien (Art. 46, 47 EG-Übk). Er wiederholt seine Auffassung, das Urteil des Landgerichts Neapel könne nicht anerkannt werden, weil das Gericht seine internationale Zuständigkeit nicht geprüft habe. Dem Urteil müsse auch deswegen die Anerkennung versagt werden, weil er, der Antragsgegner, nicht rechtzeitig zum Termin vom 21. Januar 1975 geladen worden sei. Die Frist zwischen der diplomatischen Zustellung der Ladung nebst Klageschrift am 13. Januar 1975 und dem Termin sei zu kurz gewesen. Eine andere Ladung, etwa per Einschreiben, habe er nicht erhalten. Der Antragsgegner meint weiter, die Vollstreckbarkeit des Urteils des Landgerichts Neapel könne nicht formell nachgewiesen werden, weil das Urteil kein Rechtskraftattest enthalte und auch in Italien die Vollstreckungsklausel nicht erteilt worden sei. Auch daran müsse eine Anerkennung scheitern.
Der Antragsgegner beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Vollstreckungsurteils den Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er behauptet: Die Klageschrift mit Ladung zum Termin vom 21. Januar 1975 sei dem Antragsgegner nicht nur auf diplomatischem Weg, sondern zusätzlich - entsprechend den Vorschriften der italienischen Zivilprozeßordnung - durch eingeschriebene Sendung, abgesandt am 11. November 1974, zugestellt worden. Auch das Urteil sei vor der Zustellung auf diplomatischem Wege per Einschreiben zugestellt worden. Das Urteil sei rechtskräftig und damit nach italienischem Recht vollstreckbar. Der Antragsteller meint ferner, der Antragsgegner habe hinreichend Gelegenheit gehabt, sich vor dem Landgericht Neapel zu verteidigen, und zwar schon deswegen, weil außer der Verhandlung vom. 21. Januar 1975 weitere 5 Termine zur mündlichen Verhandlung stattgefunden hätten, und zwar am 11. März 1975, 29. April 1975, 10. Mai 1975, 19. November 1975 und 20. Januar 1976. Während dieser Zeit hätten fortlaufend außergerichtliche Verhandlungen zwischen den Parteien stattgefunden. Der Antragsgegner sei über den Stand des Verfahrens ständig unterrichtet worden.
Wegen des Vorbringens der Parteien in weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Der Senat hat durch Einholung der Auskunft des Ministero di Grazia e Giustizia in Rom vom 5. Oktober 1978 und des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Juli 1978 Beweis erhoben. Auf den Inhalt der Auskünfte wird verwiesen.
Der Senat hat durch Einholung der Auskunft des Ministero di Grazia e Giustizia in Rom vom 5. Oktober 1978 und des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Juli 1978 Beweis erhoben. Auf den Inhalt der Auskünfte wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Antragsgegners ist im Ergebnis nicht begründet.
I. Die Berufung ist zulässig. Das Landgericht durfte im vorliegenden Verfahren zwar nicht durch Urteil, sondern nur durch Beschluss über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entscheiden. Dies ergibt sich zwanglos daraus, daß die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht (§ 5 des Ausführungsgesetzes vom 29.7.1972 zum EG-Übk). Es besteht weder Anwaltszwang noch wird der Gegner gehört (Art. 34 EG-Übk). Ein solches Verfahren entspricht allein dem Beschlussverfahren, nicht hingegen dem deutschen Urteilsverfahren (§§ 253 ff, 310 ZPO).
Die fälschlicherweise in Form eines Urteils ergangene Entscheidung war dennoch mit der Berufung anfechtbar (vgl. Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, Grundzüge § 511 Anm. 4 C, D), denn aus einem fehlerhaften Verfahren resultierende Zweifel dürfen nicht zu Lasten einer Prozeßpartei gehen.
II. Die Berufung ist hingegen nicht begründet.
1. Die formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Vollstreckungsklausel (Art. 46, 47 EG-Übk) sind gegeben.
a) Der Antragsteller hat eine Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Neapel vom 30. März 1977 im Original und in beglaubigter Übersetzung vorgelegt (Art. 46 Ziffer 1 EG-Übk). Er hat ferner vorgelegt das Zustellungszeugnis des Amtsgerichts Dortmund vom 13. Januar 1975 über die Zustellung der Klageschrift nebst Ladung auf diplomatischem Weg (Art. 46 Ziffer 2 EG-Übk). Diese Art der Zustellung entsprach dem geltenden internationalen Recht. Nachdem Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1.3.1954 (BGBl. 58 II 577), dem sowohl Italien als auch die Bundesrepublik beigetreten sind (vgl. Baumbach-Lauterbach-Hartmann Einleitung IV 3 A a), hat die Zustellung auf konsularischem Wege zu erfolgen. Das ist hier geschehen. Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen ergibt sich, daß das italienische Konsulat in … den Zustellungsauftrag entgegengenommen und an die zuständigen deutschen Behörden weitergeleitet hat. Die Ausführung der Zustellung durch das Amtsgericht Dortmund entspricht dem Ausführungsgesetz zum Haager Übereinkommen vom 18. Dezember 1958 (BGBl. I 939).
b) Das zu vollstreckende Urteil ist, wie der Antragsteller durch Vorlage des Zustellungszeugnisses des Amtsgerichts Dortmund vom 1. Februar 1977 (Bl. 75 d.A.) nachgewiesen hat, dem Antragsgegner wiederum auf diplomatischem Weg zugestellt worden (vgl. Art. 47 Ziffer 1 EG-Übk). Aus dem Urteil selbst in Verbindung mit der unstreitigen Tatsache, daß der Antragsgegner dagegen kein Rechtsmittel eingelegt hat, ergibt sich, daß das Urteil im Urteilsstaat (Italien) vollstreckbar ist. Dem Senat hat mangels Kenntnis des italienischen Zivilprozeßrechts darüber nach dem Europäischen Übereinkommen vom 7.6.1968 betr. Auskünfte über ausländisches Recht eine Auskunft des Ministerio di Grazia e Giustizia in Rom eingeholt. Dem Art. 47 Ziffer 1 des EG-Übk fordert nicht die Vorlage einer Urkunde, auf der die Vollstreckbarkeit vermerkt ist, sondern nur die Vorlage einer Urkunde, auf der sich die Vollstreckbarkeit ergibt.
Aus der dem Senat erteilten Auskunft geht die Vollstreckbarkeit des Urteils des Landgerichts Neapel vom 30. März 1977 hervor. Die Auskunft ergibt, daß ein Urteil nach italienischem Zivilprozeßrecht u.a. 30 Tage nach Zustellung vollstreckbar wird. Die Zustellung auf diplomatischem Wege ist hier am 01. Februar 1977 erfolgt. Die Frist von 30 Tagen war am 03. März 1977 verstrichen. Die Zustellung ist auch, wie bei einem Versäumnisurteil nach Art. 292 c.p.c. notwendig, an den Antragsgegner persönlich erfolgt.
c) Die Auffassung des Antragsgegners, es bedürfe über diese Voraussetzungen hinaus für die Erteilung der Vollstreckungsklausel eines Rechtskraftsattestes auf dem ausländischen Urteil oder der im Ausland erteilten Vollstreckungsklausel, geht fehl.
aa) Ein Rechtskraftattest kann schon deswegen nicht gefordert werden, weil auch Urteile, die nicht rechtskräftig sind, jedenfalls vorläufig vollstreckbar sein können, es nach deutschem Zivilprozeßrecht sogar in aller Regel sind (vgl. §§ 708, 709 ZPO). Auch ein vorläufig vollstreckbares Urteil ist ein vollstreckbares.
bb) Der Erteilung der ausländischen Vollstreckungsklausel bedarf es nicht, weil der Gläubiger nicht gezwungen werden kann, eine ausländische Vollstreckungsklausel zu erwirken, wenn er in Deutschland vollstrecken will. Art. 47 EG-Übk fordert lediglich, daß das ausländische Urteil vollstreckbar ist, nicht hingegen, daß im Ausland schon formelle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung beschafft worden sind.
2. Die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Vollstreckungsklausel (Art. 34 Abs. 2, 27, 28 EG-ÜbK) liegen ebenfalls vor. Nach Art. 34 Abs. 2 EG-Übk kann der Antrag auf Erteilung der Klausel nur aus einem der in Art. 27, 28 EG-Übk angeführten Gründe abgelehnt werden. Derartige Gründe fehlen hier.
a) Bedenken können sich hier nur daraus ergeben, daß der Antragsgegner, der sich auf das Verfahren vor dem Landgericht Neapel nicht eingelassen hat, daß das Verfahren einleitende Schriftstück zwar ordnungsgemäß durch Ladung auf diplomatischem Wege am 13. Januar 1975 zugestellt bekommen hat, diese Zustellung aber sehr knapp vor dem Termin vom 21. Januar 1975 lag. Eine frühere Zustellung war nicht feststellbar. Der Antragsgegner hat zwar nachgewiesen, daß die Klage mit Ladung auch per Einschreiben schon im November 1974 zur Absendung gelangt ist. Es ist aber nicht nachgewiesen, daß diese Sendung den Antragsgegner erreicht hat. Allein durch die Absendung wird der Zugang nicht bewiesen (vgl. BGH NJW 1964, 1176.). Trotz der Zustellung erst 8 Tage vor dem Termin vom 21. Januar 1975 hatte der Antragsgegner jedoch ausreichend Gelegenheit, sich in dem Verfahren vor dem Landgericht Neapel zu verteidigen (§ 27 Ziffer 2 EG-Übk). Zwar war die Zustellung nicht so rechtzeitig, daß der Antragsgegner sich noch in diesem Termin verteidigen konnte, denn so rasch konnte er in Neapel kaum einen Anwalt finden und ihn noch hinreichend informieren. Darauf kommt es aber nicht an. Die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 1975 war nicht die einzige, die stattgefunden hat.
Wie sich aus dem Urteil des Landgerichts Neapel selbst ergibt, ist mindestens noch eine weitere Verhandlung am 24. März 1976 gewesen (so letzter Satz vor dem Abschnitt Entscheidungsgründe, Motiviella Decision). Inwieweit der Antragsgegner davon noch Kenntnis erhalten hatte und über den Stand des Verfahrens informiert worden ist, kann hier dahinstehen. Unstreitig ist, daß er wußte, daß am 21. Januar 1975 noch keine Entscheidung ergangen war, denn er hat in der Zwischenzeit das italienische Konsulat in Dortmund vermittelnd eingeschaltet. Der Antragsgegner hatte hinreichend Gelegenheit, einen italienischen Anwalt zu beauftragen, sich durch ihn über den Stand des Verfahrens informieren zu lassen und ihm sein Vorbringen zur Klage zu unterbreiten. Er konnte sich, was entscheidend ist, bis zum Erlaß des Urteils in ausreichendem Maße verteidigen.
b) Soweit der Antragsgegner vorträgt, das Landgericht Neapel habe seine internationale Zuständigkeit nach dem EG-Übk nicht geprüft, kam es darauf nicht an. Ob das ausländische Gericht, für dessen Urteil die Erteilung der Vollstreckungsklausel begehrt wird, seine internationale Zuständigkeit beachtet hat, ist - wie sich aus Art. 28 Abs. 1 EG-Übk ergibt - nur von Bedeutung, wenn die Entscheidung eine Versicherungssache (3. Abschnitt des EG-Übk) der Abzahlungsgeschäft (4. Abschnitt des EG-Übk) zum Gegenstand hatte oder eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 16 des Übereinkommens gegeben war. Dies war hier sämtlich ganz offensichtlich nicht der Fall. Eine Verletzung der genannten Vorschriften scheidet jedenfalls aus, wenn das ausländische Gericht seine Zuständigkeit auf das Vorliegen einer der genannten Rechtsstreitigkeit nicht prüft, eine derartige Streitigkeit aber vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden konnte.