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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger schloss mit der spanischen Firma P auf Gran Canaria (ES) einen Time-Sharing-Vertrag über ein Appartement der P auf Gran Canaria. Der Vertrag enthielt eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte auf Gran Canaria. Der Kläger zahlte einen Teil des Preises an. Danach widerrief er den Vertrag. Im Fall der Durchführung des Vertrags hätte es der P oblegen, den Kläger bei der in Stuttgart (DE) ansässigen Beklagten, die auf den Tausch von Ferienwohnungen spezialisiert ist, anzumelden. Der Kläger forderte vor dem Amtsgericht Düsseldorf (DE) von P, sowie von der Beklagten Rückzahlung des angezahlten Kaufpreises. Das Gericht verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Fürstenfeldbruck (DE). Dieses wies die Klage gegen P mangels internationaler Zuständigkeit ab und verwies das abgetrennte Verfahren gegen die Beklagte an das Amtsgericht Stuttgart (DE), welches die Übernahme ablehnte.
Das OLG München (DE) schließt eine Weiterverweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck (DE) aus, da der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf (DE) insoweit bindend sei. Zwar regle das hier anwendbare EuGVÜ in bestimmten Fällen auch die örtliche Zuständigkeit und verdränge damit die nationalen Zuständigkeitsnormen, eine einschlägige örtliche Zuständigkeitsnorm des EuGVÜ sei aber nicht ersichtlich. Der Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung sei kein von Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ erfasster dinglicher Anspruch. Die Gerichtsstandsvereinbarung im Time-Sharing-Vertrag binde die Beklagte nicht. Für einen Verbrauchergerichtsstand im Inland fehle es an dem von Art. 13 EuGVÜ geforderten Inlandsbezug. Zudem regle Art. 14 EuGVÜ nur die internationale Zuständigkeit, während die örtliche Zuständigkeit dann nach nationalem Recht zu bestimmen sei. Auch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ könne hier keinen vorrangig zu beachtenden Gerichtsstand begründen, da diese Bestimmung nicht gelte, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz oder Sitz im Gerichtsstaat habe.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Der Kläger und seine Ehefrau haben am 1.5.2000 auf Gran Canaria mit der Firma P., einem Time-Sharing-Anbieter mit Sitz in Spanien, einen Vertrag geschlossen, wonach die Eheleute Miteigentum und die Berechtigung zur Nutzung für eine Woche pro Jahr an einem Appartement in der Ferienwohnanlage der Firma P. auf Gran Canaria erwerben sollten. Der Vertrag enthält eine Gerichtsstandsklausel zugunsten des Gerichtswesens von Gran Canaria. Auf den Gesamtpreis von 22.800 DM hat der Kläger bisher 7.245,87 DM bezahlt. Mit Schreiben vom 27.7.2000 haben die Eheleute den Vertrag widerrufen. Im Falle der Durchführung des Vertrages hätte es der Firma P. oblegen, nach Erhalt des vollständigen Kaufpreises die Eheleute bei der Beklagten, einem im Verbund mit einer internationalen Ferientauschgesellschaft (sog. Tauschpool) auf den Tausch von Ferienwohnungen spezialisierten Unternehmen mit Sitz in Stuttgart, als Vertragspartner für die ersten drei Jahre anzumelden; hierzu ist es nicht gekommen.
Der Kläger verlangt die Kaufpreisanzahlung zurück. Er hat gegen die Firma P. vor dem Amtsgericht Düsseldorf Klage erhoben und diese Klage gegen die Beklagte erweitert. Nach richterlichem Hinweis auf die örtliche Unzuständigkeit verwies das Amtsgericht Düsseldorf auf Antrag des Klägers, der in erster Linie das Amtsgericht Fürstenfeldbruck und hilfsweise für das Verfahren gegen die Beklagte das Amtsgericht Stuttgart benannte, den Rechtsstreit insgesamt mit Beschluß vom 19.11.2001 an das Amtsgericht Fürstenfeldbruck. Im Verweisungsbeschluß ist ausgeführt, daß sich die Bindungswirkung des Beschlusses nicht auf die internationale Zuständigkeit des verwiesenen Gerichts erstreckt. Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck hat die Klage gegen die Firma P. mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte abgewiesen. Das Verfahren gegen die Beklagte hat es mit Beschluß vom 15.2.2002 abgetrennt und – gemäß einem erneut hilfsweise gestellten Verweisungsantrag des Klägers, der der Beklagten mitgeteilt wurde – an das Amtsgericht Stuttgart weiterverwiesen. Das Amtsgericht Stuttgart hat die Übernahme des Rechtsstreits mit Beschluß vom 17.4.2002 abgelehnt und die Akten dem Oberlandesgericht München vorgelegt.
II. 1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst mit der Sache befaßten Amtsgericht Fürstenfeldbruck und dem Amtsgericht Stuttgart berufen (§ 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
2. Örtlich zuständig ist jedenfalls aufgrund des bindenden Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Düsseldorf vom 19.11.2001 das Amtsgericht Fürstenfeldbruck.
a) Nach § 281 Abs. 2 Satz 5 (jetzt: Satz 4) ZPO ist ein Verweisungsbeschluß für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten, so daß der erste mit verfahrensrechtlicher Bindungswirkung erlassene Verweisungsbeschluß im Bestimmungsverfahren fortwirkt (BayObLG NJW-RR 1991, 187/188; KG-Report 1999, 394/395; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 36 Rn. 28). Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschluß grundsätzlich der Nachprüfung (BGH NJW 1988, 1794/1795; BGH FamRZ 1990, 1226/1227; BayObLGZ 1985, 397/401). Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzwidrig ist, so daß sie als objektiv willkürlich erscheint, oder wenn sie auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (BGHZ 102, 338/341; BayObLGZ 1991, 280/281 f.; Zöller/Greger § 281 Rn. 17 und 17a).
b) Das Amtsgericht Düsseldorf, dessen örtliche Unzuständigkeit von den Parteien nicht in Frage gestellt wird, hat die Verweisung an das Amtsgericht Fürstenfeldbruck als Wohnsitzgericht des Klägers damit begründet, daß dort der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO gegeben sei. Die Parteien (zu denen damals auf Beklagtenseite auch noch die Firma P. gehörte) würden über das wirksame Zustandekommen des Time-Sharing-Vertrages und die sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen des Klägers für Vergangenheit und Zukunft streiten. Diese wären – das Bestehen des Vertragsverhältnisses unterstellt – an seinem Wohnsitz zu erfüllen.
Diese Auffassung ist jedenfalls nicht so offensichtlich unvertretbar, daß sie als willkürlich zu qualifizieren wäre.
aa) Allerdings kommt im Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter, die beide ihren Wohnsitz bzw. Sitz im Inland haben, wegen des dem geltend gemachten Anspruch innewohnenden Auslandsbezugs die Anwendung des EuGVÜ in Betracht (vgl. Kropholler Internationales Zivilprozeßrecht 6. Aufl. vor Art. 2 Rn. 5 ff.; Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. EuGVÜ Vorbem. Rn. 13; zur Anwendbarkeit des EuGVÜ im Verhältnis zu der seit 1.3.2002 geltenden EuGVVO vgl. Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 EuGVVO). Das EuGVÜ regelt in bestimmten Fällen über die – hier nicht zu untersuchende – internationale Zuständigkeit hinaus auch die örtliche Zuständigkeit und geht insoweit den nationalen Zuständigkeitsbestimmungen vor. Eine solche die innerstaatlichen Zuständigkeitsnormen verdrängende örtliche Zuständigkeit nach EuGVÜ ist hier jedoch nicht ersichtlich.
Art. 16 Nr. 1 lit a) EuGVÜ, der einen ausschließlichen örtlichen Gerichtsstand am ausländischen Belegenheitsort der Immobilie begründen würde, greift nicht ein, da der dinglich ausgestaltete Time-Sharing-Vertrag zwar eine in Spanien belegene unbewegliche Sache betrifft, der geltend gemachte Anspruch auf Rückgewähr der Kaufpreisanzahlung aber kein von dieser Bestimmung erfaßter dinglicher Anspruch ist (vgl. Kropholler Art. 16 Rn. 17). Eine Bindung der – am Vertragsschluß unmittelbar nicht beteiligten – Beklagten an die dort getroffene Gerichtsstandsvereinbarung, die sich auch auf die örtliche Zuständigkeit beziehen und ausschließlichen Charakter haben kann (Art. 17 EuGVÜ), wird von keiner Seite behauptet und liegt nach Sachlage fern. Auch ein vom Kläger und vom Amtsgericht Stuttgart angenommener Verbrauchergerichtsstand am Klägerwohnsitz nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ besteht nicht. Insoweit dürfte es hier schon an den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ fehlen, da nicht ersichtlich ist, daß der Vertrag überwiegend die Erbringung einer Dienstleistung (vgl. EuGH EuZW 1999, 377; BGHZ 135, 125/131) oder die Leistung beweglicher Sachen zum Gegenstand hätte; darüber hinaus dürfte auch der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit a) und b) EuGVÜ kumulativ geforderte Inlandsbezug nicht vorliegen. Im übrigen regelt Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ, wie sich aus seinem Wortlaut ergibt, nur die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat; die örtliche Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates ist dem nationalen Recht zu entnehmen (vgl. Kropholler Art. 14 Rn. 1; Zöller/Geimer ZPO 22. Aufl. EuGVÜ Art. 13 bis 15 Rn. 3). Schließlich kann auch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, der für den Vertragsgerichtsstand des Erfüllungsorts neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit regelt, hier keinen vorrangig zu beachtenden inländischen Gerichtsstand begründen; denn diese Bestimmung gilt nicht, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz oder Sitz im Gerichtsstaat hat (Kropholler vor Art. 5 Rn. 3; Thomas/Putzo Art. 5 Rn. 1).
bb) Der Heranziehung des § 29 ZPO steht nicht von vornherein entgegen, daß Gegenstand der Klage nicht ein primärer vertraglicher Leistungsanspruch ist. Im Gerichtsstand des Erfüllungsortes können auch Ansprüche aus Rückabwicklungsverhältnissen und aus culpa in contrahendo verfolgt werden (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 29 Rn. 6, 18 f.). Für die Zuständigkeitsbestimmung ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen, ohne daß die Klage auf Schlüssigkeit zu prüfen wäre (BayObLG MDR 1998, 180 f.). Der Kläger nimmt die Beklagte aus dem mit der Firma P. geschlossenen Vertrag in Anspruch. Er ist der Auffassung, Time-Sharing-Anbieter und Tauschpool stünden dem Verbraucher als Einheit gegenüber; die Beklagte habe Sorgfaltspflichten verletzt, sie hafte für die Rückzahlung der Kaufpreisanzahlung. Der Sache nach macht er einen vertraglichen Rückgewähr- oder rechtsgeschäftsähnlichen Haftungsanspruch geltend, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 29 ZPO fallen.
cc) Zu welchem Gerichtsstand die Anwendung des § 29 ZPO bei derartigen Rückgewähransprüchen führt, ist im einzelnen umstritten und nicht leicht zu bestimmen. Erwogen wird etwa ein einheitlicher „Austauschort“ am Ort, wo sich die Sache vertragsgemäß befindet, oder am Belegenheitsort der unbeweglichen Sache, ferner der Wohnsitz des Schuldners (in Bezug auf die Kaufpreisforderung also des Käufers) oder der Wohnsitz des Rückgewährschuldners (Verkäufers), wobei verschiedentlich an den Erfüllungsort der primären Hauptleistungspflicht, auf die sich die Rückgewährsforderung bezieht, angeknüpft wird (vgl. Zöller/Vollkommer 23. Aufl. § 29 Rn. 25 „Kaufvertrag“; MünchKommZPO/Patzina 2. Aufl. § 29 Rn. 62; MünchKomm/Krüger BGB 4. Aufl. § 261 Rn. 41; Staudinger/Werner BGB 1998 § 3 HaustürWG Rn. 14; Staudinger/Kaiser BGB 2001 § 361a Rn. 52). Danach erscheint es nicht offensichtlich unvertretbar, wenn das Amtsgericht Düsseldorf für den geltend gemachten Rückgewähranspruch gegen die Beklagte auf den Erfüllungsort der – jedenfalls im Verhältnis zwischen Kläger und Time-Sharing-Anbieter intendierten – primären Zahlungspflicht des Klägers abstellt und diesen Erfüllungsort am Wohnsitz des Klägers (§§ 269, 270 Abs. 4 BGB) sieht. Da der Verweisungsbeschluß auch nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht, ist er bindend.
c) Infolge der Bindungswirkung der vom Amtsgericht Düsseldorf wegen örtlicher Unzuständigkeit ausgesprochenen Verweisung war eine Weiterverweisung des Rechtsstreits wegen örtlicher Unzuständigkeit ausgeschlossen. Die vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck ausgesprochene Weiterverweisung an das Amtsgericht Stuttgart war unzulässig und konnte ihrerseits keine Bindungswirkung entfalten (vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 187/188; BayObLGZ 1985, 387/390; Zöller/Greger 23. Aufl. § 281 Rn. 19). Auf die – im übrigen unzutreffende – Ansicht des Amtsgerichts Stuttgart, das Amtsgericht Fürstenfeldbruck habe ohne erneutes rechtliches Gehör weiterverwiesen, kommt es nicht an.