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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin nahm die damals in Fuerteventura (ES) wohnhafte Antragsgegnerin 1991 vor einem Gericht in Puerto del Rosario (ES) auf Zahlung in Anspruch. Gegen das 1998 ergangene, ihrer Klage nur teilweise stattgebende Urteil legte die Antragstellerin bei einem Gericht in Las Palmas (ES) Berufung ein. Dieses verurteilte die Antragsgegnerin zur Zahlung des gesamten Klagebetrages. Auf Antrag erklärte das zuständige deutsche Landgericht das Berufungsurteil für in Deutschland vollstreckbar. Die Antragsgegnerin erhob Beschwerde und trug vor, sie sei bereits vor Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nach Marbella (ES) verzogen. Das erstinstanzliche Urteil sei ihr nicht zugestellt worden und von dem Berufungsverfahren habe sie keine Kenntnis erlangt. Wenn ihr damaliger Prozessvertreter in der Berufungsverhandlung anwesend gewesen sein sollte, so sei er jedenfalls nicht für das Berufungsverfahren mandatiert gewesen.
Das OLG Köln (DE) ist der Auffassung, dass ein Anerkennungsversagungsgrund nach Art. 27, 28 EuGVÜ nicht vorliege. Die Antragsgegnerin bestreite nicht, dass ihr das verfahrenseinleitende Schriftstück zugestellt worden sei. Nur hierauf komme es im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ an. Fehler bei der Zustellung späterer Schriftstücke, etwa der Berufungsschrift, seien insoweit unerheblich. Dass die Zustellung nicht rechtzeitig erfolgt sei, trage die Antragsgegnerin ebenfalls nicht vor. Ein ordre-public-Verstoß i.S.v. Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ sei ebenfalls nicht dargetan. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Grundsatz rechtlichen Gehörs im Berufungsverfahren verletzt worden sei. Die insofern beweisbelastete Antragsgegnerin habe keinen Beweis für ihre Behauptung angetreten, dass ihr früherer Prozessbevollmächtigter, von dem nicht ausgeschlossen werden könne, dass er an der Berufungsverhandlung teilgenommen habe, für das Berufungsverfahren nicht mandatiert gewesen sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin hatte die zum damaligen Zeitpunkt in Fuerteventura/Spanien wohnhafte Antragsgegnerin im Jahr 1991 vor dem Amtsgericht Puerto del Rosario in Fuerteventura auf Rückzahlung eines ihr angeblich gewährten Darlehens in Anspruch genommen. Gegen das am 15.05.1998 verkündete amtsgerichtliche Urteil, durch welches der Klage der Antragstellerin nur teilweise stattgegeben worden war, legte die Antragstellerin beim Landgericht Las Palmas de Gran Canaria Berufung ein. Auf die Berufung wurde die Antragsgegnerin mit Urteil des Landgerichts in Las Palmas de Gran Canaria vom 09.09.1999 verurteilt, an die Antragstellerin 2.301.262 spanische Peseten zu zahlen. Das Urteil wurde ausweislich einer Bescheinigung der 4. Kammer des Landgerichts Las Palmas de Gran Canaria vom 02.04.2003 sowie der von der Antragstellerin zu den Akten gereichten Bescheinigung gemäß Art. 54 und 58 der Vereinbarung über Resolutionen und gerichtliche Vergleiche des Landgerichts Las Palmas vom 16.07.2003 der Prozessvertretung der Antragsgegnerin am 20.10.1999 zugestellt; ein Rechtsmittel wurde gegen die Entscheidung nicht eingelegt.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Bonn – der Vorsitzende – auf Antrag der Antragstellerin angeordnet, dass das „Versäumnisurteil“ des Landgerichts in Las Palmas de Gran Canaria vom 09.09.1999 wegen der hierin titulierten Zahlungsansprüche mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung und macht geltend: Am 14.12.1993, mithin vor Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens, sei sie nach Marbella verzogen. Zum damaligen Zeitpunkt habe sie die gerichtliche Auseinandersetzung als beendet betrachtet, da sie die streitige Summe bezahlt habe. Das erstinstanzliche Urteil sei ihr nicht zugegangen. Sie habe auch keine Kenntnis von dem Berufungsverfahren erlangt. Es sei ihr weder die Berufungsschrift noch ein vermutlich in diesem Verfahren außerdem eingereichter Schriftsatz zugegangen. Auch das Berufungsurteil habe sie nicht erhalten. Soweit im Sachverhalt des Urteils des Landgerichts Las Palmas vom 09.09.1999 ausgeführt worden sei, dass die Parteien zu der Berufungsverhandlung erschienen seien, sei dies unzutreffend. Weder sie selbst noch ein von ihr bevollmächtigter Dritter habe den Termin wahrgenommen. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass Zustellungen im Berufungsverfahren an ihren früheren Prozessbevollmächtigten bewirkt worden seien und dieser bei der Berufungsverhandlung zugegen gewesen sei; er sei für das Berufungsverfahren jedoch nicht mandatiert gewesen.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde der Antragsgegnerin entgegen getreten.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Las Palmas de Gran Canaria vom 09.09.1999 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (Art. 36 Abs. 1, Art. 37 EuGVÜ iVm §§ 11, 12 Abs. 1 AVAG), hat in der Sache selbst jedoch keinen Erfolg.
Die beantragte Vollstreckung aus dem vorbezeichneten Urteil des Landgerichts Las Palmas de Gran Canaria ist zuzulassen.
Die Zulassung der Zwangsvollstreckung richtet sich nach dem EuGVÜ in der Fassung des 3. Beitrittsabkommens vom 26.05.1989, da die zu vollstreckende Entscheidung vor dem 01.03.2002 erlassen worden ist, Art. 66 Abs. 1 und 2 EuGVVO.
Nach Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ kann der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in Art. 27 und 28 EuGVÜ angeführten Gründe abgelehnt werden. Ein Anerkennungsversagungsgrund nach Art. 27, 28 EuGVÜ liegt hier indes nicht vor.
Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist (Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ). Das verfahrenseinleitende Schriftstück ist die vom Recht des Urteilsstaats vorgesehene Urkunde, durch deren Zustellung der Beklagte/Antragsgegner erstmals offiziell von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Kenntnis erlangen soll (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rn. 2927). Die Antragsgegnerin selbst stellt nicht in Abrede, dass ihr das Schriftstück, welches das – erstinstanzliche – Verfahren des spanischen Gerichts eingeleitet hat, ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Nur hierauf kommt es aber für die Prüfung im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ an. Fehler bei der Zustellung späterer Schriftsätze, etwa der Berufungsschrift, sind in diesem Rahmen unerheblich (vgl. BGH NJW 1990, 2201 ff. = FamRZ 1990, 868 ff.). Sie hat auch keine Gründe vorgetragen, aus denen sich entnehmen ließe, dass ihr das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig zugestellt worden wäre, dass sie sich nicht habe verteidigen können. Hiergegen spricht zudem der Zeitraum, der zwischen der Verfahrenseinleitung im Jahr 1991 und dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens im Jahr 1999 verstrichen ist.
Die Antragsgegnerin hat auch nicht dargetan, dass die Anerkennung der zu vollstreckenden Entscheidung der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland widersprechen würde, Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ. Zwar kann die Vorenthaltung des rechtlichen Gehörs nach dem Stadium der Verfahrenseinleitung dazu führen, dass die Vollstreckbarerklärung des Titels aufgrund des ordre public Vorbehalts des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ abgelehnt wird (vgl. BGH, aaO; Schlosser, EuGVÜ Art. 27-29 EuGVÜ Rn. 7). Dass im Berufungsverfahren gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen worden ist, läßt sich jedoch nicht feststellen. Es ist nicht erwiesen, dass es sich bei der Entscheidung des Landgerichts Las Palmas de Gran Canaria vom 09.09.1999 tatsächlich, wie vom Landgericht angenommen, um eine Versäumnisentscheidung handelte. Hiergegen spricht vielmehr, dass im Sachverhalt des vorbezeichneten Urteils festgehalten ist, dass die Parteien zu dem Termin vor dem Landgericht geladen worden und erschienen seien. Das Terminsprotokoll der Berufungsverhandlung konnte von der Antragstellerin trotz einer entsprechenden Auflage des Senats nicht beigebracht werden. Die Antragsgegnerin, die bei ungeklärter Tatsachengrundlage die Beweislast für einen ordre public Verstoß trägt, da die Anerkennungsversagungsgründe des Art. 27 EuGVÜ Einwendungsnormen sind (vgl. Schlosser, aaO, Rn. 21), hat für ihre Behauptung, ihr früherer Prozessbevollmächtigter, von dem nicht ausgeschlossen werden könne, dass er an der Berufungsverhandlung teilgenommen habe, sei für das Berufungsverfahren nicht mandatiert gewesen, keinen Beweis angetreten.
Da nach dem Vorstehenden nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der zu vollstreckenden Entscheidung um eine Säumnisentscheidung handelt, war – zur Vermeidung von der Antragstellerin im Rahmen der Zwangsvollstreckung etwaig drohender Nachteile – der Tenor des angefochtenen Beschlusses wie geschehen klarstellend zu berichtigen.