-
Zusammenfassung der Entscheidung Die griechische Beklagte hat die Klägerin, eine in Deutschland ansässige Anwaltssozietät, mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit deren Absicht zum Erwerb von Unternehmensteilen und Immobilien einer insolventen deutschen Gesellschaft beauftragt. Am Sitz dieser Gesellschaft wurden mehrere Beratungsgespräche zwischen der Klägerin und der Beklagten durchgeführt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte vor einem deutschen Gericht Klage auf Zahlung der vereinbarten Vergütung erhoben. Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts gerügt und ist im übrigen aus sachlichen Gründen der Klage entgegengetreten. Daraufhin haben die Parteien übereinstimmend die Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes deutsches Gericht beantragt. Dieses Gericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die deutschen Gerichte nicht international zuständig seien.
Das Oberlandesgericht Frankfurt (DE) findet, dass das erstinstanzliche Gericht zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit verneint hat. Ob Art. 5 Nr.1 EuGVO hier die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründe, könne dahin gestellt bleiben. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit sei jedenfalls nach Art. 24 EuGVO gegeben. Die Beklagte habe sich nämlich auf das Verfahren eingelassen, ohne die internationale Zuständigkeit zu rügen. Ein Einlassen auf das Verfahren im Sinne dieser Vorschrift sei auch dann gegeben, wenn der Beklagte die Unzulässigkeit der Klage aus anderen Gründen als der fehlenden internationalen Zuständigkeit behaupte. Dies sei hier der Fall. Die Beklagte habe nur die örtliche Zuständigkeit des zuerst angerufenen deutschen Gerichts gerügt und sich im übrigen sachlich verteidigt. Sie habe hingegen nicht geltend gemacht, dass sie an ihrem Sitz in Griechenland zu verklagen sei. Schließlich stehe der Begründung der Zuständigkeit deutscher Gerichte durch rügelose Einlassung auch nicht eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit entgegen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Kläger sind Mitglieder einer in O1 ansässigen Rechtsanwaltssozietät und machen gegen die Beklagte, ein in Griechenland ansässiges Unternehmen zur Herstellung und zum Vertrieb von chemischen Produkten, einen Anspruch auf Vergütung für anwaltliche Beratung geltend.
Die Kläger haben behauptet, die Beklagte habe ihr Sozietätsmitglied Rechtsanwalt RA1 mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit deren Absicht zum Erwerb von Unternehmensteilen und Immobilien der insolventen … AG mit Sitz in O2 und O3 beauftragt. Bei einem am 2.2.2001 in O3 unstreitig stattgefundenen Gespräch sei Rechtsanwalt RA1 von den Herren A und B mit der Wahrnehmung der Verhandlungsinteressen der Beklagten beauftragt worden. Der Anwaltsvertrag sei in O3 zu erfüllen gewesen. Dort habe man am 15.2.2001, 12.3.2001, 15.3.2001, 26.3.2001, 29.3.2001 und am 10.4.2001 Beratungsgespräche durchgeführt.
Die Kläger haben die vorliegende Klage zunächst beim Amtsgericht Limburg erhoben. In der Klageerwiderung vom 12.1.2004 hat die Beklagte die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Limburg gerügt und ist im übrigen aus sachlichen Gründen der Klage entgegengetreten. In der ersten mündlichen Verhandlung hat der Beklagtenvertreter „die Zuständigkeit“ des angerufenen Gerichts gerügt und den Abdruck der Urteilsveröffentlichung BGH NJW 2004, 54 überreicht. In der zweiten mündlichen Verhandlung haben die Parteien übereinstimmend die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Gießen beantragt. Durch Beschluss vom 23.6.2004 hat sich das Landgericht Limburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Gießen verwiesen, weil dort der Erfüllungsort begründet sei.
Vor dem Landgericht Gießen haben die Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 17.069,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.11.2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht Gießen hat die Klage durch Urteil vom 1.9.2004 als unzulässig abgewiesen, weil die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei. Nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 EuGVVO könne die Beklagte nur in Griechenland verklagt werden. Das Landgericht Gießen sei nicht wegen des Gerichtsstands des Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 a) EuGVVO zuständig. Der Erfüllungsort sei nicht einheitlich für die vertragscharakteristische Leistung zu bestimmen. Erfüllungsort der geltend gemachten Zahlungspflicht sei der Geschäftssitz der Beklagten in Griechenland.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Gießen beantragen. Sie vertreten die Auffassung, dass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Limburg für das Landgericht Gießen auch hinsichtlich der Internationalen Zuständigkeit bindend gewesen sei, weil die Parteien übereinstimmend die Verweisung beantragt hatten. Ferner sei auch Erfüllungsort für die Verpflichtungen der Beklagten O3, weil die vertraglichen Verpflichtungen dort begründet worden seien.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist begründet, weil das Landgericht Gießen zu Unrecht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit verneint hat.
Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit in zivilrechtlicher Streitigkeiten im Verhältnis zwischen Deutschland und Griechenland die Verordnung der EG über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelsachen (EuGVVO) maßgebend ist.
Ob die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit aufgrund eines Erfüllungsortes in O3 nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO kann dahin gestellt bleiben. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für die von den Klägerin erhobene Klage ist jedenfalls aus Art. 24 EuGVVO begründet, weil die Beklagten sich auf das Verfahren eingelassen haben, ohne die Internationale Zuständigkeit zu rügen. Ein Einlassen auf das Verfahren im Sinne des Art. 24 EuGVVO ist auch dann gegeben, wenn der Beklagte die Unzulässigkeit der Klage aus anderen Gründen als der fehlenden internationalen Zuständigkeit rügt (Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 24 EUGVVO Rn. 5; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 26. Aufl., Art. 24 Rn. 3 mwN). So liegt es hier, denn die Beklagte hat nur die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Limburg gerügt und sich im übrigen sachlich verteidigt. Zwar kann die Rüge der örtlichen Zuständigkeit im Einzelfall auch die Rüge der internationalen Zuständigkeit umfassen (BGH NJW 1988, 1466). Die von der Beklagten erhobene Rüge war jedoch nicht dahin zu verstehen, dass zugleich die internationale Zuständigkeit gerügt werden solle. Die Begründung der Rüge in der Klageerwiderung beschränkt sich darauf, die örtliche Zuständigkeit der Landgerichts Limburg zu bezweifeln. Die Beklagte hat darin nicht geltend gemacht, sie sei an ihrem Geschäftssitz in Griechenland zu verklagen. Etwas anderes gilt auch nicht für die Rüge im Verhandlungstermin am 28.1.2004. Die Beklagte hat hier zwar nur allgemein „die Zuständigkeit“ des angerufenen Gerichts gerügt. Sie hat jedoch dadurch, dass sie sich mit der erneuten Rüge auf die in NJW 2004, 54 veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezogen hat, zu erkennen gegeben, dass sie damit lediglich die schriftsätzlich angekündigte Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit erhebt. Denn dieses Urteil des Bundesgerichtshofs befasst sich allein mit Fragen des inländischen Gerichtsstands nach § 29 ZPO. Bei der Auslegung der Zuständigkeitsrüge ist zudem zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits die in O3 ansässigen Beklagtenvertreter mit ihrer Rechtsverteidigung beauftragt hatte.
Der Begründung der Zuständigkeit deutscher Gerichte durch Einlassung auf das Verfahren steht auch nicht eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit entgegen (Art. 24 Satz 2 EuGVVO). Für einen vertraglichen Erfüllungsanspruch ist in keinem der in Nr. 1 bis 5 des Art. 22 EuGVVO aufgeführten Tatbestände eine ausschließliche Zuständigkeit angeordnet. Der mögliche Gerichtsstand des Erfüllungsorts in Griechenland nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO begründet keinen ausschließlichen Gerichtsstand.
Das landgerichtliche Urteil ist deshalb auf den Antrag der Kläger nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO aufzuheben und an das Landgericht Gießen zurückzuverweisen. Das Landgericht Gießen ist das nach nationalem Recht örtlich zuständige Gericht. Seine örtliche Zuständigkeit ergibt aus der in § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO angeordneten Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Limburg. Zu Unrecht meint die Berufungsbeklagte, dieser Beschluss entfalte ausnahmsweise keine Bindungswirkung, weil das Landgericht Gießen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt örtlich zuständig sei. Einem fehlerhafter Verweisungsbeschluss kommt nur dann ausnahmsweise keine Bindungswirkung zu, wenn der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt wurde oder wenn der Verweisungsbeschluss objektiv willkürlich erscheint und die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters deshalb eine Durchbrechung der Bindungswirkung fordert (vgl. zuletzt OLG Frankfurt OLG Report 2005, 106, 107 sowie Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 281 Rn. 17 jeweils mwN). Das rechtliche Gehör der Beklagten ist schon deshalb nicht verletzt, weil die Verweisung an das Landgericht Gießen auch auf ihren eigenen Antrag hin erfolgt ist. Die Verweisung war auch inhaltlich nicht offensichtlich gesetzeswidrig und deshalb willkürlich. Die Annahme des Landgerichts Limburg, am Sitz des Landgerichts Gießen sei der Erfüllungsort der eingeklagten Leistung im Sinne des § 29 ZPO, war vielmehr eine auf der Grundlage des klägerischen Vortrages vertretbare Rechtsansicht. Die Kläger haben unter Angabe konkreter Daten vorgetragen, am Sitz der insolventen ... AG in O3 hätten vereinbarungsgemäß mehrere Beratungsgespräche mit Vertretern der Beklagten stattgefunden. Die Beklagte hat einen Beratungsauftrag zwar bestritten, jedoch nicht geltend gemacht solche Gespräche hätten am Sitz der Kläger in O1 oder an ihrem Sitz in Griechenland stattfinden sollen. Für Anwaltsverträge ist jedenfalls bis zur zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2004, 54) in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Literatur vielfach die Ansicht vertreten worden, dass ein gemeinsamer Erfüllungsort für den Anspruch des Mandanten auf Beratung und den Vergütungsanspruch des Anwalts an dem Ort bestehen könne, an dem die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 269 Rn. 13 f. m. zahlr. Nachw.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., Rn. 25 „Anwalt“). Dabei wurde insbesondere die Meinung vertreten, dass es sich um einen vom Ort der Kanzlei verschiedenen Ort handeln könne, wenn die Dienstleistung des Anwalts – wie hier – an diesem anderen durch die Vertragsumstände bedingten Ort stattfindet (Henssler AnwBl 1999, 186, 187). Ob und inwieweit der Bundesgerichtshof diesen Rechtsauffassungen in seinem kurze Zeit vor dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts Limburg ergangenen Urteil vom 11.11.2003 (NJW 2004, 54) entgegengetreten ist, kann dahin gestellt bleiben. Da die dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht einer bisher vielfach vertretenen Rechtsmeinung entspricht, kann ihr jedenfalls nicht der Charakter einer objektiv willkürlichen Entscheidung beigemessen werden.
Die durch den Antrag der Kläger dem Berufungsgericht nach § 538 Abs. 2 ZPO eröffnete Möglichkeit zur Zurückverweisung erscheint auch sachgerecht, weil die Parteien über den Anspruch in erster Instanz sachlich noch nicht näher verhandelt haben.