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Zusammenfassung der Entscheidung Die im Ausland ansässige Beklagte übersandte dem deutschen Kläger per Post ein Schreiben, in dem sie ihm eine Gewinnzusage machte. Auf der Innenseite des Briefumschlages waren sog. „Vergabebedingungen“ der Beklagten abgedruckt. Der Kläger hat auf das Schreiben der Beklagten geantwortet und Zahlung des ihm zustehenden Gewinns verlangt. Die Beklagte hat sich unter Bezugnahme auf die auf der Innenseite des Briefumschlages enthaltenen „Vergabebedingungen“ geweigert, den Gewinnbetrag auszuzahlen. Daraufhin hat sie der Kläger vor einem deutschen Gericht auf Zahlung des Gewinns verklagt.
Das Oberlandesgericht Brandenburg (DE) findet, dass im vorliegenden Fall der Anwendungsbereich der besonderen Zuständigkeitsregeln der Brüssel I-VO für Verbrauchersachen eröffnet sei. Die Voraussetzungen des Art. 15 Brüssel I-VO seien nämlich erfüllt. Der Kläger sei als „Verbraucher“ i.S. dieser Vorschrift zu qualifizieren. Auch der nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) Brüssel I-VO erforderliche räumliche Bezug zu dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz habe, sei erfüllt, weil die Beklagte ihre berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Mitgliedstaat, nämlich die Bundesrepublik Deutschland, ausgerichtet habe: das streitgegenständliche Schreiben sei dem Kläger an seinem Wohnsitz in Deutschland zugegangen. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich somit aus Art. 16 Abs. 1 Brüssel I-VO.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils I. Instanz Bezug genommen.
Das Landgericht Potsdam hat mit dem am 3. April 2003 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben.
Es hat seine Zuständigkeit aus Art. 15 EUGVVO hergeleitet.
Den Gewinnanspruch des Klägers hat es nach § 661 a BGB für gegeben erachtet. Das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten stelle eine unbedingte Gewinnzusage dar. Der Kläger werde darin als feststehender Gewinner bezeichnet, die Gewinnauszahlung warte nur noch auf dessen Anforderung. Die auf der Innenseite des Briefumschlages befindlichen „Vergabebedingungen“ der Beklagten seien wegen deren versteckter Platzierung rechtlich unerheblich. Im Übrigen stünden sie auch nicht im Widerspruch zu der unbedingten Gewinnzusage. Vielmehr könne bei Lektüre dieser „Vergabebedingungen“ beim Kläger der Eindruck entstehen, es sei bereits vor Versendung des Schreibens dessen Gewinnnummer gezogen und die Gewinnsumme für ihn hinterlegt worden.
Gegen dieses ihr am 10. April 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Mai 2003 bei Gericht eingegangene Berufung der Beklagten, welche sie mit den am 5. Juni 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit angenommen.
Ferner meint sie, dass in den Augen eines hinreichend misstrauischen und durchschnittlich aufgeklärten Verbrauchers, auf welchen es nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes allein ankomme, das streitgegenständliche Schreiben keine endgültige Gewinnzusage darstelle. Es werde lediglich ein Gewinn in Aussicht gestellt werde, und zwar nach Durchführung der Auslosung und Ziehung der Gewinnnummer des jeweiligen Verbrauchers. Dies lasse sich auch eindeutig ihren „Vergabebedingungen“ entnehmen.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 3. April 2003 – 11 O 221/02 – die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil I. Instanz.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, §§ 517, 519, 520 ZPO.
II. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg. In Begründung und Ergebnis zutreffend hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit bejaht und einen Anspruch des Klägers aus § 661 a BGB für gegeben erachtet.
1. Die Beklagte ist in der Berufung an einer Rüge der Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam nicht durch § 513 Abs. 2 ZPO (nF) gehindert.
Wegen der Bedeutung der internationalen Zuständigkeit, die über das IPR des Gerichtsstaats auch das anwendbare Recht steuert, kann das Fehlen internationaler Zuständigkeit in der Berufungsinstanz auch dann gerügt werden, wenn das Erstgericht sie unzutreffend angenommen hat (BGH, NJW 2003, 426).
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam folgt aus Art. 15 EUGVVO. Diese Verordnung gilt seit 1.3.2002 und ist auf alle Klagen anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt erhoben worden sind (Art. 66 EUGVVO). Die Voraussetzungen des Art. 15 sind erfüllt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichtes wird Bezug genommen.
Demnach bestimmt der Wohnsitz des Klägers die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts.
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 661 a BGB in dem geltend gemachten Umfang zu.
Es kommt deutsches Recht zur Anwendung.
Es kann dabei dahinstehen, ob der Anspruch aus § 661 a BGB als deliktischer Anspruch oder als Anspruch aus gesetztem Rechtsschein zu qualifizieren ist. Im ersten Fall ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, im zweiten Fall aus einer Zusammenschau der Art. 12, 16, 29 und 29 a EGBGB (OLG Hamm, OLGR 2003, 78).
Im Falle der deliktsrechtlichen Qualifizierung des § 661 a BGB wegen dessen quasi deliktischen Charakters ist an das Recht des Handlungs- bzw. des Erfolgsortes anzuknüpfen (Art. 40 EGBGB). Der Erfolg der unerlaubten Handlung tritt wegen des Zuganges der Gewinnmitteilung am Wohnsitz des Klägers in Deutschland ein, so dass deutsches Recht zur Anwendung kommt. Nimmt man den durch § 661 a BGB begründeten Tatbestand der Rechtsscheinhaftung an (z. B. Lorenz, NJW 2000, 3307), so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Rechtsschein entstanden ist und sich ausgewirkt hat, also wiederum das Recht des Staates, in welchem die Mitteilung bestimmungsgemäß empfangen worden ist.
Es liegt eine Gewinnzusage im Sinne des § 661 a BGB vor.
Das dem Kläger am 6.9.2000 zugegangene Schreiben der Beklagten erweckt den Eindruck, der Kläger habe bereits 20.000 DM gewonnen. Zur Auszahlung fehle allein dessen Gewinnanforderung. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt das streitgegenständliche Schreiben zusammen mit seinen Anlagen eine an einen Verbraucher gerichtete unbedingte Mitteilung über einen für seine Person ermittelten Gewinn dar. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das Urteil I. Instanz Bezug genommen.
Verdeckte Hinweise, dass der Kläger in Wahrheit nicht oder nicht in voller Höhe den mitgeteilten Gewinn gewonnen hat, lassen den Anspruch aus § 661 a BGB nicht entfallen.
Unterstellt zu Gunsten der Beklagten, der Kläger habe die im Inneren des Briefumschlages in kleinformatigem Druck befindlichen Geschäftsbedingungen der Beklagten überhaupt zur Kenntnis genommen, stehen diese dem Klageanspruch nicht entgegen.
Der gesamte von der Beklagten übermittelte Text einschließlich der im Inneren des Briefumschlages befindlichen „Vergabebedingungen“ stellen allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Soweit zwischen den einzelnen Klauseln Widersprüche auftreten, sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen kundenfreundlich auszulegen, um hierdurch dem nach § 661 a BGB beabsichtigten Verbraucherschutz Geltung zu verschaffen (OLG Koblenz, MDR 2002, 1359). Bei der Auslegung ist, wie der Senat bereits im Urteil vom 24.6.2003 (Az: 6 U 10/03) entschieden hat, auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen. Dieser wird angesichts des unmissverständlichen Inhalts des Schreibens der Beklagten davon ausgehen, dass er bereits einen Gewinn erzielt habe. Die Mitteilung der Beklagten ist auch abstrakt geeignet, bei dem oben dargestellten Verbraucher den Eindruck eines bereits gewonnenen Preises zu erwecken. Bereits das Erwecken eben dieses Eindruckes soll nach der Formulierung des Gesetzes genügen (OLG Dresden, IPRAX 2002, 421).
Im Übrigen stehen die „Vergabebedingungen“, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, dem Eindruck des Empfängers des Schreibens, er habe bereits einen Gewinn erzielt, nicht entgegen. Bei dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher können die Vergabebedingungen vor dem Hintergrund des sonstigen Inhaltes des Schreibens und der darin vermittelten unbedingten Gewinnzusage den Eindruck erwecken, es habe bereits im Vorfeld eine Gewinnziehung stattgefunden, dabei sei die Gewinnnummer des Klägers zum Zuge gekommen und der Gewinn sei hinterlegt worden. Das ihm übersandte Gewinndokument teile ihm lediglich den bereits erzielten Gewinn mit.