-
Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Antragstellerin hat von der Antragsgegnerin zu 1, einer Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, Anteile an einer deutschen Aktiengesellschaft erworben. Im Kaufvertrag wurde vereinbart, dass Gerichtsstand für alle Streitigkeiten Düsseldorf (DE) sein solle. Die Vertragsverhandlungen hat für die Antragsgegnerin zu 1 der im Bezirk des Landgerichts München II (DE) wohnhafte Antragsgegner zu 2 geführt. Der in dem Vereinigten Königreich ansässige Antragsgegner zu 3 war zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Antragsgegnerin zu 1. Die Antragstellerin beantragte, für eine von ihr beabsichtige Klage auf Erstattung gezahlter Provisionen das Landgericht Düsseldorf (DE) als das zuständige Gericht für sämtliche Klagen zu bestimmen.
Der Bundesgerichtshof (DE) gibt dem Gesuch der Antragstellerin statt. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf (DE) sei für eine Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1 gemäß Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ begründet. Das im Verhältnis zu der einen Partei prorogierte Gericht könne auch im Verhältnis zu den anderen zu verklagenden Streitgenossen als zuständig bestimmt werden, insbesondere dann, wenn es diesen zugemutet werden könne, sich vor diesem Gericht zu verteidigen. Es sei ohne Bedeutung, dass im Bezirk des prorogierten Gerichts keiner der zu verklagenden Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand habe. Einer über Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ begründeten internationalen Zuständigkeit des Landgerichts München II, in dessen Bezirk der Antragsgegner zu 2 wohnhaft sei, stehe die zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1 zustande gekommene Gerichtsstandsvereinbarung entgegen. Art. 17 EuGVÜ eröffne eine ausschließliche Zuständigkeit und verdränge damit im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1 den Gerichtsstand des Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin hat von der Antragsgegnerin zu 1, einer Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in London, einen Anteil an einer deutschen Aktiengesellschaft erworben. Sie hat der Antragsgegnerin zu 1 – wie im Kaufvertrag vereinbart – einen erheblichen Betrag für Provisionen, Gebühren, Abwicklungs- und Finanzierungskosten erstattet. Im Kaufvertrag ist ebenfalls vereinbart, daß Gerichtsstand für alle Streitigkeiten Düsseldorf sein soll.
Der Antragsgegner zu 2 war damals Vorstandsvorsitzender der Aktiengesellschaft, die Gegenstand der Transaktion war; für die Antragsgegnerin zu 1 hat er die Verhandlungen mit der Antragstellerin geführt; er hat seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts München II. Der Antragsgegner zu 3 war zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Antragsgegnerin zu 1; er lebt in Großbritannien.
Die Antragstellerin beabsichtigt, von ihr erstattete Provisionen in Höhe von über 3,4 Mio. DM im Klagewege von den Antragsgegnern zurückzuverlangen. Sie trägt vor, daß sie von den Antragsgegnern zu 2 und zu 3 darüber getäuscht worden sei, daß bei der Antragsgegnerin zu 1 Provisionsverpflichtungen in dieser Höhe angefallen seien; tatsächlich seien die Beträge an einen Strohmann ausgezahlt worden; der endgültige Verbleib des Geldes sei ungeklärt.
Die Antragstellerin beantragt, das Landgericht Düsseldorf nach § 36 Nr. 3 ZPO als das zuständige Gericht zu bestimmen. Die Antragsgegner sind dem entgegengetreten; sie halten die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht für gegeben.
II. Dem Gesuch der Antragstellerin ist stattzugeben. Als zuständiges Gericht für die beabsichtigte Klage ist nach § 36 Nr. 3 ZPO das Landgericht Düsseldorf zu bestimmen.
1. Dem Antrag steht nicht entgegen, daß lediglich der Antragsgegner zu 2 im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist § 36 Nr. 3 ZPO auch in Fällen anzuwenden, in denen hinsichtlich eines Antragsgegners im Inland lediglich ein besonderer Gerichtsstand begründet ist (BGH NJW 1971, 196). Diese Voraussetzungen liegen bei den Antragsgegnern zu 1 und zu 3 vor; dabei ist zu beachten, daß das Vereinigte Königreich dem Europäischen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) mit Wirkung vom 1. Januar 1987 beigetreten ist (BGBl. 1986 II 1146): Für eine Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1 ist durch die Prorogation im Kauf- und Übernahmevertrag vom 18./19. Dezember 1985 ein ausschließlicher Gerichtsstand nach Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ begründet. Hinsichtlich des Antragsgegners zu 3 hat die Antragstellerin – auf deren Vortrag insoweit allein abzustellen ist (vgl. BGHZ 7, 184, 186) – den Tatbestand einer unerlaubten Handlung behauptet, so daß hier der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ begründet ist (vgl. EuGH NJW 1977, 493). Daneben besteht hinsichtlich des Antragsgegners zu 3 für eine gemeinsam gegen ihn und den Antragsgegner zu 2 zu erhebende Klage auch der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft am Wohnsitz des Antragsgegners zu 2 (Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ).
2. Für die beabsichtigte Klage ist ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nicht begründet. Zwar kennt die EuGVÜ den besonderen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft: Nach Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ können Personen, die in einem Vertragsstaat ihren Wohnsitz haben, auch vor dem Gericht verklagt werden, in dessen Bezirk einer der Streitgenossen wohnt. Einer Klage vor dem Landgericht München II, in dessen Bezirk der Antragsgegner zu 2 lebt, steht jedoch im vorliegenden Fall die Vereinbarung mit der Antragsgegnerin zu 1 entgegen, wonach Gerichtsstand für alle Streitigkeiten Düsseldorf sein soll; diese Vereinbarung begründet nach Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ eine ausschließliche Zuständigkeit (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 15. Aufl., Art. 17 EuGVÜ, Rn. 14) und verdrängt damit im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1 den Gerichtsstand des Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ.
3. Schließlich steht der Umstand, daß die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1 eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, der Bestimmung nicht entgegen. Zwar nimmt die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes der an sie gebundenen Partei das Recht, die Gegenpartei mit Hilfe einer Bestimmung des zuständigen Gerichts an ein anderes Gericht zu ziehen (vgl. BGH LM Nr. 6 zu § 36 Nr. 3 ZPO). Jedoch kann der Antrag, das im Verhältnis zu der einen Partei prorogierte Gericht auch im Verhältnis zu den anderen zu verklagenden Streitgenossen als zuständig zu bestimmen, jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Partner der Gerichtsstandsvereinbarung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, nicht von vornherein als unbegründet abgelehnt werden. Die Zweckmäßigkeitserwägungen, die der Regelung des § 36 Nr. 3 ZPO zugrunde liegen (vgl. BGHZ 90, 155, 157) und denen im übrigen auch Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ durch den besonderen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft Rechnung trägt, gebieten es vielmehr zu prüfen, ob im Einzelfall den anderen Streitgenossen zugemutet werden kann, sich vor dem im Verhältnis zu einer Partei prorogierten Gericht verklagen zu lassen. Ist dies der Fall, so kann dieses Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Nr. 3 ZPO als zuständig bestimmt werden, auch wenn in seinem Bezirk keiner der zu verklagenden Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (vgl. BGH NJW 1987, 439).
4. Vorliegend bestehen gegen die Bestimmung des Landgerichts Düsseldorf keine Bedenken, zumal auch die Antragsgegner bereits durch bei diesem Gericht zugelassene Rechtsanwälte vertreten sind.