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Zusammenfassung der Entscheidung Auf mündliche Bestellung der französischen Beklagten hat der deutsche Kläger Waren in Frankreich geliefert. Der Kläger hat der Beklagten gleichzeitig mit der Ware auch eine Rechnung geschickt, auf deren Rückseite seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abgedruckt waren. Diese enthielten eine Klausel für die Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte. Auf der Rechnung wurde vom Kläger das Wort "Auftragsbestätigung" aufgedruckt. Der Kläger klagt nunmehr gegen die Beklagte vor einem deutschen Gericht auf Zahlung des Kaufpreises.
Das OLG Hamburg (DE) ist der Auffassung, dass die deutschen Gerichte nicht international zuständig seien. Denn eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 17 EuGVÜ liege nicht vor. Eine Gerichtsstandsklausel könne wirksam vereinbart werden, wenn der Käufer auf ein diese Klausel enthaltendes Bestätigungsschreiben des Verkäufers schweige und der zuvor mündlich abgeschlossene Vertrag im Rahmen laufender Geschäftsbedingungen, denen die AGB des Verkäufers zugrunde gelegen hätten, abgeschlossen worden sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Das Formular, das der Kläger der Beklagten geschickt habe, sei trotz des zusätzlichen Aufdrucks "Auftragsbestätigung" nicht als Bestätigungsschreiben, sondern nur als Rechnung anzusehen. Das ergebe sich vor allem daraus, dass außer dem genannten Aufdruck keine der auf dem Formular aufgeführten Daten auf die Bestellung der Beklagten Bezug nimmt. Außerdem seien die AGB des Klägers nicht in die zwischen den Parteien bestehenden laufenden Geschäftbeziehungen einbezogen worden. Die Tatsache, dass der Kläger der Beklagten dieselben Rechnungen mehrmals geschickt habe und diese sich nicht dazu geäußert habe, ändere daran nichts, weil auf dem benutzten Rechnungsformular kein Hinweis auf die umseitig abgedruckten AGB vorhanden sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Parteien, eine Hamburger Darmhandelsgesellschaft und ihre in C./Frankreich ansässige Kundin, streiten um die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg für einen Konflikt aus einem ihrer Geschäfte. Die Klägerin will den Kaufpreis für eine Sendung Schafsdärme einklagen, die sie der Beklagten auf mündliche Bestellung unter dem 1. Oktober 1982 in Rechnung gestellt (Anlagen 3 und 6) und wenige Tage später geliefert hat (Anlage 1).
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre auf der Rückseite der Rechnung abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der Gerichtsstandsklausel seien wirksamer Vertragsinhalt geworden.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.600,‑ DM nebst 10 % Zinsen seit dem 1. Juni 1983 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage als unzulässig abzuweisen.
Ihr erstinstanzliches Vorbringen ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 28. Dezember 1983.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 30. Januar 1984 mit den aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Argumenten als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Ihr Vorbringen ergibt sich aus der Berufungsbegründung vom 14. März 1984 und aus dem Schriftsatz vom 3. August 1984 in Verbindung mit der richterlichen Verfügung vom 2. Juli 1984.
Sie beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 30. Januar 1984 die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.600,‑ DM nebst 10 % Zinsen seit dem 1. Juni 1983 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ihr Vorbringen ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 17. September 1984.
Entscheidungsgründe:
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit für den vorliegenden Streit verneint. Auch auf der Grundlage des ergänzenden Sachvortrags der Klägerin über die Entstehung ihrer Geschäftsbeziehung zur Beklagten ist weder von einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung noch davon auszugehen, dass die Beklagte mit ihrer Zuständigkeitsrüge gegen Treu und Glauben verstößt.
Maßgeblich ist für diese Fragen Art. 17 EuGVÜ in der Auslegung durch das Urteil des EuGH vom 14.12.1976 (NJW 1977, 495). Daß die darin normierten Formerfordernisse (schriftliche Vereinbarung oder mündliche vom Käufer schriftlich bestätigte Vereinbarung des Gerichtsstands Hamburg) erfüllt seien, ergibt der vorgetragene Sachverhalt nicht.
Der EuGH hat allerdings ausgeführt, daß eine Gerichtsstandsklausel wirksam vereinbart werden kann, wenn der Käufer auf eine diese Klausel enthaltende Bestätigung des Verkäufers schweigt und der zuvor mündlich geschlossene Vertrag sich in laufende Geschäftsbeziehungen einfügt, denen ihrerseits die AGB des Verkäufers mit jener Gerichtsstandsklausel bereits zugrunde liegen.
Aber auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dafür fehlt es schon an der erforderlichen schriftlichen Bestätigung des mündlichen Vertragsschlusses durch die Klägerin. Das dafür vorgelegte Formular (Anlagen 3 und 6) kann trotz des zusätzlichen Aufdrucks „Auftragsbestätigung“ auch dann nur als Rechnung angesehen werden, wenn es der Beklagten vor der Ware oder gleichzeitig mit ihr zugegangen ist. Das ergibt sich vor allem daraus, daß außer dem genannten Aufdruck keines der eingefügten Daten auf die mündliche Bestellung hinweist und auch keine Textzeile auf sie Bezug nimmt. Nach Auffassung des Senats kommt als „Bestätigung“ eines mündlichen Vertrages auch im Sinne der Entscheidung des EuGH nur ein Schriftstück in Betracht, das als Bestätigungsschreiben im Sinne der zu § 346 HGB entwickelten Rechtsprechung (vgl. Baumbach-Duden-Hopt 25. Aufl. Anm. 4 und 6 zu § 346 mwN) zu werten ist. Das ist bei einem nach Aufmachung und Inhalt lediglich mit Rechnungsfunktionen versehenen Formular nicht der Fall. Das zugefügte Wort „Auftragsbestätigung“ vermag daran nichts zu ändern. Dabei muss auch berücksichtigt werden, daß nach dem eigenen Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung diese Rechnung dem Frachtführer mitgegeben wurde und auf Seiten der Beklagten zunächst gar nicht von dieser selbst, sondern von einer Firma S. mit der Ware zur Abwicklung der Einfuhr in Empfang genommen worden ist (Anlage Bf 1 a und 1 b). Mit seinen Anforderungen an ein Bestätigungsschreiben des Verwenders von AGB, das die Formerfordernisse des Art. 17 EuGVÜ entbehrlich machen könnte, sieht sich der Senat auch in Einklang mit dem erklärten Zweck dieser Vorschrift, die für eine Gerichtsstandsvereinbarung erforderliche Willenseinigung der Parteien sicherzustellen, ohne zu einem mit der kaufmännischen Praxis unvereinbaren Formalismus zu führen (vgl. EuGH NJW 77, 494; Baumgärtel, Die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit nach dem EWG-Übereinkommen vom 27.9.1968 und nach § 38 Abs. 2 ZPO, in Festschrift für Kegel 1977 S. 285, 300 mwN).
Darüber hinaus fehlt aber auch die vom EuGH verlangte zweite Voraussetzung für die Wirksamkeit der Gerichtsstandsklausel, nämlich ihre Einbeziehung in die seit Januar 1982 laufende Geschäftsverbindung der Parteien. Dafür kann offen bleiben, ob sich diese Frage – wie die Klägerin argumentiert – nach deutschem Recht oder – wie der Senat im Anschluß an die Entscheidung des BGH vom 22.9.1971 (BGHZ 57, 72; vgl. auch Landgericht Hamburg Urteil vom 10.6.1974 IPRspr. 74, 401/405) meint – nach französischem Recht entscheidet.
Die 20fache Wiederholung des von der Klägerin dargestellten Vorgangs der Rechnungsübersendung (Anlage 7) vermag allein den stets auf der Rückseite abgedruckten AGB der Klägerin keine Geltung zu verschaffen, auch wenn sich die Beklagte nie dazu geäußert hat. Dabei geht der Senat aufgrund des Klägervortrags davon aus, daß zwischen den Vertretern der Parteien niemals, auch nicht bei der Anbahnung der Geschäfte mit der deutschen Firma in B., ausdrücklich über die Verwendung von Geschäftsbedingungen durch die Klägerin oder gar über deren Inhalt gesprochen worden ist, sondern immer nur über die Ware, deren Preis und über die technische Abwicklung. Das ist unter Kaufleuten durchaus üblich, und auf diesem Hintergrund stellen sich die Formulierungen der Klägerin, „unter Bezugnahme“ sei die Vereinbarung des Gerichtsstands mündlich getroffen worden (Berufungsbegründung S. 2) „zu den üblichen Bedingungen“ (Berufungsbegründung S. 3, Schriftsatz vom 3.8.1984 S. 5), es sei „Einvernehmen erzielt“ worden (Berufungsbegründung S. 4) lediglich als Ausdruck ihrer Rechtsauffassung dar, zum Inhalt ihrer Vereinbarung mit der Beklagten hätten auch ihre AGB gehört. Berücksichtigt man weiterhin, daß auf dem verwendeten Rechnungsformular nicht einmal ein schriftlicher Hinweis auf die umseitig abgedruckten AGB vorhanden ist und daß diese Rechnungen immer erst mit der Ware im Geschäftsbetrieb der Beklagten eingetroffen sind (Anlagen Bf 1 a und 1 b), kommt eine Bewertung des Schweigens der Beklagten als Zustimmung zur Einbeziehung der AGB der Klägerin nach Auffassung des Senats nicht in Betracht (vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen 4. Aufl. Rnr. 79 ff. 86 zu § 2 AGBG mwN). Angesichts der von der Klägerin vorgetragenen Sachlage hält der Senat eine Auseinandersetzung mit den im BGH-Urteil vom 6.7.1978 (NJW 78, 2243) angestellten Überlegungen zur stillschweigenden Einbeziehung von AGB durch Hinweise auf Rechnungen für entbehrlich. Abgesehen davon, daß diese Erwägungen nicht entscheidungserheblich waren und auch eine Antwort offen gelassen haben, ist in dem dort erwähnten vergleichbaren Fall (Urteil vom 7.5.69 in LM Nr. 33 zu Art. 7 ff. EGBGB Internationales deutsches Privatrecht) deutlich davon die Rede, daß eine Einbeziehung durch sich wiederholende Rechnungshinweise nur in Betracht komme, wenn der Vermerk nach seiner technischen Gestaltung die Aufmerksamkeit auch eines nur oberflächlichen Lesers auf sich ziehe. Davon kann bei einem Abdruck auf der Rückseite ohne jeden Hinweis auf der Vorderseite nicht die Rede sein. Mit dem für die Einbeziehung der AllGO zugrunde liegenden Sachverhalt (BGH WM 79, 893) ist der vorliegende Fall erst recht nicht vergleichbar.
Nach französischem Recht konnte die von der Klägerin in der dargelegten Art verwendete Gerichtsstandsklausel ebenfalls nicht Eingang in die Geschäftsbeziehungen der Parteien finden. Das EAG und das EKG helfen hier so wenig wie im deutschen Recht weiter, da sich dort besondere Vorschriften über die Einbeziehung von AGB nicht finden (vgl. dazu Stoll, International privatrechtliche Probleme bei Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, in Festschrift für Beitzke 1979 S. 759, 780). Nach allen verfügbaren Darstellungen des französischen Rechts zur Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verträge werden für Gerichtsstandsklauseln besonders strenge Anforderungen gestellt, die mit dem bloßen Abdruck der Bedingungen auf der Rückseite von Rechnungen auch bei länger dauernden Geschäftsbeziehungen nicht erfüllt sind (Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 1975, Rnrn. 12 und 104; Schmidt/Niggemann, Die Vereinbarung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch stillschweigende Annahme nach französischem Recht, RIW/AWD 1974, 309, 311; Mezger, Gerichtsstands- und andere Klauseln im Geschäftsverkehr mit Frankreich, RIW/AWD 1974, 377, 378; Barfuss, Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag nach französischem Recht, RIW/AWD 1975, 319, 327). Aus dem Hinweis bei Schmidt/Niggemann auf eine Entscheidung des Pariser Appellationsgerichtshofes vom 9.1.1967 (aaO Fußn. 58) läßt sich die von der Klägerin vertretene abweichende Auffassung nicht herleiten. Nach den genannten Darstellungen des französischen Rechts kommt es jedenfalls immer (also auch bei nachträglich übersandten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und laufenden Geschäftsbeziehungen) darauf an, daß der Vertragspartner des Verwenders praktisch unübersehbar auf die Gerichtsstandsklausel hingewiesen wird. Dafür genügt der Fettdruck eingangs der einzelnen Klauseln auf der Rückseite der Rechnungen (Anlage 6) nicht.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 546 ZPO. Angesichts des Umfangs des europäischen grenzüberschreitenden Verkehrs und der Unentschiedenheit der angesprochenen Fragen mißt der Senat der Sache grundsätzliche Bedeutung zu.