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Zusammenfassung der Entscheidung Der deutsche Kläger war für die italienische Beklagte in Deutschland als selbständiger Verkaufsleiter und Berater sowie als Handelsvertreter tätig. Die Beklagte kündigte beide Vertragsverhältnisse fristlos. Der Kläger widersprach der Kündigung. Er erhob vor einem deutschen Gericht Klage auf Feststellung, dass die Vertragsverhältnisse nicht aufgelöst seien, sowie auf Zahlung von Provisionen. Außerdem machte er hilfsweise Ausgleichsansprüche geltend.
Das Landgericht München II (DE) ist der Auffassung, dass die deutschen Gerichte nicht international zuständig seien. Denn deren internationale Zuständigkeit könne sich auf keine Bestimmung des EuGVÜ stützen. Insbesondere sei hier Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nicht anwendbar. Der Erfüllungsort i.S. dieser Vorschrift bestimme sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts auf diejenige Verpflichtung anzuwenden sei, die den Gegenstand der Klage bilde. Dies sei im streitigen Fall das deutsche Recht. Nach dessen Bestimmungen liege für Provisionszahlungsansprüche aus Handelsvertreterverträgen der Erfüllungsort regelmäßig am Sitz des Unternehmers, hier also in Italien. Dasselbe gelte auch für den auf Provisionsverluste abstellenden Ausgleichsanspruch. Auch für die vom Kläger geltend gemachten Provisionszahlungsansprüche aus seiner Tätigkeit als Verkaufsleiter und Berater für die Beklagte liege der Erfüllungsort in Italien. Schließlich sei bezüglich der Klage auf Feststellung, dass die Vertragsverhältnisse nicht aufgelöst seien, auf die für den Kläger „hauptsächlichen Ansprüche" abzustellen. Diese seien im vorliegenden Fall die geltend gemachten Provisionszahlungsansprüche, weil der Kläger mit seiner Klage beabsichtige, die Beklagte am Vertrag festzuhalten. Da der Erfüllungsort für diese Ansprüche, wie bereits dargestellt, in Italien liege, mangele es hier auch an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die erhobene Feststellungsklage.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin macht Provisionsansprüche aus ihrer Tätigkeit als Verkaufsleiter und Handelsvertreter für die Beklagte, Auslagenersatz sowie hilfsweise Ausgleichsansprüche nach § 89 b HGB geltend. Sie wendet sich ferner gegen die fristlose Kündigung der Verkaufsleiter- und Handelsvertreterverhältnisse durch die Beklagte vom 28.12.1983.
Die Klägerin ist seit Anfang 1982 für die Beklagte als selbständiger Verkaufsleiter und. Berater für das Gebiet Bundesrepublik Deutschland sowie als selbständiger Handelsvertreter bezüglich der Produkte der Beklagten für das Gebiet Bayern tätig. Die Beklagte hat die Vertragsverhältnisse mit Schreiben vom 28.12.1983 fristlos gekündigt, die Klägerin hat der Kündigung widersprochen.
Die Klägerin behauptet, daß für alle vermittelten oder sonstwie getätigten Umsätze mit von der Beklagten hergestellten und unter den Marken … und … vertriebenen Kleidungsstücke eine Verkaufsleiter- und Beraterprovision von 5 % und eine Handelsvertreterprovision von zunächst 7‚ ab 1984 10 % vereinbart worden sei. Demgemäß stünden ihr aus näher bezeichneten Umsätzen seit Winter 1983/84 inclusive Mehrwertsteuer noch 60.959,17 DM an Provision zu. Außerdem schulde die Beklagte die gesetzliche Mehrwertsteuer auf die Provisionen, die bei früheren Abrechnungen nicht berechnet worden seien, in Höhe von insgesamt 3.144,01 DM sowie der Ersatz von Aufwendungen für Reisen, Kauf von Verkaufsunterlagen, Versandkosten in Höhe von insgesamt 2.314,72 DM zu. Gründe für die fristlose Kündigung vom 28.12.1983 hätten nicht bestanden. Hilfsweise würden Ausgleichsansprüche geltend gemacht, die unter Berücksichtigung der Jahresprovisionen für die Jahre 1983, 1984 von 53.472,96 DM in Höhe von 30.479,59 inclusive Mehrwertsteuer berechtigt seien.
Die Klägerin hat daher Klage erhoben mit folgenden Anträgen:
I. Es wird festgestellt, daß die zwischen den Parteien seit Anfang 1982 bestehenden Verkaufsleiter- und Handelsvertreterverhältnisse durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 28.12.1983 nicht aufgelöst sind, sondern weiterbestehen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 66.417,90 zuzüglich 16,5 % Zinsen aus DM 60.959,17 seit 18.1.1984 aus DM 2.188,08 seit 8.6.1983, aus DM 2.530,01 seit 14.11.1983 und aus DM 750,64 seit Klageerhebung zu zahlen.
III. Hilfsweise, für den Fall, daß die Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 28.12.1983 beendet sind, wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere DM 30.479,59 zu zahlen.
Aufgrund der in der Klageerwiderung von der Beklagten erhobenen Rüge der Unzuständigkeit des Landgerichts München II ist mit Beschluß vom 4.9.1984 die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet worden.
Die Klägerin trägt vor, daß auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien deutsches Recht anzuwenden sei.
Bei Anwendung italienischen Rechts wäre Erfüllungsort der Wohnsitz des Gläubigers. Für die Ermittlung des Leistungsorts bei Anwendung deutschen Rechts sei bei fehlender Parteibestimmung die Natur des Schuldverhältnisses maßgeblich, wobei insbesondere typische Merkmale aus der Art der beiderseitigen Leistungen zu berücksichtigen seien. Nach dem Gewicht der beiderseitigen Vertragspflichten liege der Schwerpunkt am Sitz des Handelsvertreters, da sich dessen Vertragspflicht als die komplexere und umfangreichere erweise. Demgemäß müsse ihr Sitz auch als Erfüllungsort angesehen werden.
Die Klägerin beantragt,
durch Zwischenurteil die Klage für zulässig zu erklären.
Die Beklagte hält die Rüge der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit aufrecht und beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, daß abgesehen von einer entsprechenden ausdrücklichen Gerichtsstandvereinbarung zwischen den Parteien, Mailand als ihr Sitz bei Anwendung deutschen Rechts als Erfüllungsort anzusehen sei.
Wegen des weiteren Parteivorbringens im einzelnen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch den Vorsitzenden sind gemäß § 349 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO gegeben, die Parteien haben außerdem ihr Einverständnis hiermit erklärt.
Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, weil das Landgericht München II nicht örtlich und damit vorliegend auch nicht international zuständig ist.
Für die Bundesrepublik und Italien gilt das Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuG-Übk). Dieses Übereinkommen ist gemäß dessen Artikel 1 Abs. 1 vorliegend anzuwenden.
Da die Beklagte ihren Sitz in Italien hat, ist sie grundsätzlich gemäß Art. 2 Abs. 1 EuG-Übk vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Die Beklagte kann hier nicht gem. Art. 3 EuG-Übk vor einem deutschen Gericht verklagt werden.
Als besondere Zuständigkeit könnte vorliegend lediglich diejenige des Erfüllungsorts gemäß Art. 5 Nr. 1 EuG-Übk in Betracht gezogen werden. Zu einer Zuständigkeit der Niederlassung gemäß Art. 5 Nr. 5 EuG-Übk ist nichts vorgetragen und ersichtlich (vgl. hierzu auch EuGH NJW 77, 490). Der Erfüllungsort bestimmt sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts maßgebend ist, und zwar für diejenige Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet (vgl. die beiden Entscheidungen des EuGH aaO).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß auf das Vertragsverhältnis deutsches Recht anzuwenden ist. Dies ist im übrigen auch ohne ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung dann der Fall, wenn, wie hier, die Tätigkeit des Handelsvertreters oder Alleinvertriebshändlers nur im Bereich einer Rechtsordnung stattfindet (vgl. BGH NJW 81, 1899, Palandt, 43. Aufl., Vorbemerkung 6 f und g vor Art. 12 EGBGB).
Soweit die Klägerin Zahlungsansprüche geltend macht, ist gemäß §§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1 BGB Erfüllungsort hierfür der Sitz der Beklagten. Eine hiervon abweichende Bestimmung des Erfüllungsorts durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung ist nicht dargetan. Auch sonstige Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses sprechen nicht für einen Erfüllungsort am Sitz der Klägerin. Bei Handelsvertreterverträgen ist vielmehr Erfüllungsort für die Provisionszahlungspflicht regelmäßig der Sitz des Unternehmers (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 74, 2185); gleiches muß auch für einen unter anderem auf Provisionsverlusten abstellenden Ausgleichsanspruch sowie einen auf der Handelsvertretertätigkeit der Klägerin beruhenden Anspruch auf Aufwendungsersatz gelten. Auch soweit die Klägerin Zahlungsansprüche aus einer von ihr behaupteten provisionspflichtigen Tätigkeit als Verkaufsleiter und Berater geltend macht, sind keine Umstände ersichtlich und dargetan, die die Annahme eines anderen Erfüllungsorts begründen könnten.
Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, daß durch die Kündigung das Vertragsverhältnis nicht aufgelöst sei, ist auf die für die Klägerin „hauptsächlichen Ansprüche“ abzustellen (vgl. Zöller, 14. Aufl., Rd.Nr. 17 zu § 29 ZPO). Da es der Klägerin hiermit darum geht, die Beklagte am Vertrag festzuhalten, sind es wiederum in erster Linie Zahlungsansprüche in Form von Provisionszahlungen oder Aufwendungsersatz.