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Zusammenfassung der Entscheidung Ein deutscher Importeur hat in Italien Ware gekauft. Der italienische Verkäufer hat die italienische Beklagte beauftragt, die Ware nach Deutschland zu transportieren. Während des Transportes musste die Ware umgeladen werden und wurde dabei beschädigt. Die deutschen Kläger, die Erben des Importeurs, verklagten die Beklagte vor einem deutschen Gericht auf Schadensersatz.
Das Landgericht Bochum (DE) ist der Auffassung, dass die deutschen Gerichte international zuständig seien. Ihre Zuständigkeit ergebe sich aus Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR. Diese Vorschrift regele nur die internationale Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte richte sich hier nach innerstaatlichem Recht. Da die Beklagte ihren Sitz in Italien habe, sind nach Auffassung des Gerichts für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der deutschen Gerichte vorliegend die Regelungen des EuGVÜ heranzuziehen. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei vertraglicher Natur. Anwendbar sei somit Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Diese Vorschrift begründe die örtliche Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts, sofern der Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung - hier der Pflicht des Beklagten, das Frachtgut mangelfrei zu transportieren - in dessen Gerichtsbezirk liege. Dies sei hier der Fall. Denn sowohl nach deutschem als auch nach italienischem Recht liege der Erfüllungsort der in Frage stehenden vertraglichen Verpflichtung des Beklagten im Bezirk des mit dem Rechtsstreit befassten deutschen Gerichts. Allerdings sei die Tatsache, dass der hier streitige Vertrag zwischen der Beklagten und dem italienischen Verkäufer abgeschlossen sei, ohne Bedeutung für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, weil der Vertrag auch zugunsten des deutschen Importeurs - und zugunsten seiner klagenden Erben - wirke, sobald letzterer über das Frachtgut verfügen könne. Demzufolge seien dem Importeur eigene Ansprüche aus dem Frachtvertrag erwachsen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Kläger sind nach ihrer Behauptung die Erben des verstorbenen Kaufmanns …, der in … einen Obst- und Gemüsegroßhandel mit Fruchtimport betrieb. Dieser hatte im September 1982 in … einen Lastzug mit 20 t Weintrauben gekauft, die die Beklagte als Frachtführer von … nach … transportierte. Die Beklagte hatte die Ware am 20.09.1982 übernommen und lieferte sie am 23.09.1982 in … an. Während des Transportes entstand am Motorwagen der Beklagten ein Maschinenschaden, so daß der Inhalt des Motorwagens umgeladen werden mußte. Die Kläger, die Schadensersatz verlangen, behaupten, infolge des Umladens bei 25 Grad Außentemperatur seien die Weintrauben zum Teil verdorben. Die Ware, die einen Wert von 19.800,‑ DM besessen habe, habe nur noch für 5.950,‑ DM verwertet werden können. Die Differenz verlange sie als Schaden. Hinzu kämen anteilige Frachtkosten in Höhe von 2.650,‑ DM und anteilige Zollkosten von 56,58 DM.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.556,58 DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 14.02.1983 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Insbesondere ein Gerichtsstand des Erfüllungsortes sei in Bochum nicht gegeben. Da der Absender sie ebenfalls in … auf denselben Schadensersatz wie die Kläger verklagt habe, sei das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des ... Verfahrens auszusetzen. Ein etwaiger Schaden sei den Klägern bereits vom Verkäufer erstattet worden. Etwaige Schäden am Frachtgut habe sie nicht zu vertreten. Der Absender habe bereits beschädigte Ware verladen. Durch den Ausfall des Motorwagens seien die Kühleinrichtungen des Zuges nicht beeinträchtigt gewesen, die Umladung sei binnen einer Stunde erfolgt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung des Vorsitzenden als Einzelrichter einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig; das angerufene Landgericht Bochum ist zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig.
Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt – wie auch zwischen den Parteien nicht streitig ist – aus Art. 31 Abs. 1 Ziff. b CMR. Hiernach können die Gerichte eines Staates angerufen werden, auf dessen Gebiet der Ort für die Ablieferung des Frachtgutes liegt.
Die genannte Bestimmung regelt die örtliche Zuständigkeit nicht. Sie bestimmt sich vielmehr allein nach innerstaatlichem Prozeßrecht (BGH NJW 1981/1902). Nach deutschem Recht kann sich eine örtliche Zuständigkeit für Bochum mit Rücksicht darauf, daß die Beklagte eine ... Firma ist, nur aus den Spezialregeln des Übereinkommens der europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EUG/ÜBK) ergeben. Maßgebend ist Art. 5 Ziffer 1. Hiernach kann die Beklagte vor dem erkennenden Gericht verklagt werden, wenn Gegenstand des Verfahrens Ansprüche aus einem Vertrag sind, die im Gerichtsbezirk des Landgerichts Bochum erfüllt worden sind oder zu erfüllen gewesen wären. Letzteres ist im Streitfall zu bejahen.
Die Kläger stützen ihren Schadensersatzanspruch auf Bestimmungen der CMR. Insoweit handelt es sich um Ansprüche aus einem Frachtvertrag. Der Frachtvertrag ist zwar im Streitfall zwischen dem … Absender und der Beklagten abgeschlossen worden. Er wirkt aber zugunsten des Frachtempfängers, dem eigene Ansprüche. aus dem Vertrag erwachsen, sobald er über das Frachtgut verfügen kann (BGH NJW 1979/2472; OLG Saarbrücken NJW 1975/500). Die Kläger haben das streitige Frachtgut von der Beklagten erhalten.
Erfüllungsort für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus dem Frachtvertrag ist …. Für einen Schadensersatzanspruch sieht Art. 5 Ziffer 1 EUG/ÜBK einen selbständigen Erfüllungsort nicht vor. Macht der Kläger Ansprüche aus Schadensersatzansprüchen geltend, so ist vielmehr die Verpflichtung im Sinne der genannten Vorschrift weiterhin diejenige vertragliche Verpflichtung, deren Nichterfüllung zur Begründung des Klageantrags behauptet wird (Europäischer Gerichtshof, NJW 1977/490). Die Kläger behaupten, die Beklagte habe das Frachtgut nicht mängelfrei angeliefert. Demgemäß kommt es auf den Anspruch der Kläger auf mangelfreien Transport und unbeschädigte Ablieferung des Frachtgutes an. Welcher Erfüllungsort das ist, bestimmt sich wiederum nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist (Europäischer Gerichtshof, NJW 1977/491). Insoweit kommt deutsches oder … Recht in Betracht. Welches Recht konkret anzuwenden ist, bedarf indes im Streitfall keiner Entscheidung. Denn Erfüllungsort für die dem Frachtführer obliegende Pflicht zur unbeschädigten Ablieferung des Frachtgutes ist nach deutschem wie … Recht der Ablieferungsort der Ware, also ....
Gemäß § 269 BGB bestimmt sich der Erfüllungsort, sofern keine vertragliche Abrede besteht, zunächst nach den Umständen, insbesondere nach der Natur des Schuldverhältnisses. Die Natur eines Frachtvertrags bringt es mit sich, daß ein Frachtführer seine Frachtpflichten aus mangelfreier Ablieferung nur am Ablieferungsort erfüllen kann. Dasselbe gilt für das … Recht, da sich auch nach dem von der Beklagten zitierten Art. 1182 CC der Erfüllungsort bei fehlender vertraglicher Abrede vorrangig unter anderem nach dem Wesen der Leistung oder den sonstigen Umständen bestimmt. Die Einrede der Beklagten, das Landgericht Bochum sei örtlich nicht zuständig, war somit zurückzuweisen.
Zu einer Aussetzung des Verfahrens gem. Art. 25 EUG/ÜBK sieht die Kammer schon deshalb keinen Anlaß, weil sie die Existenz und den Stand des angeblichen in … anhängigen Verfahrens, an dem die Kläger nicht beteiligt sind, nicht überschaut.
Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.
Eine Haftung der Beklagten für die Beschädigung des Frachtgutes setzt gem. Art. 17 Abs. 1 CMR voraus, daß die Kläger darlegen und beweisen, daß die Beschädigung der Weintrauben zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Dies haben die Kläger nicht getan. Sie haben keinen Beweis dafür angetreten, daß die Weintrauben bei Übernahme durch die Beklagte mängelfrei gewesen sind. Sie widersprechen andererseits nicht den Feststellungen des Havariekommissars in seinem Gutachten vom 15.10.1982, wonach die Ware bereits in angeschlagenem Zustand verladen worden ist. Soweit die Kläger aus dem Vergleich des Zustandes der Ware auf dem Anhänger und dem Motorwagen herleiten, durch das Umladen der Ware auf dem Motorwagen sei eine wesentliche weitergehende Beschädigung der Weintrauben eingetreten, haben sie für diese Behauptung ebenfalls keinen Beweis angetreten. Das Gutachten des Havariekommissars kann insoweit keinen Beweis erbringen, weil es diesbezüglich von der bestrittenen und von den Klägern nicht bewiesenen Annahme ausgeht, die Ware sei von nur zwei Mann umgeladen worden. Zudem hält es der Havariekommissar bei Einsatz von zwei Mann auch nur für unwahrscheinlich, daß die Umladung in einer Stunde vorgenommen worden sei.
Die Feststellung des Havariekommissars, der Schadenszustand der Weintrauben im Motorwagen sei größer gewesen als der Weintrauben im Anhänger, gibt auch keinen Beweis des ersten Anscheins, demzufolge der schlechtere Zustand der Weintrauben im Motorwagen auf einem Umladen zurückzuführen ist. Denn es ist nicht feststellbar, daß die Weintrauben im Zugfahrzeug und Anhänger in demselben schlechten Zustand verladen worden sind.
Soweit die Kläger darüber hinaus die Dauer der Fahrt des Lastzugs beanstanden, läßt sich hierfür eine Schadenskausalität nicht erkennen. Es ist vielmehr unstreitig, daß die Kühleinrichtung des Lastzuges zu keiner Zeit ausgefallen ist und sie einen Schadenseintritt verhindert.
Die Klage war demnach mit den Nebenfolgen aus §§ 91, 708 Ziff. 11, 711 ZPO abzuweisen.