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Zusammenfassung der Entscheidung Der deutsche Kläger hat vom Beklagten im Ausland ein Fahrzeug erworben. Dieses Fahrzeug war mit einem Konstruktionsfehler behaftet. Dadurch wurde in Deutschland ein Unfall herbeigeführt, der einen Totalschaden an dem Fahrzeug bewirkte. Der Kläger klagte daraufhin gegen den Beklagten vor einem deutschen Gericht auf Schadensersatz.
Das Amtsgericht Neustadt (DE) ist der Auffassung, dass die deutschen Gerichte international zuständig seien. Ihre Zuständigkeit ergebe sich aus Art. 5 Nr.3 EuGVÜ. Ort der unerlaubten Handlung i.S. dieser Vorschrift sei sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt habe (Handlungsort), als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden sei (Erfolgsort). Bei einem durch einen Konstruktionsfehler verursachten Autounfall sei Erfolgsort i.S.v. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ nicht der Ort, an dem sich der Erwerb des mit dem Herstellungsfehler behafteten Fahrzeugs vollzogen habe, sondern der Unfallort. Denn erst mit dem Unfall sei in das geschützte Rechtsgut des Klägers, nämlich sein Eigentum, eingegriffen worden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Kläger erwarb im Juli 1980 ein bei der Beklagten hergestelltes Kraftfahrzeug, Marke Renault Alpine A 310 V 6.
Am 5.11.1981 erlitt er mit diesem Fahrzeug auf der Bundesautobahn Nr. 65 bei Kilometer 117,5 einen Unfall, wobei der PKW schleuderte und gegen die Leitplanken links und rechts der Fahrbahn prallte. Am Fahrzeug entstand Totalschaden. Der linke hintere Reifen wurde vom Fahrzeug getrennt aufgefunden. Der Kläger macht in folgendem Rechtsstreit Schadensersatz in Höhe von 4.337,54 DM geltend. Das Gericht hat abgesonderte Verhandlung über die Zuständigkeit angeordnet.
Der Kläger behauptet, Unfallursache sei ein spontanes Entlüften des linken hinteren Reifens mit Abgleiten des Reifens von der Felge gewesen. Die Felge sei konstruktiv fehlerhaft ausgelegt und daher verkehrsunsicher gewesen. Als Herstellerin haftet die Beklagte für den ihm entstandenen Schaden. Sie habe nämlich die Felge konstruiert und in den Verkehr gebracht, obwohl sie dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik nicht entspreche.
Das Amtsgericht Neustadt sei als Ort der unerlaubten Handlung, an dem der Schadenserfolg eingetreten sei, international und örtlich zuständig.
Der Kläger beantragt, vorab durch Zwischenurteil die Zuständigkeit des Amtsgerichts Neustadt festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage als unzulässig abzuweisen.
Sie trägt vor, das Amtsgericht Neustadt sei zur Entscheidung nicht zuständig. Als Ort der unerlaubten Handlung aufgrund eines angeblichen Konstruktionsfehlers komme nur der Ort der Herstellung in Frage, da mit deren Durchführung die unerlaubte Handlung abgeschlossen sei, allenfalls noch der Ort, an dem der Kläger das Fahrzeug erworben habe. Ein Gerichtsstand der unerlaubten Handlung sei dort nicht gegeben, wo nur Schadensfolgen eingetreten seien.
Im übrigen werde bestritten, dass ein Konstruktionsfehler vorläge und zu dem Unfall geführt habe.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die vorgelegten Urkunden und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte nach abgesonderter Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage (§ 280 Abs. 1 ZPO) ein Zwischenurteil gemäß § 280 Abs. 2 erlassen.
Das Amtsgericht Neustadt ist zur Entscheidung international und örtlich zuständig als Ort der unerlaubten Handlung gemäß § 5 Nr. 3 EuGVÜ, § 32 ZPO.
Ort der unerlaubten Handlung ist nämlich sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort), wie der Ort, an dem auf das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (sogenannter „Erfolgsort“, vgl. hierzu Zöller, Anm. III 1a zu § 32 ZPO, Wieczorek, Randziff. C III zu § 32 ZPO), nicht aber der Ort, an dem lediglich Schadensfolgen eingetreten sind (vgl. hierzu BGHZ 51, 111).
Das Gericht geht davon aus, dass als Erfolgsort im obigen Sinne im vorliegenden Fall der Unfallort anzusehen ist, da sich an diesem Ort – die Angaben des Klägers unterstellt – der Reifen von der Felge gelöst hat und dadurch der Unfall herbeigeführt wurde, der einen Totalschaden an dem Fahrzeug bewirkte. Der Schadenserfolg, also ein Erfolg der Art, dass ohne ihn die Handlung nicht vollendet wäre (BGH, aaO) war nicht bereits mit dem Erwerb des PKW eingetreten, da – die Angaben des Klägers unterstellt – ein Konstruktionsfehler vorlag, der zwar den schädlichen Erfolg herbeiführen konnte, keinesfalls aber herbeiführen mußte, wie die Tatsache ergibt, daß zahlreiche Fahrzeuge mit solchen Reifen ohne derartige Zwischenfälle gefahren werden. In das geschützte Rechtsgut, nämlich das Eigentum des Klägers wurde mit dem angeblichen Ablösen des Reifens und dem Unfall eingegriffen. Der vorliegende Fall ist vergleichbar mit dem von Wieczorek aaO dargestellten Fall, wonach die Tötung eines Menschen dort begangen ist, wo auf ihn eingewirkt wird, sowie dort, wo die Maschine, die seinen Tod verursacht hat, fehlerhaft ausgeführt wurde.
Nach alledem war festzustellen, dass das Amtsgericht Neustadt als Gericht der unerlaubten Handlung zur Entscheidung zuständig ist.