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unalex. Rechtsprechung Entscheidung DE-305
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung DE-305  



OLG Köln (DE) 16.03.1988 - 24 U 182/87
Art. , allgemeine Grundsätze EuGVÜ – unalexMaterielle Wirksamkeitsvoraussetzungen –unalexWillenseinigung der Parteien

OLG Köln (DE) 16.03.1988 - 24 U 182/87, unalex DE-305


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de - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (15 cit.) erweiternde - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (15 cit.)



Für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 EuGVÜ muss sich die Willensübereinstimmung der Parteien aus den Schriftstücken selbst und nicht nur aus den begleitenden Umständen eindeutig ergeben.

Das EuGVÜ sieht eine Verweisung des Rechtsstreits an das international zuständige ausländische Gericht nicht vor.


-  Zusammenfassung der Entscheidung 

Der deutsche Kläger hat bei der italienischen Beklagten Ware bestellt, die nach Deutschland geliefert werden sollte. In dem Bestellschreiben des Klägers hieß es: "Die Auftragsbedingungen des Auftragnehmers werden ausgeschlossen. Gerichtsstand und Erfüllungsort ist Köln (DE)". Ohne dagegen zu protestieren hat die Beklagte ihrerseits den Auftrag durch Scheiben bestätigt. Die Lieferung der Ware ist ausgeblieben. Der Kläger hat der Beklagten eine Nachfrist gesetzt. Nach deren Verstreichen hat er den Vertrag gekündigt und gegen die Beklagte Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung vor einem deutschen Gericht erhoben.

Das Oberlandesgericht Köln (DE) führt aus, dass die deutschen Gerichte nicht international zuständig seien. Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ sei nicht einschlägig, weil die Beklagte ihren Wohnsitz in Italien habe. Es mangele auch an einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung, da die Voraussetzungen der drei in Art. 17 Abs. 1 S. 2 EuGVÜ genannten Fällen nicht erfüllt seien. Auch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ finde keine Anwendung. Der Erfüllungsort der streitigen vertraglichen Verpflichtung liege nach dem hier anzuwendenden Einheitlichen Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) in Italien. Ferner greife auch Art. 18 EuGVÜ nicht ein. Es sei nämlich unschädlich, dass sich die Beklagte hilfsweise zur Sache geäußert habe. Das Gericht führt ferner aus, dass das erstinstanzliche Gericht zu Unrecht die Zuständigkeitsrüge der Beklagten als verspätet zurückgewiesen habe. Die Rüge der internationalen Unzuständigkeit könne im Anwendungsbereich des EuGVÜ nur nach Maßgabe des Art. 18 EuGVÜ zurückgewiesen werden, weil das Übereinkommen die Präklusionsvorschriften des deutschen Zivilprozessrechts verdränge. Schließlich sei eine Verweisung des Rechtsstreits an das international zuständige ausländische Gericht ausgeschlossen, weil das EuGVÜ eine derartige Verweisung nicht vorsehe.

 JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission

-  Entscheidungstext 

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Kaufvertrages über 470 Paar Schuhe in Anspruch.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe am 24. April 1986 bei der Beklagten, einer italienischen Schuhfabrik, Schuhe zu einem Gesamtpreis von 21.018.800 Lire bestellt. Die Ware sollte von einer italienischen Speditionsfirma im Auftrag der Klägerin nach Deutschland gebracht werden. Mit Schreiben vom 5. Mai 1986 habe sie diesen Auftrag schriftlich bestätigt; in dem Schreiben heißt es: „Die Auftragsbedingungen des Auftragnehmers werden ausgeschlossen, Gerichtsstand und Erfüllungsort ist Köln.“ Ohne dagegen zu protestieren, habe die Beklagte ihrerseits mit Schreiben vom 22. Mai 1986 den Auftrag bestätigt und Lieferung für den 15. September 1986 angekündigt. Da die Lieferung ausgeblieben sei, habe sie, die Klägerin, der Beklagten am 16. Oktober 1986 eine Nachfrist bis zum 26. Oktober 1986 gesetzt und, nach deren fruchtlosem Verstreichen, mit Schreiben vom 3. November 1986 den Vertrag annulliert und Schadensersatz gefordert. Durch die unterbliebene Lieferung sei ihr ein Gewinn von 30.687, DM entgangen, von dem sie im Wege der Teilklage 10.000, DM geltend macht.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.000, DM zuzüglich 8,5 % Zinsen seit dem 10. November 1986 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die deutschen Gerichte seien zur Entscheidung über den Rechtsstreit international unzuständig, denn es fehle an einer Gerichtsstandsvereinbarung. Das Schreiben der Klägerin vorn 5. Mai 1986 sei ihr nicht zugegangen. Es sei auch gar nicht an sie, sondern – dies ist unstreitig – an die Firma P. Shoes gerichtet; auch dieser sei es nicht zugegangen. Hinzu komme, daß der Auftrag vorn 24. April 1986 von der Firma A. Schuhe und nicht von der Klägerin erteilt worden sei. Nur gegenüber dieser Firma habe sie, die Beklagte, den ihr von der Agentur-Firma P. Shoes weitergereichten Auftrag bestätigt. Vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien beständen daher nicht. Unabhängig davon könne das Schreiben vom 5. Mai 1986 die ihm von der Klägerin zugeschriebene Wirkung auch deshalb nicht haben, weil bei der Erteilung des Auftrags am 24. April 1986 weder über Gerichtsstand noch über Erfüllungsort gesprochen worden sei, das Schreiben also von der Vereinbarung in einem wesentlichen Punkt abweiche. Zur Sache selbst hat die Beklagte sich nur hilfsweise eingelassen.

Das Landgericht hat der Beklagten eine Klageerwiderungsfrist von drei Wochen, beginnend mit der Klagezustellung am 18. Mai 1987, gesetzt. Mit am 15. Juni 1987 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte um Verlängerung der Frist bis zum 22. Juni 1987 geboten, da noch weitere Unterlagen eingeholt werden müßten. Die Klageerwiderung ist am 26. Juni 1987 bei Gericht eingegangen. Die Beklagte hat darin unter Hinweis auf verlängerte Postlaufzeiten um Entschuldigung der Verzögerung gebeten.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Die Rüge der Unzuständigkeit hat es als verspätet zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz, und ist der Ansicht, daß das Landgericht ihren Vortrag zur Zulässigkeit der Klage nicht als verspätet habe zurückweisen dürfen, weil über die internationale Zuständigkeit von Amts wegen zu befinden und die ihr gesetzte Klageerwiderungsfrist von lediglich drei Wochen zu kurz bemessen gewesen sei.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das zuständige Gericht für Handelssachen in Verona zu verweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Auffassung, daß sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sowohl aus Art. 5 Nr. 1 als auch aus Art. 17 Abs. 1 des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens ergebe. Ihr Schreiben vom 5. Mai 1986 sei zwar an die Firma P…Shoes gerichtet gewesen, diese sei aber als Vertreterin der Beklagten tätig geworden und habe es an diese weitergegeben. Die Auftragsbestätigung der Beklagten vom 22. Mai 1986 beziehe sich auf das Schreiben vom 5. Mai 1986, da italienische Schuhfabriken Aufträge nicht von sich aus bestätigten und die Bitte um eine Verlängerung der Lieferfrist nur vor dem Hintergrund dieses Schreibens verständlich sei. Darüber hinaus sei der Beklagten aus dem geschäftlichen Kontakt im Januar 1986 bekannt gewesen, daß die Klägerin nur kaufen wollte, wenn Erfüllungsort und Gerichtsstand Köln ist. Da die Beklagte dem nicht widersprochen habe, sei Köln Gerichtsstand.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf das Auftragsformular vom 24. April, das Schreiben der Klägerin vorn 5. Mai und das Schreiben der Beklagten vom 22. Mai 1986 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist unzulässig, weil die deutschen Gerichte zur Entscheidung über den Rechtsstreit international unzuständig sind. Die von der Klägerin hilfsweise beantragte Verweisung an das zuständige Gericht für Handelssachen in Verona ist nicht möglich.

1. a) Die Beklagte kann den Einwand der internationalen Unzuständigkeit der deutschen Gerichte mit der Berufung geltend machen. Dem steht § 512 a ZPO nicht entgegen. Diese Vorschrift betrifft nur die örtliche Zuständigkeit, nicht aber die davon begrifflich zu unterscheidende internationale Zuständigkeit (vgl. BGH (Großer Senat) Z 44, 46).

b) Die Geltendmachung des Einwandes der internationalen Unzuständigkeit wird auch nicht durch § 528 Abs. 3 ZPO. ausgeschlossen. Zwar hat das Landgericht die Zuständigkeitsrüge der Beklagten als verspätet zurückgewiesen. Dies ist jedoch zu Unrecht erfolgt, und zwar selbst dann, wenn – wozu der Senat indessen nicht neigt –‚ das Vorbringen der Beklagten tatsächlich verspätet und ihre Entschuldigung nicht ausreichend gewesen sein sollte.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ergibt sich dieses Ergebnis allerdings nicht schon daraus, daß die internationale Zuständigkeit stets von Amts wegen zu prüfen, daß also diese Zulässigkeitsrüge nicht verzichtbar im Sinne von § 296 Abs. 3 ZPO sei. Dies trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Gemäß den Art. 19 und 20 des hier anzuwendenden Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (EuGVÜ) findet die Amtsprüfung statt, wenn ein Fall des Art. 16 vorliegt oder wenn der Beklagte sich auf das Verfahren nicht einläßt. Im Wege des Umkehrschlusses ist daraus zu folgern, daß die internationale Zuständigkeit nur auf Rüge zu prüfen ist, wenn der Beklagte sich auf das Verfahren einläßt; dafür spricht auch die Regelung des Art. 18 Satz 1 und Satz 2, 1. Alternative EuGVÜ (ebenso Geimer/ Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. 1, 1. Halbbd., 2. Aufl. 1983, 5. 961). Da die Beklagte sich im vorliegenden Fall auf das Verfahren eingelassen hat, findet eine Amtsprüfung nicht statt. § 296 Abs. 3 ZPO ist deshalb grundsätzlich anwendbar.

Die Zurückweisung der von der Beklagten ausdrücklich vorgetragenen Zuständigkeitsrüge als verspätet ist jedoch aus einem anderen Grund nicht zulässig.

Sie führt nämlich dazu, daß die deutschen Gerichte über einen Rechtsstreit in der Sache entscheiden, obwohl nach dem EuGVÜ – wie noch zu zeigen ist – ein Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben ist. Ein derartiges – von Leipold, auf den das Landgericht seine gegenteilige Ansicht stützt, eingeräumtes (Leipold, Zuständigkeits- vereinbarung und rügelose Einlassung nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, IPRax 2 (1982) S. 222 (224)) – Ergebnis steht im Widerspruch zum EuGVÜ, da nach dessen Art. 3 Abs. 1 Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts verklagt werden können. Ein Gerichtsstand infolge verspäteter Zuständigkeitsrüge ist dort nur für den Fall vorgesehen, daß der Beklagte zur Hauptsache verhandelt und erst danach die Zuständigkeitsrüge erhebt (Art. 18). Es liegt deshalb ein Konflikt zwischen den Gerichtsstandsbestimmungen des EuGVÜ und den Verspätungsvorschriften der ZPO vor. Dieser ist infolge des Vorrangs des EuGVÜ zu dessen Gunsten aufzulösen. Soweit – wie hier – die Anwendung der §§ 282 Abs. 3 Satz 2, 296 Abs. 3 und 528 Abs. 3 ZPO dazu führt, daß deutsche Gerichte über einen Rechtsstreit entscheiden, obwohl nach dem EuGVÜ kein deutscher Gerichtsstand gegeben ist, werden diese Vorschriften verdrängt. Es kann dabei dahinstehen, ob das Zurücktreten der Präklusionsvorschriften rechtsdogmatisch mit Hilfe der Regeln über die Gesetzeskonkurrenz oder damit zu erklären ist, daß wegen der Regelung des Art. 20 EuGVÜ eine Prozeßförderungspflicht des ausländischen Beklagten nicht besteht, so daß der Tatbestand der Verspätungsvorschriften nicht erfüllt sein kann. Eine Zurückweisung der von dem Beklagten von Anfang an erhobenen Zuständigkeitsrüge als verspätet kommt auf jeden Fall nicht in Betracht.

2. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist weder nach Art. 2 Abs. 1, noch nach Art. 5 Nr. 1, noch nach Art. 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2, noch nach Art. 18 Satz 1 EuGVÜ gegeben.

a) Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ ist nicht einschlägig, weil die Beklagte ihren Sitz nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Italien hat.

b) Die Parteien haben die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht wirksam vereinbart. Die Voraussetzungen der drei in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EuGVÜ genannten Alternativen sind allesamt nicht erfüllt. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 1986 der Beklagten oder der Firma P. Shoes zugegangen ist, ob diese Firma für die Beklagte empfangsbevollmächtigt gewesen ist, ob es die Klägerin gewesen ist, die unter der Bezeichnung A. Schuhe aufgetreten ist, und ob sie unter dieser Bezeichnung Rechte und Pflichten für sich begründen konnte. Selbst wenn man all dies zugunsten der Klägerin als gegeben unterstellt, ist Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ nicht anwendbar:

aa) Den von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 5. Mai und 22. Mai 1986 läßt sich keine schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative EuGVÜ entnehmen. Dazu ist nämlich erforderlich, daß die Willensübereinstimmung hinsichtlich der Gerichtsstandsvereinbarung aus den Schreiben selbst und nicht erst aus den Umständen hervorgeht. Weil in dem Antwortschreiben auf die Frage des Gerichtsstandes nicht eingegangen wird, ist das nur dann der Fall, wenn dieses Schreiben ausweislich seines Textes auf das die Gerichtsstandsregelung enthaltende Schreiben vom 5. Mai 1986 erkennbar Bezug nimmt. Dieses strenge Formerfordernis ergibt sich aus dem Zweck des Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 1. und 2. Alt. EuGVÜ zu verhindern, daß durch die einseitige Nennung eines Gerichtsstandes, der die andere Seite weder ausdrücklich zustimmt noch ausdrücklich widerspricht, ein Gerichtsstand vereinbart werden kann (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1976, Rs 25/76). Die sonach erforderliche, aus den Schriftstücken selbst erkennbare Willensübereinstimmung liegt hier nicht vor. Unter keinem Gesichtspunkt läßt sich dem Wortlaut des Schreibens der Beklagten vom 22. Mai 1986 entnehmen, daß es die Antwort auf das Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 198E darstellte. Eine Beziehung zwischen den beiden Schreiben kann man allenfalls aufgrund der von der Klägerin gegebenen Erläuterungen annehmen. Das reicht aber für eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung nicht aus.

bb) Das Schreiben vom 5. Mai 1986 genügt auch nicht den Anforderungen, die gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. EuGVÜ die schriftliche Bestätigung einer zuvor getroffenen mündlichen Vereinbarung erfüllen muß. Die schriftliche Bestätigung muß nämlich vollinhaltlich mit der vorher mündlich erzielten Einigung übereinstimmen (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17, Rnr. 34). Die Beweislast trägt dabei nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung beruft. Dem hat die Klägerin mit ihrem Vortrag nicht Genüge getan. Zur Darlegung des Inhalts der Vereinbarung vom 24. April 1986 hat sie nur ein ausgefülltes Bestellformular vorgelegt, auf dem aber keine Gerichtsstandsvereinbarung vermerkt ist. Daß eine solche am 24. April 1986 gleichwohl getroffen worden ist, wird von ihr ohne Angabe weiterer Beweismittel nur behauptet. Hinsichtlich der Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. EuGVÜ ist sie somit beweisfällig geblieben.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, für die schriftliche Bestätigung gälten die Grundsätze über das Schweigen auf kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. EuGVÜ setzt den Nachweis einer ausdrücklichen Willenseinigung voraus; dieser ist bei bloßem Schweigen auf kaufmännisches Bestätigungsschreiben nicht erbracht (Kropholler, aaO, Art. 17, Rnr. 35; Zöller- Geimer, ZPO, 15. Aufl. 1987, Art. 17, Rnr. 10). Eine Ausnahme hiervon ist nach Sinn und Zweck der Bestimmung nur möglich, wenn die Parteien in laufender Geschäftsbeziehung zueinander stehen und im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung Einvernehmen über den Gerichtsstand erzielt haben (Kropholler, aaO, Art. 17, Rnr. 33; Zöller-Geimer, aaO, Art. 17, Rnr. 11). Das ist hier nicht der Fall. Dem Auftrag vom 24. April 1986 ist nur eine Bestellung, nämlich am 14. Januar 1986, vorangegangen, so daß bereits von einer laufenden Geschäftsbeziehung nicht die Rede sein kann. Nach alledem ist ein Gerichtsstand nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. EuGVÜ nicht begründet.

cc) Auch die Anwendung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 3. Alt. EuGVÜ, wonach den im internationalen Handel geltenden Gebräuchen Rechnung zu tragen ist, führt nicht zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Diese Tatbestandsalternative ist im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien seit dem 1. November 1986 in Kraft (vgl. Bekanntmachung vorn 14. November 1986, BGB1. 1986 II 5. l020). Sie ist gleichwohl schon auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbar, da maßgeblicher Zeitpunkt bei einer Gerichtsstandsklausel nicht der Zeitpunkt ihrer Vereinbarung, hier entweder der 24. April oder der 5. Mai 1986, sondern der Zeitpunkt der Klageerhebung, hier der 30. März 1987, ist (so auch OLG Koblenz RIW 1987, 144 (146)).

Die Regeln über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben stellen zwar einen internationalen Handelsbrauch dar, der in zahlreichen anderen Vertragsstaaten des EuGVÜ verbreitet ist (Überblick bei Ebenroth, Kaufmännisches Bestätigungsschreiben im internationalen Handelsverkehr, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 77 (1978), 5. 161 ff.). Es kann gleichwohl dahinstehen, ob die Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung nach diesen Regeln vorliegen. Selbst wenn dem so wäre, würde die Anwendung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 3. Alt. EuGVÜ daran scheitern, daß dieser Handelsbrauch der Beklagten nicht bekannt ist und nicht bekannt sein muß. Davon, daß der Beklagten die Regeln über das Schweigen auf kaufmännisches Bestätigungsschreiben nicht bekannt sind, ist auszugehen, da die Klägerin nichts Gegenteiliges vorträgt, obwohl sie insoweit die Darlegungslast hat. Hinsichtlich des Kennenmüssens kommt es darauf an, ob die Beklagte nach ihrem Wohnsitzrecht damit rechnen mußte, daß ihr Schweigen als Willenserklärung gewertet wird. Innerhalb des Tatbestandes des Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 3. Alt. EuGVÜ findet in bezug auf diesen Punkt eine Sonderanknüpfung an das Heimatrecht des Schweigenden statt (Kropholler, aaO, Art. 17, Rnr. 42; ders. in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. 1, 1982, S. 391 f.; Jung, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit, 1980, S. 172 f.; unklar: Geimer/Schütze, aaO, S. 481). Zu keinem anderen Ergebnis kommt man, wenn man die behauptete Gerichtsstandsvereinbarung als Bestandteil des Kaufvertrags auffaßt und aus diesem Grund auf die Regelungen des Einheitlichen Gesetzes über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen (EAG) zurückgreift. Insoweit gilt, daß Art. 2 Abs. 2 EAG es nicht ausschließt, Schweigen als Willenserklärung zu werten, wenn dies den „Gebräuchen“ im Sinne des Art. 2 Abs. 1 EAG entspricht, daß aber hinsichtlich des Vorhandenseins und der rechtlichen Bedeutung solcher Gebräuche auf das Heimatrecht des Schweigenden abzustellen ist (OLG Köln RIW 1985, S. 404 (405); LG Marburg in: Schlechtriem/Nagnus, Internationale Rechtsprechung zu EKG und EAG, 1987, S. 49 f.; Schlechtriem in: Dölle (Hrsg.), Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, 1976, Art. 13 EAG, Rnr. 10; ferner BGHZ 57, 72 (77) zum autonomen deutschen Recht).

Nach dem aus den genannten Gründen maßgebenden italienischen Heimatrecht der Beklagten kommt dem Schweigen im Handelsverkehr, insbesondere dem Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, keine rechtliche Bedeutung zu (vgl. BGH NJW 1973, 2154; Sandrock/Jung/Sandrock, Handbuch der Internationalen Vertragsgestaltung, Bd. 1, 1980, Rnr. B 108; Ebenroth, aaO, S. 171 f.). Dies gilt auch für Gerichtsstandsvereinbarungen, wie sinngemäß der nicht abschließenden Aufzählung von ausdrücklicher Bestätigung bedürftiger Klauseln in Art. 1341 Abs. 2 des italienischen Codice civile entnommen werden kann. Eine Ausnahme hiervon kennt das italienische Recht allenfalls bei laufenden Geschäftsbeziehungen. Eine solche liegt hier aber – wie ausgeführt – nicht vor.

Sonach ist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2, 3. Alt. EuGVÜ kein deutscher Gerichtsstand vereinbart worden.

c) Auch die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ liegen nicht vor, weil Erfüllungsort für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch der Sitz der Beklagten ist. Abzustellen ist dabei auf die Verpflichtung, die den Gegenstand des Verfahrens bildet (EuGH NJW 1987, 1131) ‚ also hier auf die Verpflichtung des Verkäufers zur Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Lieferpflicht. Die Frage, welcher Ort Erfüllungsort für diese Verpflichtung ist, richtet sich nach den Normen des deutschen Internationalen Privatrechts als lex fori. Dieses verweist auf das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG), da die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 nach dem Vortrag der Klägerin vorliegen und die Parteien seine Geltung nicht gemäß Art. 3 abbedungen haben. Darauf, daß die Beklagte das Zustandekommen eines Vertrages mit der Klägerin bestreitet, kommt es nicht an. Im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist allein der unstreitige Sachverhalt und der streitige Klägervortrag von Belang (vgl. Kropholler, aaO, Art. 5, Rnr. 6). Zwar könnte man auch nach dem Vortrag der Klägerin wegen deren Auftreten unter der Firma … an dem Zustandekommen eines Kaufvertrages nach den Regeln von EAG und EKG zweifeln, doch kann dies dahinstehen, da unabhängig davon die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nicht vorliegen.

Nach dem EKG ist nämlich Erfüllungsort für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Sitz der Beklagten in Italien. Dies ergibt sich nicht ausdrücklich aus den als Anspruchsgrundlagen für den Schadensersatzanspruch einschlägigen Art. 24 Abs. 2, 27 Abs. 2, 84 Abs. 1 und 86 EKG, folgt aber aus den allgemeinen Grundsätzen, die dem Gesetz zugrundeliegen (Art. 17). Danach ist davon auszugehen, daß nach dem EKG Schadensersatz grundsätzlich dort zu leisten ist, wo die in Anspruch genommene Partei ihre entsprechende Verpflichtung hätte erfüllen müssen (BGHZ 78, 257 (260)). Dies läßt sich damit begründen, daß nach dem EKG die Schadensersatzpflicht entweder neben oder an die Stelle der Pflicht tritt, die verletzt ist. Erfüllungsort für die Lieferpflicht, die verletzt worden ist, ist der Sitz der Beklagten. Dies ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen, auf die Art. 23 Abs. 1 EKG verweist, weil nach dem vorliegenden Kaufvertrag eine Beförderung der Sachen erforderlich ist. Da die Parteien nach dem Klägervortrag vereinbart haben, daß der Transport im Auftrag, auf Gefahr und auf Kosten der Klägerin erfolgen und daß der Spediteur die Ware von der Beklagten entgegennehmen sollte, wäre Lieferort die geschäftliche Niederlassung der Beklagten gewesen; dort hätte sie abschließend tätig werden sollen.

Der Erfüllungsort für die Lieferpflicht ist auch nicht nachträglich geändert worden. Insbesondere dem Schreiben vom 5. Mai 1986 kann eine solche Wirkung nicht zukommen. Dies gilt selbst dann, wenn man – entgegen den obigen Ausführungen – die Grundsätze über kaufmännische Bestätigungsschreiben anwendet. Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben entfaltet nämlich nur dann konstitutive Wirkung, wenn der Absender glauben kann, daß das Schreiben die Vereinbarungen korrekt wiedergibt. Das ist hier nicht der Fall, da nach dem eigenen Vortrag der Klägerin am 24. April 1986 ein anderer Erfüllungsort als Köln vereinbart worden ist. Es kann deshalb günstigstenfalls ein Angebot zur Änderung des Vertrages vorliegen, das die Beklagte nicht angenommen hat. Darüber hinaus müßten die Formvorschriften des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ analog angewandt werden, wenn man den Schreiben vom 5. Mai und vom 22. Mai 1986 Vereinbarungen über den Erfüllungsort entnehmen wollte. Dies ist erforderlich, um eine Umgehung der Formvorschriften für Gerichtsstandsvereinbarungen zu unterbinden (dazu Kropholler, aaO, Art. 5, Rnr. 18). Eine Umgehung läge hier vor, da die Vereinbarung eines Erfüllungsortes lediglich prozessual wirken soll und nicht ernsthaft auf die materiellrechtliche Begründung eines tatsächlichen Leistungsortes abzielt; daß die Schuhe im Auftrag der Klägerin von einem Spediteur von … nach Köln gebracht werden sollten und daß insoweit auch keine nachträgliche Änderung beabsichtigt war, geht aus dem Schreiben vom 5. Mai 1986 klar hervor.

Erfüllungsort für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch ist deshalb … in Italien. Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nicht begründet.

d) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist schließlich auch nicht gemäß Art. 18 EuGVO begründet worden. Die Beklagte hat sich zwar auf das Verfahren eingelassen, sie hat aber in beiden Instanzen in erster Linie die Rüge der internationalen Unzuständigkeit erhoben. Daß sie sich daneben zur Sache geäußert hat, ist unschädlich (vgl. EuGH RIW 1981, 709).

3. Die von der Klägerin hilfsweise beantragte Verweisung an das zuständige Gericht für Handelssachen in Verona ist nicht möglich. § 281 ZPO läßt nach seinem Wortlaut eine Verweisung nur bei sachlicher oder örtlicher, nicht aber bei internationaler Unzuständigkeit zu. Eine entsprechende Anwendung scheidet aus, da die Verweisung ein Hoheitsakt ist, der als solcher nur im Inland, nicht aber gegenüber einem an § 281 ZPO nicht gebundenen ausländischen Gericht Wirkungen entfalten kann (vgl. Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO, 45. Aufl. 1987, § 281, Rnr. 1) C; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 20. Aufl. 1987, § 281, Rnr. 2; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. 1976, § 276, Rnr. A II b 3; Zöller-Stephan, aaO, § 281, Rnr. 4). Auch das EuGVO kennt keine Verweisung ins Ausland. Vielmehr ist dort in den Art. 19 bis 22 nur die Möglichkeit vorgesehen, die Klage als unzulässig zu verwerfen (Kropholler, aaO Art. 19, Rnr. 2, Art. 21, Rnr. 4, Art. 22, Rnr. 7).





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