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Zusammenfassung der Entscheidung Der deutsche Kläger hatte sich bereit erklärt, an einer Showvorführung in Hamburg (DE) teilzunehmen. Der niederländische Beklagte machte mit Einverständnis des Klägers Fotos von diesem während und nach der Vorführung. Der Beklagte verkaufte später diese Fotos an einen Verleger mit Sitz in den Niederlanden, der sie in einem pornographischen Magazin, das in den Niederlanden erschien, ohne die Zustimmung des Klägers veröffentlichte. Dieses Magazin konnte auch in Deutschland bezogen werden. Der Kläger verlangte von den Beklagten Schmerzensgeld. Seinen Anspruch machte er vor einem deutschen Gericht geltend. Der Kläger hat ferner auch ein Verfahren gegen den Verleger des Magazins vor demselben deutschen Gericht eingeleitet.
Das Amtsgericht Hamburg (DE) führt aus, dass es international nicht zuständig sei. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ finde keine Anwendung. Der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ im Sinne dieser Vorschrift erfasse sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten sei, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens. Im vorliegenden Fall liege keiner der beiden Orte in Deutschland. Der geltend gemachte Schaden sei in den Niederlanden eingetreten, nämlich durch die dortige Veröffentlichung der Fotos. Weiterhin reiche die Tatsache, dass die Anfertigung der Fotos in Deutschland stattgefunden habe, für die Begründung der besonderen Zuständigkeit der unerlaubten Handlung nicht aus, weil sie nicht „ursächlich“ i.S.v. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ sei. Denn ein nach dem Gesetz erlaubtes Tun (Anfertigung von Fotos), das erst später durch das Hinzukommen anderer Umstände (Verkauf der Fotos) zu einer Ehrverletzung geführt habe, könne nicht als „ursächlich“ angesehen werden. Die Tätigkeit des Beklagten in Deutschland habe sich nur auf einer der eigentlichen Rechtsgutverletzung vorgelagerte Handlung beschränkt.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig. Der Kläger kann von dem Beklagten nicht in Analogie zu § 847 BGB – nur diese Vorschrift kommt hier als Anspruchsgrundlage in Betracht – ein Schmerzensgeld vom Beklagten zu 1.) verlangen, da das Amtsgericht Hamburg nicht für einen eventuell bestehenden Anspruch des Klägers zuständig ist. Artikel 5 Ziff. 3 des „Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“ – dieses Abkommen findet hier Anwendung, da der Kläger Deutscher und der Beklagte zu 1) Niederländer ist – bestimmt, daß eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden kann, wenn eine unerlaubte Handlung … den Gegenstand des Verfahrens bildet – und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Das Amtsgericht Hamburg wäre mithin zuständig, wenn es sich bei ihm (auch) um das Gericht des Ortes handeln würde, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, – und zwar immer bezogen auf ein Verhalten des Beklagten zu 1). Bei wortgetreuer Auslegung dieses Passus ergibt sich, daß das Amtsgericht Hamburg nicht zuständig ist, da das geltend gemachte schädigende Ereignis in den Niederlanden eingetreten ist, nämlich durch die dortige Veröffentlichung der Fotos in einem niederländischen Pornomagazin. Zu Recht weist die Klägerin jedoch darauf hin, daß der Europäische Gerichtshof bereits einmal entschieden hat, daß die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 2. Aufl., Art. 5, Rn. 41). Es stellt sich mithin die Frage, ob die in der Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg gelegene Gaststätte bereits als Ort des dem (möglichen) schädigenden Ereignis zugrundeliegenden ursächlichen Geschehens angesehen werden kann.
Dies ist nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall. Zwar ist die Anfertigung der Fotos conditio sine qua non für das spätere Erscheinen der Fotos, sie ist jedoch noch nicht ursächlich im Sinne der Interpretation von Artikel 5 Nr. 3 seitens des Europäischen Gerichtshofes. Dabei muß zunächst beachtet werden, daß die Ursächlichkeit im Sinne dieses Artikels nicht zu weit gefaßt werden darf, denn sonst würde z.B. auch der Kauf des Films oder der Kamera darunter fallen. Die Frage, ob die Anfertigung der Aufnahmen bereits ursächlich in dem Sinne ist, daß das Amtsgericht Hamburg zuständig ist, muß hier aufgrund einer Wertung des Kunsturhebergesetzes entschieden werden. § 22 dieses Gesetzes bestimmt, daß Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Das Kunsturhebergesetz verbietet mithin nur das Verbreiten bzw. das Zurschaustellen von Bildnissen nicht jedoch das Anfertigen von solchen. Bei letzterem handelt es sich mithin um einen erlaubten Tatbestand, zumal der Kläger damit einverstanden war. Daß es zulässig ist, ohne Einwilligung Aufnahmen zu fertigen, führt nach Ansicht des Gerichts dazu, daß ein solch erlaubtes Tun noch nicht ursächlich im Sinne einer Interpretation des Artikel 5 Nr. 3 seitens des Europäischen Gerichtshofes sein kann. Ansonsten würde ein erlaubtes Tun, welches erst später durch das Hinzukommen weiterer Umstände zu einer möglichen Ehrverletzung geführt hat, sanktioniert. Eine solch weitgehende Interpretation des Artikel 5 Nr. 3 ist nach Ansicht des Gerichts nicht zulässig, da ansonsten einer Ausdehnung des Gerichtsstandes Tür und Tor geöffnet würde. Ort des ursächlichen Geschehens kann lediglich der Beginn einer Rechtsgutverletzung sein – hier der Entschluß, die Fotos zu verkaufen, bzw. der Verkauf selber – nicht jedoch ein Ort, der zwar letztlich ursächlich für die spätere Rechtsgutverletzung ist, bei dem jedoch ein Beginn einer solchen Verletzung noch nicht festgestellt werden kann. Eine solche Auslegung des Artikels 5 Nr. 3 entspricht im übrigen auch der Interpretation des Europäischen Gerichtshofes. Der Beginn der Verletzungshandlung im bekannten Rheinverschmutzungsfall lag nämlich an dem Ort in welchem die Schadstoffe eingeleitet worden sind, und diesen Ort hat der Gerichtshof auch für zuständig erklärt.
Da die Tätigkeit des Beklagten zu 1) – jedenfalls soweit sie in der Bundesrepublik stattgefunden hat – sich auf eine der eigentlichen Rechtsgutverletzung vorgelagerte Handlung beschränkt hat, kann das Amtsgericht Hamburg hinsichtlich des Beklagten zu 1) nicht Gerichtsstand einer unerlaubten Handlung sein.
Eine rügelose Einlassung seitens des Bekl. zu 1) liegt nicht vor, da er die Zulässigkeit der Klage in seiner Klageerwiderung ausdrücklich gerügt hat. Eine nochmalige – im Protokoll festzuhaltende – Rüge war nicht erforderlich.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.