Am ... schlossen die Parteien einen schriftlichen „Exklusiv-Belieferungs-Vertrag“, durch den sich die Klägerin verpflichtete, ihre Erzeugnisse in Frankreich nur durch die Beklagte verkaufen zu lassen, während sich die Beklagte verpflichtete, sämtliche von ihr hergestellten Artikel in Deutschland nur über die Klägerin verkaufen zu lassen. Für den Fall des Verstoßes gegen diesen Vertrag war eine Vertragsstrafe von 20.000,- Schweizer Franken vereinbart.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe in Anspruch. Sie behauptet: Die Beklagte habe seit 1981 Waren im Wert von mehreren tausend Deutsche Mark an die Firma ... in ... (Bundesrepublik Deutschland) direkt verkauft.
Die Beklagte bestreitet, mit der Klägerin einen Gerichtsstand in Deutschland vereinbart zu haben. Sie steht auf dem Standpunkt, daß für die Vertragsbeziehungen der Parteien das französische Recht gilt und meint, der Exklusiv-Belieferungsvertrag sei im Jahre 1982 bereits abgelaufen gewesen. Im übrigen bestreitet sie, gegen den Vertrag verstoßen zu haben.
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil der Klage unter Aufrechterhaltung eines Versäumnisurteils vom 25. Januar 1985 stattgegeben. Das Landgericht hat seine internationale Zuständigkeit bejaht, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei den Vertragsverhandlungen die Bezugshinweise der Klägerin erörtert worden seien. Aufgrund der Aussage des Zeugen ... stehe fest, daß die Beklagte gegen die Exklusivvereinbarung verstoßen habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Die Beklagte wiederholt mit näheren Darlegungen ihre Bedenken gegen die örtliche und internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld. Einer schriftlichen Gerichtsstandvereinbarung habe sie nicht zugestimmt. Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, daß der Vertrag im Jahre 1982 bereits abgelaufen gewesen sei. Unabhängig davon bestreitet sie, gegen den Vertrag verstoßen zu haben.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Versäumnisurteil vom 25. Januar 1985 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, bei dem Gespräch der Parteien am 26. November 1977, an dem – unstreitig – teilgenommen hätten der Geschäftsführer der Klägerin, … , der Vorstand der Beklagten, ... , sowie die Zeugen ... und ... sei ausdrücklich der Gerichtsstand Deutschland vereinbart und Ziffer 4 der Bezugshinweise der Klägerin besprochen worden.
Ziffer 4 der Bezugshinweise der Klägerin lautet:
4. Erfüllungsort und Gerichtsstand:
Erfüllungsort für die Lieferung und Leistung ist ... ; Gerichtsstand für beide Teile ist ... ; für alle Geschäfte gilt deutsches Recht.
Im übrigen wiederholt und ergänzt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Der Senat hat durch Vernehmung der Zeugen ... und ... , der im Wege der internationalen Rechtshilfe vernommen worden ist, Beweis erhoben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage als unzulässig.
1. Die Beklagte ist nicht gehindert, mit der Berufung geltend zu machen, daß das Landgericht Bielefeld zusammen mit seiner örtlichen Zuständigkeit seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Die Vorschrift des § 512 a ZPO, nach der die Berufung in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche nicht darauf gestützt werden kann, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine Örtlichkeit zu Unrecht angenommen habe, gilt nicht für die internationale Zuständigkeit (ständige Rechtsprechung, zum Beispiel BGH NJW 82, 1947).
2. Die Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld ist begründet.
a) Die Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld ist nicht bereits nach Art. 18 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuG-ÜbK) aufgrund der hilfsweisen Einlassung der Beklagten zur Sache begründet. Die nur hilfsweise Sacheinlassung ist keine Einlassung im Sinne von Art. 18 EuG-ÜbK (EuGH, Urteil vom 24.06.1981 RIW/AWD 81, 709 sowie EuGH IPrax 83, 77)
b) Die Zuständigkeit des Landgerichts – und damit die internationale Zuständigkeit – folgt auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 des EuG-ÜbK. Nach dieser Vorschrift kann die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts eines Vertragsstaates durch eine schriftliche oder durch eine mündliche, schriftlich bestätigte Vereinbarung der Parteien begründet werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Text des Vertrages vom 25. Januar/12. Februar 1978 enthält keine Vereinbarung über den Gerichtsstand. Zwar lautet Ziff. 4 der Bezugshinweise der Klägerin:
4. Erfüllungsort und Gerichtsstand
Erfüllungsort für Lieferung und Leistung ist ... ; Gerichtsstand für beide Teile ist ... ; für alle Geschäfte gilt deutsches Recht.
An einer wirksamen Einbeziehung dieser Bestimmung in den Vertrag im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuG-ÜbK fehlt es jedoch. Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen ausdrücklich im Vertragstext in Bezug genommen werden (EuGH RIW/AWD 77, 494, 495). Daran fehlt es hier. Auch die – hier nicht bestrittene – widerspruchslose Hinnahme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin durch die Beklagte über einen Zeitraum von etwa einem Jahr entspricht den Formvorschriften von Art. 17 EuG-ÜbK nicht. Die widerspruchslose Hinnahme von Gerichtsstandsklauseln begründet einen Gerichtsstand nur, wenn wenigstens eine schriftliche Bestätigung der Gerichtsstandsklausel vorausgegangen ist (EuGH aaO; BGH RIW/AWD 80, 725). Daran fehlt es hier ebenfalls.
c) Auch nach Art. 5 Nr. 1 des EuG-ÜbK ist die Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld nicht gegeben. Nach dieser Bestimmung kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat im Gerichtsstand des Erfüllungsorts verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Wo der Erfüllungsort liegt, bestimmt sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts, hier also nach dem deutschen internationalen Privatrecht, anwendbar ist (EuGH NJW 77, 491; BGH NJW 81, 1158 und 85, 560). Das Landgericht Bielefeld wäre demnach zuständig, wenn der Erfüllungsort für die hier eingeklagte Vertragsstrafe in Bielefeld, dem Wohnsitzgericht der Klägerin, läge.
Die Frage nach dem Erfüllungsort hängt nach deutschem internationalen Privatrecht davon ab, welches Recht für das Vertragsverhältnis gilt. Dabei ist hier, da das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen im Verhältnis zu Frankreich nicht gilt, darauf abzustellen, welches Recht ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart ist.
aa) Eine ausdrückliche Vereinbarung des deutschen Rechts haben die Parteien nicht getroffen. Für eine stillschweigende Vereinbarung liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Die insoweit heranzuziehenden Indizien sind unergiebig:
Die Vereinbarung der deutsch-französischen Handelskammer als Schiedsgericht – die Schiedsgerichtsklausel wäre nach deutschem Recht unwirksam – sagt nichts darüber aus, nach welchem Recht die Entscheidung des Schiedsgerichts getroffen werden sollte. Auch sollte den Parteien hierdurch nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Schiedsgerichts geboten werden. Die gewählte Währung für die Vertragsstrafe – Schweizer Franken – ist im Hinblick auf die Rechtswahl ebenfalls unergiebig. Die Vertragsverhandlungen wurden nach der Aussage des Zeugen ... einerseits in ... (Frankreich), andererseits auf deutsch geführt. Der letztere Umstand enthält jedoch, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Vertrag von einem deutschen Rechtsanwalt entworfen worden ist, kein entscheidendes Indiz für eine Wahl des deutschen Rechts. Unstreitig haben die Parteien den französischen Vertragstext unterschrieben. Selbst wenn die Parteien den deutschen Vertragstext ebenfalls unterschrieben haben sollten, so würde daraus nur folgen, daß damit beiden Textfassungen der gleiche Rang eingeräumt worden ist.
Die Vereinbarung deutschen Rechts läge allerdings nahe, wenn die Parteien sich auf die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin verständigt hätten. Dabei hätte es einer ausdrücklichen Einbeziehung dieser Bedingungen bedurft. Die Möglichkeit einer erleichterten Einbeziehung in Form einer stillschweigend erklärten Willensübereinstimmung gemäß § 24 Nr. 1 AGBG besteht hier nicht. Zwar sind die Parteien Kaufleute. Die Anwendung des § 214 AGBG setzt aber die Geltung des deutschen Rechts voraus, die vorliegend erst festgestellt werden soll.
Die Klägerin hat dazu behauptet, vor Abschluß des Exklusiv-Belieferungsvertrages sei ausdrücklich zwischen dem Zeugen ... und ihrem, der Klägerin, Geschäftsführer klargestellt worden, daß ihre „Bezugshinweise“ auf den gesamten Vertrag Anwendung finden sollten. Ziff. 4 der Bezugshinweise sei ausdrücklich erörtert worden und der Gerichtsstand in Deutschland sei ausdrücklich vereinbart worden. Die Richtigkeit dieser bestrittenen Behauptung steht jedoch nicht zur Überzeugung des Senats fest. Der Zeuge ... hat dazu in erster Instanz bekundet: Die „Bezugshinweise“ der Klägerin seien bei den maßgeblichen Besprechungen Ende 1977 vorgelegt worden. Sie seien allgemein durchgesprochen worden, wobei allerdings nicht besonders auf die Ziff. 4 hingewiesen worden sei. Er, der Zeuge, gehe davon aus, daß der Zeuge ... diese Bedingungen dem Geschäftsführer der Beklagten ins Französische, das er, der Zeuge ... , nicht beherrsche, übersetzt habe.
Hieraus kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit geschlossen werden, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin in den Vertrag einbezogen worden sind. Im Vordergrund der Erörterung standen, wie nahe liegend ist und der Zeuge ... auch ausgesagt hat, Fragen nach den Produkten, die jeweils für den Markt der anderen Seite in Frage kamen, ferner die Preise sowie die technischen Probleme der Zusammenarbeit. In welcher Form die Bezugshinweise angesprochen worden sind, ob sie verlesen worden oder inhaltlich bekannt gegeben worden sind, konnte der Zeuge nicht sagen. Auf Ziff. 4 der Bedingungen ist nach seiner Bekundung jedenfalls nicht hingewiesen worden. Bei dieser Sachlage könnte nur dann von einer hinreichend deutlichen Vereinbarung der Bezugshinweise der Klägerin gesprochen werden, wenn diese dem Geschäftsführer der Beklagten übersetzt worden wären. Das konnte der Zeuge mangels Kenntnis der französischen Sprache indessen nicht bestätigen. Der Zeuge ... hatte keinerlei Erinnerung mehr an den Inhalt der Vertragsverhandlungen, insbesondere daran, ob über Ziff. 4 der Bedingungen oder die Anwendung deutschen Rechts verhandelt worden ist.
bb) Auch eine hypothetische ergänzende Vertragsauslegung (§§ 157, 242 BGB) führt vorliegend nicht zu dem Ergebnis, daß der gesamte Vertrag dem deutschen Recht zu unterstellen ist. Nach der Eigenart des Vertrages ist ein besonderer Schwerpunkt, der auf die deutsche Rechtsordnung hinweist, nicht festzustellen. Es handelt sich um einen Vertrag, durch den sich die Parteien gegenseitig verpflichtet haben, ihr jeweiliges Fertigungsprogramm durch die andere Seite in deren Land vertreiben zu lassen. Wie der Geschäftsführer der Klägerin dazu im Senatstermin am 30. September 1986 erklärt hat, hielten sich die Lieferungen beider Seiten in etwa in gleichem Umfang, es gab kein Übergewicht der Lieferungen einer Seite. Sonstige Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, das Vertragsverhältnis der deutschen Rechtsordnung zu unterstellen, sind im übrigen nicht vorgetragen oder ersichtlich.
cc) Schließlich führt auch eine Aufspaltung des Vertrages und die Abhebung darauf, wo speziell die hier streitige Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe zu erfüllen wäre, nicht zur Anwendung deutschen Rechts. Bei der Frage nach dem Erfüllungsort einer Vertragsstrafe ist darauf abzustellen, wo die ursprünglich gebotene Leistung, hier die Einhaltung der Ausschließlichkeitsklausel, vertragscharakteristischerweise zu erfüllen gewesen wäre. Das ist bei Unterlassungspflichten der Ort, wo der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hatte (§ 269 BGB, vgl. BGH NJW 74, 410, 411), somit hier der Sitz der Beklagten und nicht der Sitz der Klägerin.