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Zusammenfassung der Entscheidung Der Gläubiger erstritt gegen die Schuldner in Frankreich ein vorläufig vollstreckbares Urteil, gegen das die Schuldner Berufung einlegten. Nach Erteilung der Vollstreckungsklausel in Deutschland erwirkte der Gläubiger einen Pfändungsbeschluss. Gegen den die Erteilung der Vollstreckungsklausel anordnenden Beschluss legten die Schuldner Beschwerde ein. Daraufhin machte das zuständige deutsche Gericht die Zwangsvollstreckung aus dem französischen Urteil bis zum Ablauf des Berufungsverfahrens von einer Sicherheitsleistung des Gläubigers abhängig und hob in einem weiteren Beschluss die Pfändung aus dem Pfändungsbeschluss auf. Dagegen wandte sich der Gläubiger mit der Rechtsbeschwerde.
Der Bundesgerichtshof (DE) ist der Auffassung, dass die Befugnis des Beschwerdegerichts nach Art. 38 Abs. 3 EuGVÜ die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen, nur in der Zukunft vorzunehmende Vollstreckungsmaßnahmen betrifft, nicht aber bereits geschehene. Das ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Für schon erfolgte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verbleibe es dabei, dass sie nur dann aufzuheben seien, wenn der Schuldner die in der Vollstreckungsklausel angeordnete Sicherheit seinerseits geleistet hat. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Das Beschwerdegericht könne nicht über seine Befugnis nach Art. 36 ff. EuGVÜ hinausgehend bereits getroffene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie die Pfändung, die nur der Sicherung des Anspruches diente, aufheben.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Gründe:
I. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerinnen am 4. September 1981 vor dem Handelsgericht Rennes/Frankreich ein Urteil erstritten, nach dem diese ihm als Gesamtschuldner 3.339.771 FF zuzüglich der gesetzlichen Zinsen ab 3. Juli 1974 sowie 250.000 FF samt Verfahrenskosten zu zahlen haben. Gegen dieses vorläufig vollstreckbare Urteil haben die Antragsgegner Berufung beim Oberlandesgericht Rennes eingelegt.
Mit Beschluß vom 22. Oktober 1982 – berichtigt durch Beschluß vom 6. Januar 1983 – hat der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade die Erteilung der Vollstreckungsklausel für das französische Urteil nach Art. 32 ff EGÜbk angeordnet. Diese ist am 29. Oktober 1982 vom Rechtspfleger auch erteilt worden mit der Maßgabe, daß die Zwangsvollstreckung über Maßregeln der Sicherung nicht hinausgehen dürfe, bis der Gläubiger ein Zeugnis vorlegt, daß die Zwangsvollstreckung unbeschränkt stattfinden darf und daß die Schuldner solange die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.649.878 FF abwenden können.
Der Antragsteller hat am 3. Dezember 1982 hierauf einen Pfändungsbeschluß beim Amtsgerichts Cuxhaven erwirkt, durch den die Ansprüche der Antragsgegnerin zu 1 auf Auszahlung von Guthaben beim Postscheckamt H sowie bei der D Bank, der W Bank und der V Bank in C gepfändet wurden.
Auf Beschwerde der Antragsgegnerinnen hat das Oberlandesgericht Celle am 12. Januar 1983 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Zwangsvollstreckung aus dem französischen Urteil bis zum Abschluß des in Frankreich schwebenden Berufungsverfahrens davon abhängig gemacht, daß der Antragsteller Sicherheit in Höhe von 2.500.000 DM leistet. Durch weiteren Beschluß vom 10. Februar 1983 hat das Beschwerdegericht die Pfändung aus dem Beschluß des Amtsgerichts Cuxhaven vom 3. Dezember 1982 aufgehoben mit der Begründung, die erste Entscheidung vom 12. Januar 1983 betreffe generell die Zwangsvollstreckung, auch soweit sie über Maßregeln der Sicherung nicht hinausgehe. Sie betreffe auch den ergangenen Pfändungsbeschluß vom 3. Dezember 1982, der deshalb aufzuheben gewesen sei, weil auch eine solche Zwangsvollstreckungsmaßnahme bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens in Frankreich davon abhängig sei, daß der Antragsteller Sicherheit leiste.
Der Antragsteller hat gegen die beiden Beschlüsse des Oberlandesgerichts am 18. Februar 1983 Rechtsbeschwerde eingelegt und außerdem gemäß § 25 Abs. 3 AG EGÜbk beantragt,
die vom Beschwerdegericht im Beschluß vom 12. Januar 1983 auch für die Maßnahmen der Sicherung getroffene Anordnung einer vom Antragsteller zu leistenden Sicherheit sowie die im Beschluß vom 10. Februar 1983 erfolgte Aufhebung des Pfändungsbeschlusses des Amtsgerichts Cuxhaven vom 3. Dezember 1982 aufzuheben,
hilfsweise:
sie vorläufig außer Kraft zu setzen.
Die Antragsgegner haben durch ihre Bevollmächtigten aus der Vorinstanz die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde und des Antrags nach § 25 Abs. 3 AG EGÜbk beantragt.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und formgerecht eingelegt (Art. 37 EGÜbk, §§ 17 ff AG EGÜbk). Auch der Antrag auf Erlaß einer Anordnung nach § 25 Abs. 3 AG EGÜbk ist zulässig, soweit er sich gegen eine Anordnung des Oberlandesgerichts nach § 25 Abs. 2 AG EGÜbk richtet; denn der Bundesgerichtshof kann solche Anordnungen aufheben (§ 25 Abs. 3 AG EGÜbk).
2. a) Nach Art. 38 EGÜbk kann das mit einer Beschwerde im Anerkennungsverfahren nach dem Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl 1972 II 774) befaßte Gericht, wenn ein im Ausland noch nicht rechtskräftiges Urteil im Inland zur Vollstreckung gebracht werden soll, seine Entscheidung im Vollstreckungsverfahren aussetzen, solange das ausländische Rechtsmittelverfahren noch anhängig ist (Art. 38 Abs. 1 EGÜbk), oder die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit durch den Antragsteller abhängig machen (Art. 38 Abs. 2 EGÜbk).
b) Das Beschwerdegericht ist hier den Weg nach Art. 38 Abs. 2 EGÜbk gegangen. Das besagt, daß der Antragsteller aus dem französischen Urteil vor dessen Rechtskraft nur gegen Leistung einer Sicherheit vollstrecken kann.
3. Weiter ist im Übereinkommen die Einschränkung vorgesehen daß bis zur Entscheidung über einen im Anerkennungsstaat eingelegten Rechtsbehelf die Zwangsvollstreckung nicht über Maßnahmen zur Sicherung hinausgehen darf. Mit der Entscheidung des Beschwerdegerichts über eine vom Schuldner eingelegte Beschwerde (Art. 36, 37, 39 EGÜbk, § 11 ff AG EGÜbk) ist diese Einschränkung allerdings beendet (§§ 16 Abs. 2, 25 Abs. 1 AG EGÜbk). Das Beschwerdegericht kann aber auf Antrag des Schuldners anordnen, daß bis zum Ablauf der Frist für die Rechtsbeschwerde (§ 18 AG EGÜbk) oder bis zur Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde weiterhin die Zwangsvollstreckung auf Maßregeln zur Sicherung des Anspruchs beschränkt bleibt oder nur gegen Sicherheitsleistung durch den Antragsteller hierüber hinausgehen darf. Diese Anordnung kann auch der Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht treffen, der auch solche Anordnungen des Beschwerdegerichts, die für die Dauer des Rechtsbeschwerdeverfahrens erlassen worden sind, aufheben kann (§ 25 Abs. 3 AG EGÜbk).
4. a) Soweit in der Rechtsbeschwerde des Antragstellers mit dem gleichzeitig gestellten Antrag nach § 25 Abs. 3 AG EGÜbk angestrebt wird, daß auch die für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Sicherung vom Beschwerdegericht angeordnete Sicherheit aufgehoben werden soll, ist der Antrag unzulässig. Eine solche Anordnung hat das Beschwerdegericht nach § 25 Abs. 2 AG EGÜbk nämlich nicht getroffen. Ob die Anordnung der Sicherheitsleistung durch den Antragsteller seitens des Beschwerdegerichts nach Art. 38 Abs. 2 EGÜbk zu Recht erfolgt ist, wird Gegenstand der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde sein. Über diese Anordnung kann nicht nach § 25 Abs. 3 AG EGÜbk entschieden werden, weil sich eine Entscheidung nach dieser Vorschrift nur gegen vom Oberlandesgericht nach § 25 Abs. 2 AG EGÜbk getroffene Maßnahmen richten kann.
b) Zu Recht aber wendet sich der Antragsteller dagegen, daß das Beschwerdegericht mit Beschluß vom 10. Februar 1983 die von ihm nach der Entscheidung des Landgerichts Stade zulässig getroffene Zwangsvollstreckungsmaßnahme zur Sicherung seines Anspruchs aufgehoben hat. Die Befugnis des Beschwerdegerichts nach Art. 38 Abs. 2 EGÜbk, die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen, betrifft nur in der Zukunft vorzunehmende Vollstreckungsmaßnahmen, nicht aber bereits geschehene; denn von der Aufhebung solcher schon getroffener Vollstreckungsmaßnahmen sagt Art. 38 Abs. 2 EGÜbk im Gegensatz etwa zu § 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO nichts. Für solche schon vorgenommene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verbleibt es vielmehr dabei, daß sie nur dann aufzuheben sind, wenn der Schuldner die in der Vollstreckungsklausel nach § 8 Abs. 1 AG EGÜbk angeordnete Sicherheit seinerseits geleistet hat (§ 23 Abs. 2 AG EGÜbk). Das hat das Beschwerdegericht übersehen, wenn es – darüber hinausgehend – offenbar nach § 25 Abs. 2 AG EGÜbk weitere Vollstreckungsschutzmaßnahmen angeordnet hat, die aber auch in § 25 Abs. 2 AG EGÜbk keine Grundlage finden können (vgl. hierzu auch OLG Hamm MDR 1978, 324). Sein Beschluß vom 10. Februar 1983 war daher aufzuheben; denn das Beschwerdegericht konnte auch nicht dadurch, daß es seine Entscheidung vom 12. Januar 1983 „generell“ verstanden wissen wollte, über seine Befugnis nach §§ 11 ff AG EGÜbk, Art. 36 ff EGÜbk hinausgehend bereits getroffene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die nur der Sicherung des Anspruchs dienten, aufheben.
Daß die Forderungspfändung zur Sicherung der Ansprüche des Antragstellers durch die Aufhebung in dem Beschluß vom 10. Februar 1983 weggefallen ist (BGHZ 66, 394, 395) und nicht wiederaufleben kann, hindert das Interesse des Antragstellers an der Beseitigung dieses Beschlusses nicht, weil weitere Pfändungsmaßnahmen bestehen können.