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Zusammenfassung der Entscheidung Der Gläubiger erstritt gegen die Schuldner in Frankreich ein vorläufig vollstreckbares Urteil, gegen das die Schuldner Berufung einlegten. Nach Erteilung der Vollstreckungsklausel in Deutschland erwirkte der Gläubiger einen Pfändungsbeschluss. Gegen den die Erteilung der Vollstreckungsklausel anordnenden Beschluss legten die Schuldner Beschwerde ein. Daraufhin machte das zuständige deutsche Gericht die Zwangsvollstreckung aus dem französischen Urteil bis zum Ablauf des Berufungsverfahrens von einer Sicherheitsleistung des Gläubigers abhängig. Gegen diese Entscheidung legte der Gläubiger Rechtsbeschwerde ein mit dem Antrag, den die Vollstreckung in Deutschland von einer Sicherheitsleistung abhängig machenden Beschluss insoweit aufzuheben, als er auch über Maßnahmen der Sicherung nicht hinausgehende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem vorläufig vollstreckbaren französischen Urteil von einer Sicherheitsleistung abhängig machte.
Der Bundesgerichtshof (DE) entscheidet, dass kein Fall des Art. 39 EuGVÜ vorliege. Die darin enthaltene Vollstreckungseinschränkung beziehe sich nur auf die Zeit bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf nach Art. 36 EuGVÜ im Anerkennungsstaat oder den Ablauf der Frist dafür. Hier war bereits endgültig über den Rechtsbehelf entschieden. Der Gläubiger sei also durch Art. 39 EuGVÜ nicht gehindert über Maßnahmen der Sicherung hinaus die Zwangsvollstreckung bis zur Befriedigung seiner Forderungen fortzuführen. Nur Art. 38 EuGVÜ gebe die Möglichkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung für den Fall, dass die zu vollstreckende Entscheidung im Urteilsstaat mit Rechtsmitteln angefochten ist. Von dieser Möglichkeit sei in der angegriffenen Entscheidung zu Recht Gebrauch gemacht worden. Darauf, dass der Gläubiger eine über Sicherungsmaßnahmen hinausgehende Vollstreckung nicht vornehmen wolle, komme es nicht an, denn er sei jederzeit berechtigt, die Vollstreckung bis zur vollen Befriedigung weiterzubetreiben.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Gründe:
Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegner am 4. September 1981 vor dem Handelsgericht Rennes/Frankreich ein Urteil erstritten, nach dem diese ihm als Gesamtschuldner 3.339.771 FF zuzüglich der gesetzlichen Zinsen ab 3. Juli 1974 sowie weitere 250.000 FF samt Verfahrenskosten zu zahlen haben. Gegen dieses vorläufig vollstreckbare Urteil haben die Antragsgegner Berufung beim Oberlandesgericht Rennes eingelegt.
Mit Beschluß vom 22. Oktober 1972 – im Rubrum berichtigt durch Beschluß vom 6. Januar 1983 – hat der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade die Erteilung der Vollstreckungsklausel für das französische Urteil nach Art. 32 ff EGÜbk angeordnet. Diese ist am 29. Oktober 1982 vom Rechtspfleger erteilt worden mit der Maßgabe, daß die Zwangsvollstreckung solange über Maßregeln der Sicherung nicht hinausgehen darf und die Schuldner die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.649.878 FF abwenden können, bis der Gläubiger ein Zeugnis vorlegt, daß die Zwangsvollstreckung unbeschränkt stattfinden darf.
Der Antragsteller hat am 3. Dezember 1982 hierauf einen Pfändungsbeschluß beim Amtsgericht Cuxhaven erwirkt, durch den die Ansprüche der Antragsgegnerin zu 1 auf Auszahlung von Guthaben beim Postscheckamt H sowie bei der D Bank, der W Bank und der V Bank in C gepfändet wurden.
Die Antragsgegner haben gegen den Beschluß des Landgerichts Stade vom 22. Oktober 1982 – gestützt auf Art. 36, 37 EGÜbk, § 11 ff AG EGÜbk – Beschwerde eingelegt und beantragt, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel im Hinblick auf die von ihnen zum Oberlandesgericht Rennes eingelegte Berufung auszusetzen, hilfsweise die Zwangsvollstreckung aus dem französischen Urteil von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 3,5 Millionen DM abhängig zu machen und ihnen zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch eigene Sicherheitsleistung abzuwenden.
Das Oberlandesgericht Celle hat am 12. Januar 1983 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Zwangsvollstreckung aus dem französischen Urteil bis zum Abschluß des in Frankreich schwebenden Berufungsverfahrens davon abhängig gemacht, daß der Antragsteller Sicherheit in Höhe von 2.500.000 DM leistet. Durch weiteren Beschluß vom 10. Februar 1983 hat das Beschwerdegericht die Pfändung aus dem Beschluß des Amtsgerichts Cuxhaven vom 3. Dezember 1982 aufgehoben. Den letztgenannten Beschluß hat der erkennende Senat am 25. Februar 1983 in einer Entscheidung gemäß § 25 Abs. 3 AG EGÜbk aufgehoben (= WM 1983, 420).
Der Antragsteller verfolgt mit seiner Rechtsbeschwerde den Antrag
1. den Beschluß vom 12. Januar 1983 insoweit aufzuheben, als er auch über Maßregeln der Sicherung nicht hinausgehende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Urteil der 4. Kammer des Handelsgerichts Rennes vom 4. September 1981 bis zum Abschluß des dagegen schwebenden Berufungsverfahrens von einer Sicherheitsleistung des Antragstellers in Höhe von 2.500.000 DM abhängig macht;
2. den Beschluß vom 10. Februar 1983 vollen Umfanges aufzuheben.
Die Antragsgegner haben durch ihre Bevollmächtigten aus der Vorinstanz die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt. Da im Rechtsbeschwerdeverfahren Anwaltszwang herrscht und durch § 20 Abs. 3 AG EGÜbk nur § 573 Abs. 1 ZPO für anwendbar erklärt wird, ist zu folgern, daß hier eine Stellungnahme durch bei der Vorinstanz zugelassene Anwälte (§ 573 Abs. 2 ZPO) im Hinblick auf § 78 ZPO nicht wirksam abgegeben werden kann.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt (Art. 37 EGÜbk, §§ 17 ff AG EGÜbk). Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde kann ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 20 Abs. 3 AG EGÜbk, § 573 Abs. 1 ZPO).
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.
2. Nach Art. 39 EGÜbk darf die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners so lange nicht über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen, als über einen Rechtsbehelf des Schuldners im Anerkennungsstaat gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung noch nicht entschieden ist oder die Frist für einen solchen Rechtsbehelf nach Art. 36 EGÜbk noch läuft. Rechtsbehelf im Sinne von Art. 39, 36 ff EGÜbk ist in der Bundesrepublik die beim Oberlandesgericht einzulegende Beschwerde nach §§ 11 ff AG EGÜbk. Nach der die Beschwerde des Schuldners zurückweisenden Entscheidung des Oberlandesgerichts kann die Zwangsvollstreckung über Maßregeln zur Sicherung hinaus fortgesetzt werden (§ 25 Abs. 1 AG EGÜbk), wenn nicht das Oberlandesgericht (§ 25 Abs. 2 AG EGÜbk) oder der Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht (§ 25 Abs. 3 AG EGÜbk) auf Antrag des Schuldners eine entsprechende einstweilige Anordnung erlassen, daß bis zur Entscheidung über eine eingelegte Rechtsbeschwerde oder bis zum Ablauf der Frist für die Rechtsbeschwerde weiterhin die Zwangsvollstreckung nicht oder nur gegen Sicherheitsleistung über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen darf (§ 25 Abs. 2 AG EGÜbk). Mit der abschließenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Rechtsbeschwerdeverfahren entfällt diese Einschränkung in jedem Falle (vgl. § 20 Abs. 4 Satz 2 AG EGÜbk). Die zugelassene Zwangsvollstreckung ist dann ohne Beschränkung auf Maßregeln zur Sicherung des Anspruchs zulässig. Sie darf unbeschränkt stattfinden (§§ 26 f AG EGÜbk).
3. a) Nach Art. 38 EGÜbk kann das mit einer Beschwerde im Anerkennungsverfahren nach dem Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl 1972 II 774) befaßte Gericht, wenn ein im Ausland noch nicht rechtskräftiges Urteil im Inland zur Vollstreckung gebracht werden soll, seine Entscheidung im Vollstreckungsverfahren aussetzen, solange das ausländische Rechtsmittelverfahren noch anhängig ist (Art. 38 Abs. 1 EGÜbk) mit der Folge, daß die Einschränkung der Vollstreckungsmöglichkeit nach Art. 39 Abs. 1 EGÜbk (vgl. auch § 8 Abs. 1 AG EGÜbk) fortbesteht, oder es kann die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit durch den Antragsteller abhängig machen (Art. 38 Abs. 2 EGÜbk).
b) Das Beschwerdegericht ist in der angefochtenen Entscheidung hier den Weg nach Art. 38 Abs. 2 EGÜbk gegangen. Das besagt, daß der Antragsteller aus dem französischen Urteil vor dessen Rechtskraft nur gegen Leistung einer Sicherheit weiter vollstrecken kann.
III. Der Antragsteller wendet sich dagegen, daß das Beschwerdegericht die Zwangsvollstreckung bis zum Abschluß des in Frankreich anhängigen Berufungsverfahrens von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 2,5 Mio DM abhängig gemacht hat. Er meint, nach Art. 39 Abs. 1 EGÜbk dürfe die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners ohnedies nicht über Maßregeln zur Sicherung des Anspruchs hinausgehen, solange über die in Frankreich von den Antragsgegnern eingelegte Berufung nicht entschieden sei. Er habe seine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auch nur auf solche Sicherungsmaßnahmen beschränkt, indem er nur Pfändungen und nicht Überweisungen der gepfändeten Forderungen beantragt und erhalten habe. Die Sicherheitsanordnung habe nur den Sinn, den Schuldner davor zu bewahren, daß das aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren ausländischen Titels Beigetriebene im Falle einer späteren Aufhebung des Titels vom Gläubiger nicht wieder zurückerlangt werden könne.
Die Höhe der angeordneten Sicherheit sei unangemessen. Sie sei offenbar an der Höhe der französischen Urteilssumme orientiert. Weil er sich aber bei seiner Vollstreckung auf Maßnahmen der Sicherung beschränke, könne die Sicherheitsleistung hier nur an dem möglichen Schaden orientiert werden, der den Antragsgegnern aufgrund der Sicherungsmaßregeln erwachsen könne. Dafür, daß dieser Schaden eine Millionenhöhe erreichen könne, hätten die Antragsgegner nichts vorgetragen. Vorsorglich beantragt der Antragsteller, eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg zur Auslegung des Übereinkommens herbeizuführen.
IV. 1. a) Die Rechtsmeinung des Antragstellers, daß bis zur Entscheidung über das in Frankreich anhängige Berufungsverfahren seine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gemäß Art. 39 EGÜbk nicht über solche zur Sicherung des Anspruchs hinausgehen dürften, trifft nicht zu. Der klare Wortlaut des Art. 39 EGÜbk bezieht die in dieser Norm enthaltene Vollstreckungseinschränkung nur auf die Zeit bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf nach Art. 36 EGÜbk im Anerkennungsstaat oder den Ablauf der Frist hierfür. Der in Art. 39 EGÜbk bezeichnete Zeitpunkt für das Ende der Beschränkung der Vollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen ist hier eingetreten, nachdem über den Rechtsbehelf der Antragsgegner vom Oberlandesgericht entschieden und hiergegen von ihnen kein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 3 des Protokolls vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens (BGBl 1972 II 846) bedarf es bei dem klaren Wortlaut des Übereinkommens, das eine Auslegung insoweit nicht zuläßt, nicht. Von der Gesetzeslage nach dem Übereinkommen wie nach dem deutschen Ausführungsgesetz hierzu (§§ 25 ff AG EGÜbk) ist der Antragsteller demnach nicht gehindert, aufgrund seines nur vorläufig vollstreckbaren ausländischen Titels die Zwangsvollstreckung bis zur Befriedigung seiner Forderungen fortzuführen. Lediglich Art. 38 EGÜbk gibt den Gerichten des Vollstreckungsstaates die Möglichkeit, eine Sicherheitsleistung durch den Gläubiger für die Weiterführung der Vollstreckung anzuordnen, weil die Entscheidung im Urteilsstaat noch mit einem Rechtsmittel angegriffen ist. Von dieser Möglichkeit hat das Beschwerdegericht in seiner angefochtenen Entscheidung vom 12. Januar 1983 in dem Gesetz entsprechender Weise Gebrauch gemacht. Damit erweist sich aber – im Gegensatz zur Auffassung der Rechtsbeschwerde – wegen der Ungewissheit über den Ausgang des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Rennes die nach Art. 38 Abs. 2 EGÜbk angeordnete Sicherheitsleistung als durchaus sinnvoll.
b) Es mag sein, daß der Antragsteller eine weitere, über Sicherungsmaßnahmen hinausgehende Vollstreckung nicht vornehmen will. Darauf kommt es aber nicht an, weil er jederzeit nach Abschluß des Anerkennungsverfahrens berechtigt ist, die Zwangsvollstreckung bis zur vollen Befriedigung weiterzubetreiben.
2. Die Anordnung der Sicherheitsleistung durch das Beschwerdegericht gemäß Art. 38 Abs. 2 EGÜbk läßt auch der Höhe nach keinen Ermessensfehler erkennen. Die Sicherheit soll, das verkennt auch der Antragsteller nicht, den Antragsgegnern Deckung für ihren Schaden (§ 29 ff AG EGÜbk) gewähren, falls Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die, wie dargelegt, nach Abschluß des Anerkennungsverfahrens bis zur Befriedigung nach der Gesetzeslage jederzeit zulässig sind, später infolge Aufhebung des Titels im Urteilsstaat wieder zu beseitigen oder im Wege des Schadensersatzes auszugleichen sind. Daß die angeordnete Sicherheitsleistung der französischen Urteilssumme in etwa entspricht, hat auch der Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Bis zu diesem Betrag aber mußten die Antragsgegner gegen eine mögliche Vollstreckung gesichert werden.
3. Der weitere Antrag in der Rechtsbeschwerde, den Beschluß des Beschwerdegerichts vom 10. Februar 1983 aufzuheben, hat seine Erledigung in der Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. Februar 1983 gefunden, die gemäß § 25 Abs. 3 AG EGÜbk ergangen ist. Der Antrag ist daher gegenstandslos.
V. Die Rechtsbeschwerde blieb in der Hauptsache erfolglos; soweit am 25. Februar 1983 eine Zwischenentscheidung nach § 25 Abs. 3 AG EGÜbk ergangen ist, hatte sie Erfolg.