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Zusammenfassung der Entscheidung Die Beteiligten streiten über die Vollstreckbarerklärung eines Urteils eines Gerichts in Pisa (IT) in der BRD. Die Antragsgegnerin hat sich nicht auf das Verfahren vor dem Gericht in Pisa (IT) eingelassen, so dass sie im Wege des Versäumnisurteils verurteilt wurde. Entsprechend dem Ersuchen des Gerichts in Pisa (IT) erfolgte die Zustellung der das Verfahren einleitenden Klageschrift und der Terminsladung zum 15.12.1997 durch das Thüringer Verwaltungsamt (DE). Der Kläger beantragte die Erteilung der Vollstreckungsklausel für die BRD. Der Vorsitzende der Zivilkammer des LG Meiningen (DE) hat angeordnet, das Urteil in der BRD für vollstreckbar zu erklären. Dagegen hat sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde gewandt.
Das OLG Thüringen (DE) entscheidet, dass das Urteil nicht für vollstreckbar zu erklären sei. Dem stehe die Regelung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ entgegen. Danach sei der Antrag abzulehnen, wenn dem Beklagten das das Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht rechtzeitig zugestellt worden sei. Beide Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen. Hier fehle es jedoch an einer ordnungsgemäßen Zustellung, denn die Voraussetzungen des zwischen der Republik Italien und der BRD geltenden Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 seien nicht beachtet. Dieses setze die Zustellung über eine zentrale Behörde im Vollstreckungsstaat voraus, welche im vorliegenden Fall das Justizministerium des Freistaates Thüringen sei. Das Thüringer Verwaltungsamt dagegen war nicht zuständig, eine wirksame Zustellung scheide somit aus.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Beschluss in dem Verfahren
Betreffend die Vollstreckbarkeitserklärung des Urteils des Landgerichts Pisa (Republik Italien) Nr. 29/2000 vom 10.01.2000
An dem beteiligt sind:
1. .... Fahrwerkzeug GmbH, gesetzlich vertreten durch die Geschäftsführer
– Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin-
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte G..., Gr... & S...,..., 80331 München
2. M... S. p.A.
– Antragstellerin und Beschwerdegegnerin-
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte D..., G... & H...,... 81479 München
Hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, die Richterin am Amtsgericht Dr. Mittenberger- Huber und den Richter am Oberlandesgericht Bettin auf die befristete Beschwere der Antragsgegnerin vom 02.03.2001 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 09.01.2001 am 02.05.2001 beschlossen:
1. Der Beschluss des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 09.02.2001 wird abgeändert.
Der Antrag der Antragstellerin, das im Betreff bezeichnete Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten beider Instanzen hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 25.000 DM festgesetzt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Vollstreckbarkeitserklärung des im Betreff bezeichneten Urteils des Landgerichts Pisa in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Antragsgegnerin hat sich nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten auf das Erkenntnisverfahren vor dem Landgericht Pisa nicht eingelassen, so dass es sich bei dessen Urteil um ein Versäumnisurteil handelt. Entsprechend dem Ersuchen des Landgerichts Pisa erfolgte die Zustellung der das Verfahren einleitenden Klageschrift und der Terminsladung zum 15.12.1997 durch das Thüringer Landesverwaltungsamt. Die entsprechenden Unterlagen wurden ausweislich der Postzustellungsurkunde am 30.06.1997 an die Bedienstete Christel E. ausgehändigt; als Empfänger ist in der Postzustellungsurkunde die .... Fahrzeugwerk GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer bezeichnet.
Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen hat mit Beschluss vom 09.01.2001 angeordnet, das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen und darüber hinaus Feststellungen zur Höhe der Verurteilung getroffen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Beschwerde erhoben und beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen. Sie meint, die Klageschrift und die Terminladung seien der Antragsgegnerin nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, weil die Zustellung offensichtlich an die im selben Anwesen geschäftsansässige ... Zweirad GmbH erfolgt sei.
Die Antragstellerin ist dem entgegengetreten und hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Auf den entsprechenden Hinweis des Senats, die Zustellung sei nicht durch die zuständige deutsche Behörde erfolgt, hat sie die Rechtsauffassung vertreten, etwaige Zustellungsmängel seien nach dem maßgeblichen italienischen Prozessrecht geheilt.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten in den Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die beiderseitigen Schriftsätze.
II. Das Beschwerdeverfahren ist verfahrensrechtlich nach den Bestimmungen der Art. 36, 37 EuGVÜ in Verbindung mit §§ 11 ff des am 01.03.2001 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (BGBl. I, 2001, S. 288) – im Folgenden AVAG – zu behandeln. Die danach an sich statthafte und auch sonst zulässige befristete Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg. Der Anordnung des Landgerichts, das Urteil des Landgerichts Pisa mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, steht die nicht ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift und der Terminsladung entgegen (Art. 34 S. 2, 27 Nr. 2 EuGVÜ).
1. Nach den Art. 34 S. 2, 27 Nr. 2 EuGVÜ ist der Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Urteils unter anderem dann abzulehnen, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstücke nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Für die Anerkennung bzw. Vollstreckbarkeitserklärung müssen beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen; das das Verfahren einleitende Schriftstück muss mithin sowohl ordnungsgemäß als auch rechtzeitig zugestellt sein (vgl. BGHZ 120, 305, 310 mwN). Ob und gegebenenfalls wann im vorliegenden Fall der Antragsgegnerin die Klageschrift zugegangen ist, kann offen bleiben, weil es jedenfalls an einer ordnungsgemäßen Zustellung fehlt.
2. Die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke richtet sich im Verhältnis zwischen der Republik Italien und der Bundesrepublik Deutschland nach dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 (Gesetz vom 22.12.1977, BGBl. II, 1452 sowie das in der Bundesrepublik erlassene Ausführungsgesetz, BGBl. I, 1977, S. 3105). Die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rats vom 29.05.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedsstaaten (ABl. EG Nr. L 160 vom 30.06.2000, S. 37) tritt nach ihrem Art. 25 erst am 31.05.2001 in Kraft.
Nach Art. 5. des Haager Zustellungsübereinkommens ist die Zustellung des betreffenden Schriftstücks durch eine zentrale Behörde des ersuchten Staates zu bewirken oder zu veranlassen; diese zentrale Behörde hat jeder Vertragsstaat gem. Art. 2 Abs. 1 des Haager Zustellungsübereinkommens zu benennen. Nach der Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Haager Zustellungsübereinkommens vom 17.07.1995 (BGBl. II, S. 755) ist zentrale Behörde in diesem Sinne im Freistaat Thüringen das Thüringer Justizministerium. Demgegenüber hat im vorliegenden Fall das Landgericht Pisa das Zustellungsersuchen über die dortige zentrale Behörde offenbar irrtümlich nicht an das Thüringer Justizministerium, sondern vielmehr an das Thüringer Landesverwaltungsamt gerichtet, das die Zustellung mithin als unzuständige Behörde veranlasst hat. Eine ordnungsgemäße Zustellung nach dem Haager Zustellungsübereinkommen ist daher nicht erfolgt ist.
Dieser Zustellungsmangel wäre entgegen der Auffassung der Antragstellerin selbst dann nicht geheilt, wenn die Klageschrift nebst Terminsladung der Antragsgegnerin tatsächlich rechtzeitig zugegangen wäre. Die Zustellung der Klage ist Teil des Verfahrens des ausländischen Gerichts, so dass sich die Frage der Ordnungsmäßigkeit und der möglichen Heilung von Zustellungsmängeln nach dessen Verfahrensrecht einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge richtet (vgl. EuGH IPrax 1991, 177; BGH NJW 1991, 641; BGHZ 120, aaO). Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien gilt wie ausgeführt das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965. Nach den Regelungen dieses völkerrechtlichen Abkommens scheidet eine Heilung des hier vorliegenden Zustellungsmangels nach innerstaatlichem italienischen Recht aus, weil eine solche Möglichkeit in dem Abkommen nicht vorgesehen ist; es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, dass die Frage der Heilung von Zustellungsmängeln im Geltungsbereich des Haager Zustellungsübereinkommens ausschließlich nach dessen Vorschriften und unabhängig von innerstaatlichem Recht zu beantworten ist (vgl. BGH NJW 1991, aaO; BGHZ 120, aaO, 313 mwN; siehe auch Rauscher IPrax 1992, 71, 72). Das Haager Zustellungsübereinkommen sieht indessen eine Heilung von Zustellungsmängeln nicht vor (vgl. BGHZ 120, aaO mwN). Einer Heilung durch tatsächlichen Zugang des betreffenden Schriftstücks steht im Geltungsbereich des Haager Zustellungsübereinkommens schließlich entgegen, dass die Bundesrepublik der an sich in Art. 10 des Haager Zustellungsübereinkommens vorgesehenen Möglichkeit der Übersendung gerichtlicher Schriftstücke an im Ausland befindliche Personen unmittelbar durch die Post völkerrechtlich wirksam widersprochen hat (vgl. BGH NJW 1991, aaO).
III. Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO; den Beschwerdewert hat der Senat nach den §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.