Das vorliegende Verfahren betrifft Trennungsunterhalt.
Die im Oktober 1982 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Urteil vom 15.03.1993 des Tribunal de Grande Instance, Straßburg/Frankreich (im folgenden: TGI) geschieden. Ob das Urteil rechtskräftig ist, ist nicht festgestellt. Gleichzeitig wurde der Beklagte zur Zahlung eines Unterhalts von monatlich 3.000,‑ Frs verurteilt. Beide Parteien besitzen die französische Staatsangehörigkeit. In dem von der Klägerin in Frankreich anhängig gemachten Scheidungsverfahren erging am 20.06.1991 durch das TGI eine Entscheidung, in der u.a. Unterhalt von monatlich 1.600,‑ DM für die Klägerin und ein solcher von 800,‑ DM für das gemeinsame, am 05.03.1984 geborene Kind ... festgesetzt wurde.
Mit Schriftsatz vom 28.10.1991 beantragte die Klägerin beim Landgericht Baden-Baden (3 O 280/91) diese Entscheidung für vollstreckbar zu erklären. Nach schriftlichem Hinweis des Gerichts vom 18.11.1991 (3 O 280/91, AS 35, 37) wonach der Titel den Vollstreckungsorganen des Zweitstaates eine Vollstreckung nicht ermögliche, da die Entscheidung nur eine feststellende, nicht aber eine „leistungsanweisende“ Wirkung habe, nahm sie den Antrag zurück.
Mit der vorliegenden – am 20.08.1992 – eingereichten Klage begehrt die Klägerin (nach Klagerweiterung) Trennungsunterhalt von monatlich 2.000,‑ DM ab 01.09.1992 sowie rückständigen Unterhalt von 26.000,‑ DM nebst gestaffelten Zinsen in Höhe von 4 %.
Der Beklagte hat um Klagabweisung gebeten.
Durch Urteil vom 07.05.1993 hat das Familiengericht den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt in Höhe von monatlich 2.000,‑ DM ab 01.04.1992 (richtig: 01.04.1993) sowie eines Rückstandes von 21.700,‑ DM nebst 4 % Zinsen ab gestaffelten Einsatzzeitpunkten verurteilt. Die Entscheidung vom 20.06.1991 des französischen Gerichts hindere das vorliegende Verfahren nicht, da sie nur eine vorläufige Maßnahme treffe. Es könne damit dahinstehen, ob die vorläufige französische Entscheidung in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt werden könne. Auf den Unterhaltsanspruch hat es deutsches Recht angewendet und einen solchen gem. § 1361 Abs. 1 BGB bejaht. Der Höhe nach hat es ihn mit einer Quote von 3/7 der beiderseitigen Nettoeinkommen bemessen. Auf die Entscheidungsgründe wird im übrigen Bezug genommen.
Gegen das Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt.
Er macht geltend, die Entscheidung vom 20.06.1991 des TGI über die Nichtversöhnung der Ehegatten (ordonnance de non conciliation contradictoire) sei nach französischem Recht die einzige Möglichkeit, über Trennungsunterhalt zu entscheiden. Dieser Entscheidung komme vollstreckbare Wirkung zu. Soweit das Landgericht Baden-Baden in seinem Hinweis an die Klägerin diese Auffassung nicht geteilt habe, beruhe dies auf einem Fehler der dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung beigefügten Übersetzung. „Au besoin l’y condamne“ heiße nicht „wozu der Antragsgegner bei Nichterfüllung auch verurteilt werden kann“, sondern „erforderlichenfalls wird er hiermit dazu verurteilt“. Sie stelle die im französischen Recht übliche Formulierung zur sofortigen Verurteilung zur Zahlung dar.
Er beantragt, das Urteil des Familiengerichts vom 07.05.1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, die Entscheidung vom 20.06.1991 des TGI habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Selbst wenn die Übersetzung fehlerhaft sein sollte, fehlten jedenfalls die Zeitpunkte, ab denen Unterhalt zu zahlen sei und eine Zahlungsaufforderung an den Unterhaltsschuldner. Im übrigen sei die Regelung über die Anpassung des Unterhalts nicht genügend konkretisiert.
Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob die Entscheidung vom 20.06.1991 des TGI eine nur einer einstweiligen Anordnung gem. § 620 ZPO oder einer einstweiligen Verfügung gem. § 935 ZPO nach deutschem Recht vergleichbare vorläufige Unterhaltsregelung oder eine vollstreckbare endgültige Unterhaltsregelung für die Dauer des Getrenntlebens darstelle, ein Sachverständigengutachten eingeholt (vgl. schriftliches Gutachten vom 08.02.1994 des Prof. Dr. S., II 119 ff.).
Die Akten des Landgerichts Baden-Baden, Az. 3 O 280/91, waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung des Beklagten ist auch in der Sache gerechtfertigt.
Sie führt zur Abweisung der Klage auf Trennungsunterhalt; denn eine Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für eine Klage der Frau auf Trennungsunterhalt ist nicht gegeben; die Klage ist deshalb nicht zulässig (Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ).
Der Klage steht die Rechtskraft der Regelung über den Ehegattenunterhalt in der Entscheidung vom 20.06.1991 des TGI entgegen. Im Verhältnis zu Frankreich findet das EuGVÜ (Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 idF des ersten Beitrittsübereinkommens vom 09.10.1978) Anwendung (vgl. MünchKomm, Gottwald, ZPO, Rn. 104 zu § 328). Innerhalb seines Anwendungsbereichs geht das EuGVÜ, insbesondere die Regelungen Art. 26 bis 30 der Vorschrift des § 328 ZPO vor (Pirrung, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, S. 210). Das EuGVÜ gilt für alle Entscheidungen, die in einem der Vertragsstaaten ergangen sind, gem. Art. 25 ohne Rücksicht auf die Bezeichnung wie Urteil, Beschluß oder Vollstreckungsbefehl (vgl. Henrich, Internationales Familienrecht, S. 162). Das EuGVÜ erfaßt Unterhaltsrechtsstreitigkeiten (vgl. Art. 5 Nr. 2; MünchKomm/Gottwald, aaO, Rn. 17 zu Art. 5; Schwab/Maurer, Scheidungsrecht, 2. Aufl., Teil I, Rn. 1155).
Gem. Art. 26 EuGVÜ werden die in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Vertragsstaaten anerkannt, ohne daß es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Entscheidungen werden automatisch anerkannt, sie entfalten gegenüber jedem Beteiligten rechtliche Wirkung, ohne, daß sie zuvor etwa registriert oder in einem sonstigen besonderen Verfahren im Inland akzeptiert werden müßten (vgl. MünchKomm/Gottwald, aaO, Rn. 1 zu Art. 26 mwN). Lediglich die Vollstreckbarkeit muß im Verfahren nach den Art. 31 ff. neu verliehen werden. Besteht diese Möglichkeit, so ist eine neue Leistungsklage im Inland unzulässig (vgl. EuGH, NJW 1977, 495 nur LS mit Anmerkung von Geimer, aaO, 2023). Gründe, unter denen gem. Art. 27, 28 EuGVÜ die Anerkennung ausnahmsweise versagt werden kann, sind für die Entscheidung vom 20.06.1991 des französischen Gerichts nicht ersichtlich.
Soweit der BGH auch für neue Klagen im Inland mit demselben Streitgegenstand die Zulässigkeit bejaht hat, steht dies der vom Senat für den vorliegenden Fall vertretenen Auffassung nicht entgegen; denn – soweit ersichtlich – betrafen die Entscheidungen des BGH jeweils Fallgestaltungen, auf die das EuGVÜ keine Anwendung fand (vgl. BGH, FamRZ 1977, 498, 499; NJW 1964, 1626; 1977, 498; 1986, 2193; 1987, 1146).
Gem. Art. 26 Abs. 3 EuGVÜ kann das befaßte Gericht, wenn sich eine Partei auf eine ausländische Entscheidung beruft, inzident über die Anerkennung entscheiden, solange – wie hier – noch keine förmliche unanfechtbare Entscheidung hierüber vorliegt (vgl. MünchKomm/Gottwald, Rn. 17 zu Art. 26).
Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ steht einer Anerkennung nicht entgegen, da das mit ihr unvereinbare, hier angefochtene Urteil vom 07.05.1993 des Familiengerichts nicht rechtskräftig ist (vgl. MünchKomm/Gottwald, aaO, Rn. 26 zu Art. 27).
Die vorliegende Klage ist auf das gleiche Ziel gerichtet, wie die anzuerkennende Entscheidung vom 20.06.1991 des TGI. Diese Regelung hat insbesondere nicht den vorläufigen, summarischen Charakter einstweiliger Anordnungen gem. §§ 620 ff. ZPO oder Verfügungen gem. §§ 935 ff. ZPO (vgl. unten), wo ein Rechtsschutzinteresse für eine selbständige Unterhaltsklage fortbesteht. Über den objektiven und subjektiven Umfang der Rechtskraft entscheidet das Recht des Urteilsstaates (hier das französische Recht), nicht das Recht des Anerkennungsstaates (vgl. MünchKomm/Gottwald, aaO, Rn. 125 zu § 328 mwN).
Die Regelung des Trennungsunterhalts in der „ordonnance de non conciliation contradictoire“ (im folgenden: o.d.n.c.c.) ist mit den einstweiligen Anordnungen oder Verfügungen nach deutschem Zivilprozeßrecht nicht vergleichbar; sie stellt vielmehr nach Beginn des Scheidungsverfahrens für den bedürftigen Ehegatten die einzige Möglichkeit dar, einen Titel über Trennungsunterhalt zu erlangen. Ein deutsches Urteil über Trennungsunterhalt würde demgegenüber keine weitreichendere Wirkung entfalten.
Der Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, daß der Zweck der in der o.d.n.c.c. getroffenen vorläufigen Maßnahmen bereits über den bloßer Eilmaßnahmen, wie sie etwa in Art. 257 Code Civil (im folgenden: CC) vorgesehen sind, hinaus geht und die Beziehungen der Ehegatten für die ganze Dauer des Scheidungsverfahrens regelt, wobei sie – vorbehaltlich einer Aufhebung im Rechtsmittelverfahren – grundsätzlich bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils wirksam bleiben (Art. 254 CC letzter HS). Sie sind anders als die einstweiligen Anordnungen gem. § 620 Nr. 6 ZPO durch Rechtsmittel anfechtbar. Die Bestimmungen für die Abänderbarkeit der getroffenen Regelung ähneln den Voraussetzungen des § 323 ZPO (II 151). Bei Anhängigkeit von Scheidungsverfahren liegt die ausschließliche Zuständigkeit für Entscheidungen über den Trennungsunterhalt beim TGI. Sie stellen daher nach den französischen Gesetzen die einzige Möglichkeit dar, während des Scheidungsverfahrens eine gerichtliche Regelung über den Unterhalt zu erlangen. Daneben ist ein selbständiges Hauptsacheverfahren betreffend den Unterhalt nicht vorgesehen. Die Bezeichnung der Regelung als „provisoire“ ist mit dem Begriff „einstweilig“ im deutschen Zivilprozeßrecht im rechtstechnischen Sinne nicht vergleichbar; der Begriff erklärt sich vielmehr aus der Abhängigkeit vom Weiterbetreiben des streitigen Scheidungsverfahrens und der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs. Letztere Voraussetzung ist auch für den Anspruch auf Trennungsunterhalt nach deutschem Recht gegeben. Das in Frankreich anhängig gemachte Scheidungsverfahren ist von den Parteien unstreitig fortgesetzt worden und endete durch das Scheidungsurteil des TGI vom 15.03.1993.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Unterhaltsklage ist auch nicht deshalb gegeben, weil der Entscheidung des französischen Gerichts die Vollstreckbarkeit fehlen würde. Ob ggf. nach einer rechtskräftigen Ablehnung der Vollstreckbarerklärung einer erneuten Leistungsklage im Inland das Rechtsschutzbedürfnis nicht mangelt, kann hier dahinstehen; denn eine Entscheidung zur Vollstreckbarerklärung ist, nachdem die Klägerin ihren Antrag beim Landgericht Baden-Baden auf den Hinweis des Gerichts zurückgenommen hat, nicht ergangen.
Nach französischem Recht ist die Entscheidung, wie sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ergibt (II 247 unter Nr. 4), kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar. Damit die Entscheidung im Inland in vollem Umfang vollstreckbar ist, hat der deutsche Richter, der mit der Vollstreckbarerklärung befaßt ist, den nach dem maßgeblichen ausländischen Recht ausreichend bestimmten Titel bei der Klauselerteilung ergänzend auszulegen und formal an die deutsche Übung anzupassen (vgl. MünchKomm/Gottwald, aaO, Rn. 7 zu Art. 31 mwN). Ob dabei der Beginn der Zahlungspflicht ab dem Entscheidungszeitpunkt oder ab Zustellung der Entscheidung eintritt – dies ist ggfs. nach französischem Recht zu beurteilen – kann hier offen bleiben. Da die Entscheidung zumindest eine hinreichend bestimmte Verurteilung zu einem monatlichen Unterhalt von 1.600,‑ DM an die Klägerin enthält (II 33) konnte sie zumindest insoweit für vollstreckbar erklärt werden; denn die Klausel kann gem. Art. 42 EuGVÜ auch für bestimmbare Teile des Titels erteilt werden (vgl. OLG Saarbrücken, NJW 1988, 3100; MünchKomm/Gottwald, aaO, Rn. 8 zu Art. 31). Die Entscheidung vom 20.06.1991 spricht auch, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, eine Verurteilung aus. In der von der Klägerin vorgelegten Übersetzung (vgl. II 33 bis 41) ist die Formel „au besoin l’y condamne“ falsch übersetzt (II 131).