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Zusammenfassung der Entscheidung Ein niederländisches Gericht verurteilte den Schuldner zur Zahlung einer Geldsumme „zuzüglich der gesetzlichen Zinsen ab 16. Juli 1986 bis zum Tage der Erfüllung“ an den Gläubiger. Auf Antrag wurde das Urteil in Deutschland für vollstreckbar erklärt. Dagegen wandte sich der Schuldner mit Beschwerde und Rechtsbeschwerde.
Der Bundesgerichtshof (DE) führt aus, dass die Vollstreckbarerklärung des niederländischen Urteils hinsichtlich der „gesetzlichen Zinsen“ fehlerhaft war. Ein nicht hinreichend konkretisierter Titel wie dieser dürfe nicht für vollstreckbar erklärt werden. Der um die Vollstreckbarerklärung ersuchte Richter müsse in einem solchen Fall gegenüber dem Gläubiger auf einen Antrag hinwirken, der den deutschen Bestimmtheitsanforderungen genüge.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Gründe
I. Der Schuldner führte für den Gläubiger Warentermingeschäfte aus. Dieser beansprucht Schadensersatz wegen angeblicher Schlechterfüllung. Das Landgericht Amsterdam verurteilte den Schuldner durch Urteil vom 1. März 1989, an den Gläubiger 61.576,74 US-Dollar „zuzüglich der gesetzlichen Zinsen ab 16. Juli 1986 bis zum Tage der Erfüllung“ zu zahlen. Dagegen hat der Schuldner Berufung eingelegt.
Das Urteil wurde dem Schuldner durch Vermittlung des zuständigen Amtsgerichts am 5. Juli 1989 persönlich zugestellt. Der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts hat das niederländische Urteil „für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt“. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Schuldners mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Vollstreckung bis zur Entscheidung über die Berufung des Schuldners von einer Sicherheitsleistung abhängig ist. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Schuldners.
II. Das Rechtsmittel hat nur wegen des Zinsausspruchs Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde rügt, der Gläubiger habe nicht eine Entscheidung gemäß Art. 31 EuGVÜ beantragt, sondern nur, das Urteil des Landgerichts Amsterdam „für vorläufig vollstreckbar zu erklären“.
Das Berufungsgericht hat jedoch ohne Rechtsfehler den Antrag des Gläubigers dahin ausgelegt, daß er die Vollstreckbarerklärung in der durch Art. 31 EuGVÜ bestimmten Form begehrt. Auch bei der Auslegung prozessualer Willenserklärungen ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (vgl. § 133 BGB). In der Antragsschrift des Gläubigers vom 2. August 1989 (Bl. 1 GA) ist das Rechtsschutzziel dahin festgelegt, das Urteil „für vollstreckbar zu erklären“. Das entsprach sinngemäß dem in Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ vorausgesetzten Antrag; eine nur „vorläufige“ Vollstreckbarkeit ist in dem Schriftsatz – entgegen der Rechtsbeschwerde – nicht genannt. Der Gläubiger wollte erklärtermaßen aus dem niederländischen Urteil in Deutschland vollstrecken (letzter Absatz der Antragsschrift). Dazu wollte er die nötigen Voraussetzungen schaffen. Daran ändert seine Äußerung in der Beschwerdeerwiderung vom 13. November 1990 (Bl. 39 GA) nichts, eine Vollstreckungsklausel sei „bislang weder beantragt noch erteilt“. Sie bezog sich ausdrücklich nicht auf das Urteil des Landgerichts Amsterdam, sondern auf „den angefochtenen Beschluß des Landgerichts Düsseldorf“, also die Vollstreckbarerklärung innerhalb Deutschlands selbst. Zum einen ist daran so viel richtig, daß den Gerichtsakten nicht zu entnehmen ist, ob die vom Landgericht Düsseldorf sinngemäß angeordnete Klausel tatsächlich erteilt worden ist. Zum anderen ergibt die Äußerung allenfalls ein Mißverständnis des Gläubigers über die innerdeutsche Abwicklung der Vollstreckbarerklärung, begründet aber keine Zweifel an seinem eigentlichen Rechtsschutzziel. Sogar innerhalb des Brüsseler Abkommens von 1968 selbst ist die Wortwahl nicht einheitlich (vgl. Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ). Der Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hatte sich in vorangegangenen Verfügungen an den Gläubiger ausdrücklich auf Art. 46 und 47 EuGVÜ bezogen. Die Formulierung in seinem Beschluß vom 17. Juli 1990 stellt danach nur eine sprachliche Ungenauigkeit für einen eindeutig und zweifelsfrei gewollten Ausspruch dar; jene kann vom Rechtsbeschwerdegericht – wie vom Beschwerdegericht – durch eine zutreffende Fassung ersetzt werden (§ 7 AVAG).
2. Die Rechtsbeschwerde rügt, Landgericht und Beschwerdegericht hätten nicht die vorherige Zustellung des zu vollstreckenden ausländischen Urteils festgestellt, sondern sich mit der Erwägung begnügt, daß der Schuldner dagegen Berufung eingelegt habe.
Gemäß Art. 33 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ hat der Gläubiger dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter anderem eine Urkunde beizufügen, aus der sich ergibt, daß die zu vollstreckende Entscheidung zugestellt worden ist. Der Gläubiger hat hier eine Bescheinigung des Amtsgerichts Essen vom 2. Juni 1989 vorgelegt, daß das Urteil dem Schuldner unter der Anschrift L.-Straße 4 in E. 1 übergeben worden ist. Das zugestellte Urteil war zwar in niederländischer Sprache abgefaßt, doch schadet das nichts. Die insoweit maßgebliche Form der Zustellung richtet sich nach dem Recht des Urteilsstaates (Bülow/Böckstiegel/Schlafen, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Nr. 606 Bl. 287; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 3. Aufl. Art. 47 Rn. 2; Martiny/Wolff, Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts Bd. III/2 Kap. IV Rn. 276; Nagel IPRax 1992, 150, 151), hier also nach niederländischem Recht. Es ist nicht dargetan, daß dieses eine Übersetzung zuzustellender Urteile in eine andere Sprache vorschreibt. Gemäß Art. 5 Abs. 2 des Haager Zustellungsübereinkommens vom 15. November 1965 (BGBl 1977 II 1453, 1454) darf die Zustellung stets durch einfache Übergabe an den – annahmebereiten – Zustellungsempfänger bewirkt werden, wenn die ersuchende Stelle – wie hier – nichts anderes wünscht. Für diesen Fall gilt nicht die Einschränkung des Art. 5 Abs. 3 des Haager Zustellungsübereinkommens, demzufolge die Behörde des ersuchten Staates – nur – für Zustellungen nach Abs. 1 eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks verlangen kann (vgl. dazu § 3 des deutschen Ausführungsgesetzes zum Abkommen, BGBl 1977 I 3105).
Unabhängig davon muß auch nach dem Sinn des Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ nicht notwendigerweise die Entscheidung dem Schuldner in dessen eigener Sprache zugestellt werden. Die Vorschrift bezweckt nur sicherzustellen, daß die Gegenpartei ihre Verurteilung kennt und Gelegenheit erhält, ihr freiwillig nachzukommen (Jenard – Bericht in BT-Drucks. VI/ 1973 S. 52, 97 f). Diesen begrenzten Zweck kann ein fremdsprachiges Urteil jedenfalls dann erfüllen, wenn der Schuldner sich – wie hier – zuvor auf das Verfahren eingelassen hatte.
Im übrigen behauptet der Schuldner, dem die Klage 1986 unter einer niederländischen Geschäftsanschrift zugestellt worden ist, selbst nicht, der niederländischen Sprache nicht mächtig zu sein. Ferner hat er seinerseits mit der Beschwerdeschrift eine deutschsprachige Urteilsfassung zu den Akten gereicht (vgl. §§ 750 Abs. 1 Satz 1, 187 Satz 1 ZPO).
3. Die Rechtsbeschwerde erhebt den Einwand der Teilerfüllung (§ 13, 15 AVAG). Grundlage hierfür ist, daß der Gläubiger in den Niederlanden einen Pkw des Schuldners sicherungshalber gepfändet und aus der Verwertung 17.500 hfl erlöst hat. Damit allein hat der Schuldner eine Erfüllung aber noch nicht dargetan, weil es sich um eine Beitreibung auf eine noch nicht rechtskräftig festgestellte Forderung handelt.
Nach deutschem Recht führt die Zwangsvollstreckung aus einem erst vorläufig vollstreckbaren Titel nicht zum Erlöschen der Forderung. Vielmehr bleibt die Tilgungswirkung bis zur Rechtskraft des Titels in der Schwebe (BGH, Urt. v. 31. Mai 1965 – VII ZR 159/64, WM 1965, 1022; Beschl. v. 25. Mai 1976 – III ZB 4/76, MDR 1976, 1005; Palandt/Heinrichs, BGB 52. Aufl. § 362 Rn. 12). Daß nach niederländischem Recht anderes gilt, hat der insoweit darlegungsbelastete Schuldner – der den Gesichtspunkt erstmals mit der Rechtsbeschwerde hervorhebt – nicht dargetan. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß die Pfändung gemäß niederländischem Recht während des zur Hauptsache laufenden Berufungsverfahrens mehr als eine Sicherstellung bewirkt. Dann ist der Schuldner mit der Einwendung auch nicht für die Zukunft ausgeschlossen (§ 767 Abs. 2 ZPO).
4. Zutreffend beanstandet die Rechtsbeschwerde jedoch, daß das Landgericht das niederländische Urteil wegen der niederländischen „gesetzlichen Zinsen“ für vollstreckbar erklärt hat, ohne diese inhaltlich zu bestimmen. Sind nach einem ausländischen Urteil nicht näher bezifferte Zuschläge zur ausgeurteilten Hauptsumme zu zahlen, so hat der um die Vollstreckbarerklärung ersuchte deutsche Richter auf einen Antrag hinzuwirken, der den deutschen Bestimmtheitsanforderungen genügt; einen nicht hinreichend konkretisierten Titel darf er nicht für vollstreckbar erklären (Senatsbeschl. v. 3. März 1993 – IX ZB 55/92, z.V.b. in BGHZ). Um dem Gläubiger Gelegenheit zu geben, die Höhe der niederländischen gesetzlichen Zinsen im maßgeblichen Zeitraum darzutun, ist die Sache – nur – wegen des Zinsausspruchs an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.