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Zusammenfassung der Entscheidung Die in Deutschland wohnhafte Antragsgegnerin ist durch das Handelsgericht in Antwerpen (BE) verurteilt worden, an die Antragstellerin eine Geldsumme zu zahlen. Die Antragsgegnerin hatte sich auf das Verfahren nicht eingelassen. Das das Verfahren vor dem belgischen Gericht einleitende Schriftstück nebst Ladung auf einen mehr als einen Monat entfernt liegenden Termin, wurde der Antragsgegnerin auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Antwerpen (BE) persönlich übergeben. Deutsche Übersetzungen lagen den Dokumenten nicht bei. Die Antragstellerin beantragte, das Urteil in Deutschland für vollstreckbar zu erklären.
Das OLG Saarbrücken (DE) ist der Auffassung, dass die verfahrenseinleitenden Schriftstücke ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt worden sind. Die Ordungsgemäßheit ergebe sich aus den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 (HZÜ) sowie dem deutsch-belgischen Übereinkommen vom 25.4.1959. Diese besagen, dass eine Zustellung auch dann ordnungsgemäß ist, wenn sie formlos durch eine einfache Übergabe der Schriftstücke an den zu ihrer Entgegennahme bereiten Empfänger erfolgt ist (Art. 5 II HZÜ). Der verbleibende Zeitraum von über einem Monat zur Erwiderung der Klage und zur Verhinderung einer Säumnisentscheidung sei außerdem als ausreichend i.S.v. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ anzusehen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragsgegnerin ist durch das mit der Vollstreckungsklausel versehene und am 21.6.1990 zugestellte Versäumnisurteil des Handelsgerichts des Gerichtsbezirkes Antwerpen (Belgien) vom 21.3.1990 – AR Nr. 5417/89 – verurteilt worden, an die Antragstellerin Bfr. 107.246,‑ zuzüglich der üblichen Zinsen für die Zeit vom 1.4.1989 bis 20.4.1989 und der gerichtlichen Zinsen seitdem auf die Summe von Bfr. 91.650,‑ zu zahlen und die Kosten in Höhe von Bfr. 15.716,‑zu tragen.
Die Antragstellerin hat beantragt, das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen mit der Maßgabe, daß die Beschränkung auf Maßregeln zur Sicherung entfällt und die Zwangsvollstreckung unbeschränkt stattfinden kann.
Der Vorsitzende der 6. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken hat durch Beschluß vom 15.1.1992 – 6 O 5/92 – angeordnet, daß das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist und den Antrag auf unbeschränkte Zulassung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat das Landgericht der Antragsgegnerin auferlegt.
Gegen diesen ihr am 28.1.1992 zugestellten Beschluß hat die Antragsgegnerin am 6.2.1992 Beschwerde eingelegt.
II. Die gemäß Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ, §§ 11, 12 AVAG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.
Das Landgericht hat zu Recht angeordnet, daß das Urteil des Handelsgerichts des Gerichtsbezirks Antwerpen vom 21.3.1990 – AR Nr. 5417/89 mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Gemäß Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ kann der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nur aus einem der in Art. 27 und Art. 28 EuGVÜ angeführten Gründe, die eine abschließende Regelung enthalten, abgelehnt werden, wobei die ausländische Entscheidung nach Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ keineswegs auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden darf (OLG Saarbrücken IPRax 1990, 232; OLG Saarbrücken NJW 1988, 3100). An solchen Gründen fehlt es.
Ein die Versagung der Vollstreckungsklausel rechtfertigender Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 27 Nr. 3 – 5 EuGVÜ liegt nicht vor.
Der Erteilung der Vollstreckungsklausel steht auch die Bestimmung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht entgegen. Hiernach wird eine ausländische Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten des ausländischen Verfahrens, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte. Dieser Versagungsgrund greift hier nicht ein. Der Antragsgegnerin, die sich auf das Verfahren vor dem Handelsgericht des Gerichtsbezirks Antwerpen/Belgien nicht eingelassen hat, ist das dieses Verfahren einleitende Schriftstück im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt worden. Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bestimmt sich nach dem Recht des Urteilsstaates einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge (vgl. BGH NJW 1991, 641; OLG Köln MDR 80, 1030). Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Belgien gilt das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 (BGBl. II 1977, 1452) sowie das einen unmittelbaren Verkehr ermöglichende deutsch-belgische Übereinkommen vom 25.4.1959 (BGBl. II, 1524). Nach Maßgabe dieser Regelungen ist der Antragsgegnerin der das Verfahren vor dem Handelsgericht des Gerichtsbezirks Antwerpen einleitende Schriftsatz nebst der Ladung zu dem auf den 14.6.1989 vor dem Handelsgericht des Gerichtsbezirks Antwerpen bestimmten Verhandlungstermin am 11.5.1989 auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Antwerpen ordnungsgemäß zugestellt worden. Daß die zugestellten Schriftstücke, wie von der Antragsgegnerin behauptet, weder in deutscher Sprache abgefaßt noch in diese Sprache übersetzt waren (vgl. § 3 Ausführungsgesetz vom 22.12.1965, BGBl. I 1977, 3105), steht der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung hier nicht entgegen. Nach Art. 5 II des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (BGBl. II 1977, 1452) kann, von dem in Art. 5 Abs. I b geregelten Fall der Zustellung in einer besonderen von der ersuchenden Stelle gewünschten Form abgesehen, die Zustellung stets durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger bewirkt werden, wenn er zur Annahme bereit ist. Zur Wirksamkeit einer in diesem Sinne formlosen Zustellung, die in der Bundesrepublik Deutschland nach den Vorschriften der §§ 68 ff. ZRHO bewirkt wird (Bülow-Böckstiegel-Geimer-Schütze A I b Anm. 18), bedarf es keiner Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks in die deutsche Sprache (§ 3 des Ausführungsgesetzes vom 22.12.1977, BGBl. I, 3105; vgl. BGH NJW 1991, 641; Martiny Kap. II Rn. 118; Bülow-Böckstiegel G I Anm. 219). Eine derartige Zustellung ist auch nach Maßgabe der Bestimmungen des deutsch-belgischen Übereinkommens vom 25.4.1959 (BGBl. II, 1524) rechtswirksam (vgl. Art. 3 des Übereinkommens in Verbindung mit Art. 2 des Haager Übereinkommens vom 1.3.1954, BGBl. II 58, 577; vgl. Bülow-Böckstiegel-Geimer-Schütze A I 1 b Anm. 18), wenn die ersuchende Behörde keine andere Art der Zustellung gewünscht hat (Art. 3 Abs. 2 des Haager Übereinkommens vom 1.3.1954; vgl. BGHZ 65, 291 ff.).
Hiernach sind die verfahrenseinleitenden Schriftstücke der Antragsgegnerin am 11.5.1989 rechtswirksam und ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Staatsanwaltschaft Antwerpen hat als ersuchende Behörde ersichtlich nicht den Wunsche geäußert, daß die Zustellung in einer besonderen Form erfolgt (Art. 5 Abs. I b des Haager Zustellungsübereinkommens, Art. 3 des deutsch-belgischen Übereinkommens in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 des Haager Übereinkommens). Sie war dann – trotz der fehlenden Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke in die deutsche Sprache – wirksam, wenn sie formlos durch einfache Übergabe der Schriftstücke an den zu ihrer Entgegennahme bereiten Empfänger erfolgt ist (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Haager Zustellungsübereinkommens). Das war hier der Fall. Das der Staatsanwaltschaft Antwerpen von dem zuständigen Gerichtsvollzieher am 20.4.1989 zum Zwecke der Zustellung übergebene „Dagvaarding“ (= Klage und Ladung der Antragsgegnerin zum Termin vom 14.6.1989 vor dem Handelsgericht des Bezirks Antwerpen) ist ausweislich des durch das Amtsgericht Saarbrücken als ersuchte Behörde (Art. 1 des deutsch-belgischen Übereinkommens vom 25.4.1959 BGBl. II, 1524) ausgestellten Empfangsbekenntnisses – 1 AR 238/89 AG Saarbrücken – dem Angestellten … der Antragsgegnerin aufgrund der von diesem vorgelegten Vollmacht als Zustellungsbevollmächtigter der Antragsgegnerin am 11.5.1989 übergeben worden. Damit ist die Zustellung ordnungsgemäß durch einfache Übergabe der Schriftstücke an den zu ihrer Entgegennahme bereiten Empfänger erfolgt. Denn nach den hierfür maßgeblichen Bestimmungen der §§ 68 Abs. 2, 69 Abs. 2 ZRHO kann die formlose Zustellung an den Empfänger auch durch Übergabe an eine zur Entgegennahme von Zustellungen bevollmächtigte Person wie den Angestellten … – § 173 ZPO steht dem nicht entgegen (vgl. BGH LM Nr. 1 zu § 173 ZPO; Bülow-Böckstiegel G I Anm. 225) – bewirkt werden.
Die somit am 11.5.1989 ordnungsgemäß erfolgte Zustellung der verfahrenseinleitenden Klage und der Ladung zum Termin vom 14.6.1989 an die Antragsgegnerin ist auch im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ rechtzeitig erfolgt. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Zustellung hat das Gericht des Vollstreckungsstaates lediglich denjenigen Zeitraum zu berücksichtigen, über den der Beklagte des Ausgangsverfahrens, hier also die Antragsgegnerin, verfügte, um den Erlaß einer nach dem Übereinkommen vollstreckbaren Versäumnisentscheidung durch Einleitung der hierfür erforderlichen Schritte zu verhindern (BGH NJW 1991, 641; BGH NJW 1990, 2201), wobei jedoch die nach deutschem Recht notwendige zweiwöchige Einlassungsfrist gewahrt sein muß (BGH NJW 1986, 2197). Nach Maßgabe dieser Kriterien war die Zustellung vom 11.5.1989 rechtzeitig. Der Antragsgegnerin verblieb bis zu dem auf den 14.6.1989 vor dem Handelsgericht des Gerichtsbezirks Antwerpen bestimmten Termin mehr als 1 Monat, um sich auf die Erwiderung gegen die Klage vorzubereiten und eine Versäumnisentscheidung, die zudem erst am 21.3.1990 ergangen ist, zu verhindern. Unter diesen Umständen war es der Antragsgegnerin, wie von ihr auch selbst nicht in Frage gestellt wird, möglich, sich vor dem Gericht des Urteilsstaates zu verteidigen. Die Schutzvorschrift des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, die sicherstellen soll, daß eine Entscheidung nach den Bestimmungen des Übereinkommens weder anerkannt noch vollstreckt wird, wenn dem Schuldner vor dem Gericht des Urteilsstaates keine ausreichende Verteidigungsmöglichkeit gegeben war (BGH NJW 86, 2197; vgl. auch BGH NJW 90, 2201), steht demnach der Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht entgegen.
Versagungsgründe im Sinne von Art. 28 EuGVÜ sind ebenfalls nicht gegeben. Gemäß Art. 28 Abs. 1 EuGVÜ kann die Entscheidung dann nicht anerkannt werden, wenn die Vorschriften des 3., 4. und 5. Abschnitts des Titels II, nämlich die Vorschriften über die Zuständigkeit für Versicherungssachen (Art. 7 EuGVÜ), für Abzahlungsgeschäfte (Art. 13 EuGVÜ) und die Bestimmungen über die ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 16 EuGVÜ, verletzt sind. Das war hier nicht der Fall. Die von der Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf Art. 31 CMR gerügte fehlende internationale Zuständigkeit des Handelsgerichts Antwerpen zählt nicht zu den Versagungsgründen des Art. 28 Abs. 1 EuGVÜ.
Die Erteilung der von der Antragstellerin begehrten Vollstreckungsklausel ist schließlich auch nicht gemäß Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ zu versagen. Ein die Versagung der Vollstreckungsklausel rechtfertigender Verstoß gegen den deutschen ordre public kann nicht darin gesehen werden, daß, was diesbezüglich nach Lage der Dinge allein in Betracht kommt, das Handelsgericht des Gerichtsbezirks Antwerpen nach Auffassung der Antragsgegnerin seine internationale Zuständigkeit im Hinblick auf die Gerichtsstandsvereinbarung des Art. 31 CMR zu Unrecht bejaht und das Urteil vom 21.3.1990 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten hat. Dies folgt aus den Regelungen in Art. 28 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ. Gemäß Art. 28 Abs. 3 EuGVÜ darf die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts, abgesehen von den hier, wie dargelegt, nicht einschlägigen Fällen des Art. 28 Abs. 1 EuGVÜ, durch das Gericht des Vollstreckungsstaates nicht nachgeprüft werden. Die Vorschriften über die Zuständigkeit gehören, wie in Art. 28 Abs. 3 EuGVÜ weiter bestimmt, nicht zur öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ. Art. 34 Abs. 3 EUGVÜ verbietet in dem Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel die Überprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit hin. Diese Regelungen, die erkennbar dem Zweck dienen, die Freizügigkeit der Urteile innerhalb der Vertragsstaaten des Übereinkommens, zu deren Anerkennung diese grundsätzlich verpflichtet sind (Art. 25 EuGVÜ), zu gewährleisten, sind als in der Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht Bestandteil des deutschen ordre public. Die Vollstreckung einer nach Maßgabe dieser Vorschriften nicht nachprüfbaren ausländischen Entscheidung widerspricht dann aber nicht der deutschen öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ (vgl. Senatsbeschluß vom 12.10.1987 – 5 W 139/87 –; vgl. auch OLG Celle RIW/AWD 1979/131 J).
Nach alledem war – wie geschehen – zu beschließen.