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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragsgegner wurden von einem französischen Gericht zur Geldzahlung an die Antragsteller verurteilt. Das Urteil sprach ferner die Verpflichtung der Antragsgegner zur Zahlung der Prozesskosten aus. In welcher Höhe diese Kosten anzusetzen seien, bestimmte das Urteil nicht. Die französischen Antragsteller beantragten vor dem zuständigen deutschen Landgericht, das Urteil in Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Hiergegen wandten sich die Antragsgegner.
Das OLG Zweibrücken (DE) führt aus, dass diese Verurteilung in die Kosten zu unbestimmt und daher nicht mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Es handele sich vorliegend nur um eine unbezifferte Kostengrundentscheidung, die keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die 2. Zivilkammer der Cour d'Appel (Oberlandesgericht) de Colmar hat durch (Berufungs-)Urteil vom 16. November 2001 (in Fotokopie Bl. 37 ff der Akten) das Versäumnisurteil desselben Gerichts vom 23. Oktober 1998 bestätigt, mit welchem die Antragsgegner verurteilt worden sind, an die Antragsteller Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vorvertrages über den Kauf einer Immobilie in Höhe von 300.000,‑ FF sowie einen weiteren Betrag von 20.000,‑ FF gemäß Art. 700 des Nouveau code de procédure civile (Ncpc) zu zahlen; darüber hinaus enthält das vorbezeichnete Erkenntnis vom 16. November 2001 die Verurteilung der Antragsgegner zur Zahlung eines zusätzlichen Schadensersatzes von 20.000,‑ FF gemäß Art. 700 Ncpc sowie zu den Prozesskosten (dépens).
Entsprechend dem Begehren der Antragsteller hat die Vorsitzende der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz am 13. August 2003 angeordnet, dass das Urteil der Cour d'Appel de Colmar vom 16. November 2001 mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat daraufhin am 24. September 2003 die Vollstreckungsklausel erteilt.
Gegen den ihnen am 26. September 2003 zugestellten Beschluss der Kammervorsitzenden richtet sich die am 20. Oktober 2003 beim Oberlandesgericht eingegangene Beschwerde der Antragsgegner, mit der sie geltend machen, dass der notariell beurkundete Vertrag, wegen dessen Nichterfüllung sie die Cour d'Appel de Colmar zu Schadensersatz verurteilt hat, von ihnen aus den in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründen angefochten werde; Folge dieser Anfechtung sei, dass aus dem französischen Titel nicht vollstreckt werden dürfe.
II. 1. a) Das Rechtsmittel ist gemäß Art. 36 Abs. 1 des Übereinkommens der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 a, 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz – AVAG) statthaft. Es ist rechtzeitig innerhalb der Frist des § 11 Abs. 3 AVAG beim Oberlandesgericht eingelegt worden und entspricht der von § 11 Abs. 1 Satz 1 AVAG bestimmten Form.
Die von der Kammervorsitzenden in der Begründung ihrer Entscheidung zitierte Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVO) ist auf den vorliegenden Fall zeitlich nicht anwendbar; denn die genannte Verordnung erfasst gemäß ihrem Art. 66 das vor ihrem In-Kraft-Treten am 1. März 2002 (Art. 76 EuGVO) erlassene französische Urteil nicht.
b) Zwar liegt dem Beschwerdeverfahren gemäß §§ 11 ff AVAG das Modell der zivilprozessualen Beschwerde zugrunde (§§ 567 ff ZPO). Gleichwohl muss vor der Entscheidung des Senats keine Abhilfeentscheidung des Landgerichts (vgl. § 572 Abs. 1 ZPO) herbeigeführt werden, da eine Befugnis für das die Vollstreckung zulassende Gericht zur Abhilfe einer gegen seine Entscheidung gerichteten Beschwerde nach allgemeiner Ansicht nicht besteht (BTDrs 11/351, 22; Zöller/Geimer, ZPO, 23. Aufl., § 11 AVAG Rn. 4; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 43 EuGVO Rn. 10; OLG München NJW 1975, 504).
c) Die Entscheidung des Senats ergeht in voller Besetzung des Spruchkörpers, weil die Vorsitzende der Zivilkammer den angefochtenen Beschluss gemäß § 3 Abs. 3 AVAG nicht als erstinstanzliche „Einzelrichterin“ im Sinne von § 568 ZPO erlassen hat (Senat, Beschluss vom 3. November 2003, – 3 W 149/03 –; OLG Stuttgart, OLGR 2003, 102; OLG Köln IPrax 2003, 354).
2. In der Sache führt die Beschwerde nur zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg.
Die Vorsitzende der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat das Urteil der Cour d'Appel de Colmar vom 16. November 2001 – mit Ausnahme der Verurteilung der Antragsgegner zu den Prozesskosten (dazu unten e) – zu Recht für vollstreckbar erklärt.
Im Einzelnen gilt dazu folgendes:
a) Das mit der Vollstreckungsklausel (formule exécutoire) versehene Urteil des französischen Gerichts stellt eine Entscheidung dar, die gemäß Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ für vollstreckbar erklärt werden kann. Denn es handelt sich bei ihm um ein Leistungsurteil (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1997, Art. 31 EuGVÜ Rn. 38).
Im ersten Rechtszug haben die Antragsteller den Originaltitel vorgelegt und damit dem Erfordernis des Art. 46 Nr. 1 EuGVÜ genügt. Die Vorschrift erfordert nicht, dass die vorgelegte Ausfertigung der anzuerkennenden ausländischen Entscheidung bei den Akten verbleibt (BGHZ 75, 167, 169).
b) Auch die Voraussetzungen des Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ sind erfüllt. Danach hat die Partei, welche die Zwangsvollstreckung betreiben will, die Urkunden vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaates vollstreckbar ist und dass sie zugestellt worden ist.
Dem Urteil der Cour d'Appel de Colmar vom 16. November 2001 ist die formule exécutoire, die Vollstreckungsanordnung, aufgestempelt (vgl. Fotokopie Bl. 40 der Akten).
Dass das Urteil den Antragsgegnern am 11. Januar 2002 zugestellt worden ist, stellen diese nicht in Abrede. Die Zustellung ergibt sich außerdem aus dem bei der Akte befindlichen französischen Zustellungsersuchen sowie der Zustellungsbescheinigung des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 15. Januar 2002 (Akten 1a AR 2/02 Amtsgericht Landau in der Pfalz).
c) Anerkennungshindernisse im Sinne von Art. 34 Abs. 2, 27, 28 EuGVÜ stehen der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung der Cour d'Appel de Colmar nicht entgegen.
Die Frage, ob den Antragsgegnern das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß und rechtzeitig im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zugestellt worden ist, kann dahinstehen, weil sie sich jedenfalls auf das Verfahren vor den französischen Gerichten eingelassen haben. Das Urteil der Cour d'Appel ist in einem kontradiktorischen Verfahren ergangen, in welchem die Antragsgegner anwaltlich vertreten waren.
Der Vollstreckung aus dem französischen Titel steht auch nicht Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ entgegen. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public, der einen untragbaren Widerspruch zwischen der ausländischen und inländischen Regelung voraussetzt, liegt offensichtlich nicht vor.
Ob, was im Hinblick auf den im Eingang des Urteils der Cour d'Appel aufgeführten damaligen Wohnsitz der Antragsgegner in Frankreich allerdings nahe liegt, die französischen Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig waren, darf in dem vorliegenden Verfahren gemäß Art. 28 Abs. 3 EuGVÜ nicht nachgeprüft werden. Die Ausnahmen von dem Nachprüfungsverbot sind in Art. 28 Abs. 1 EuGVÜ abschließend aufgezählt (Geimer/Schütze aaO Art. 28 Rn. 1, 2, 14; Senat, OLGR 2001, 349, 350). Der Rechtsstreit vor den französischen Gerichten betraf einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung eines Vorvertrages über einen Grundstückskauf. Ein Fall des darüber hinaus in Art. 28 Abs. 1 EuGVÜ aufgeführten Art. 59 EuGVÜ liegt ersichtlich nicht vor.
d) Im Übrigen ist es dem Senat verwehrt, das Urteil der Cour d'Appel de Colmar vom 16. November 2001 in der Sache selbst nachzuprüfen, Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ. Die Antragsgegner können sich daher nicht (erneut) auf die Einwände berufen, mit denen sie sich in dem französischen Erkenntnisverfahren gegen das Schadensersatzverlangen der Antragsteller verteidigt haben.
Es werden von der Beschwerde auch keine gemäß § 12 Abs. 1 AVAG nicht präkludierten Einwendungen gegen den titulierten Anspruch vorgetragen. Denn die nunmehr behaupteten Gründe, aus denen die Antragsgegner das Recht zur Anfechtung des notariellen Vorvertrages mit den Antragstellern herleiten wollen, sind jedenfalls nicht erst nach dem Erlass der ausländischen Entscheidung entstanden. Sie hätten vielmehr von Anfang an in das französische Erkenntnisverfahren eingeführt werden können.
e) Soweit die Vorsitzende der Zivilkammer auch die in dem Urteil vom 16. November 2001 enthaltene Verpflichtung der Antragsgegner zur Zahlung der Prozesskosten (dépens) für vollstreckbar erklärt hat, kann ihre Entscheidung keinen Bestand haben. Insoweit handelt es sich um eine unbezifferte Kostengrundentscheidung. Diese hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, weil es ihr an der von Art. 31 EuGVÜ vorausgesetzten Bestimmtheit fehlt. Demzufolge war die Übernahme der Verurteilung der Antragsgegner zu den Kosten des französischen Verfahrens in die Vollstreckungsklausel auch ohne ausdrückliche Rüge der Antragsgegner zu streichen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Oktober 1995, – 3 W 160/95 –; OLG Hamm NJW-RR 1995, 189, 191; OLG Saarbrücken IPrax 1990, 232 mit Anmerkung Reinmüller, IPrax 1990, 207; Kropholler aaO Art. 38 EuGVO Rn. 13).