Die Klägerin nimmt die beklagte Bank, die ihren Hauptsitz in Mailand hat und Niederlassungen in Deutschland betreibt, im Urkundenprozeß aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch.
Die Klägerin war durch Generalübernehmervertrag vom 07.02.1994 und 24.07.1995 von den Eigentümern (nachfolgend Bauherren) des Grundstücks H in Berlin – Treptow mit der Errichtung eines Bürogebäudes auf diesem Grundstück beauftragt worden. Die Klägerin beauftragte ihrerseits durch Generalunternehmervertrag vom 13./28.04.1995 (K 10) mit der schlüsselfertigen Errichtung des Bauwerks eine aus drei italienischen Bauunternehmen bestehende A, darunter die Firma I mit Sitz in Lugo/Ravenna (nachfolgend Firma I.). Dabei wurde als Fertigstellungstermin der 30.11.1996 vereinbart und für den Fall der Überschreitung dieses Termins eine Vertragsstrafe von max. 5 % der Bruttoabrechnungssumme; wegen der Einzelheiten wird auf die Vertragsurkunde (K 10) Bezug genommen.
Mit weiteren Vereinbarungen vom 08.05.1995 und 26.07.1995 (K 11) zwischen der Klägerin, der S. GmbH (nachfolgend Firma S.) und der A übernahm die Firma S., bei der es sich um eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der Firma I. handelt, als Generalunternehmerin anstelle der A die Verpflichtung zur Errichtung des Bauwerks gemäß dem Vertrag vom 13./28.04.1995 zum Pauschalpreis von 60.811.000,‑ DM zuzüglich MWST und gegen Stellung einer Ausführungsbürgschaft in Höhe von 15 % der Bruttoauftragssumme. Die Mitglieder der A stimmten der Vertragsübernahme durch die Firma S. zu und übernahmen zugleich die gesamtschuldnerische Mithaftung für alle der Klägerin aus dem Generalunternehmervertrag gegen die Firma S. zustehenden Ansprüche (K 11, Ziffer 1).
Mit Urkunde vom 11.09.1995 (K 1) übernahm die Beklagte durch ihre Niederlassung in München eine „Vertragserfüllungsbürgschaft“ für die Verpflichtung der Firma S. aus dem Generalunternehmervertrag gegenüber der Klägerin bis zur Höhe von 10.489.897,50 DM und verpflichtete sich ihrerseits, an die Klägerin „auf erstes Anfordern zu zahlen, sofern (die Klägerin) schriftlich erklärt, daß die Firma S.-GmbH ihren Verpflichtungen aus oben genanntem Vertrag nicht nachgekommen ist.“ Weiter heißt es am Ende dieser Urkunde: „Die Bürgschaft unterliegt deutschem Recht. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist München.“ Diese zunächst bis zum 31.08.1997 befristete Bürgschaft wurde mehrfach verlängert (K 2, K 3), zuletzt mit Schreiben der Beklagten vom 17.07.1997 (K 4) bis zum 28.02.1999 unter Reduzierung der Bürgschaftssumme auf 6.993.325,‑ DM.
Am 31.10.1997 erfolgte die Schlußabnahme des von der Firma S. errichteten Bauwerks. Unter dem 31.10./18.11.1997 erteilte die Klägerin den Bauherren eine Schlußrechnung (B 8/B 9), mit der sie eine Gesamtvergütung von 88.725.722,60 DM geltend machte und abzüglich der geleisteten Abschlagszahlungen eine Restforderung von 18.537.555,25 DM. Im Februar 1998 erhob die Klägerin beim Landgericht Berlin (Az.: 99 O 36/98) gegen die Bauherren Klage auf Zahlung restlichen Werklohns. Sie macht in jenem Rechtsstreit eine Forderung von 7.226.429,05 DM geltend und hat der Firma S. den Streit verkündet.
Unter dem 23.09.1998 erteilte die Firma S. der Klägerin ihre Schlußrechnung (B 4) und machte – unter Einschluß von Mehrkosten für die eingetretene Bauzeitverlängerung in Höhe von 4.918.406,99 DM – eine restliche Vergütung von 20.244.482,50 DM geltend. Die Klägerin ermittelte nach Prüfung dieser Rechnung ihrerseits eine bereits geleistete Überzahlung von 4.850.966,17 DM (Anlagen B 5/B 6), wobei sie u.a. eine Vertragsstrafe wegen Überschreitung des Fertigstellungstermins in Höhe von 3.522.507,50 DM in Abzug brachte. Mit Schreiben vom 17.02.1999 (B 7) machte sie einen weiteren Betrag von 782.000,‑ DM wegen noch zu erbringender Mängelbeseitigungs- und Restarbeiten geltend.
Im Februar 1999 erhob die Firma S. gegen die Klägerin beim Landgericht Berlin Teilklage auf Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 4.157.388,92 DM.
Mit Schreiben vom 25.02.1999 (K 5), das am selben Tage bei der Münchner Niederlassung der Beklagten eingegangen ist, nahm die Klägerin die Beklagte aus der Bürgschaft vom 11.09.1995 wegen eines Betrages von 6.912.017,30 DM in Anspruch mit der Erklärung, die Firma S. sei ihren Verpflichtungen aus dem Bauvertrag nicht nachgekommen, sondern habe die Baumaßnahme nur mangelhaft und nicht in der vertraglich vereinbarten Zeit fertiggestellt. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 05.03.1999 (K 6) ab mit der Begründung, die Inanspruchnahme sei rechtsmißbräuchlich; im übrigen sei der Beklagten durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Ravenna die Auszahlung des Bürgschaftsbetrages untersagt worden.
Tatsächlich hatte das Landgericht Ravenna auf Antrag der Firma I. am 26.02.1999 eine einstweilige Verfügung erlassen (B 1), die der Beklagten am 03.03.1999 zugestellt worden ist und mit welcher ihr eine Zahlung aufgrund der der Klägerin erteilten Bürgschaft untersagt wurde. Den Erlaß einer von der Firma I. ebenfalls beantragten einstweiligen Verfügung gegen die Klägerin lehnte das Landgericht Ravenna ab, „obgleich diese notwendigerweise Partei sowohl in diesem auf Sicherung gerichteten Verfahren als auch in dem anschließenden Verfahren in der Hauptsache ist“ (B 1). Zugleich bestimmte das Landgericht Ravenna Termin zur mündlichen Verhandlung über die einstweilige Verfügung auf den 26.03.1999 und ordnete die Zustellung der Verfügung an die „Gegenparteien B und W AG binnen einer Ausschlußfrist von 8 Tagen im ersten Fall und 20 Tagen im zweiten Fall“ an, „wobei die Zustellung per Telefax der Kanzlei genehmigt wird.“ Ergänzend wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen.
Mit Telefax vom 12.03.1999 (B 3) übermittelten die italienischen Prozeßbevollmächtigten der Firma I. Abschriften nebst Übersetzungen der Verfügung des Landgerichts Ravenna vom 26.02.1999 und der zugrundeliegenden Antragsschrift vom 23.02.1999 an die Klägerin. Eine förmliche Zustellung dieser Schriftstücke nach dem Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ) erfolgte am 06.04.1999.
Im Anschluß an die mündliche Verhandlung vom 26.03.1999 bestätigte das Landgericht Ravenna am 30.03.1999 die einstweilige Verfügung vom 26.02.1999 und setzte der Firma I. eine Frist von 30 Tagen für den Anfang des Hauptsacheverfahrens gegen die Beklagte sowie von 90 Tagen in Bezug auf die Klägerin und die Firma S. (Anlage B 2). Die von der Firma I. sodann beim Landgericht Ravenna erhobene Hauptsacheklage (B 15) mit dem Antrag, der Beklagten die Auszahlung der Bürgschaftssumme an die Klägerin zu untersagen, wurde der Beklagten am 20.04.1999 zugestellt (B 16). Außerdem veranlaßte der Gerichtsvollzieher beim Landgericht Ravenna am 23.04.1999 die Zustellung dieser Klageschrift nach dem HZÜ über das Bayerische Staatsministerium der Justiz (B 17). Die Zustellung an die Klägerin erfolgte – wie nunmehr im Berufungsverfahren unstreitig ist – am 21.06.1999. Eine Entscheidung des Landgerichts Ravenna in diesem Hauptsacheverfahren ist noch nicht ergangen.
Mit der hier vorliegenden Klage, die am 19.04.1999 beim Landgericht München I eingegangen und der Beklagten am 23.04.1999 zugestellt worden ist, nimmt die Klägerin die Beklagte aus der Bürgschaft vom 11.09.1995/17.07.1997 auf Zahlung von 6.912.017,03 DM in Anspruch. Dazu hat sie vorgetragen, infolge mangelhafter Bau-Leistungen der Firma S. sei der Klägerin ein Schaden von 1.586.470,92 DM für die erforderliche Mängelbeseitigung entstanden. Außerdem sei ihr durch die um 11 Monate verspätete Fertigstellung des Bauvorhabens ein weiterer Schaden von 5.603.820,52 DM entstanden, davon 624.750,‑ DM eigene Mehrkosten und 4.979.070,52 DM, welche die Bauherren ihrerseits als Verzugsschaden gegenüber der Klägerin geltend macht und von deren Vergütung abgezogen haben. Unter Berücksichtigung der Firma S. tatsächlich zustehenden Vergütung und der darauf bereits geleisteten Abschlagzahlungen verbleibe zugunsten der Klägerin eine Forderung von 6.912.017,03 DM. Im übrigen hat die Klägerin die Auffassung vertreten, daß das beim Landgericht Ravenna anhängige Verfahren der vorliegenden Klage nicht entgegensteht, ebensowenig die vom Landgericht Ravenna erlassene einstweilige Verfügung, zumal sich diese nicht gegen die Klägerin richte.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 6.912.017,03 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit 25.02.1999 zu verurteilen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat unter Hinweis auf Art. 25, 26 GVÜ die Auffassung vertreten, einer Verurteilung der Beklagten stehe schon die vom Landgericht Ravenna erlassene einstweilige Verfügung entgegen, mit welcher ihr eine Auszahlung der Bürgschaftssumme an die Klägerin untersagt worden sei. Zumindest sei der vorliegende Rechtsstreit, in dem es ebenso wie in dem schon früher rechtshängigen Hauptsacheverfahren beim Landgericht Ravenna um die Zahlungspflicht der Beklagten aus der Bürgschaft vom 11.09.1995 gehe, auszusetzen, wie sich aus Art. 21 und 22 GVÜ ergebe; insbesondere sei die hiesige Klägerin auch Partei des in Italien anhängigen Verfahrens.
Im übrigen sei die Inanspruchnahme der Beklagten aus der streitgegenständlichen Bürgschaft seitens der Klägerin auch offenkundig rechtsmißbräuchlich. In dem Rechtsstreit mit den Bauherren beim Landgericht Berlin (Az.: 99 O 36/98) trage die Klägerin nämlich selbst vor, daß die Firma S. an der verspäteten Fertigstellung des Bauvorhabens kein Verschulden treffe, sondern im Gegenteil durch eine von den Bauherren zu vertretende Behinderung Mehrkosten von 5.411.800,‑ DM bei der Firma S. entstanden seien. Außerdem habe die Klägerin in jenem Rechtsstreit die notwendige Mängelbeseitigungskosten auf lediglich 46.880,‑ DM beziffert. Selbst gegenüber der Firma S. habe die Klägerin vorgerichtlich lediglich einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 4.850.966,17 DM geltend gemacht sowie ein Zurückbehaltungsrecht wegen angeblicher Mängel in Höhe von 782.000,‑ DM. Dieses Verhalten der Klägerin sei widersprüchlich und deshalb rechtsmißbräuchlich. Im übrigen seien die von der Klägerin im Rahmen der Prüfung der Schlußrechnung der Firma S. vorgenommenen Abzüge überhöht und teilweise rechnerisch unrichtig.
Das Landgericht hat die Beklagte durch Vorbehaltsurteil vom 28.06.1999 antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Insbesondere stehe die vom Landgericht Ravenna am 26.02.1999 erlassene und am 30.03.1999 bestätigte einstweilige Verfügung einer Sachentscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht entgegen, weil es insoweit schon an der Identität des Streitgegenstandes fehle. Dasselbe gelte für die von der Firma I. erhobene Hauptsacheklage. Eine Aussetzung nach Art. 21 GVÜ komme deshalb nicht in Betracht. Auch eine Aussetzung nach Art. 22 GVÜ hat das Landgericht abgelehnt. Die Klage sei auch begründet. Die Beklagte sei aufgrund der von ihr erteilten Bürgschaft auf erstes Anfordern zur Zahlung der Klagesumme verpflichtet. Eine offensichtlich mißbräuchliche Inanspruchnahme dieser Bürgschaft durch die Klägerin sei nicht dargetan; daß die Klägerin in dem Rechtsstreit gegenüber dem Bauherren ein Verschulden der Firma S. an der Überschreitung des Fertigstellungstermins und das Vorliegen von Baumängeln bestreite, ergebe sich aus der Unsicherheit bei der Beurteilung von Leistungsstörungen gerade im Rahmen umfangreicher Bauprozesse.
Gegen dieses Vorbehaltsurteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere rügt sie als verfahrensfehlerhaft, daß das Landgericht den Rechtsstreit nicht ausgesetzt hat, was im Hinblick auf das früher rechtshängig gewordene Verfahren beim Landgericht Ravenna nach Art. 21 GVÜ geboten gewesen sei, jedenfalls aber nach Art. 22 Abs. 1 GVÜ; dabei stützt sich die Beklagte auf ein in ihrem Auftrag erstelltes Rechtsgutachten von Prof. Dr. Kindler (Anlage B 21 und B 22). Im übrigen sei die Inanspruchnahme der streitgegenständlichen Bürgschaft offenkundig rechtsmißbräuchlich. Die Beklagte bestreitet, daß die Firma S. mit den von ihr zu erbringenden Bauleistungen in Verzug geraten ist und der Klägerin Ersatzansprüche wegen Mängelbeseitigung zustehen. Der insoweit von der Klägerin behauptete Schadensersatzanspruch gegen die Firma S. sei jedenfalls unvereinbar mit ihrem eigenen Vortrag in dem beim Landgericht Berlin geführten Rechtsstreit mit den Bauherren.
Die Beklagte beantragt:
1. Das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München I vom 28.06.1999 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Hilfsweise: Das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München I vom 28.06.1999 und das Verfahren werden aufgehoben und die Sache wird an das Landgericht München I zur Aussetzung zurückverwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Ersturteil. Eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits sei nicht veranlaßt, weil dessen Streitgegenstand weder mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren beim Landgericht Ravenna noch mit dem dort nachfolgenden Hauptsacheverfahren identisch sei; auch die erforderliche Identität der Parteien sei nicht gegeben. Zudem sei die von der Firma I. beim Landgericht Ravenna beantragte einstweilige Verfügung gegen die Klägerin gerade nicht erlassen worden. Das dortige Hauptsacheverfahren sei erst mit Zustellung der Klageschrift an die Klägerin am 21.06.1999 rechtshängig geworden, also nach Eintritt der Rechtshängigkeit im vorliegenden Rechtsstreit. Die Klägerin verhalte sich auch nicht rechtsmißbräuchlich. Die von der Firma S. zu vertretende Verzögerung mit der Fertigstellung des Bauvorhabens habe dazu geführt, daß die Bauherren ihrerseits die Werklohnforderung der Klägerin um 4.979.017,52 DM gekürzt hätten; schon dadurch sei der Klägerin ein Schaden entstanden. Daß die Klägerin in jenem Rechtsstreit mit den Bauherren den Standpunkt vertrete, die Bauverzögerung sei von den Bauherren selbst verursacht worden, liege auch im Interesse der Firma S. Inwieweit letztlich die Verzögerung von der Firma S. oder den Bauherren zu vertreten sei und deren diesbezügliche Schadensersatzforderung gegen die Klägerin begründet sei, werde in jenem Rechtsstreit vom Landgericht Berlin entschieden. Soweit sich danach eine Überzahlung der Klägerin aus der Inanspruchnahme der Bürgschaft ergeben sollte, werde sie den übersteigenden Betrag der Firma S. erstatten. In jedem Fall schulde die Firma S. wegen der zumindest auch von ihr zu vertretenden Überschreitung des Fertigstellungstermins die vereinbarte und verwirkte Vertragsstrafe von 3.522.507,50 DM und die dadurch entstandenen Mehrkosten der Klägerin von 624.750,‑ DM sowie die Erstattung von Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 1.586.670,92 DM.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften und den Akteninhalt insgesamt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus § 17 Abs. 3 ZPO, da die Beklagte neben ihrem Hauptsitz in Mailand auch in Frankfurt am Main – bei Zustellung der vorliegenden Klage am 23.04.1999 auch noch in München – eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung unterhält.
Darüberhinaus haben die Parteien ausweislich der Bürgschaftsurkunde vom 11.09.1995 München als Gerichtsstand vereinbart. Diese Gerichtsstandvereinbarung ist gemäß Art. 17 Abs. 1 a des Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (GVÜ), dem sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch Italien beigetreten sind, wirksam. Danach genügt nämlich die schriftliche Bestätigung der Vereinbarung durch die Beklagte in der Bürgschaftsurkunde.
2. Die auf Antrag der Firma I. vom Landgericht Ravenna am 26.02.1999 erlassene und aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26.03.1999 am 30.03.1999 bestätigte einstweilige Verfügung nach Art. 669 sexies Abs. 2, 700 der italienischen Zivilprozeßordnung (Codice di procedura – c.p.c.), mit welcher der Beklagten eine Auszahlung der Bürgschaftssumme an die Klägerin untersagt worden ist, steht einer Sachentscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht entgegen.
a) Zwar bestimmt Art. 26 Abs. 1 GVÜ, daß die in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidungen auch in den anderen Vertragsstaaten anerkannt werden, ohne daß es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Zu diesen Entscheidungen gehören auch einstweilige Maßnahmen im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes, soweit sie nicht ohne vorherige Ladung des Gegners ergangen sind (EuGH vom 21.05.1980, NJW 80, 2016; Zöller – Geimer, 21. Aufl., Art. 25 GVÜ Rn. 4 mwN). Durch die Anerkennung nach Art. 26 GVÜ entfaltet die ausländische Entscheidung dieselbe Wirkung wie im Urteilsstaat (EuGH vom 04.02.1988 – Hoffmann, NJW 89, 663), hier also wie in Italien. Nach italienischem Zivilprozeßrecht besteht indessen die Wirkung eines einstweiligen Auszahlungsverbots nicht darin, anderweitige Hauptsacheprozesse im Ausland generell auszuschließen. Das ergibt sich aus Art. 669 novies Abs. 4 c.p.c., wonach die einstweilige Verfügung ihre Wirkung u.a. dann verliert, wenn ein ausländisches Urteil feststellt, daß das der Verfügung zugrundeliegende Recht nicht besteht. Eine Sperrwirkung mit der Folge, daß eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Bürgschaftssumme in dem hier vorliegenden Rechtsstreit unzulässig wäre, kommt demnach der vom Landgericht Ravenna erlassenen einstweiligen Verfügung auch nach dem insoweit maßgeblichen italienischen Zivilprozeßrecht nicht zu. Das entspricht auch der im Gutachten vom Prof. Dr. Kindler vertretenen Rechtsauffassung, auf welches die Beklagte ausdrücklich Bezug nimmt.
b) Auf die Frage, ob der hier streitgegenständliche Anspruch aus der Bürgschaft vom 11.09.1995 unmittelbar das Recht betrifft, für welches die einstweilige Verfügung durch das Landgericht Ravenna gewährt wurde (Art. 669 novies Abs. 4 c.p.c.), kommt es somit nicht mehr an, ebensowenig auf die weitere Frage, ob die Beklagte zu der mündlichen Verhandlung über die einstweilige Verfügung am 26.03.1999 ordnungsgemäß und rechtzeitig geladen worden ist.
3. Das Landgericht war auch nicht gehalten, den vorliegenden Rechtsstreit nach Art. 21 Abs. 1 GVÜ auszusetzen.
Nach dieser Bestimmung hat das später angerufene Gericht sein Verfahren auszusetzen, wenn Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten anhängig gemacht werden. Diese Voraussetzungen liegen hier indessen ebenfalls nicht vor.
a) Soweit das einstweilige Verfügungsverfahren beim Landgericht Ravenna noch anhängig ist, begründet dies jedenfalls nicht den Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit nach Art. 21 GVÜ gegenüber der vorliegenden Klage. Denn das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und das vorliegende Hauptsacheverfahren betreffen nicht denselben Anspruch iSd Art. 21 GVÜ (Zöller – Geimer, Art. 21 GVÜ, Rn. 8 a). Zwar ist dieser Begriff konventionsautonom auszulegen (EuGH vom 08.12.1987 – Gubisch, NJW 89, 665; EuGH vom 06.12.1994 – Tatry, EuZW 95, 309) entsprechend dem mit dem Übereinkommen verfolgten Ziel, im Interesse einer geordneten Rechtspflege in der Gemeinschaft Parallelverfahren vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten und daraus möglicherweise resultierende gegensätzliche Entscheidungen zu verhindern (EuGH aaO). Indessen unterscheidet das Übereinkommen selbst zwischen Klagen (Art. 21, 22 GVÜ) und einstweiligen Maßnahmen (Art. 24 GVÜ). Der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit bezieht sich nach dem Wortlaut des Art. 21 GVÜ nur auf Klagen. Daß einer Klage ein in einem anderen Vertragsstaat früher anhängig gewordenes einstweiliges Verfügungsverfahren nicht entgegensteht, ergibt sich mittelbar auch aus der Regelung des Art. 24 GVÜ, wonach einstweilige Maßnahmen bei dem Gericht eines Vertragsstaates auch dann beantragt werden können, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Vertragsstaates zuständig ist (vgl. OLG Hamburg, OLGR 97, 149).
b) Allerdings ist beim Landgericht Ravenna im Anschluß an die auf Antrag der Firma I. erlassene einstweilige Verfügung gegen die Beklagte und den Kläger auch das entsprechende Hauptsacheverfahren anhängig geworden. Die von der Firma I. beim Landgericht Ravenna eingereichte Klageschrift ist der Beklagten am 20.04.1999 und der Klägerin am 21.06.1999 zugestellt worden. Auch dieses beim Landgericht Ravenna rechtshängige Hauptsacheverfahren begründet indessen nicht den Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit nach Art. 21 Abs. 1 GVÜ.
(1) Zwar spricht einiges für die von der Beklagten unter Bezugnahme auf das vorgelegte private Rechtsgutachten vertretene Auffassung, daß zwischen dem von der Firma I. beim Landgericht Ravenna geltend gemachten Auszahlungsverbot hinsichtlich der Bürgschaftssumme und dem im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Zahlungsanspruch aus dieser Bürgschaft Anspruchsidentität im Sinne des Art. 21 GVÜ besteht. Wie bereits ausgeführt, ist der Begriff „desselben Anspruchs“ im Sinne dieser Bestimmung konventionsautonom auszulegen, wobei sich diese Auslegung nach der Rechtsprechung des EuGH (NJW 89, 665; EuZW 95, 309) an dem Unvereinbarkeitsbegriff des Art. 27 Nr. 3 GVÜ orientiert und es nicht auf die Klageanträge ankommt, sondern darauf, ob der Kernpunkt beider Verfahren der gleiche ist (Zöller – Geimer aaO Rn. 13). Kernpunkt beider Verfahren ist die Frage, ob die Inanspruchnahme der Bürgschaft auf erstes Anfordern durch die Klägerin rechtsmißbräuchlich ist. Allerdings ist auch nicht zu verkennen, daß für die Frage der Rechtsmißbräuchlichkeit allein das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Firma S. maßgebend ist, während Grundlage des von der Firma I. geltend gemachten Auszahlungsverbots das Rechtsverhältnis zwischen dieser und der Beklagten ist, nämlich der von der Firma I. der Beklagten erteilte Avalauftrag zur Übernahme der Bürgschaft gegenüber der Klägerin und der damit verbundene Rückgriffsanspruch der Beklagten gegenüber der Firma I. bei Inanspruchnahme dieser Bürgschaft. Insofern liegen den jeweiligen Klageansprüchen unterschiedliche Rechtsverhältnisse zugrunde. Ob gleichwohl eine Anspruchsidentität im Sinne des Art. 21 GVÜ gegeben ist, kann indessen offen bleiben.
(2) Der Senat neigt auch zu der Auffassung, daß in dem beim Landgericht Ravenna anhängigen Hauptsacheverfahren die Rechtshängigkeit bereits vor dem 23.04.1999 eingetreten ist, als die vorliegende Klage der Beklagten zugestellt und damit rechtshängig geworden ist (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO).
Als das zuerst angerufene Gericht im Sinne des Art. 21 Abs. 1 GVÜ ist dasjenige anzusehen, bei dem die Voraussetzungen für die Annahme einer endgültigen Rechtshängigkeit zuerst vorliegen, wobei diese Voraussetzungen für jedes Gericht nach seinen nationalen Vorschriften zu beurteilen ist (EuGH vom 07.06.1984 – Zelger, NJW 84, 2759; BGH NJW 86, 662). Der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit für das beim Landgericht Ravenna anhängige Hauptsacheverfahren ist demgemäß nach den Vorschriften der italienischen Zivilprozeßordnung zu bestimmen. Danach tritt grundsätzlich die Rechtshängigkeit ebenfalls mit Zustellung der Klageschrift ein (Art. 39 Abs. 3 c.p.c.), die vom Landgericht Ravenna an die Beklagte zwar bereits am 20.04.1999 bewirkt worden ist, an die Klägerin aber erst am 21.06.1999 (Art. 1, 6 HZÜ).
Die Beklagte macht indessen geltend, daß nach italienischem Zivilprozeßrecht bei einem dem Hauptsacheverfahren vorgeschalteten Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes die Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage bereits mit Einreichung des Antrags auf Erlaß eines Arrestes oder – wie hier – einer einstweiligen Verfügung eintrete, jedenfalls aber mit dessen Zustellung, was sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung des einstweiligen Rechtschutzverfahrens und des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens als einheitliches Gesamtverfahren ergebe. Auch der Senat hat in einem früheren Urteil (IPrax 85, 338) unter Geltung des Art. 680 c.p.c. alter Fassung entschieden, daß bei einem vorgeschalteten Arrestverfahren die Rechtshängigkeit der nachfolgenden Hauptsacheklage bereits mit der Zustellung des Arrestantrages eingetreten ist. Ob daran auch nach der Prozeßrechtsreform in Italien durch das Gesetz Nr. 353 vom 26.11.1990 festzuhalten ist, durch das Art. 680 c.p.c. aufgehoben und durch Art. 669 octies c.p.c. ersetzt worden ist, kann indessen ebenfalls offen bleiben.
(3) Es fehlt nämlich jedenfalls an der nach Art. 21 Abs. 1 GVÜ weiter erforderlichen Identität der Parteien.
Allerdings ist auch dieser Begriff autonom für das GVÜ zu bestimmen. Dabei ist zwar die Identität der Parteien unabhängig von ihrer Stellung in den beiden Verfahren zu verstehen, so daß der Kläger des ersten Verfahrens Beklagter des zweiten Verfahrens sein kann (EuGH vom 06.12.1994 – Tatry; BGH NJW 95, 1758), die umgekehrte Parteirolle in beiden Verfahren also unerheblich ist. In jedem Fall müssen sich die Parteien in beiden Verfahren aber kontradiktorisch gegenüberstehen. Denn nach Art. 21 Abs. 1 GVÜ müssen die Klagen jeweils „zwischen“ den selben Parteien anhängig sein. Tatsächlich stehen sich die Parteien lediglich im vorliegenden Rechtsstreit gegenüber. In dem beim Landgericht Ravenna anhängigen Verfahren stehen die Parteien dagegen gemeinsam auf der Beklagtenseite der Firma I. gegenüber. Deshalb ist dieses Verfahren nicht „zwischen“ ihnen anhängig. Ob eine andere Beurteilung in Betracht käme, wenn die Interessen der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits in dem beim Landgericht Ravenna identisch und gleichgerichtet wären (vgl. EuGH vom 19.05.1998 – Drouot, EuZW 98, 443) bedarf keiner näheren Erörterung. Denn die Interessen der Klägerin und der Beklagten sind in dem beim Landgericht Ravenna geführten Rechtsstreit keineswegs identisch; ein wirtschaftliches Interesse an der Bekämpfung des von der Firma I. beim Landgericht Ravenna verfolgten Anspruchs hat ersichtlich allein die Klägerin, nicht dagegen die Beklagte als Bürgin.
4. Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, das Verfahren nach Art. 22 Abs. 1 GVÜ auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, daß die Rechtshängigkeit in dem beim Landgericht Ravenna geführten Hauptsacheverfahren schon mit Eingang des Antrags auf Erlaß der einstweiligen Verfügung am 26.02.1999 oder dessen Zustellung an die Klägerin am 06.04.1999 eingetreten ist (vgl. oben unter Ziffer 3 b), also vor Zustellung der Klage im vorliegenden Rechtsstreit.
Es besteht unzweifelhaft auch zwischen den beiden Verfahren ein Sachzusammenhang (Art. 22 Abs. 3 GVÜ), nämlich die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, deren Vermeidung auch Art. 22 GVÜ bezweckt (vgl. EuGH vom 06.12.1994 – Tatry).
Jedoch stand die Entscheidung über die Aussetzung nach Art. 22 Abs. 1 GVÜ im Ermessen des Landgerichts, das dazu keinen Anlaß gesehen hat. Dabei hat es sich ersichtlich – wie dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe zu entnehmen ist – auch von der Besonderheit des hier geltend gemachten Klageanspruchs leiten lassen, der auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gestützt ist. Diese Einschätzung teilt der Senat. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist nämlich dadurch gekennzeichnet, daß der Bürge auf erste vertragsgerechte Anforderung zur sofortigen Zahlung verpflichtet ist und Einwendungen oder Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis grundsätzlich erst in einem Rückforderungsprozeß geltend machen kann (BGH NJW 97, 1435, 1437). Dieser Zweck der Bürgschaft, dem Gläubiger kurzfristig liquide Mittel zu verschaffen, würde beeinträchtigt, wenn der vorliegende Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Landgericht Ravenna in dem dort anhängigen Hauptsacheverfahren vom Landgericht ausgesetzt worden wäre. In der Berufungsinstanz verbietet sich eine Aussetzung schon nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 GVÜ. Im übrigen hielte auch der Senat aus den vorgenannten Gründen eine Aussetzung nicht für angezeigt.
II. Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist aufgrund der erteilten Bürgschaft vom 11.09.1995, die nach der Vereinbarung der Parteien deutschem Recht unterliegt, zur Zahlung des geltend gemachten Betrages von 6.912.017,03 DM verpflichtet (§ 765 Abs. 1 BGB).
1. Bei der von der Beklagten erteilten Bürgschaft handelt es sich um eine Erfüllungsbürgschaft. Das ergibt sich schon aus der Bezeichnung als „Vertragserfüllungsbürgschaft“ und dem weiteren Inhalt der Bürgschaftsurkunde vom 11.09.1995, in der es zur Bezeichnung der gesicherten Hauptschuld heißt: „Nach den Bedingungen dieses Vertrages hat der Auftragnehmer (S.-GmbH) als Sicherheit für vertragsgemäße Ausführung der Leistungen dem Auftraggeber eine Bürgschaft im Gesamtwert von 15 % der Auftragssumme einschließlich MWST zu stellen.“
Daß es sich bei dem in Bezug genommenen Bauvertrag – trotz des abweichenden Datums in der Bürgschaftsurkunde – um den Vertrag vom 13./28.04.1995 (K 10) handelt, den die Firma S. mit weiterer Vereinbarung vom 26.07.1995 (K 11) übernommen hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Im übrigen hat sich die Beklagte in der Bürgschaftsurkunde zur Zahlung auf erstes Anfordern gegenüber der Klägerin verpflichtet, wobei diese befristete Verpflichtung (§ 777 BGB) bis zum 05.03.1999 verlängert worden ist.
2. Die Klägerin hat mit ihrem Schreiben vom 25.02.1999 die Beklagte rechtzeitig (§ 777 Abs. 1 BGB) und vertragsgerecht in Anspruch genommen mit der in der Bürgschaftsurkunde vorgesehenen Erklärung, die Firma S. sei ihren vertraglichen Verpflichtungen aus dem Bauvertrag nicht nachgekommen, insbesondere sei die Baumaßnahme mangelhaft und nicht in der vertraglich vereinbarten Zeit fertiggestellt worden. Auf dieses ordnungsgemäße erste Anfordern des von der Bürgschaft auch der Höhe nach gedeckten Betrages von 6.912.017,30 DM ist dieser zur Zahlung fällig geworden. Nach dem Vortrag der Klägerin umfaßt dieser Betrag Schadensersatzansprüche gegen die Firma S. wegen der unstreitig um 11 Monate verspäteten Fertigstellung (§ 286 Abs. 1 BGB) in Höhe von 5.603.820,52 DM und weitere Schadensersatzansprüche (§ 635 BGB) und/oder Ersatzvornahmekosten (§ 633 Abs. 3 BGB) wegen Mängelbeseitigungsarbeiten von 1.586.470,92 DM.
a) Daß diese Ansprüche – soweit sie bestehen – durch die streitgegenständliche Bürgschaft gesichert sind, wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Es bestehen auch sonst keine Bedenken dagegen, daß die Vertragserfüllungsbürgschaft den behaupteten Verzugsschaden umfaßt. Einer schlüssigen Darlegung dieses Schadens bedarf es nicht (BGH aaO).
Zweifelhaft könnte allenfalls sein, ob sich die Erfüllungsbürgschaft auch auf die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche erstreckt. Das ist indessen jedenfalls für die Mängel zu bejahen, die bereits im Zeitpunkt der Abnahme bestanden und von der Klägerin gerügt worden sind (vgl. BGH NJW 99, 55/57). Eines entsprechenden schlüssigen Vortrags der Klägerin bedarf es aber auch insoweit nicht (BGH NJW 94, 380).
b) Soweit die Beklagte das Vorliegen von Mängeln und/oder die Höhe der behaupteten Mängelbeseitigungskosten bestreitet, kann sie auch damit nicht durchdringen. Dasselbe gilt für die Behauptung der Beklagten, die Verzögerung bei der Fertigstellung des Bauvorhabens sei nicht von der Firma S. zu vertreten. Denn diese Streitfragen sind grundsätzlich im Rückforderungsprozeß auszutragen, es sei denn, daß ausnahmsweise der Einwand einer mißbräuchlichen, für jedermann klar erkennbaren Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung gemäß § 242 BGB durchgreift (BGH NJW 97, 1437).
3. Der von der Beklagten erhobene Einwand der unzulässigen Rechtsausübung greift nicht durch. Denn es ist weder offensichtlich noch liquide beweisbar, daß trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen der Bürgschaftsfall nicht eingetreten ist (vgl. BGH NJW 94, 380; 97, 255).
a) Zwar ist unstreitig, daß die Klägerin in dem Rechtsstreit mit den Bauherren behauptet, diese selbst hätten die eingetretene Bauverzögerung verursacht, und mit dieser Begründung u.a. Mehrkosten infolge Behinderung in Höhe von 5.411.800,‑ DM geltend macht, die der Firma S. entstanden seien. Andererseits hat die Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin S. die von dieser insoweit in Rechnung gestellten Mehrkosten von 4.918.407,‑ DM nicht akzeptiert.
Der Beklagten ist zwar zuzugeben, daß dieses Vorgehen der Klägerin gegenüber den Bauherren einerseits und der Firma S. andererseits objektiv widersprüchlich ist. Deswegen ist es aber noch nicht rechtsmißbräuchlich. Schon das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich bei der Abwicklung von größeren Bauvorhaben häufig die Situation ergibt, daß die Verantwortlichkeit für eingetretene Bauverzögerungen und auch Mängel zwischen den Baubeteiligten streitig und auch schwer aufzuklären ist. Wenn daher die Klägerin, die als Generalübernehmerin zwischen den Bauherren als Auftraggebern und der Firma S. als ihrer Nachunternehmerin steht, gegen ihre jeweiligen Vertragspartner unterschiedlich argumentiert, kann ihr dies nicht von vornherein als unredlich angelastet werden.
Insbesondere ist es nicht rechtsmißbräuchlich, wenn die Klägerin unter diesen Umständen in Höhe des Betrages, den die Bauherren wegen der eingetretenen Verzögerung vom Werklohn der Klägerin in Abzug gebracht haben, eine Schadensersatzforderung wegen Verzuges gegen die Firma S. geltend macht und in dieser Höhe die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch nimmt; dasselbe gilt für ihre eigenen verzugsbedingten Mehrkosten. Daß derartige Ansprüche der Klägerin gegen die Firma S. nicht bestehen, ist keineswegs offensichtlich oder liquide bewiesen.
b) Auch soweit die Klägerin Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 1.586.470,92 DM geltend macht und deswegen die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch nimmt, ist weder offensichtlich noch liquide beweisbar, daß der Klägerin dieser Anspruch gegen die Firma S. nicht zusteht. Die Klägerin hat diese Kosten bereits im Rahmen der Überprüfung der von der S. im September 1998 erteilten Schlußrechnung geltend gemacht (B 6). Da es sich insoweit nach Behauptung der Klägerin um beseitigte Mängel handelt, vermag der Senat auch keinen Widerspruch zu der Einlassung der Klägerin im Rechtsstreit mit den Bauherren zu erkennen, wonach lediglich noch Mängel in der Größenordnung von knapp 50.000,‑ DM vorhanden seien.
Soweit die Beklagte beanstandet, die Klägerin habe im Rahmen ihrer Prüfung der Schlußrechnung der Firma S. überhöhte Abzüge vorgenommen, ist dies für den vorliegenden Rechtsstreit unbeachtlich. Der Vorwurf des Rechtsmißbrauchs kann auch darauf nicht gestützt werden.