-
Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsteller erwirkte ein Versäumnisurteil eines belgischen Gerichts, wodurch der in Deutschland wohnhafte Antragsgegner zu einer Geldzahlung verurteilt wurde. Die das Verfahren einleitende Klageschrift nebst der Ladung zum Termin ging bei dem um Zustellung erbetenen deutschen Gericht am 26.5.1999 ein, wurde dem Antragsgegner selbst jedoch erst am 7.6.1999, mithin drei Tage vor dem Termin in Belgien, zugestellt. Der Antragsteller begehrte die Erteilung der Vollstreckungsklausel in Deutschland. Hiergegen wandte sich der Antragsgegner.
Das OLG Köln (DE) führt aus, dass hinsichtlich der Bestimmung der Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ auf die Vorschriften des Vollstreckungsstaats abzustellen sei. Nach deutschem Recht gelte das Schriftstück erst am 7.6.1999 als zugestellt. Angesichts der verbleibenden drei Tage bis zum Gerichtstermin sei die Zustellung nicht rechtzeitig im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Antragsteller erwirkte ein aufgrund mündlicher Verhandlung am 10.6.1999 ergangenes Versäumnisurteil des Friedensgerichts des 4. Cantons in Brüssel vom 16.6.1999, wodurch der Antragsgegner wegen einer anwaltlichen Kosten- und Honorarforderung zur Zahlung des Gegenwerts von 3.146,‑ DM in belgischen Francs nebst gesetzlicher Verzugszinsen verurteilt worden ist. Das Urteil ist dem Antragsgegner am 8.9.1999 zugestellt worden.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Köln – die Vorsitzende – den Antrag des Antragstellers auf Erteilung der Vollstreckungsklausel abgelehnt.
Die gegen den Beschluss der Kammervorsitzenden gerichtete Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (Art. 40 des europäischen Übereinkommens vom 27.9.68 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (EuGVÜ), §§ 16, 12 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen vom 30.8.1988 – AVAG –). In der Sache hat das Rechtsmittel aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung jedoch keinen Erfolg.
Mit Recht hat das Landgericht festgestellt, dass der Versagungsgrund des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vorliegt, wonach eine Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn dem Beklagten, der sich wie hier auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Letzteres ist nach gefestigter Rechtsprechung immer dann anzunehmen, wenn einmal die Einlassungsfrist von zwei Wochen, die das deutsche Recht (§ 274 Abs. 3 S. 1 ZPO) zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung in der Regel vorsieht, nicht gewahrt war und zum anderen auch objektiv die nach Zustellung der Ladung dem deutschen Beklagten verbleibende Zeit nicht ausreichte, für eine Verteidigung vor dem Gericht des Urteilsstaates zu sorgen (vgl. etwa BGH NJW 86, 2197). Ferner ist anerkannt, dass hierbei das Gericht des Vollstreckungsstaates lediglich den Zeitraum zu berücksichtigen hat, über den der Beklagte verfügte, um den Erlass einer vollstreckbaren Versäumnisentscheidung zu verhindern. Die Gerichte des Vollstreckungsstaates haben selbständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen einer Entscheidung die Anerkennung und die Vollstreckung zu versagen ist, erfüllt sind. Dabei sind sie nicht an die Bestimmungen des Prozessrechts des Urteilsstaats und an die Feststellungen der Gerichte im Urteilsstaat gebunden, denn das Europäische Übereinkommen soll dem Beklagten einen wirksamen Schutz seiner Rechte gewährleisten (vgl. BGH NJW 91, 641 und 86, 2197; OLG Köln NJW-RR 95, 446 und 90, 127; OLG Düsseldorf NJW 2000, 3290; OLG Hamm NJW-RR 88, 446).
Sonach ist hier davon auszugehen, dass der Antragsgegner die Ladung nebst Klageschrift nicht so rechtzeitig erhalten hat, um den Erlass eines Versäumnisurteils zu verhindern. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers muss entscheidungsunerheblich bleiben, dass die für den Antragsgegner bestimmte und ihm weiterzuleitende Ladung beim Amtsgericht Köln bereits am 26.5.1999 eingegangen war. Zwar mag nach dem belgischen Verfahrensrecht ein Schriftstück, das für eine Person im Ausland bestimmt ist, bereits in dem Zeitpunkt als zugestellt gelten, in dem der belgische Staatsanwalt es an das zuständige inländische Gericht weitergeleitet hat. Nach dem belgischen Recht wäre mithin die Zustellung durch Eingang des Antrags beim Amtsgericht Köln ordnungsgemäß vollzogen gewesen. Dieses Datum ist indes nach den vorstehenden Grundsätzen für die Frage der rechtzeitigen Zustellung der Ladung i.S. des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht maßgebend. Entscheidend ist vielmehr hier allein, ob dem Antragsgegner nach den Umständen des Einzelfalles von der tatsächlichen Zustellung der Ladung und der Klageschrift am 7.6.99 (Montag) und dem Tag des Verhandlungstermins am 10.6.99 genügend Zeit verblieb, um seine Verteidigung vorzubereiten und unter Beauftragung eines belgischen Rechtsanwalts den Erlass einer vollstreckbaren Versäumnisentscheidung zu verhindern. Das aber ist zu verneinen. Wäre der Rechtsstreit zwischen den Parteien im Inland rechtshängig gewesen, hätte eine Versäumnisentscheidung gegen den Antragsgegner nicht ergehen dürfen (§ 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Abgesehen davon hätte hier eine sachgerechte Verteidigung innerhalb der sehr kurzen Zeitspanne nur unter ganz besonderen Anstrengungen bewerkstelligt werden können, die vom Antragsgegner nicht zu verlangen waren.
Hat mithin das Landgericht mit Recht und zutreffender Begründung das belgische Versäumnisurteil nach dem Europäischen Übereinkommen nicht für vollstreckbar erklärt, kann vernachlässigt werden, ob das Urteil entgegen der Darstellung des Antragstellers wegen eines vom Antragsgegner eingelegten und noch unbeschiedenen Einspruchs noch nicht rechtskräftig ist, wie die Beschwerdeerwiderung geltendmacht.