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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte ein Teilurteil des Handelsgerichts Turnhout (BE), wodurch die Antragsgegnerin zur Zahlung von drei Millionen belgischen Francs verurteilt wurde. Die Antragsgegnerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Durch den angefochtenen Beschluss des örtlich zuständigen deutschen Landgerichts wurde das Urteil in Deutschland für vollstreckbar erklärt. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin.
Das OLG Köln (DE) entscheidet, dass dem Urteil des Handelsgerichts Turnhout (BE) die Vollstreckungsklausel zu Recht erteilt worden sei. Der Antrag sei nicht aus formellen Gründen zurückzuweisen gewesen. Welche Urkunden dem Antrag beizufügen waren, ergebe sich aus dem EuGVÜ und zwar aus Art. 33 Abs. 3, 47 Nr. 1 EuGVÜ. Zwar sei richtig, dass im Fall, dass ein belgisches Urteil gegen einen Schuldner in Deutschland vollstreckt werden solle, vor der Einleitung der Zwangsvollstreckung eine Zustellung des Urteils an die Schuldnerin erfolgt sein müsse, und dass diese vorherige Zustellung im Zeitpunkt der Antragstellung fehle. Jedoch habe die Antragstellerin diese Zustellung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nachgeholt.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Antragstellerin erwirkte ein am 27.10.99 verkündetes Teilurteil der Ersten Kammer des Handelsgerichts Turnhout, Provinz Antwerpen/Belgien, Az. „A.R. 99/2185, Repertorium Nr. 5374“, wodurch die Antragsgegnerin zur Zahlung von drei Mio. Belgische Franc verurteilt wurde. Die Antragsgegnerin hat gegen das Urteil am 3.1.2000 beim Berufungsgerichtshof in Antwerpen Berufung eingelegt.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 20.12.99 ordnete das örtlich zuständige Landgericht Bonn – der Vorsitzende – auf den Antrag der Antragstellerin vom 8./9.12.99 ohne Anhörung der Antragsgegnerin an, dass das Urteil des Handelsgerichts Turnhout mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Aufgrund der Anordnung ist von der zuständigen Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts am 10.1.2000 die Vollstreckungsklausel erteilt und sodann eine beglaubigte Abschrift des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Schuldtitels nebst seiner Übersetzung der Antragsgegnerin von Amts wegen am 11.1.2000 zugestellt worden.
Die gegen den Beschluss des Kammervorsitzenden gerichtete und innerhalb der Monatsfrist eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin vom 20.1.2000 ist zulässig (Art. 36, 37 I des Europäischen Übereinkommens vom 27.9.68 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (EuGVÜ), §§ 11 I, 12 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen vom 30.8.1988 – AVAG –). In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Das Vorbringen der Antragsgegnerin rechtfertigt nicht die Aufhebung der Klauselerteilung. Zum einen sind sachliche Gründe, die gemäß Art. 34 II, 27, 28 EuGVÜ eine Ablehnung des Antrags der Antragstellerin rechtfertigen, weder dargetan noch ersichtlich.
Zum anderen ist der Antrag aber auch nicht aus formellen Gründen zurückzuweisen. Welche Urkunden dem Antrag beizufügen waren, ergibt sich aus dem EuGVÜ, und zwar aus Art. 33 III, 47 Nr. 1. Nach den genannten Vorschriften hat die Antragstellerin, die die Zwangsvollstreckung betreiben will, mit dem Antrag „die Urkunden vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats vollstreckbar ist und dass sie zugestellt worden ist ....“
Zunächst unzutreffend ist der Einwand der Antragsgegnerin, im Urteil sei eine vorläufige Vollstreckbarkeit nicht vorgesehen. Auf S. 3 des Urteils befindet sich der Sichtvermerk des Gerichts vom 16.11.99, wonach es – in deutscher Übersetzung – den Auftrag und Befehl erteilt, „dass jeder hierzu aufgeforderte Gerichtsvollzieher dieses Urteil vollstrecken lassen soll ...“. Damit ist urkundlich nachgewiesen, dass das Urteil nach belgischem Recht vollstreckbar ist. An der Vollstreckbarkeit des Urteils hat sich durch die Berufungseinlegung nichts geändert. Unrichtig ist der Einwand, nach der belgischen ZPO sei mit der Einlegung der Berufung das handelsgerichtliche Urteil automatisch nicht mehr vollstreckbar, und zwar auch nicht im Wege der vorläufigen Vollstreckbarkeit. Der von der Antragsgegnerin selbst für diese Meinung herangezogene Art. 1397 ZPO (Belgien) besagt – in der deutschen Übersetzung – das gerade nicht, sondern nur, dass die Gegenpartei dem Endurteil entgegentreten und „den Antrag stellen“ kann, „die Vollstreckung vorläufig außer Kraft zu setzen“. Eine Berufungseinlegung hat sonach nicht zwangsläufig die Einstellung der Vollstreckung zur Folge, diese setzt vielmehr – wie in Deutschland – eine erst auf einen diesbezüglichen Antrag mögliche entsprechende Entscheidung des Berufungsgerichts voraus.
Richtig ist lediglich der Einwand, dass im Fall, dass ein belgisches Urteil gegen einen Schuldner in Deutschland vollstreckt werden soll, vor der Einleitung der Zwangsvollstreckung und damit vor der Beantragung der Vollstreckungsklausel eine Zustellung dieses Urteils an die Schuldnerin erfolgt sein muß, und dass diese vorherige Zustellung im Zeitpunkt der Antragstellung fehlte. Die im Beschwerdeverfahren angehörte Antragstellerin hat jedoch die Zustellung inzwischen nachgeholt und durch Vorlage der Zustellungsurkunde vom 22.2.2000 auch nachgewiesen. Die Zustellung genügt den Bestimmungen des Internationalen Übereinkommens über die Zustellung und die Anzeige von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 und des deutsch-belgischen Abkommens vom 24.4.1959 zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß, wonach die Zustellung eines belgischen Zivilurteils durch Übergabe einer vollstreckbaren Ausfertigung an die zuständige Staatsanwaltschaft des Gerichts erster Instanz in Belgien zu erfolgen hat. Darüberhinaus hat der Gerichtsvollzieher ausweislich der überreichten Zustellungsurkunde eine Kopie der Unterlagen gemäß Art. 40 des BGüGAGZ zugleich an die Adresse der Antragsgegnerin in Deutschland geschickt und den Einlieferungsschein seiner Zustellungsurkunde beigefügt. Damit stellt sich nur noch die Frage, ob die Zustellung des Urteils während des vorliegenden Verfahrens und die zunächst unterbliebene Vorlage des Zustellungsnachweises nach Einreichung des Antrags wirksam nachgeholt werden konnte. Das ist zu bejahen für den Fall, dass die nationalen Verfahrensvorschriften dies gestatten, und sofern der Schuldner über eine angemessene Frist verfügt, um dem Urteil freiwillig nachzukommen, und sofern die Partei, die die Vollstreckung beantragt, die Kosten eines etwa unnötigen Verfahrens trägt (vgl. EuGH IPRax 97, 186). Danach ist der hier dem Antrag anhaftende Mangel durch die nachgeholte Zustellung als geheilt anzusehen. Gemäß § 750 ZPO muss bei Beginn der Zwangsvollstreckung ein Urteil nicht bereits zugestellt sein, sondern kann auch gleichzeitig zugestellt werden. Zur freiwilligen Zahlung hatte die Antragsgegnerin hinreichend Zeit und Gelegenheit, zudem belegt die Nichtzahlung, dass von einem unnötig eingeleiteten Verfahren keine Rede sein kann.
Eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens im Hinblick auf die beim Berufungsgericht Antwerpen eingelegte Berufung gegen das Teilurteil kommt nicht in Betracht. Zwar kann der Senat nach pflichtgemäßem Ermessen eine solche Aussetzung gemäß Art. 38 I EuGVÜ bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts anordnen, sie setzt aber zunächst einmal einen Antrag voraus, der hier – aus welchen Gründen auch immer – von der Antragsgegnerin nicht gestellt ist. Abgesehen davon wären – wie der Senat im Beschluß vom 20.12.95 – 16 W 48/95 – (OLG Köln-Report 1996, 98) bereits entschieden hat – die mutmaßlichen Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Ursprungsstaat zu berücksichtigen, wobei das Verfahren grundsätzlich nur ausgesetzt werden sollte, wenn die zu vollstreckende Entscheidung ersichtlich fehlerhaft ist. Auch dafür wäre nichts dargetan oder ersichtlich. Der Senat macht allerdings von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, wegen des anhängigen Berufungsverfahrens und der Unsicherheit seines Ausgangs gemäß Art. 38 III EuGVÜ iVm § 37 I S. 3 AVAG die Zwangsvollstreckung aus dem handelsgerichtlichen Urteil von einer Sicherheitsleistung der Antragstellerin abhängig zu machen. Das Teilurteil enthält eine die Sicherheitsleistung betreffende Regelung nicht, ferner würden die derzeit für die Antragsgegnerin aus Art. 39 EuGVÜ iVm §§ 6 ff AVAG folgenden Vollstreckungsbeschränkungen (Sicherungsvollstreckung) mit dem Erlass der Beschwerdeentscheidung wegfallen (vgl. OLG Stuttgart RIW 97, 686 mwN).
Der Höhe nach soll die Sicherheitsleistung den Schuldner vor dem Schaden bewahren, der sich bei einer Vollstreckung der vorläufig vollstreckbaren Entscheidung ergeben kann. Weil im Teilurteil keine Kostenentscheidung getroffen ist, hat die Antragstellerin entsprechend § 709 ZPO und § 232 BGB Sicherheit in Höhe der Teilurteilssumme leisten, die sie entsprechend §§ 232, 239 BGB auch durch eine Bankbürgschaft erbringen kann, und zwar im Inland, denn die Sicherheit muss im Vollstreckungsstaat bestehen (vgl. Stuttgart RIW 97, 684 mwN).