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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin ist eine niederländische Gemeinde. Der deutsche Beklagte ist Halter eines Fahrzeuges mit deutschem amtlichen Kennzeichen. Mit diesem befand er sich im Juli 1992 auf einer Urlaubsreise in den Niederlanden. Das Fahrzeug des Beklagten wurde auf einem Parkplatz der niederländischen Gemeinde abgestellt, ohne dass zuvor das notwendige Parkraumbenutzungsentgelt entrichtet wurde. Am Fahrzeug des Beklagten wurde ein Bescheid angebracht, mit dem eine Tagespauschale von 66,50 Hfl in Rechnung gestellt wurde. Als der Beklagte hierauf nicht reagierte, nahm die Klägerin die Dienste eines Gerichtsvollziehungsbüros in Anspruch. Dieses fertigte ein Schriftstück aus, in dem neben der Tagespauschale von 66,50 Hfl auch vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 10 Hfl sowie die Kosten der Inanspruchnahme des Gerichtsvollziehungsbüros in Höhe von 50 Hfl enthalten waren. Daraufhin bezahlte der Beklagte 66,50 Hfl. Die Klägerin klagt nunmehr vor einem deutschen Gericht auf Zahlung von 60 Hfl zuzüglich 4% Zinsen.
Das Amtsgericht Münster (DE) entscheidet, dass die deutschen Gerichte für die Durchsetzung von Ansprüchen, die aus dem öffentlichen Recht eines anderen Staates entstehen, funktional unzuständig seien. Im übrigen lasse sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch nicht aus den Regeln des EuGVÜ ableiten. Gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 2 EuGVÜ gelange das Übereinkommen auf Steuer- und Zollsachen nicht zur Anwendung. Bei den mit der Klage geltend gemachten Mahnkosten handele es sich jedoch ihrer Natur nach um eine Steuerforderung.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Beklagte war Halter des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen …. Mit diesem befand er sich im Juli 1992 mit seiner Familie auf einer Urlaubsreise in den Niederlanden.
Die Klägerin behauptet das Fahrzeug sei am 29.07.1992 auf einem Parkplatz der klagenden Gemeinde abgestellt worden, ohne daß das notwendige Parkraumbenutzungsentgelt zuvor entrichtet worden sei. Es sei ein Bescheid am Fahrzeug des Beklagten angebracht worden, mit dem die Tagespauschale von 66,50 Hfl. in Rechnung gestellt worden sei. Die Höhe dieses Entgeltes ergäbe sich aus Art. 276 a Gemeentewet in Verbindung mit der von der Gemeinde erlassenen Entgeltordnung. Aus Art. 276 a Abs. 5 Gemeentewet ergebe sich die Halterhaftung. Die Klägerin ist der Ansicht, daß die Niederländische Gesetzgebung nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB auf den Sachverhalt Anwendung finde, da die engsten Verbindungen des Sachverhaltes zu den Niederlanden bestünden, denn es sei ein Vertrag in den Niederlanden geschlossen worden.
Weiter behauptet die Klägerin, der Beklagte sei unter dem 24.09.1993 gemahnt worden.
Nachdem keine Reaktion des Beklagten erfolgte, nahm die Klägerin unstreitig die Hilfe des Gerichtsvollzieherbüros Boonstoppel in Anspruch. Dieses fertigte ein mit „Dwangbevel“ bezeichnetes Schriftstück aus, in dem neben der Tagespauschale von 66,50 Hfl auch vorgerichtliche Mahnkosten der Gemeinde … in Höhe von 10,‑ Hfl sowie Kosten der Inanspruchnahme des Gerichtsvollzieherbüros Boonstoppel in Höhe von 50,‑ Hfl enthalten waren. Diesen „Dwangbevel“ stellten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin dem Beklagten unter dem 06.04.1994 zu. Darauf zahlte der Beklagte einen Betrag von 60,‑ DM, was einem Betrag von 66,50 Hfl entspricht.
Die Klägerin stellt den Antrag,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 60,‑ Hfl sowie 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet, zu der fraglichen Zeit ein Parkvergehen begangen zu haben und bestreitet mit Nichtwissen, daß ein Familienmitglied ein Parkvergehen begangen habe und daß an dem Fahrzeug ein Nacherhebungsbescheid in Höhe von 66,50 Hfl angebracht worden sei.
Er bestreitet außerdem, ein Mahnschreiben der Gemeinde … erhalten zu haben. Von der Forderung habe er erst durch das seitens der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zugestellte Schreiben vom 06.04.1994 erfahren. Die Zahlung von 60,‑ DM sei ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt, um den Vorgang wegen des geringfügigen Betrages zum Abschluß zu bringen.
Der Beklagte rügt die funktionale Zuständigkeit des Gerichtes und erhebt die Einrede der Verjährung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig.
Die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ergibt sich aus der Art des geltend gemachten Anspruches.
Eine funktionale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für die Durchsetzung von Ansprüchen, die aus dem öffentlichen Recht eines anderen Staates entstehen, ist nicht gegeben (Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 2. Aufl. 1993, Rn. 1975 f; Kegel, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 1987, § 23 I 1).
Eine internationale Zuständigkeit des Gerichtes ergibt sich auch nicht aus Art. 6 des Brüsseler EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ). Dieses ist nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 nicht auf Steuer- und Zollsachen anwendbar, im übrigen handelt es sich vorliegend auch nicht um eine gerichtliche Entscheidung.
Die mit der Klage geltend gemachten Mahnkosten sind solche der Steuereintreibung und mithin als Ansprüche aus öffentlichem Recht anzusehen. Denn bei der zugrunde liegenden Forderung handelt es sich nach dem maßgeblichen niederländischen Recht um eine Steuerforderung. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. s 276 a Abs. 1 Gemeentewet (Gemeindegesetz). Hier heißt es in Übersetzung:
1. Im Rahmen der Parkregulierung können die folgenden Steuern erhoben werden:
a) eine sachliche Besteuerung des Parkens eines Fahrzeuges auf durch Steuerverordnung oder Kraft der Steuerverordnung in den darin angeführten Fällen durch „Burgemeester en wethouders“ zu bestimmenden Plätzen, Zeitabschnitten und Art und Weise;
(…)
Dies verkennt die Klägerin, die das niederländische Wort „belasting“ (=Steuer) unrichtig mit „Entgelt“ übersetzt.
Auch aus der Entstehungsgeschichte der Gemeentewe ergibt sich, daß es die Intention des niederländischen Gesetzgebers war, durch die Erhebung einer sachlichen Steuer das Parkverhalten der Bürger im Sinne einer gesetzeskonformen Parkraumbenutzung positiv zu beeinflussen.
Die Klägerin entstellt den Sinn der Entstehungsgeschichte der Gemeentewet, wenn sie aus dem Kommentar „Van Luenen: De Gemeentewet en haar toepassing“ (Misset Uitgeverij, 1992) die Kommentierung zu Art. 276 a Rn. 22-28 wie folgt übersetzt (Anlage zur Klageschrift, Blatt 28 der Akten):
Es geht hierbei um eine zufriedenstellende, mit fiskalen Instrumenten sichergestellte Einforderung der gewünschten Parkplatzgebühr.
Richtig muß diese die gesetzgeberische Intention erläuternde Stelle lauten:
Es geht hierbei um ein vollständig mit fiskalen Instrumenten bewirktes Fördern des gewünschten Parkverhaltens.
Es handelt sich auch nicht um einen durch sozialtypisches Verhalten geschlossenen Vertrag. Durch das Einstellen des Fahrzeuges erfolgt kein Vertragsschluß, sodern ein Unterwerfen unter die gesetzlich vorgesehene Besteuerung. Denn durch die steuerliche Ausgestaltung des Verhältnisses bei der Parkraumbenutzung wird ein Verhalten, nämlich das Abstellen eines Fahrzeuges auf entsprechend gekennzeichneten Plätzen besteuert. Dabei bestimmt sich die Höhe der Steuer u. a. nach der Parkdauer. Diese Steuer ist, durch Bedienung eines Parkautomaten, vorab für einen bestimmten Zeitraum zu entrichten. Sofern der Parkende seine Absicht, nur kurz zu parken, nicht durch Vorabentrichtung der Steuer und das Auslegen eines entsprechenden Beleges im Fahrzeug kundtut, wird die Parksteuer mit einer entsprechenden Gebühr nacherhoben. Dies war vorliegend der Fall.
Ansprüche, die aus dem öffentlichen Recht eines anderen Staates fließen, können vor ausländischen Gerichten aber grundsätzlich nicht durchgesetzt werden, denn einem ausländischen Staat wird zur Durchsetzung seiner Steuer- und Gebührenforderungen der inländische Justizapparat nicht zur Verfügung gestellt (BGH in WM 70, 785, 786; Geimer aaO Rn. 1976 m w. N.; KG in OLGE 20, 91).