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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin erwirkte gegen den Antragsgegner ein Urteil des Amtsgerichts Manacor (ES), das letzteren zur Zahlung einer Geldsumme verurteilte. Obwohl der Antragstellerin die Anschrift des Antragsgegners bekannt war, ließ sie ihm die Klageschrift nicht direkt zukommen, sondern bediente sich der öffentlichen Zustellung. Der Antragsgegner ließ sich auf das Verfahren nicht ein und wurde verurteilt. Mögliche Rechtsmittel gegen das Urteil legte der Antragsgegner nicht ein. Die Antragstellerin begehrte, das Urteil in Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Hiergegen wandte sich der Antragsgegner.
Das OLG Köln (DE) führt aus, dass dem Urteil die Vollstreckungsklausel nicht erteilt werden könne. Da der Antragstellerin der Aufenthaltsort des Antragsgegners bekannt gewesen sei, habe sie die Klageschrift nicht im Wege der öffentlichen Zustellung zustellen lassen dürfen. Dadurch sei dem Antragsgegner die Möglichkeit genommen worden, sich zu verteidigen. Dass sich der Antragsgegner gegen das Urteil nicht durch die Einlegung von Rechtsmitteln gewehrt habe, sei ebenfalls ohne Belang. Im vorliegenden Fall sei nämlich, soweit ersichtlich, im Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntniserlangung des Antragsgegners von dem Urteil die ausweislich der Entscheidung 5 Tage nach Zustellung betragende Einspruchsfrist abgelaufen. Er sei daher nicht mit den Einwendungen präkludiert, die er im Rechtsmittelverfahren hätte geltend machen können.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die nach Art. 36, 37 EuGVÜ zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache Erfolg. Die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Bezirksgerichts Manacor vom 14.7.1998 ist zu Unrecht erfolgt, da ein Ablehnungsgrund nach Art. 34 Abs. 2, 27 Nr. 2 EuGVÜ bestand.
1. Die Klageschrift als das das Verfahren einleitende Schriftstück ist dem Antragsgegner nämlich nicht ordnungsgemäß und so rechtzeitig im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zugestellt worden, daß er sich verteidigen konnte.
Die Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks, der Klageschrift, ist zwar formell ordnungsgemäß durch öffentliche Zustellung erfolgt, da die Antragstellerin vor dem Bezirksgericht in Manacor angegeben hatte, die Anschrift des Antragsgegners sei unbekannt. Sie war zum einen aber materiellrechtlich nicht gerechtfertigt, da der Antragstellerin tatsächlich die Wohnanschrift des Antragsgegners in Bonn bekannt war, zum anderen hatte der Antragsgegner auch aufgrund der öffentlichen Zustellung tatsächlich keine Möglichkeit, sich in dem Verfahren zu verteidigen.
Insbesondere in den Fällen der öffentlichen Zustellung hat der Beklagte, wenn ihm das Verfahren nicht auf sonstige Art und Weise zur Kenntnis gelangt, tatsächlich keine Möglichkeit, sich in dem Verfahren zu verteidigen. Auch diese Fälle sind daher grundsätzlich von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ erfaßt (vgl. Zöller/Geimer ZPO, 21. Aufl. Art. 27 Rn. 22; Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht, 3. Aufl. Rn. 2928, 2929). Ob die Vollstreckbarkeit stets zu versagen ist, wenn das Schriftstück, sei es aufgrund öffentlicher Zustellung, sei es aufgrund einer Zustellung durch Niederlegung, den Beklagten tatsächlich nicht erreicht hat, oder ob eine Abwägung aufgrund der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist (vgl. Geimer aaO Rn. 2929, EuGH NJW 1986, 1425; OLG Köln NJW-RR 1990, 127, 128), kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall war die öffentliche Zustellung nämlich materiell nicht berechtigt, da der Antragstellerin die Anschrift des Antragsgegners in Bonn unstreitig bekannt war. Aus der Nichtbeantwortung des zuvor dem Antragsgegner an seine Bonner Adresse übersandten Anwaltsschreibens vom 7.10.1996 konnte die Antragstellerin nicht schließen, daß das Schreiben den Antragsteller nicht erreicht hatte. Ihre Angabe vor dem Bezirksgericht Manacor, die Anschrift des Antragsgegners sei unbekannt, war daher unrichtig. Die Antragstellerin hat damit veranlaßt, daß dem Antragsgegner das das Verfahren eröffnende Schriftstück öffentlich zugestellt wurde mit der Folge, daß er sich gegen die Klage nicht verteidigen konnte.
2. Der Antragsteller ist auch mit seinem Vorbringen, er habe sich in dem Verfahren vor dem Bezirksgericht Manacor nicht verteidigen können, nicht deshalb präkludiert, weil er gegen das Urteil des Amtsgerichts Manacor Rechtsmittel hätte einlegen können.
Ob die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung die Rüge eines Verfahrensverstoßes im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung grundsätzlich präkludiert (vgl. zum Meinungsstand Zöller/Geimer Art. 27 Rn. 18), kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall war nämlich, soweit ersichtlich, im Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntniserlangung des Antragsgegners von dem Urteil des Bezirksgerichts Manacor die ausweislich des Urteils 5 Tage nach Zustellung betragende Einspruchsfrist abgelaufen. Daß dem Antragsgegner das Urteil vor der Vollstreckbarerklärung durch das Landgericht im vorliegenden Verfahren tatsächlich an seinem Wohnort zugestellt worden ist, und nicht nur, wie das das Verfahren einleitende Schriftstück auch, durch öffentliche Zustellung, behauptet die Antragstellerin nicht. Abgesehen davon, war die Frist von 5 Tagen auch nicht ausreichend, um den Antragsgegner, der erstmals mit dem Verfahren konfrontiert wurde, in die Lage zu versetzen, sich ordnungsgemäß durch Einlegung des Rechtsmittels in Spanien zu verteidigen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin durch ihre unrichtigen Angaben eine rechtzeitige Einlassung des Antragsgegners während des Verfahrens verhindert hat. Auch aus diesem Grunde kann eine Präklusion, auch wenn nach spanischem Recht weitere Rechtsmittel gegen das Urteil nach Ablauf der Einspruchsfrist möglich gewesen wären, nicht eingreifen.