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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragsteller haben gegen den Antragsgegner vor einem französischen Gericht ein Urteil auf Schadensersatz erstritten. Das Urteil enthielt zwar einen Ausspruch über die Verzinsung des Geldbetrages, jedoch keinen Ausspruch über die Verurteilung zu Zinseszinsen. Die Antragsteller begehrten, das Urteil in Deutschland auch hinsichtlich von Zinsenszinsen für vollstreckbar zu erklären. Hiergegen wandte sich der Antragsgegner.
Das OLG Frankfurt (DE) führt aus, dass die deutsche Vollstreckungsklausel jedenfalls dann nicht für Zinseszinsen erteilt werden könne, wenn weder die Zinsen im Urteil kapitalisiert, noch die Zinseszinsen ausgeurteilt worden seien. Dazu bedürfe es auch nach französischem Recht eines eigenen Antrags, so dass eine Verurteilung zur Leistung von Zinseszinsen auch nicht automatisch von Amts wegen erfolge. Da dem Urteil durch das Vollstreckbarkeitsverfahren nur diejenige Wirkung zukommen solle, die es auch im Urteilsstaat habe, sei dem Urteil hinsichtlich der Zinseszinsen folglich die Vollstreckbarkeit zu versagen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerinnen zu 2) und 3) haben am 10.03.1992 bei der ersten Zivilkammer des Tribunal de Grande Instance in Straßburg (Az: RG 90-1112 DGB/NR, Bl. 73 ff. der Akten) ein kontradiktorisches Urteil gegen die Antragsgegner wegen ihrer Ersatzansprüche für die Folgen eines schweren Verkehrsunfalls erwirkt. Wegen der Zinsen, die seit der Verurteilung bis zur vollständigen Bezahlung der ausgeurteilten Beträge angefallenen sind, hat der Senat durch Beschluß vom 09.04.1998 (20 W 7/98, Bl. 7 ff. der Akten = RIW 1998, 474 = OLGR Frankfurt 1998, 248) angeordnet, dass das genannte Urteil mit der Vollstreckungsklausel mit der Maßgabe zu versehen sei, dass die Antragsgegner als Gesamtschuldner noch zur Zahlung von Zinsen verpflichtet seien und zwar in Höhe von 422.045,59 FF gegenüber dem Antragsteller zu 1), in Höhe von 158.806,59 FF bezüglich der Antragstellerin zu 2) und in Höhe von 25.488,80 FF bezüglich der Antragstellerin zu 3). Dabei hat der Senat in den Gründen ausgeführt, dass die angefallenen Zinsen nur zur Vereinfachung der Vollstreckung als Gesamtbetrag angesetzt worden seien.
Im vorliegenden Verfahren haben die Antragsteller nunmehr auch die Vollstreckbarerklärung von Zinseszinsen geltend gemacht (Bl. 1 – 6 der Akten). Dazu haben sie auf Art. 1154 CC verwiesen, der folgenden Wortlaut hat:
„Les intérêts échus des capitaux peuvent produire des intérêts, ou par une demande judiciaire, ou par une convention spéciale, pourvu que, soit dans la demande, soit dans la convention, il s'agisse d' intérêts dus au moins pour une année entière.“
Zu Deutsch:
„Fällige Zinsen aus Kapital können wieder Zinsen hervorrufen, entweder in Folge eines gerichtlichen Antrages oder aufgrund einer besonderen Übereinkunft, vorausgesetzt, dass es sich sowohl bei dem Antrage als auch bei der Übereinkunft um Zinsen handelt, welche wenigstens für ein ganzes Jahr geschuldet sind.“
Die Antragsteller haben weiter vorgebracht, dass diese Rechtsvorschrift von besonderer Relevanz sei, da diese dem Ordre public zugeteilt worden und somit zwingender Natur sei. Dies folge aus Art. 6 CC, der in französischer und deutscher Sprache wie folgt lautet:
„On ne peut déroger, par des conventions particulières, aux lois qui intéressent l'ordre public et les bonnes mœurs.“
„Von den Gesetzen, welche die öffentliche Ordnung und die guten Sitten angehen, kann durch Privatverträge nicht abgewichen werden.“
Das Landgericht hat durch Beschluß vom 30.06.1998 (Bl. 25 ff. der Akten) dem Antrag in vollem Umfang entsprochen. Dieser Beschluß ist dem Antragsgegner zu 1) und den Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) am 18.09.1998 zugestellt worden (Bl. 36 – 38 der Akten). Mit ihrer am 09.10.1998 bei den Frankfurter Justizbehörden eingegangenen Beschwerde, die sie am 06.11.1998 begründet haben, machen die Antragsgegner geltend, dass nach Art. 1154 CC Zinseszinsen nur verlangt werden könnten, wenn sie auf Antrag durch das zuständige Gericht kapitalisiert seien. Dies sei hier nicht erfolgt. Im übrigen seien Zinseszinsen unzulässig (Beweis: Rechtsauskunft des zuständigen Max-Planck-Instituts für ausländisches Privatrecht).
Die Antragsgegner beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.06.1998 den Antrag auf Erteilung der deutschen Vollstreckungsklausel vom 25.05.1998 kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen.
Die Antragsteller bleiben bei ihrer Ansicht, dass auf die im Senatsbeschluss ausgewiesenen Zinsbeträge weitere Zinsen zu zahlen seien. Hilfsweise sei das Verfahren auszusetzen, um ihnen die Möglichkeit zu gewähren, den Antrag in Frankreich zu formulieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Entscheidungen und die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst ihren Anlagen, sowie auf die Zwischenverfügung der Berichterstatterin vom 07.01.1999 (Bl. 66 der Akten) verwiesen.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Für die Vollstreckungszulassung ist das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 (EuGVÜ; BGBl 72 II 774, in der Fassung des Beitritts-Übk v. 26.05.1989, BGBl 94 II 519) maßgeblich. Danach ist die Beschwerde der Antragsgegner zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt (Art. 36 ff. EuGVÜ in Verbindung mit §§ 11 und 12 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz – AVAG) vom 30.05.1988, BGBl. 662, geändert durch Art. 3 G. v. 30.09.1994, BGBl II 2658).
Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben.
Das französische Urteil enthält keinen Ausspruch über die Verurteilung zu Zinseszinsen. Desgleichen sind in dem Urteil auch die Zinsen nicht kapitalisiert worden. Solches läßt sich aus dem französischen Urteil nicht herauslesen, ebenso nicht eine entsprechende Antragstellung. Die von den Antragstellern angesprochene Verwendung der Worte „capitalise“ und „capitalisation“ in dem genannten Urteil steht nicht im Zusammenhang mit der Regelung von Zinsen oder Zinseszinsen. Das Urteil befasst sich dort mit der Kapitalisierung von wiederkehrenden Mehraufwendungen für Drogerieartikel und Bekleidung sowie mit der Kapitalisierung von Einkommensverlust. Mit einer Regelung von Zinseszinsen hat dies nichts zu tun, worauf die Antragsgegner auch hingewiesen haben. Folglich fehlt es an einer ausländischen Entscheidung hinsichtlich der Zinseszinsen.
Zwar geht die neuere deutsche Rechtsprechung davon aus, dass es der Erteilung einer Vollstreckungsklausel nicht entgegensteht, wenn weder in der Entscheidungsformel noch in den Gründen die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes genannt ist (Senatsbeschluß, aaO, mwN). Der Senat hat in dem genannten Beschluss auch die Ansicht vertreten, dass es der Erteilung einer Vollstreckungsklausel nicht entgegenstehe, wenn das französische Urteil keinen Ausspruch darüber enthalte, dass die ausgeworfenen Beträge mit den gesetzlichen Zinsen zu verzinsen seien. Diese Ansicht gründet auf Art. 1153 CC, der ausdrücklich bestimmt, dass in jedem Rechtsgebiet die Verurteilung zu einer Entschädigungszahlung Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz zur Folge habe, und zwar selbst dann, wenn ein solcher Antrag in der Klage fehle oder das Urteil hierüber keinen besonderen Ausspruch enthalte. Lediglich weil in Art. 1153 CC deutlich wird, dass die Verzinsungspflicht automatisch eintritt, hat der Senat über den Wortlaut des französischen Urteils hinaus angeordnet, dass das französische Urteil hinsichtlich der Zinsen mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Auch die in dem nämlichen Beschluss angeordnete Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der im französischen Urteil ebenfalls nicht ausgeworfenen Strafzinsen beruhte auf der klaren Strafzinsvorschrift von Art. L211-18 Codes des Assurances.
Eine vergleichbar eindeutige Regelung bezüglich der von den Antragstellern geltendgemachten Zinseszinsen ist dem Senat nicht bekannt geworden. Der Senat entnimmt dem von den Antragstellern herangezogenen Art. 1154 CC, dass der Anspruch auf Zinseszinsen einen konkret darauf gerichteten gerichtlichen Antrag oder eine besondere Übereinkunft voraussetzt. Beide Alternativen liegen hier nicht vor.
Dieser Entscheidung steht auch nicht die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 27.11.1996 (IPrax 1998, 478 mit Anm. von Reinmüller, IPrax 1998, 460) entgegen, da in der französischen Entscheidung, die diesem Beschluss zugrunde lag, die Zinsen bereits kapitalisiert waren.
Es mag sein, dass Art. 1154 CC zwingender Natur ist, wie die Antragsteller vorbringen. Daraus folgt jedoch noch nicht – wie die Antragsteller meinen – dass das französische Recht Zinseszinsen zwingend vorschreibt. Vielmehr läßt die Unterstellung dieser Vorschrift unter den Ordre public auch die Auslegung zu, dass das französische Recht Zinseszinsen zwar anerkennt, deren Entstehung jedoch daran knüpft, dass eine der beiden oben bereits genannten Voraussetzungen – gerichtlicher Antrag oder besondere Vereinbarung – vorliegt. Folglich läßt sich hier nicht sicher feststellen, dass die Entstehungsvoraussetzungen für einen Zinseszinsanspruch gegeben sind. Deswegen muss eine Entscheidung hierüber dem zuständigen französischen Gericht vorbehalten bleiben. Das Exequaturgericht kann nämlich nur dann die Leistungspflicht eines ausländischen Urteils konkretisieren, wenn die Kriterien, nach denen sich die titulierte Leistungspflicht bestimmt, im Inland sicher feststellbar sind (BGH, IPRax 1986, 294 ff.).
Für eine Aussetzung des Verfahrens ist kein Raum. Selbst wenn die Antragsteller in Frankreich einen Anspruch auf eine Titulierung etwa aufgelaufener Zinseszinsen hätten, hätte eine nachträgliche Titulierung in Frankreich auf dieses Beschwerdeverfahren keinen Einfluss, da es hier nur um die Vollstreckbarerklärung des Straßburger Urteils vom 10.03.1992 geht. Eine (erstmalige) Vollstreckbarerklärung einer weiteren erwirkten französischen Entscheidung fiele wiederum in die Entscheidungszuständigkeit des Landgerichts.