-
Zusammenfassung der Entscheidung Während eines in Deutschland anhängigen Zivilprozesses führten die Parteien in Frankreich ein mit diesem in Zusammenhang stehendes selbständiges Beweissicherungsverfahren durch. Die Antragsgegnerin nahm in Deutschland die Klage zurück. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens vor dem deutschen Gericht beantragte die Antragstellerin auch die Festsetzung der ihr in dem vor dem französischen Gericht durchgeführten Beweissicherungsverfahren entstandenen Kosten gemäß § 494a deutsche Zivilprozessordnung (ZPO). Die Rechtspflegerin lehnte den Antrag ab. Ihrer Ansicht nach waren diese Kosten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt im deutschen Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin.
Das OLG Hamburg (DE) führt aus, dass die Kosten für ein in Frankreich durchgeführtes Beweissicherungsverfahren nicht gemäß § 494a ZPO festgesetzt werden könnten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Art. 24, 25 Abs. 1 EuGVÜ. Zwar falle auch das selbständige Beweisverfahren unter Art. 24 EuGVÜ, wonach einstweilige Maßnahmen bei den Gerichten eines Vertragsstaates beantragt werden können. Die Art. 25 ff EuGVÜ regeln die Anerkennung von Beweisaufnahmeverfahren und ihrer Ergebnisse indes nicht. Zwischenentscheidungen seien von Titel III des EuGVÜ nicht erfasst, soweit sie den weiteren Verfahrensgang gestalten und nicht auf die Regelung von Rechtsverhältnissen unter den Parteien abzielen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die gemäß § 104 Abs. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat die Rechtspflegerin des Landgerichts davon abgesehen, zugunsten der Beklagten die gegenüber der Klägerin nach deren Klagrücknahme geltend gemachten, der Beklagten nach ihrem Vortrag erwachsenen Kosten eines in Le Havre (Frankreich) durchgeführten Beweissicherungsverfahrens mit festzusetzen. Diese Kosten sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt im hiesigen Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig.
1. Eine Kostenentscheidung gemäß § 494 a ZPO ist zugunsten der Beklagten nicht ergangen. Sie kann auch nicht ergehen. Zwar schlagen z.B. Zöller-Herget, ZPO, 21. Aufl., § 494 a, Rn. 4 a, vor, auch in den Fällen, in denen die Hauptsacheklage zurückgenommen wurde, sollte das Prozeßgericht die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens dem Kläger auferlegen, obwohl die dahingehende und durchaus sachgerechte Absicht des Gesetzgebers in § 494 a Abs. 2 ZPO keinen Ausdruck gefunden habe. Eine solche Kostenentscheidung vermag die Beklagte hier aber nicht zu erwirken, da kein nach der deutschen Zivilprozeßordnung in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführtes selbständiges Beweisverfahren gegeben ist, dessen Ergebnis einer Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht gleichsteht (§ 493 Abs. 1 ZPO). Vielmehr hat es sich um ein Beweissicherungsverfahren vor dem Handelsgericht in Le Havre gehandelt, das solche direkten Beweisfolgen nicht zu entwickeln vermochte.
2. Der Klägerin sind zwar durch Beschluß des Landgerichts vom 11. Februar 1999 gemäß § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden. Auch dies bedeutet jedoch nicht, daß die Klägerin die der Beklagten im französischen Beweissicherungsverfahren erwachsenen Kosten zu begleichen hat. Diese Kosten gehören nämlich nicht zu den Kosten des vorliegenden Rechtsstreits.
a) Hierzu braucht nicht vertieft zu werden, ob – generell oder jedenfalls in der vorliegenden Sache – überhaupt die Annahme in Betracht kommt, daß der Kostenausspruch nach Klagrücknahme die Kosten eines – deutschen – selbständigen Beweisverfahrens zu erfassen vermag (dagegen z.B. KG MDR 1979, 406; OLG Koblenz, ZIP 1984, 375; VersR 1990, 1135; OLG Schleswig, JurBüro 1991, 588; JurBüro 1995, 36; OLG Köln, BauR 1994, 411; OLG München, MDR 1998, 307; anderer Ansicht: OLG Celle, JurBüro 1984, 1581; OLG Düsseldorf, BauR 1997, 349 ff.). Eine solche Annahme setzte ebenfalls voraus, daß es sich um das in der deutschen Zivilprozeßordnung geregelte selbständige Beweisverfahren gehandelt hat, das einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Rechtsstreit aufweist und dessen Ergebnisse direkt zu verwerten sind (vgl. OLG Köln, NJW 1983, 2779). Grund für die Kostenzuordnung ist nämlich, daß das selbständige Beweisverfahren als ein Nebenverfahren zum Prozeß in dem Sinne ausgestaltet ist, daß jede Partei die Beweisverhandlung des Beweisverfahrens im Prozeß nutzen kann. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 493 Abs. 1 ZPO. Insofern muß es sich aber um ein Verfahren nach den §§ 485 ff. ZPO gehandelt haben. Steht von vornherein fest, daß das Ergebnis eines Beweissicherungsverfahrens aus prozessualen Gründen nicht gemäß § 493 Abs. 1 ZPO im Prozeß verwertet werden kann, wie es bei einem ausländischen Verfahren der Fall ist, kommt auch eine Erstattung der Kosten aus dem Gesichtspunkt, diese Kosten seien den Kosten des Prozesses zuzuordnen, nicht in Betracht. Ein selbständiges Beweisverfahren im Sinne des deutschen Zivilprozeßrechts ist vorliegend nicht gegeben. Es ist auch kein Analogieschluß möglich.
Diesem Ergebnis stehen die Art. 24, 25 Abs. 1 des EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. Juni 1968 (EuGVÜ, Bundesgesetzblatt 1972 II 774; Bundesgesetzblatt 1994 II 518) nicht entgegen. Zwar fällt auch das selbständige Beweisverfahren unter Art. 24 EuGVÜ, wonach einstweilige Maßnahmen bei den Gerichten eines Vertragsstaates beantragt werden können (MüKo-Gottwald, ZPO, Bd. 3 IZPR, 1992, Art. 24 EuGVÜ Rn. 2; Thomas-Putzo, ZPO, 21. Aufl. 1998, Art. 24 EuGVÜ Rn. 2). Die Art. 25 ff. EuGVÜ regeln die Anerkennung von Beweisaufnahmeverfahren und ihrer Ergebnisse indes nicht (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl. 1998, Art. 25 EuGVÜ Rn. 21 f.; Geimer-Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, § 107 X). Zwischenentscheidungen werden vom dritten Teil des EuGVÜ nicht erfaßt, soweit sie den weiteren Verfahrensgang gestalten und nicht auf die Regelung von Rechtsverhältnissen unter den Parteien abzielen (Geimer-Schütze aaO). Eine ausländische Beweissicherung, die über § 493 Abs. 1 ZPO auch für den Hauptsacheprozeß vor deutschen Gerichten nutzbar zu machen ist und deren Kosten einem Hauptsacheverfahren zuzuordnen wären, kann nur über das nach § 486 Abs. 2 ZPO zuständige (deutsche) Gericht in Verbindung mit einem Rechtshilfeersuchen nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 18. März 1970 (Bundesgesetzblatt 1977 II 1472) erfolgen, was hier nicht geschehen ist.
Das französische Zivilprozeßrecht hat die Kostentragungspflicht für dort getätigte Aufwendungen in Beweissicherungsverfahren geregelt oder hätte sie jedenfalls regeln können. Wenn dort eine Kostenentscheidung nicht durchzusetzen ist, so käme dies für den vorliegenden Rechtsstreit allenfalls unter dem Gesichtspunkt notwendiger Prozeßvorbereitungskosten in Frage.
b) Auch unter dem Aspekt notwendiger Prozeßvorbereitungskosten ist eine Erstattungsfähigkeit vorliegend jedoch ausgeschlossen (vgl. auch OLG Köln, NJW 1983, 2779). Zwar kommt eine Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten nach der Rechtsprechung des Senats in Ausnahmefällen in Betracht, in denen eine Partei angesichts eines komplizierten und ihr an sich fremden Prozeßstoffs trotz der Einschaltung eines Rechtsanwalts mangels Sachkunde praktisch außerstande ist, ohne die zusätzliche Hilfe eines Sachverständigen überhaupt sachgerecht vorzutragen oder sich zum Vortrag der Gegenseite zu erklären. Vorliegend scheitert dies jedoch daran, daß es am Bezug zum vorliegenden Prozeß gefehlt und der Sachvortrag der Beklagten sich nicht auf das Beweissicherungsverfahren gestützt hat.
Die Beteiligung der Beklagten am französischen Beweissicherungsverfahren diente nicht der Vorbereitung ihrer Verteidigung im vorliegenden Prozeß. Die Beklagte war nicht einmal formell Beteiligte im dortigen Verfahren. Wenn sie sich gleichwohl aufgrund der Tatsache, daß der dort eingeschaltete Sachverständige ihr eine Mitschuld an der Schadensverursachung zuzumessen drohte, veranlaßt sah, sich am Verfahren zu beteiligen, geschah dies auf eigenes Kostenrisiko, denn die Beklagte wußte, daß – wie sie selbst angibt – in Frankreich u.a. eine Kostenerstattung nur sehr eingeschränkt möglich ist. Ob überhaupt, ggf. mit welcher Begründung und in welchem Umfang eine Klage auf sie zukommen könnte, war für die Beklagte, die durch das Beweissicherungsverfahren nicht direkt angesprochen worden war, völlig offen. So verklagte die Klägerin auch zunächst die ... GmbH & Co. KG. Erst als diese zur Abwehr der Klage das Gutachten von Prof. ... (Anlage K 3) vorlegte und die Klage abgewiesen wurde, versuchte die Klägerin, die Beklagte in Anspruch zu nehmen. Schon insofern kann von einer Prozeßbezogenheit des Beweissicherungsverfahrens nicht gesprochen werden.
Die Beklagte machte dann aber auch den Ausgang des Beweissicherungsverfahrens oder einzelne gutachterliche Feststellungen tatsächlich nicht zu einem wesentlichen Gegenstand ihrer Verteidigung im vorliegenden Prozeß. Dies wäre jedoch Mindestvoraussetzung für eine Kostenerstattung gewesen, denn allenfalls dann wäre eine Erstattungsfähigkeit entsprechender notwendiger Aufwendungen in Erwägung zu ziehen gewesen.
c) Danach kann offen bleiben, inwiefern die Beklagte sich gezwungen sehen mußte, sich am französischen Beweissicherungsverfahren zu beteiligen, welcher genaue Aufwand sie insofern im Sinne des § 91 ZPO notwendigerweise getroffen hat und ob dieser Aufwand von ihr bezahlt worden ist.
Ob der Beklagten gegenüber der Klägerin materiell-rechtliche Erstattungsansprüche zustehen, ist in diesem Zusammenhang nicht zu erörtern.