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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsteller erwirkte gegen den Antragsgegner ein Urteil des Landesgerichts St. Pölten (AT) vom 15.7.1998, worin dieser zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt wurde. Dieses Urteil wurde dem Antragsgegner zugestellt und wurde rechtskräftig. Der Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz (DE) erklärte das Urteil auf Antrag des Antragstellers am 9.7.1999 für vollstreckbar. Der Antragsgegner wandte sich mit der Beschwerde gegen diesen Beschluss und bestritt dass das LG Landau (DE) zuständig gewesen sei, da er seit dem 8.7.1999 in Cuxhaven (DE) ansässig gewesen sei.
Das OLG Zweibrücken (DE) führt aus, dass das österreichische Urteil für in Deutschland vollstreckbar zu erklären sei. Das LugÜ finde Anwendung, da es um die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil gehe, das gemäß Art. 54 LugÜ nach dessen In-Kraft-Treten am 1.9.1996 (Österreich) und 1.3.1995 (Deutschland) ergangen sei. Ferner sei das LG Landau (DE) entgegen der Ansicht des Antragsgegners zuständig gewesen. Dies ergebe sich aus Art. 32 Abs. 2 S. 1 LugÜ und § 2 Abs. 2 S. 1 Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG). Danach sei das Gericht ausschließlich örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Antragstellung habe. Spätere Veränderungen führen nicht zu einer veränderten Zuständigkeit. Dieses ergebe sich bereits aus § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Ferner habe der Antragsteller alle Urkunden gemäß Art. 46 Nr. 1, 47 Nr. 1 LugÜ vorgelegt. Da sich der Antragsgegner ferner auf das Verfahren eingelassen habe, sei der Entscheidung die Anerkennung gem. Art. 27 Nr. 2 LugÜ nicht zu versagen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Beteiligten streiten über die Vollstreckbarkeit eines von einem österreichischen Gericht erlassenen Urteils.
Der Antragsteller erwirkte gegen die Antragsgegner ein Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 15. Juli 1998 – 4 Cg 324/96 i –. Damit wurden diese verurteilt, an den Antragsteller einen Werklohn für Bauarbeiten in Höhe von öS 919.654,‑ nebst 7 % Zinsen ab 14. September 1994 zu bezahlen und die sich auf öS 109.167,40 belaufenden Prozesskosten des Antragstellers zu erstatten. Dieses Urteil wurde den Antragsgegnern ausweislich der Bestätigung des Landesgerichts St. Pölten vom 6. November 1998 am 31. Juli 1998 zugestellt und ist seit 28. September 1998 rechtskräftig.
Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat auf den am 7. Juli 1999 eingegangenen Antrag mit Beschluss vom 9. Juli 1999 angeordnet, dass die Entscheidung des österreichischen Gerichts mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dem entsprochen. Die Ausfertigungen des Beschlusses vom 9. Juli 1999 und der Vollstreckungsklausel vom 15. Juli 1999 sind den Antragsgegnern am 19. Juli 1999 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 1999, der am 20. Juli 1999 bei dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingegangen ist, hat (nur) der Antragsgegner gegen den Beschluss vom 9. Juli 1999 Beschwerde eingelegt. Er wendet ausschließlich die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Landau in der Pfalz ein. Dieses habe am 9. Juli 1999 entschieden, obwohl er seit dem 8. Juli 1999 in Cuxhaven ansässig sei.
Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Er bestreitet die Wohnsitzverlegung der Antragsgegner zum angegebenen Datum.
II. 1. Die Zulässigkeit der Beschwerde unterliegt keinen Bedenken. Das Rechtsmittel ist nach Art. 36 Abs. 1 des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugGVÜ) iVm §§ 1 Abs. 1, 35 Abs. 1 Ziff. 1 a, §§ 11, 12 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz – AVAG) statthaft. Das Lugano-Übereinkommen findet hier Anwendung. Denn es geht um die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil, das nach dessen (am 1. September 1996 für Österreich und am 1. März 1995 für die Bundesrepublik Deutschland) erfolgten Inkrafttreten ergangenen ist, Art. 54 LugGVÜ. Die Anwendung des nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ebenfalls in Betracht kommenden vierten Beitrittsübereinkommen zum Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) ist ausgeschlossen. Denn dieses ist im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Österreich erst am 1. Januar 1999 und damit nach Erlass des österreichischen Urteils in Kraft getreten.
Das Rechtsmittel ist rechtzeitig innerhalb der Frist des Art. 36 Abs. 1 LugGVÜ, § 11 Abs. 2 und 3 AVAG eingelegt worden und entspricht der von § 12 Abs. 1 und 2 AVAG bestimmten Form.
2. In der Sache führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.
Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat das Urteil des Landesgerichts St. Pölten zu Recht für vollstreckbar erklärt, Art. 32 Abs. 1 und 2 Satz 1 LugGVÜ, §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 7 AVAG.
a) Insbesondere bestehen keine Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Landau in der Pfalz. Nach Art. 32 Abs. 2 Satz 1 LugGVÜ und § 2 Abs. 2 Satz 1 AVAG ist das Gericht örtlich ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hat. Die örtliche Zuständigkeit orientiert sich in dem einseitig ausgestalteten Verfahren auf Vollstreckbarerklärung (Art. 34 Abs. 1 LugGVÜ) ausschließlich an den Verhältnissen im Zeitpunkt der Antragstellung (BGH ZZP 1998, 89, 92; Bülow/Böckstiegel/Müller, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Nr. 606, Bl. 238 f zu dem mit Art. 32 Abs. 2 LugGVÜ inhaltsgleichen Art. 32 EuGVÜ; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl. Rn. 4 zu Art. 32 EuGVÜ). Die Vorschrift des § 261 Abs. 3 Nr. 2 der deutschen Zivilprozessordnung bestimmt für das kontradiktorische Verfahren ausdrücklich, dass die Zuständigkeit des Prozessgerichts nach Rechtshängigkeit einer Klage nicht durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände berührt wird. Auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Vorschrift im europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen muss sich der Gläubiger auf die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Antragstellung verlassen können. Nachträgliche Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse dürfen allenfalls bewirken, dass eine zunächst fehlende Zuständigkeit bis zum Zeitpunkt der Entscheidung herbeigeführt wird (BGH aaO mwN).
Ausgehend hiervon kann hier dahinstehen, ob der Antragsgegner seinen Wohnsitz tatsächlich am 8. Juli 1999 verlegt hat. Denn er hatte im Zeitpunkt der am 7. Juli 1999 erfolgten Antragstellung nach seinem eigenen Vorbringen seinen Wohnsitz noch im Bezirk des angerufenen Gerichts.
b) Bei dem österreichischen Urteil handelt es sich um einen Titel iSv Art. 25 LugGVÜ.
c) Im ersten Rechtszug hatte der Antragsteller den Originaltitel vorgelegt. Damit ist dem Erfordernis aus Art. 46 Ziff. 1 LugGVÜ Rechnung getragen, wonach die Partei, welche die Zwangsvollstreckung betreiben will, eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen hat, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Es kann dahin stehen, ob der Titel nach Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechend Ziffer 2) der Verfügung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 15. Juli 1999 zurückgegeben worden ist. Denn der Titel muss nicht bei den Akten verbleiben. Er kann dem Antragsteller nach Erteilung der Vollstreckungsklausel wieder ausgehändigt werden (BGHZ 75, 167, 169; Kropholler aaO Rn. 1 zu dem mit Art. 46 Ziff. 1 LugGVÜ inhaltsgleichen Art. 46 EuGVÜ).
d) Der Antragsteller hat mit der „Amtsbestätigung“ des Landesgerichts St. Pölten vom 6. November 1998 auch den nach Art. 47 Ziff. 1 LugGVÜ erforderlichen Nachweis der Vollstreckbarkeit und der Zustellung des Titels erbracht.
e) Anerkennungshindernisse iSv Art. 34 Abs. 2, 27, 28 LugGVÜ stehen der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Landesgerichts St. Pölten nicht entgegen.
Die Frage der ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstückes (Art. 27 Ziff. 2 LugGVÜ) kann hier dahinstehen. Denn beide Antragsgegner haben sich auf das Verfahren vor dem österreichischen Gericht eingelassen. Dafür genügt jedes Verhandeln, aus dem sich ergibt, dass der Beklagte von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Kenntnis erlangt und die Möglichkeit der Verteidigung gegen den Angriff des Klägers erhalten hat, es sei denn sein Vorbringen hat sich nur darauf beschränkt, den Fortgang des Verfahrens zu rügen, weil die Zustellung nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig erfolgt sei (vgl. hierzu OLG Hamm NJW-RR 1995, 189, 190 mwN; Kropholler aaO Rn. 22 zu Art. 27 EuGVÜ; Bülow/Böckstiegel/Müller aaO Nr. 606, Seite 209 zu Art. 27 EuGVÜ). Hier sind die Antragsgegner ausweislich der Entscheidungsgründe des österreichischen Titels dem Vorbringen des Antragstellers in der Sache entgegengetreten.
In inhaltlicher Hinsicht ist das anzuerkennende Urteil nur darauf zu überprüfen, ob seine Anerkennung dem ordre public der Bundesrepublik Deutschland iSv Art. 27 Ziff. 1 LugGVÜ widersprechen würde. Dafür sind Anhaltspunkte weder dargetan noch sonst ersichtlich. Im übrigen ist es dem Senat verwehrt, die ausländische Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu überprüfen, Art. 34 Abs. 3 LugGVÜ.