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Zusammenfassung der Entscheidung Die griechische Antragsgegnerin ist in Deutschland wohnhaft, die Antragstellerin in Griechenland. Der Antragsgegnerin wurde die Klageschrift der Antragstellerin mehr als drei Wochen vor dem ersten Verhandlungstermin vor einem griechischen Gericht zugestellt. Die Antragsgegnerin ließ sich auf das Verfahren nicht ein und das griechische Gericht erließ anschließend ein Versäumnisurteil gegen sie. Die Antragstellerin beantragte, das Urteil für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin rügte eine Verletzung des deutschen ordre public, da die Zustellung nicht ordnungsgemäß gewesen sei, weil sie unter der Ladungsanschrift keinen Wohnsitz hatte.
Das OLG Köln (DE) führt aus, dass die Rechtzeitigkeit einer Zustellung gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ dann zu bejahen sei, wenn die nach dem Recht des Vollstreckungsstaates geltende Einlassungsfrist gewahrt sei. Ferner stellen Verstöße, die bereits nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ gerügt werden könnten oder gegen die es nach dem Recht des Urteilsstaates noch Rechtsmittel gebe, keinen ordre-public-Verstoß gemäß Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ dar.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die nach Art. 36, 37 EuGVÜ idF des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26.5.1989 in Verbindung mit §§ 11, 12 AVAG vom 30.5.1988 zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Athen vom 15.1.1998 – Nr. 2047/98 – ist zu Recht erfolgt, da keine Ablehnungsgründe bestehen, Art. 34 Abs. 2, 27, 28 EuGVÜ.
Die Klageschrift als das das Verfahren einleitende Schriftstück ist der Antragsgegnerin ordnungsgemäß und so rechtzeitig iS des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zugestellt worden, daß sie sich verteidigen konnte. Auf die weitere Alternative des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ – Einlassung der Antragsgegnerin im Verfahren –, was sie in Abrede stellt, kommt es nicht mehr an.
Die Ordnungsgemäßheit der Zustellung beurteilt sich nach dem Recht des Erststaates. Durch Vorlage des Zustellungsnachweises des Griechischen Generalkonsulats in Köln vom 9.4.1990 hat der Antragsteller die – inzwischen auch unstreitige – Zustellung der Klageschrift vom 10.1.1990 nunmehr im Beschwerdeverfahren gem. Art. 46 Nr. 2 iVm. Art. 48 Abs. 1 EuGVÜ – was noch zulässig ist – nachgewiesen (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 48, Rn. 4). Diese Zustellung ist auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Athen erfolgt. Diese hat mit Urkunde vom 2.3.1990 die Zustellung der Klageschrift zur weiteren Zustellung an die Zustellungsgegner sowie die Ladung zum Termin vom 3.5.1990 bestätigt. Diese Form der Zustellung entspricht der in Art. 134 § 1 der griechischen ZPO vorgesehenen Auslandszustellung. Ferner sind auch die Zustellungsvoraussetzungen der hier zur Anwendung kommenden Bestimmungen des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15.11.1965 (HZPÜ) – Gesetz vom 22.12.1977 (BGBl. II S. 1452) – erfüllt. Vertragspartei dieses Übereinkommens – in der Bundesrepublik Deutschland seit 26.6.1979 in Kraft – ist nämlich auch Griechenland. Die Regeln dieses Übereinkommens gehen dem autonomen Recht des Erststaates in ihrem Anwendungsbereich vor (vgl. Gottwald in MünchKomm, ZPO, Art. 27 EuGVÜ, Rn. 16). Auf die Frage, ob das HZPÜ besondere Formerfordernisse vorsieht und diese eingehalten worden sind, kommt es nicht mehr an. Denn nach Art. 5 Abs. 2 HZPÜ ist eine Zustellung stets durch Übergabe an den annahmebereiten Empfänger bewirkt (vgl. OLG Koblenz, RIW 91, 860). Das ist hier der Fall, wie der Zustellungsnachweis vom 9.4.1990 erkennen läßt.
Die ordnungsgemäße Zustellung war auch rechtzeitig i.S. der Einräumung einer ausreichenden Zeitspanne für eine Rechtsverteidigung der Schuldnerin. Dies gilt auch, wenn der erste Verhandlungstermin bereits am 3.5.1990 und nicht erst am 28.3.1991, wie dem Sachverhalt des Urteils zu entnehmen ist, einberaumt worden sein sollte. Die Frage der Rechtzeitigkeit der Zustellung beurteilt sich nach dem Recht des Vollstreckungsstaates, wobei auf die tatsächlichen Umstände abzustellen ist. Wesentliches Indiz für eine fehlende Rechtzeitigkeit ist es, wenn die im Vollstreckungsstaat geltende Einlassungsfrist nicht gewahrt ist (vgl. Gottwald in MünchKomm, ZPO, aaO, Rn. 22; BGH, NJW 86, 2197; OLG Köln, EuZW 95, 381 je mwN).
Eine Frist von über 3 Wochen, wie sie hier gegeben ist, erscheint dem Senat ausreichend. Die für Inlandsprozesse maßgebende Einlassungsfrist von 2 Wochen (§ 274 Abs. 3 S. 1 ZPO) ist deutlich überschritten. Die hier der Antragsgegnerin verbleibende Frist – bei einem unterstellten Termin am 3.5.1990 – läßt ihr hinreichend Zeit für eine sachgerechte Verteidigung. Die ihr zugestellte Klageschrift war in ihrer Muttersprache abgefaßt. Als Griechin, die ihre Geschäftstätigkeit von Deutschland aus auch in ihr Heimatland ausgedehnt hat, wie der Sachverhalt des Urteils ausweist, sind ihr die Verhältnisse in Griechenland vertraut, so daß ihr die Suche nach einem Rechtsanwalt in Athen keine großen Schwierigkeiten bereiten dürfte. Allein die Entfernung zwischen Wohnort und Gerichtsort fällt dagegen in Anbetracht ihrer gewerblichen Tätigkeit (Verkauf und Export von Fahrzeugen) nicht erheblich ins Gewicht (vgl. auch zur Angemessenheit einer ca. 3-wöchigen Frist den Beschluß des OLG Köln, aaO).
Die von der Antragsgegnerin erhobenen Bedenken gegen die Möglichkeit einer Verteidigung, weil sich ihr Ehemann der Klageschrift „bemächtigt“ und ohne ihr Wissen einen Rechtsanwalt beauftragt habe, können keine Berücksichtigung finden. Denn dieses Vorbringen läßt nicht erkennen, warum es ihr, die im übrigen als Geschäftsfrau am Erwerbsleben teilnimmt, nicht möglich gewesen sein sollte, sich selbständig gegen die Klageschrift zu verteidigen und Einmischungsversuche des Ehemannes, wenn diese tatsächlich nicht gewollt sein sollten, abzuwehren.
Der Vollstreckbarkeitserklärung stehen ferner keine Gründe nach Art. 27 Nr. 1 („ordre public“) EuGVÜ entgegen.
Der Vorbehalt des ordre public greift im Rahmen des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ nur in Ausnahmefällen ein. Ein Versagungsgrund ist, soweit es wie hier um Verfahrensfehler geht, nur dann gegeben, wenn die Entscheidung aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Ausmaß abweicht, daß sie nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (vgl. beispielsweise BGH, NJW 90, 2201; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 5.Aufl., Art. 27. Rn. 9 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Soweit die Antragsgegnerin Verfahrensverstöße rügt, können nur solche berücksichtigt werden, die nicht bereits im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ überprüft worden sind, mithin nicht die Verfahrenseinleitung, sondern das sonstige Verfahren betreffen (vgl. BGH, aaO).
Sollte die Antragsgegnerin zum Termin vom 27.11.1997 tatsächlich nicht ordnungsgemäß geladen worden sein, da sie unter der Ladungsanschrift keinen Wohnsitz hatte, so läge darin noch kein Widerspruch zum ordre public. Eine Anwendung des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ scheidet hier schon deshalb aus, weil es der Antragsgegnerin möglich ist, die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Entscheidung des Landgerichts Athen durch ein Rechtsmittel anzugreifen. Von dieser Möglichkeit hat sie im übrigen Gebrauch gemacht. Die Partei, die einen Verfahrensverstoß geltend macht, muß zunächst alle ihr Verfügung stehenden Rechtsmittel und Rechtsbehelfe im erststaatlichen Verfahren ausgeschöpft haben, ehe eine Beeinträchtigung des ordre public in Betracht kommen kann (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Rn. 2956; Gottwald in MünchKomm, ZPO, § 328, Rn. 89; BGH, NJW 90, 2201). Vor einer rechtskräftigen Entscheidung der griechischen Gerichte in dieser Sache ist die Antragsgegnerin mit dieser Rüge im Vollstreckungsverfahren präkludiert (vgl. Gottwald, aaO).
Damit kann die Entscheidung, ob eine eventuelle fehlerhafte Ladung zu einem späteren Termin gegenüber einem Beklagten, der von der Einleitung des Zivilverfahrens informiert worden ist und für den deshalb die Möglichkeit einer Verteidigung bestand, einen fundamentalen Verfahrensfehler darstellt, offen bleiben (im Ergebnis wohl verneinend: OLG Köln, EuZW 95, 381).
Soweit die Antragsgegnerin darüber hinaus vorträgt, durch das Verhalten ihres Ehemannes sei ihr eine Verteidigung in diesem Verfahren verwehrt worden, ist bereits ihr Sachvortrag nicht schlüssig, wie oben aufgezeigt ist. In Anbetracht der übrigen unstreitigen Umstände, die jegliche Anhaltspunkte dafür vermissen lassen, daß die als Geschäftsfrau tätige Antragsgegnerin nach Kenntnis der Klageerhebung nicht in der Lage gewesen sein sollte, sich selbst im Rahmen dieses Zivilprozesses zu verteidigen, bestand auch keine Veranlassung, diesem Vorbringen von Amts wegen weiter nachzugehen.
Die übrigen Voraussetzungen für eine Vollstreckbarkeitserklärung gem. Art. 31 ff EuGVÜ liegen vor. Die Zustellung des vorläufig vollstreckbaren Titels ist am 19.5.1998 erfolgt, wie die Abschrift des von der Antragsgegnerin eingereichten Berufungsschriftsatzes vom 3.7.1998 ausweist.