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Zusammenfassung der Entscheidung Die italienische Antragstellerin hat gegen einen "raccomandatario" (Schiffsagenten) ein Zahlungsurteil vor einem italienischen Gericht erwirkt. Sie beantragte in Deutschland die Vollstreckungsklausel für das Urteil gegen die deutsche Antragsgegnerin, das dahinterstehende Reedereiunternehmen. Der "raccomandatario" war nicht Vertreter der Antragsgegnerin.
Das OLG Düsseldorf (DE) führt aus, dass die Entscheidung nicht mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Gem. Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ setze die Anerkennung die Vollstreckbarkeit im Urteilsstaat voraus. Diese sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da das Urteil nach italienischem Recht gegen die Antragsgegnerin mangels Vertretung durch den Verurteilten nicht vollstreckbar sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin hat Erteilung der Vollstreckungsklausel gegen die Antragsgegnerin beantragt für das Urteil des Landgerichts Taranto vom 22.02.1989 Nr. 907/1989 in der Form des Berufungsurteils des Berufungsgerichts Lecce vom 22.10.1993.
Durch das italienische Urteil ist die Firma V in ihrer Eigenschaft als „raccomandatario“ der Antragsgegnerin für die Abfertigung des Schiffes ... in Taranto am 24.01.1982 4 verurteilt worden zur Zahlung von 110.000 FF. zuzüglich Zinsen und Kosten an die Antragstellerin. Es handelte sich dabei um Schadensersatz für Seewasserschäden an Stahlblechen. Diese Ware war am 24.01.1982 in Taranto auf das Schiff verladen worden und im Hafen von Valence beschädigt angekommen. Die Antragstellerin hatte als Transportversicherer den Schaden bezahlt und die Rechte ihres Versicherungsnehmers erworben.
Vor dem Landgericht verklagte die Antragstellerin die Firma V. in deren Eigenschaft als „raccomandatario“ des Reeders und/oder Verfrachters des Schiffes. In dem Rechtsstreit bestellte sich die Firma V. als „raccomandatario“ der Antragsgegnerin; sie unterrichtete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 01.02.1983 (Blatt 44 GA) von der gegen sie – ... – „in our quality of your representative at Taranto“ erhobenen Klage. Die Antragsgegnerin beteiligte sich nicht an dem Rechtsstreit.
Die von der Firma V. gegen das Urteil des Landgerichts Taranto eingelegte Berufung ist durch Urteil des Berufungsgerichts Lecce vom 22.10.1993 zurückgewiesen worden.
Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin vorgetragen, nach italienischem Recht sei die Verurteilung des „raccomandatario“ gegen den dahinterstehenden Reeder vollstreckbar.
Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten.
Durch Beschluß vom 06.03.1997 hat der Vorsitzende der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg angeordnet, daß das Urteil des Landgerichts Taranto vom 22. Februar 1989 Nr. 907/1989 in der Form des Berufungsurteils des Berufungsgerichts Lecce vom 22. Oktober 1993 mit der Vollstreckungsklausel gegen die Antragsgegnerin zu versehen ist.
Die Antragsgegnerin hat Beschwerde eingelegt.
II. Das Rechtsmittel ist statthaft (Art. 36 Abs. 1, 37 EuGVÜ, §§ 11, 12 AVAG). Es hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat die Vollstreckungsklausel zu Unrecht erteilt.
Die Erteilung der Vollstreckungsklausel für ein ausländisches Urteil setzt dessen Vollstreckbarkeit im Urteilsstaat voraus, wie aus Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ hervorgeht. Nach § 6 Abs. 1 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) ist die Frage, ob gegen einen anderen als den im ausländischen Schuldtitel bezeichneten Schuldner vollstreckt werden kann, nach dem Recht des Staates zu entscheiden, in dem der Schuldtitel errichtet ist.
Durch das vorliegende Urteil des Landgerichts Taranto in der Form des Berufungsurteils des Berufungsgerichts Lecce ist allein die Firma V verurteilt worden, wenn auch „in ihrer Eigenschaft als raccomandatario der Antragsgegnerin“. Zur Klärung der Frage, ob aus diesem Urteil nach italienischem Recht gegen die Antragsgegnerin vollstreckt werden kann, hat der Senat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 29.10.1997 und 29.04.1998. Nach der überzeugenden Rechtsauskunft des Max-Planck-Institutes für ausländisches und internationales Privatrecht vom 16.12.1998, der sich der Senat anschließt und auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ist die Beweisfrage klar zu verneinen:
Ein Urteil gegen den „raccomandatario“, d. h. den Schiffsagenten, ist nach italienischem Recht (Art. 288 Codice della navigazione marittima e aerea, C.nav.) gegen den dahinterstehenden Reeder, Verfrachter oder Charterer nur insoweit vollstreckbar, als dem Schiffsagenten die Vertretung des Reeders, Verfrachters oder Charterers übertragen war. Die Firma V. war Schiffsagent der Firma S. Die Firma S. hatte das Schiff ... von der Antragsgegnerin gechartert (vgl. Vertrag vom 26.11.1981, Blatt 75 GA) und hatte, entsprechend ihrer Verpflichtung aus Ziffer 13 der Charterbedingungen (Blatt 76 GA) den Schiffsagenten bestellt, nämlich die Firma V. für den Hafen von Taranto. Ein Vertretungsverhältnis zwischen V. und der Antragsgegnerin bestand nicht.
Ohne Bedeutung für die Frage der Vollstreckbarkeit gegen die Antragsgegnerin ist der Umstand, daß in dem italienischen Rechtsstreit und dementsprechend im Urteil davon ausgegangen wurde, die Firma V. sei „raccomandatario“ der Antragsgegnerin. Die „Drittwirkung“ nach Art. 288 C. nav. tritt nur ein, wenn die betreffende Vertretungsmacht tatsächlich besteht.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin handelt es sich bei den vorstehenden Erwägungen nicht um eine Nachprüfung des ausländischen Urteils in der Sache, welche nach Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ untersagt ist. Vielmehr stellt die Frage der Vollstreckbarkeit gemäß Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ eine unabdingbare Voraussetzung dar, deren Vorhandensein nicht anders als unter Heranziehung italienischen Rechts festgestellt werden kann.