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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragsgegnerin wurde durch Urteil eines Gerichts in Bari (IT) verurteilt, an den Antragsteller rund 300 Mio. Lire zuzüglich Zinsen zu zahlen. Hiergegen hat sie in Italien Berufung eingelegt. Auf Antrag des Antragstellers hat das LG Duisburg (DE) angeordnet, das Urteil für das Gebiet der BRD für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin wandte sich gegen diesen Beschluss mit dem Argument, das Urteil des italienischen Gerichts sei unter Verletzung des deutschen ordre public zustande gekommen und daher nicht anzuerkennen. Das italienische Gericht habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, habe keine Sachverhaltsaufklärung betrieben, sei zulässigen Beweisantritten nicht nachgegangen und habe fehlerhaft italienisches Recht angewendet. Hilfsweise beantragte die Antragsgegnerin Aussetzung des Verfahrens bzw. Anordnung von Sicherungsleistungen.
Das OLG Düsseldorf (DE) führt aus, dass die Vollstreckbarerklärung des Urteils nicht dem deutschen ordre public widerspreche. Die von der Antragsgegnerin behaupteten Mängel, die das Verfahren vor dem italienischen Gericht betreffen, rechtfertigten eine Versagung der Anerkennung des Urteils nicht. Wenngleich das Ausgangsgericht gegen italienisches Verfahrensrecht verstoßen haben möge, so möge dies das Berufungsgericht korrigieren. Verfahrensfehler des Gerichts begründeten aber nicht schon die Annahme eines Verstoßes gegen den ordre public. Hinsichtlich des Einwandes der zu Unrecht erfolgten Anwendung italienischen Rechts sei dem Gericht des Anerkennungsstaates eine Prüfung gemäß Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ untersagt. Der Aussetzungsantrag sei ebenfalls abzulehnen, da es in das Ermessen des Gerichts falle, ob eine einstweilige Einstellung oder Sicherheitsleistung angeordnet werde und angesichts der ungewissen Erfolgsaussichten des Berufungsverfahrens in Italien sowie der Tatsache, dass das italienische Berufungsgericht solche Maßnahmen ebenfalls abgelehnt habe, eine solche Entscheidung vertretbar sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Antragsgegnerin ist durch Urteil des Landgerichts Bari vom 29. März 1995 – AZ: 6129/86 R.G. – verurteilt worden, an den Antragsteller LIT 318.485.274 zuzüglich gesetzlicher Zinsen in Höhe von 10 % seit dem 29. März 1995 zu zahlen sowie die Verfahrenskosten in Höhe von LIT 8.000.000 zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer (19 %) und weiterer Steuern (c.a.p. = 2 %) aus LIT 5.000.000 an den Antragsteller zu erstatten.
Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin zwischenzeitlich in Italien Berufung eingelegt.
Auf Antrag des Antragstellers hat der Vorsitzende der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg am 3. Juli 1996 angeordnet, das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.
Die Antragsgegnerin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Erteilung der Vollstreckungsklausel gemäß Art. 31 EuGVÜ stehe entgegen, daß das Urteil des Landgerichts Bari unter Verstoß gegen den ordre public der Bundesrepublik Deutschland zustande gekommen und deshalb nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ nicht anzuerkennen sei. Das Landgericht Bari habe sowohl das Gebot des rechtlichen Gehörs als auch das eines fairen Prozesses zu ihrem Nachteil verletzt. Es habe erhebliches Vorbringen nicht berücksichtigt und sei zulässigen Beweisantritten nicht nachgegangen. Schließlich habe es zu Unrecht italienisches Recht angewendet.
Die Antragsgegnerin beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Duisburg vom 3. Juli 1996 den Antrag, das Urteil des Landgerichts Bari vom 29. März 1995 für vollstreckbar zu erklären, zurückzuweisen, hilfsweise, das Verfahren gemäß Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ auszusetzen.
Ferner beantragt sie, gemäß Art. 38 Abs. 3 EuGVÜ anzuordnen, daß der Antragsteller die Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung betreiben darf, hilfsweise, ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, die auch durch Bürgschaft einer deutschen Bank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden kann.
Der Antragsteller beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels und der weiter gestellten Anträge.
Er ist der Auffassung, das angefochtene Urteil des Landgerichts Bari verstoße nicht gegen den ordre public. Die von der Antragsgegnerin eingelegte Berufung habe auch offenbar wenig Aussicht auf Erfolg, denn das Oberlandesgericht in Bari habe eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt.
Das Rechtsmittel ist statthaft (Art. 36 Abs. 1, 37 EuGVÜ, §§ 11, 12 AVAG) und auch innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingelegt worden, sachlich aber nicht begründet. Der Vorsitzende der 6. Zivilkammer des örtlich zuständigen Landgerichts Duisburg hat zu Recht durch den angefochtenen Beschluß die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Bari zugelassen, denn Gründe, die eine Ablehnung des Antrags rechtfertigten (Art. 34 Abs. 2, 27 EuGVÜ), sind nicht gegeben.
Die Vollstreckbarerklärung des Urteils des Landgerichts Bari widerspricht nicht dem ordre public der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Grund für die Versagung der Anerkennung eines ausländischen Urteils nur gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, daß nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Die Frage, ob bei gleicher Verfahrensweise der deutsche Richter gegen tragende Grundsätze des deutschen Verfahrensrechts verstoßen hätte, ist dagegen nicht entscheidend (vgl. BGHZ 48, 327; 118, 312; BGH NJW 1990, 2201; Kropholler: Europäisches Zivilprozeßrecht, 5. Aufl., Rn. 9 zu Art. 27 EuGVü).
Die von der Antragsgegnerin behaupteten Mängel, die das Verfahren des Landgerichts Bari betreffen, rechtfertigen eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des ausländischen Urteils nicht.
Soweit die Antragsgegnerin beanstandet, das Landgericht Bari habe angebotene Beweise nicht erhoben, indem es ihren Geschäftsführer nicht noch einmal geladen habe und die Vernehmung von Zeugen in der Bundesrepublik Deutschland ohne triftigen Grund nicht durchgeführt habe, mag darin auch ein Verstoß gegen italienisches Verfahrensrecht liegen. Dies kann das Berufungsgericht in Bari aber auf das Rechtsmittel der Antragsgegnerin hin überprüfen und notfalls korrigieren.
Verfahrensfehler des Gerichts begründen aber nicht schon die Annahme, die nachfolgende Entscheidung sei nicht in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen.
Soweit die Antragsgegnerin weiter rügt, das Landgericht sei zu einer unrichtigen Entscheidung gekommen, weil es ihr Vorbringen zumindest teilweise übergangen und zu Unrecht italienisches Recht angewendet habe, ist dem Gericht des Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsstaates gemäß Art. 34 Abs. 3 EuGVO grundsätzlich eine Prüfung untersagt, ob Fehler im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufen sind, insbesondere ob die Tatsachen richtig festgestellt und gewürdigt und das internationale Privatrecht und das materielle Recht zutreffend angewendet worden sind (vgl. BGH in IPrax 1985, 101; BGHZ 88, 17).
Sonstige Gründe, die der Erteilung der Vollstreckungsklausel hier entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
Das Rechtsmittel konnte daher keinen Erfolg haben.
Der hilfsweise gestellte Antrag, das Verfahren gemäß Art. 38 Abs. 1 EuGVO auszusetzen, war ebenfalls zurückzuweisen. Zwar gibt die von der Antragsgegnerin beim Oberlandesgericht Bari eingelegte Berufung gegen das landgerichtliche Urteil dem Senat gemäß Art. 38 EuGVÜ die Möglichkeit, entweder das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Bari auszusetzen (Art. 38 Abs. 1) oder die Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung der Antragstellerin abhängig zu machen (Art. 38 Abs. 3), jedoch hat der Senat mit Rücksicht darauf, daß die Erfolgaussichten des Berufungsverfahrens in Italien ungewiß sind und das Oberlandesgericht Bari – wie der Antragsteller unwidersprochen vorgetragen hat – eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil abgelehnt hat, keine Veranlassung gesehen, seine Entscheidung nach Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ auszusetzen. Er hält es statt dessen für angemessen, die Zwangsvollstreckung, soweit sie über Maßregeln zur Sicherung hinausgeht, wegen des in Italien anhängigen Berufungsverfahrens davon abhängig zu machen, daß der Antragsteller Sicherheit leistet. Dadurch wird den Interessen der Antragsgegnerin als Urteilsschuldner in ausreichendem Maße Rechnung getragen, ohne daß auf der anderen Seite die Rechtsposition des Antragstellers, der bis zur Beschwerdeentscheidung die Sicherungsvollstreckung betreiben konnte, ohne selbst Sicherheit leisten zu müssen, beeinträchtigt wird.