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Zusammenfassung der Entscheidung Das Handelsgericht Saint-Omer (FR) verurteilte die deutsche Schuldnerin mit einer vorläufig vollstreckbaren Entscheidung, an die französische Gläubigerin den Gegenwert von 195.249,56 DM in französischen Francs zu zahlen und die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Appellationsgericht Douai (FR) bestätigte und erweiterte die Entscheidung um den Betrag von 3.000 Francs. Der Kassationsantrag der Schuldnerin wurde durch Urteil des Kassationsgerichtshofes (FR) verworfen. Das LG Karlsruhe (DE) ordnete entsprechend dem Antrag der Gläubigerin an, dass die französischen Entscheidungen in Deutschland für vollstreckbar zu erklären seien. Die Beschwerde der Schuldnerin wies das zuständige deutsche Oberlandesgericht ohne mündliche Verhandlung zurück. Mit der Rechtsbeschwerde beantragte die Schuldnerin, den Antrag der Gläubigerin abzulehnen.
Der Bundesgerichtshof (DE) führt aus, dass es im Ermessen des Beschwerdegerichts liege, ob es im Verfahren nach Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ eine mündliche Verhandlung anberaume oder nicht. Hinweise darauf, dass das Beschwerdegericht sein Ermessen nicht gekannt habe, lägen nicht vor. Insoweit scheide eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör aus. Ferner könne im inländischen Anerkennungsverfahren nicht überprüft werden, ob das französische Gericht den von der Schuldnerin in Deutscher Mark geschuldeten Betrag zutreffend berechnet habe. Nach Art. 26 EuGVÜ würden die in einem Vertragsstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen grundsätzlich anerkannt. Gemäß Art. 29 EuGVÜ dürfen diese keinesfalls auf ihre Gesetzesmäßigkeit nachgeprüft werden. Die Rechtsbeschwerde rüge jedoch mit Recht, dass das Beschwerdegericht in den Gründen seiner Entscheidung ausgesprochen habe, nach Sachlage sei der in französischen Francs zu zahlende Betrag zum Kurswert zur Zeit der Rechtskraft der Entscheidung zu erbringen, ohne diese Ansicht zu begründen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Parteien standen in Geschäftsbeziehungen zueinander. Das Handelsgericht Saint Omer in Frankreich verurteilte am 3. Juli 1980 unter Abweisung der Widerklage die Schuldnerin vorläufig vollstreckbar, an die Gläubigerin den Gegenwert in französischen Francs der Summe von 195.249,56 DM, des Betrages der unbezahlten Rechnungen nach Abzug der zum Jahresende gewährten Rückvergütung, und 30.000 FF Schadensersatz, jeweils mit Zinsen, zu zahlen und die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Appellationsgericht Douai bestätigte die Entscheidung durch Urteil vom 25. Februar 1982 und verurteilte die Schuldnerin außerdem zur Zahlung von 3.000 FF in Anwendung des Artikels 700 der französischen Neuen Zivilprozeßordnung. Deren Kassationsantrag wurde durch Urteil des Senats für Handelssachen des Kassationsgerichtshofes vom 25. Oktober 1983 verworfen.
Der Vorsitzende der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe ordnete entsprechend dem eingeschränkten Antrage der Gläubigerin durch Beschluß vom 6. Dezember 1983 an, daß die französischen Urteile mit der Vollstreckungsklausel zu versehen seien, soweit die Schuldnerin verurteilt war, an die Gläubigerin zu zahlen:
a) durch das Urteil des Handelsgerichts Saint Omer vom 3. Juli 1980 den Gegenwert von DM 195.249,56 in französischen Franc – den Betrag der unbezahlten Rechnungen nach Abzug der aus den zuvor dargelegten Gründen gewährten Rückvergütung zum Jahresende – und weiter einen Betrag von 30.000 FF als Schadensersatz.
b) durch das Urteil des Appellationsgerichts Douai vom 25. Februar 1982 den Betrag von 3.000 FF gemäß § 700 der Neuen Zivilprozeßordnung.
Dem entsprach der Rechtspfleger am 7. Dezember 1983, ohne die Klausel als Teil- Vollstreckungsklausel zu bezeichnen. Die Beschwerde der Schuldnerin wies das Oberlandesgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß vom 14. Februar 1984 zurück. In den Gründen führte es auch aus, daß der Rechtspfleger die Bezeichnung der von ihm erteilten Vollstreckungsklausel zu berichtigen haben werde und daß nach Sachlage der in französischen Franc zu zahlende Betrag zum Kurswert zur Zeit der Rechtskraft der Entscheidung zu erbringen sei.
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt die Schuldnerin, unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse den Antrag der Gläubigerin, die Schuldtitel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, abzulehnen.
I. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft. Sie findet nach Art. 41 EGÜbk, § 17 Satz 1 AGEGÜbk gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts statt, wenn gegen die Entscheidung, wäre sie durch Endurteil ergangen, die Revision gegeben wäre. Die Voraussetzungen dafür liegen angesichts des 40.000 Deutsche Mark übersteigenden Streitwerts vor (§§ 545 Abs. 1, 546 Abs. 1 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt (§§ 18, 19 Abs. 1 AGEGÜbk) und begründet (§ 19 Abs. 2 AGEGÜbk, § 554 ZPO) worden.
II. Das Rechtsmittel ist nur teilweise begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde rügt als Verletzung des Anspruchs der Schuldnerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), daß der über ihre Beschwerde entscheidende Beschluß des Oberlandesgerichts ohne mündliche Verhandlung ergangen ist. Es habe das ihm zur Gestaltung des Beschwerdeverfahrens insoweit eingeräumte Ermessen nicht erkannt und hätte ihr in jedem Falle rechtliches Gehör gewähren müssen.
Die Rüge ist unbegründet.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 AGEGÜbk kann der Beschluß, durch den das Oberlandesgericht über die Beschwerde entscheidet, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Ob eine mündliche Verhandlung anzuordnen ist, entscheidet das Beschwerdegericht nach seinem Ermessen (Senatsbeschluß vom 22. März 1984 – IX ZB 173/83 = WM 1984, 750). Anhaltspunkte dafür, daß das Oberlandesgericht nicht erkannt hat, auch eine mündliche Verhandlung über die Beschwerde anordnen zu können, sind weder von der Schuldnerin vorgetragen worden noch ersichtlich. Das gilt umso mehr, als sie im Beschwerdeverfahren ausdrücklich beantragt hatte, über ihre Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung in Anbetracht der Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, also das Beschwerdegericht auf die Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung hingewiesen hatte. Daß es über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entschied, verletzte den Anspruch der Schuldnerin auf rechtliches Gehör entgegen ihrem jetzigen Vortrag nicht. Sie hatte nicht nur Gelegenheit, ihre gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung geltend gemachten Gründe vorzutragen, sondern hat sie auch vorgetragen.
2. Die Rechtsbeschwerde rügt als Verletzung von § 139 ZPO, der Beschwerderichter habe es unterlassen, wegen der bisher nicht berücksichtigten, zum Jahresende 1976 zu gewährenden Rückvergütung das richterliche Fragerecht auszuüben. Hätte er das getan, würde sie dargelegt haben, daß sie gegen die Gläubigerin noch einen Anspruch auf Zahlung von 122.536,56 DM habe. Das Urteil des Handelsgerichts Saint Omer habe keinen vollstreckbaren Inhalt. Sie sei verurteilt worden, den Gegenwert von 195.249,56 DM in französischen Franc nach Abzug der Rückvergütung zu zahlen. Diese sei entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts in dem Urteil nicht berücksichtigt worden und müsse erst noch berechnet werden.
Beide Rügen sind unbegründet.
a) Die Rechtsbeschwerde führt aus, das Beschwerdegericht sei davon ausgegangen, daß bei der Berechnung des Betrages von 195.249,56 DM die Rückvergütung bereits berücksichtigt worden war. Daraus folgt, daß es dann nicht dahin zu wirken hatte, daß die Schuldnerin sich darüber erklärte, eine Verfahrensverletzung nach § 139 ZPO also ausscheidet.
b) Das Beschwerdegericht hat zu Recht festgestellt, daß bei der Berechnung des Betrages von 195.249,56 DM die Rückvergütung bereits berücksichtigt worden war. Daß dieser Betrag derjenige war, der sich nach der Berechnung des Handelsgerichts Saint Omer ergab, nachdem von der Summe der unbezahlten Rechnungen die Rückvergütung abgezogen worden war, ergibt die Fassung des erkennenden Teils seines Urteils eindeutig: „la somme de 195.249,56 Deutschmarks, montant des facturations impayees apres deduction de la ristourne „ = „Betrag der unbezahlten Rechnungen nach Abzug der ... Rückvergütung“. Ebenso eindeutig ergibt sich das auch aus den Gründen der Entscheidung (S. 2 Abs. 10 des Urteils des Handelsgerichts Saint Omer = S. 3 Abs. 9 der Übersetzung). Ob das französische Gericht den von der Schuldnerin in Deutscher Mark geschuldeten Betrag zutreffend berechnet hat, kann im inländischen Anerkennungsverfahren nicht geprüft werden. Nach Art. 26 EGÜbk werden die in einem Vertragsstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen in den anderen Vertragsstaaten grundsätzlich – vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen und von der Schuldnerin auch nicht als verletzt gerügten Art. 27 und 28 EGÜbk – anerkannt. Sie dürfen keinesfalls auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden (Art. 29 EGÜbk). Einwendungen gegen den Anspruch selbst können im Vollstreckungsverfahren nach dem Übereinkommen nur insoweit geltend gemacht werden, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlaß der ausländischen Entscheidung entstanden sind (§ 14 AGEGÜbk).
3. Die Rechtsbeschwerde rügt jedoch mit Recht, daß das Beschwerdegericht in den Gründen seiner Entscheidung ausgesprochen hat, nach Sachlage sei der in französischen Franc zu zahlende Betrag zum Kurswert zur Zeit der Rechtskraft der Entscheidung zu erbringen, ohne diese Ansicht zu begründen.
Das Urteil des Handelsgerichts Saint Omer hat die Geldschuld auf 195.249,56 DM festgestellt, die Schuldnerin jedoch nicht verurteilt, diesen Betrag zu zahlen, sondern dessen Gegenwert in französischen Francs. Vom Standpunkt des französischen Richters handelt es sich mithin um eine in Deutscher Mark ausgedrückte Geldschuld, die in Frankreich in französischer Währung zu zahlen ist (vgl. § 244 BGB). Deshalb kommt es für die Vollstreckung darauf an, nach welchem Kurswert die Umrechnung zu erfolgen hat. Davon geht das Beschwerdegericht zutreffend aus. Seiner Ansicht, maßgebend sei der Kurswert im Zeitpunkt der Rechtskraft der in der Bundesrepublik Deutschland zu vollstreckenden französischen Entscheidung, fehlt die Begründung. Es läßt sich nicht prüfen, ob der Beschwerderichter zu ihr in Anwendung französischen Rechts gelangt ist oder ob andere tatsächliche oder rechtliche Gründe ihn dazu bewogen haben. Daß die Schuldnerin günstiger gestellt wäre, wenn die Umrechnung nach einem Kurswerte zu erfolgen hätte, der zu einem anderen Zeitpunkt maßgebend war oder in Zukunft sein wird (vgl. Murad Ferid, Das Französische Zivilrecht, 1971 Bd. I, 2 B 49), läßt sich nicht ausschließen.
Deshalb kann der angefochtene Beschluß keinen Bestand haben, soweit er die Zwangsvollstreckung auch hinsichtlich der Verurteilung der Schuldnerin zur Zahlung des Gegenwertes von 195.249,56 DM in französischen Francs zugelassen hat. Im übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.