Die klagende Weberei ist Stoffherstellerin. Die Beklagte bezog von ihr seit 1986 Stoffe, die sie zu Kleidungsstücken verarbeitet. Den Geschäftsbeziehungen lagen die in deutscher Sprache abgefassten Allgemeinen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen (AGB) der Klägerin zugrunde.
Am 18.04.1987, 22.04.1987 und 08.05.1987 lieferte die Klägerin der Beklagten Streifen-, Punkt- und Unibaumwollstoffe, die die Beklagte über die Importagentur T. D. bei der Klägerin bestellt hatte.
Die Klägerin stellte die Lieferungen mit Rechnungen vom 08.04.1987, 22.04.1987, 24.04.1987 und 08.05.1987 mit insgesamt 26.971,23 DM in Rechnung, die sie nebst Zinsen mit der Klage geltend macht.
In Ziff. 9 der AGB der Klägerin ist bestimmt: „Gerichtstand. Bei Streitfällen sind allein die Gerichte im Arrondissement Brügge zuständig.“
Die Beklagte hat die Stoffe zu Kleidern und Hosen verarbeitet und diese an ihre Kunden ausgeliefert.
Die Parteien streiten über Mängel der Stoffe. Die Beklagte hat Mängel der Stoffe erst nach deren Verarbeitung gerügt.
In Ziff. 5 der AGB der Klägerin ist geregelt:
„Reklamationen und Rücksendungen:
a. Reklamationen können nur auf noch nicht in Verarbeitung genommene Ware, innerhalb von 8 Tagen nach Ankunft der Ware am Bestimmungsort, erhoben werden. Sie sollen immer schriftlich geschehen. Der Verkäufer behält sich das Recht vor, die verweigerte Ware zu ersetzen.
b. Ohne schriftliche Zustimmung des Verkäufers darf die Ware nicht zurückgeschickt werden, und dennoch enthält die Zustimmung keine Zugebung.
c. Alle Reklamationen des Käufers ändern in keinem Fall den Verfalltag der Rechnungen, auch wenn diese Rechnungen gerade den Reklamationen entsprechen.“
Mit folgendem Fernschreiben an die Klägerin vom 01.06.1987 rügte die Beklagte Mängel der Stoffe:
„Betr.: Mängelrüge
Sehr geehrter Herr B.,
wir nehmen Bezug auf das Telefonat zwischen Ihnen und unserem Herrn H. vom 01. Juni 1987. Am 24. Mai wurde der Auftrag Artikel Nr. 2 f Uni bereits bei Herrn T. bemängelt. Der Kunde hatte stecknadelkopfgroße Löcher festgestellt, die erst bei Ingebrauchnahme der Ware auftraten. Es handelt sich also um einen versteckten Mangel, der beim Auflegen der Ware nicht feststellbar war. Außerdem waren in der bedruckten Ware Artikel 2 f d die gleichen Probleme. An Fadenverdickungen entstanden Löcher. Erschwerend kommt hinzu, dass unser Kunde aus dem oben genannten Grund mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen gedroht hat. Sie sind zur einwandfreien Anlieferung der Ware verpflichtet. Dieser Pflicht sind Sie nicht nachgekommen, da die Ware, wie Sie selbst im Telefonat vom 01.06.l987 zugegeben haben., für einen Meterpreis von 3, 70 DM nicht auch noch von Ihnen kontrolliert werden könnte. Da wir bei Ihnen 1. Wahl gekauft haben, und was Sie uns lieferten 3. Wahl entspricht, sehen wir uns gezwungen, Ihnen die von unserem Kunden retournierte Ware zur Verfügung zu stellen und Sie entsprechend zu belasten. Kleider 695 Stück a DM 26,‑ 18.070,‑ DM; Hosen 638 Stück a DM 20,56 12.874,‑ DM
Wir haben bis zur Klärung die Zahlungen an Sie eingestellt und bitten um Mitteilung per Telex bis zum 02.06.1987 16.30 Uhr, auf welchem Wege wir Ihnen die Ware schicken sollen. Mit freundlichen Grüßen M. Bekl.-werk,
Berichtigung: Bei der Durchgabe der Stückzahl ist uns leider ein Fehler unterlaufen, es muss heißen: Hosen 628 Stück a DM 20,50 12.874,‑ DM. Wir bitten um Entschuldigung.“
Mit Schreiben vom 16.06.1987 schrieb T. der Beklagten wie folgt:
„Sehr geehrter Herr H.,
hiermit bestätige ich Ihnen unser Gespräch und versichere Ihnen, dass die gelieferte Streifen- und Uniware 1. Wahl war. Weiterhin bestätige ich Ihnen, dass Sie nur erste Wahl bei mir gekauft haben. Dies gilt für alle Artikel, die Sie bei mir gekauft haben, deren Vertretung ich inne habe speziell bei 2 F Druck und Uni.“
Die Klägerin hat das Vorliegen von Mängeln der Stoffe bestritten und die Auffassung vertreten, jedenfalls sei die Mängelrüge mit Fernschreiben vom 11.06.1987 mit dem die Beklagte erstmals Mängel der Lieferung gerügt habe, verspätet, da die Rüge erst nach Verarbeitung der Stoffe angebracht worden sei.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 26.971,23 DM nebst 5 % Zinsen aus 3.493,91 DM seit dem 08.04.1987, aus 15.340,57 DM seit dem 22.04.1987, aus 4.881,86 DM seit dem 24.04.1987, aus 3.254,89 DM seit dem 08.05.1987 zu zahlen.
Die Beklagte hat, Klageabweisung beantragt und geltend gemacht:
Nach der Verarbeitung der Stoffe habe sich gezeigt, dass bei der Verarbeitung der Unistoffe stecknadelkopfgroße Löcher aufgetreten seien, allerdings nicht bei allen Stoffen. Es seien auch einwandfreie Stücke vorhanden gewesen. Bei den bedruckten Stoffen seien ähnliche Probleme aufgetreten. Auch bei diesen Stoffen seien nach der Verarbeitung an Fadenverdickungen stecknadelkopfgroße Löcher festgestellt worden. Diese Mängel der Stoffe hätten erst bei einer Kontrolle durch ihren Kunden festgestellt werden können, als die Stoffe bereits durch sie zu Kleidern und Hosen verarbeitet gewesen seien (Beweis: Sachverständigengutachten). Teilweise hätten die Fehler erst entdeckt werden können, als die Kleidungsstücke gebügelt worden seien. Bei einer Prüfung der Stoffe nach der Anlieferung seien diese Mängel nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin habe Stoffe 1. Wahl liefern sollen (Beweis: T)‚ tatsächlich aber Stoffe 3. Wahl geliefert (Beweis: Sachverständigengutachten). Nach Feststellung der Mängel habe sie die Ware bereits im Mai 1987 gegenüber T. reklamiert (Beweis: T). Es sei unzulässige Rechtsausübung, wenn sich die Klägerin unter diesen Umständen auf ihre AGB berufe. Die Klägerin habe bewusst falsche Ware geliefert.
Hilfsweise rechnet sie mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 30.944 DM auf. Ihr Kunde habe die gesamte Ware (695 Kleider a 26 DM, 528 Hosen a 20, 50 DM) an sie zurückgegeben (Beweis: NN), so dass ihr ein Verlust in Höhe des genannten Betrages entstanden sei.
Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 25.04.1989 antragsgemäß verurteilt und zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Stoffe nicht rechtzeitig im Sinne des § 377 HGB geprüft und Mängel gerügt, so dass die Ware als genehmigt gelte. Die Beklagte habe vor der Verarbeitung der Stoffe Nähproben durchführen müssen. Die Beklagte behaupte zwar, die Klägerin habe den Mangel der Stoffe arglistig verschwiegen, habe jedoch für diese Behauptung keinen Beweis angetreten.
Auf das Urteil im einzelnen wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, deren formelle Ordnungsmäßigkeit im Senatstermin vom 15.02.1991 festgestellt worden ist.
Sie wiederholt ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug einschließlich nicht erledigter Beweisangebote und macht ergänzend geltend:
Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 377 HGB seien entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht erfüllt. Näh- und Bügelproben vor der industriell erfolgten Verarbeitung der Stoffe seien weder praktikabel noch zumutbar und deshalb auch nicht üblich (Beweis: Sachverständigengutachten). Eine Sicht- und Tastkontrolle vor der Verarbeitung der Stoffe sei ausreichend gewesen. Bei der zuerst verarbeiteten Farbe Blau hätten sich keine Mängel ergeben. Da es sich bei den anschließend verarbeiteten Farben um den gleichen Artikel gehandelt habe, habe sie darauf vertrauen dürfen, dass auch diese Ware ordnungsgemäß sei. Außerdem habe es auch innerhalb von Stoffballen derselben Farbe einwandfrei Metragen gegeben (Beweis: NN). Auch aus diesem Grunde habe kein Anlass zu einer besonderen Prüfung bestanden. Es sei üblich, Webfehler bei der Herstellung durch Fädchen an der Webkante zu markieren (Sachverständigengutachten), was bei den Stoffen nicht geschehen sei. Nach Entdeckung der Mängel seien dies sofort gerügt worden (Beweis: T und NN). Der Direktor der Klägerin sei von T. darüber unterrichtet gewesen, dass Stoffe 1. Wahl geliefert werden sollten (Beweis: T und Parteivernehmung). Bei dem mit ihm am 01.06.1987 geführten Telefongespräch habe er erklärt, dass die Stoffe vor dem Versand nicht auf Fehler untersucht würden (Beweis: Zeuge H. und Parteivernehmung). Der Direktor der Klägerin habe gewusst, dass Stoffe.3. Wahl ausgeliefert würden (Beweis: Parteivernehmung). Sie sei nach alledem zu der bereits mit Fernschreiben vom 01.06.1987 erklärten Wandlung berechtigt gewesen, die sie einredeweise geltend mache. Hilfsweise berufe sie sich auf Minderung. Der tatsächliche Wert der Stoffe liege allenfalls bei 10 % der Rechnungsbeträge (Beweis: Sachverständigengutachten). Auch an der hilfsweise erklärten Aufrechnung halte sie fest.
Sie beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung durch eine Bankbürgschaft erbringen zu dürfen.
Sie hat Anschlussberufung eingelegt mit dem Antrag, zur Zinshöhe die Beklagte zu verurteilen, anstatt der ausgeurteilten 5 % Zinsen 1 % Zinsen über dem jeweiligen amtlichen Diskontsatz der Bank von ... zu zahlen.
Sie wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug einschließlich ihrer Beweisangebote und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten unter Anwendung des Einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) – auf das der Senat die Parteinen nach Eingang der Berufungsbegründung hingewiesen hatte – entgegen.
Zur Begründung ihrer Anschlussberufung verweist sie auf Art.83 EKG.
Zu weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze verwiesen. Ebenso wird auf die zu den Akten gereichten Urkunden – soweit noch nicht geschehen – Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, während die Anschlussberufung der Klägerin teilweise Erfolg hat.
I. Die nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGHZ 44, 46, 52; BGHZ 69, 44; BGHZ 98, 263, 270) in jedem Rechtszug von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Landgerichts Koblenz und des mit der Sache befassten Berufungsgerichts ist sowohl für die Klage wie auch für die von der Beklagten hilfsweise geltend gemachte Aufrechnungsforderung gegeben, obwohl die Parteien in Ziff. 9 der unstreitig Vertragsinhalt gewordenen AGB der Klägerin vereinbart haben, dass bei Streitfällen allein die Gerichte im Arrondissement Brügge/Belgien zuständig sein sollen.
Maßgebend ist insoweit das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ), und zwar in der Fassung des Beitrittsübereinkommens über den Beitritt Dänemarks, Irlands und Großbritanniens vom 09.10.1978 (BGBl II 1983 Nr. 33 S. 803), die seit dem 01.11.1981 auch im Verhältnis zu Belgien gilt (BGB1 II 1986 Nr. 36 S. 1020). Nach der Übergangsvorschrift des Art. 34 Abs. 1 des Beitrittsübereinkommens gilt die Neufassung (EuGVÜ 1978) für alle nach dem 01.11.1986 erhobenen Klagen (vgl. auch Kropholler in RIW 1986, 929, 934). Die vorliegende Klage ist erst am 13.12.1988 erhoben worden.
Es kann dahinstehen, ob die Parteien mit der in Ziff. 9 der AGB der Klägerin getroffenen Regelung wirksam eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. l7 Abs. 1 EuGVÜ neuer Fassung getroffen haben, die eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte im Arrondissement Brügge begründen und die Sitzzuständigkeit des Landgerichts Koblenz nach Art. 2 Abs. l, 53 Abs. 1 EuGVÜ beseitigen würde und ob beide Parteien an diese Gerichtsstandsvereinbarung gebunden wären (Art. 17 Abs. 4 EuGVÜ). Denn die internationale Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Landgerichts Koblenz ist gemäß Art. 18 EuGVÜ dadurch begründet worden, dass die Beklagte sich rügelos auf das Verfahren vor dem Landgericht Koblenz eingelassen hat; Art. 18 ist auch dann anzuwenden, wenn die Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ getroffen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 24.06.1981 – Rs 150/80 – Elefantenschuh gegen Jacqmain Slg. S. 1671, RIW 1981, 709; Kropholler, EuGVÜ, 2. Aufl. 1987, Rn. 18 zu Art. 18). Eine nach Art. 17 wirksam begründete ausschließliche Zuständigkeit wird durch rügelose Einlassung wieder beseitigt, so dass das Landgericht Koblenz und das mit der Sache befasste Berufungsgericht für die Klage international zuständig ist. Für die von der Beklagten geltend gemachte Aufrechnungsforderung ergibt sich die internationale Zuständigkeit der mit der Sache befassten Gerichte ebenfalls aus Art. 15, nämlich aus der rügelosen Einlassung der Klägerin auf die Aufrechnungsforderung (vgl. EuGH, Urteil vom 07.03.1985 – Rs 48/84 – Spitzlay./. Sommer, RIW 1985, 313; Kropholler aaO Rn. 19 zu Art. l8).
II. Für den von der Klägerin verfolgten Kaufpreisanspruch sind – was sowohl das Landgericht wie auch die Berufungsführerin außer Acht gelassen haben – die Bestimmungen des im vorliegenden Fall noch anwendbaren Einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (Haager Kaufrecht, EKG) – maßgebend.
Das Gesetz ist zwar mit dem Inkrafttreten des – käuferfreundlicheren – Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 11.04.1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (BGB1 II 1989 S. 588, Wiener Kaufrecht, CISG) am 0l.01.1991 außer Kraft getreten (BGBl I 1990, S. 2894), bleibt aber gemäß Art. 5 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 05.07.1989 (BGBl. II 1989 S. 586) noch maßgebend für internationale Warenkäufe, sofern der Vertrag vor dem 01. 01. 1991 abgeschlossen wurde. Das ist vorliegend der Fall.
Da Belgien ebenfalls Vertragsstaat des EKG war – und noch ist -‚ ist vorliegend dieses Gesetz maßgebend.
Es ist als innerstaatlich geltendes Recht von den deutschen Gerichten gemäß Art. 1 EKG unmittelbar kraft Gesetzes anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des Art. l EKG erfüllt sind und die Parteien seine Anwendung nicht nach Art. 3 EKG ausgeschlossen haben (vgl. BGH NJW 1986, 1429 = IPRax 1986, 298, 299). Die Voraussetzungen des Art. 1 sind hier erfüllt, da die Stoffe nach dem Vertrag aus dem Gebiet eines Staates in das Gebiet eines anderen Staates befördert werden sollten (Art. l Abs. l lit. a EKG). Ausdrücklich haben die Parteien die Anwendungen des Einheitlichen Kaufrechts nicht ausgeschlossen. Anhaltspunkte für einen stillschweigenden Ausschluss (Art. 3 Satz 2 EKG) liegen ebenfalls nicht vor.
Der von der Klägerin verfolgte Kaufpreisanspruch hat daher seine Grundlage in den Art. 56, 61 Abs. l EKG.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin ihre Verpflichtung zur Lieferung vertragsgemäßer Stoffe erfüllt hat (Art. 19 Abs. 1 EKG) oder ob sie nicht vertragsgemäße Stoffe im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. d, e oder f EKG geliefert hat, wobei es für die Frage, ob die Klägerin der der Beklagten „vertragswidrige“ Stoffe im Sinne der genannten Vorschrift geliefert hätte, gleichgültig wäre, ob den Stoffen die von der Beklagten behaupteten Mängel (stecknadelkopfgroße Löcher) anhafteten (lit. d, e) oder ob die Parteien darüber hinaus ausdrücklich vereinbart hatten (lit. f), die Klägerin solle Stoffe 1. Wahl liefern, aber Stoffe 3. Wahl geliefert hätte.
Die Beklagte ist weder berechtigt (vgl. ihre fernschriftliche Erklärung vom 01.06.1987), die Aufhebung des Vertrages gemäß Art. 41 Abs. 1 lit. b, 43, 44 EKG zu erklären, noch kann sie gemäß Art. 4l Abs. l lit. c eine Herabsetzung des als solche unstreitigen Kaufpreises oder gemäß Art. 41 Abs. 2, 82 EKG Schadensersatz beanspruchen.
Haftungsvoraussetzung nach diesen Vorschriften ist, dass der Käufer die gekaufte Sache gemäß Art. 38 Abs. 1 und 4 EKG innerhalb kurzer Frist untersucht und die bei der Untersuchung festgestellte Vertragswidrigkeit der Sache dem Verkäufer gemäß Art. 39 Abs. l EKG innerhalb kurzer Frist nach der Feststellung oder der Entdeckung der Vertragswidrigkeit anzeigt, es sei denn, die Vertragswidrigkeit beruht auf Tatsachen, die der Verkäufer gekannt hat oder über die er nicht in Unkenntnis hätte sein können (Art. 40 EKG).
Dabei hat der Käufer gemäß Art. 39 Abs. 2 EKG die Art der Vertragswidrigkeit genau zu bezeichnen und den Verkäufer auf zufordern, die Sache zu untersuchen oder durch einen Beauftragten untersuchen zu lassen.
Hier ist die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag schon ihrer Verpflichtung zur genauen Bezeichnung der Vertragswidrigkeit der von der Klägerin gelieferten Stoffe nicht nachgekommen (1). Dafür, dass die Klägerin die Vertragswidrigkeit der von ihr gelieferten Stoffe gekannt hätte oder über sie nicht in Unkenntnis hätte sein können, fehlt es schon an dem erforderlichen Tatsachenvortrag seitens der Beklagten (2).
Daher kann auch dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Stoffe – wovon das Landgericht unter Anwendung von § 377 HGB ausgegangen ist – jedenfalls vor ihrer Verarbeitung zu Kleidern und Hosen auf die behaupteten Mängel hätte untersuchen können und müssen.
1. Zur genauen Bezeichnung der Vertragswidrigkeit der gelieferten Sache im Sinne des Art. 39 Abs. 2 EKG gehört einmal, dass. der gerügte Fehler so beschrieben wird, dass der fachkundige Verkäufer weiß, was gemeint ist. Diese Voraussetzung für die Ordnungsmäßigkeit der Mängelanzeige wäre hier erfüllt. Die Beklagte hat in ihrem Fernschreiben vom 01.06.1987 den Mangel dahin beschrieben, dass ihr Kunde bei den Unistoffen stecknadelkopfgroße Löcher festgestellt habe und dass bei den bedruckten Stoffen an Fadenverdickungen die gleichen Löcher festgestellt worden seien. Die Beklagte trägt aber selbst vor, dass diese Fehler nicht bei allen gelieferten Stoffen vorgelegen, sondern sich bei der zuerst verarbeiteten Farbe Blau keine Mängel ergeben hätten. Auch innerhalb von Stoffballen derselben Farbe – so die Beklagte – habe es einwandfreie Metragen gegeben. Das bedeutet, dass nach dem eigenen Vortrag der Beklagten keineswegs alle der von der Klägerin gelieferten Stoffe mängelbehaftet, d.h. vertragswidrig, waren, auch wenn der Kunde der Beklagten sämtliche aus den Stoffen gefertigten Hosen und Kleider nicht abgenommen haben sollte. In derartigen Fällen, wenn wie hier Fehler einer aus mehreren Teillieferungen bestehenden größeren Lieferung gerügt werden, gehört zur genauen Bezeichnung der Vertragswidrigkeit nicht nur die Beschreibung des Fehlers, sondern auch die jedenfalls ungefähre Angabe der Menge, also hier der Zahl der Stoffballen, denen der gerügte Fehler anhaftet. Ist nur ein Teil der Ware mangelhaft, muss der Käufer angeben, welcher Teil oder welche Teilmenge mangelhaft ist, also Angaben über den quantitativen Umfang der Mängel machen (vgl. Stötter, Internationales Einheitskaufrecht, 1975, Anm. zu Art. 39 Mertens/Rehbinder, Internationales Kaufrecht, 1975, Rn. 26 zu Art. 39). Die Verpflichtung des Käufers, die Vertragswidrigkeit dem Verkäufer anzuzeigen und dabei den Mangel genau zu bezeichnen, dient dem Schutz des Verkäufers. Er soll übersehen können, welche Forderungen auf ihn zukommen, und soll vor Missbräuchen, wie beispielsweise dem Nachschieben von Mängeln durch den Käufer, geschützt werden (vgl. BGH WM 1982, 846, 847 = IPRax 1983, 228 mit Besprechung von Herrmann). Die genaue Bezeichnung des. gerügten Mangels ist zwar kein Selbstzweck, sondern es reicht aus, wenn sie die ihr zugedachte Schutzfunktion erfüllt. Das ist aber bei einer Beanstandung einer größeren, in mehreren Teillieferungen gelieferten Menge von Stoffen unterschiedlicher Artikel dann nicht der Fall, wenn der Käufer lediglich mitteilt, sowohl bei der Uniware wie auch bei der bedruckten Ware sei der Fehler festgestellt worden. Mit einer solchen Mängelanzeige wurde die Klägerin vollkommen im Unklaren darüber gelassen, wie viele der gelieferten Stoffe im Gesamtrechnungswert von immerhin 26.971,23 DM beanstandet werden und welchen Forderungen der Beklagten sie möglicherweise ausgesetzt wird. Sie konnte auch nicht prüfen, ob nur ein unerheblicher Teil der gelieferten Stoffe betroffen war, so dass es gemäß Art. 33 Abs. 2 EKG an einer Vertragswidrigkeit der Lieferung überhaupt gefehlt hätte. Die Mängelanzeige der Beklagten – unterstellt, die Stoffe waren mangelhaft – erfüllt daher schon deshalb inhaltlich nicht die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 2 EKG.
Darüber hinaus fehlte es aber auch an der in Art. 39 Abs. 2 EKG ebenfalls vorgeschriebenen Aufforderung an die Klägerin, die Stoffe zu untersuchen oder durch einen Beauftragten untersuchen zu lassen. Die Folgen der unterlassenen Aufforderung an den Verkäufer sind zwar streitig (vgl. Leser in IPRax 1987, 293, 294 mN; Dölle/Stumpf, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, 1976, Rn. 14 zu Art. 39) Der Senat ist mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf in IPRax 1990, 178, 179 nicht der Ansicht, nach der die Aufforderung zur Untersuchung lediglich eine Sollvorschrift ist, deren Nichtbeachtung keine für den Käufer nachteilige Rechtsfolge nach sich zieht. Der Gesetzgeber hat nicht zum Ausdruck gebracht, dass er dieser zweiten Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Mängelanzeige nach Art. 39 Abs. 2 EKG eine andere und qualitativ mindere Bedeutung beimessen wollte als dem Erfordernis der genauen Bezeichnung des Mangels. Der Zweck der Vorschrift, eine möglichst schnelle Abwicklung des Vertrages herbeizuführen, rechtfertigt die hier wie auch von Dölle/Stumpf aaO vertretene Auffassung.
Nach alledem kann die Beklagte aus einer etwaigen Vertragswidrigkeit der Stoffe keine Rechte herleiten, es sei denn, die Beklagte könnte sich mit Erfolg auf Art. 40 EKG berufen.
2. Hierzu fehlt es indes an dem erforderlichen Tatsachenvortrag seitens der Beklagten.
Nach Art. 40 EKG kann sich der Verkäufer auf die Art. 38 und 39 nicht berufen, wenn die Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruht, die er gekannt hat oder über die er nicht in Unkenntnis hätte sein können und die er nicht offenbart hat. Mit der Formulierung „über die er nicht in Unkenntnis hat sein können“ wird zum Ausdruck gebracht, dass die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhen muss, wobei dem Verkäufer grobe Fahrlässigkeit nur hinsichtlich derjenigen Tatsachen schadet, auf denen die Vertragswidrigkeit beruht. Das sind der Mangel selbst sowie die ihn verursachenden Umstände (vgl. BGH WM 1989, 1535, 1537 = NJW 1989, 3097 = RIW 1989, 741; BGH WM 1990, 1971, 1977 = RIW 1990, 749).
Die Beweis- und Vortragslast dafür, dass der Verkäufer die die Vertragswidrigkeit begründenden Umstände gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat, trägt der Käufer vgl. Mertens /Rehbinder aaO Rn. 6 zu Art. 40)
Zu dem von der Beklagten erhobenen Vorwurf, der Direktor der Klägerin habe gewußt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt, dass die gelieferten Stoffe zum Teil stecknadelkopfgroße Löcher aufgewiesen hätten und demzufolge nicht Stoffe 1. Wahl gewesen seien, vermag die Beklagte keinerlei Tatsachen vorzutragen. Die bloße Behauptung, bei einem Fachunternehmen wie der Klägerin sei es schlichtweg ausgeschlossen, dass eine derart „schwerwiegende Falschlieferung“ irrtümlich vorgenommen werde, reicht nicht aus, sondern ist – wie die Klägerin mit Recht geltend macht – „ins Blaue hinein“ aufgestellt und stellt letztlich nur eine Schlußfolgerung dar. Als Stoffkäuferin und Herstellerin von Kleidungsstücken müßte die Beklagte Tatsachen vortragen können, aus denen sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Direktors der Klägerin oder derer Hilfspersonen im maßgebenden Zeitpunkt der Auslieferung der Stoffe (vgl. Dölle/Stumpf aaO Rn. 3 zu Art. 40) ergibt. Da die von der Beklagten gerügte Vertragswidrigkeit der Stoffe, die diese als Stoffe 3. Wahl abstempeln sollen, nach dem Vortrag der Beklagten bei einer Sicht- und Tastkontrolle nicht feststellbar waren, ist nicht einsichtig, wie die Klägerin den behaupteten Fehler hätte wissen oder bei Beachtung der einfachsten Sorgfalt hätte feststellen können, es sei denn, sie hätte selbst vor der Auslieferung Näh- und Bügelproben vorgenommen, also Stoffpartien probeweise verarbeitet. Zwar können auch den Verkäufer einer Ware Untersuchungspflichten treffen („Ausgangskontrollen“). Dass die stichprobenartige Verarbeitung von derartigen Stoffen dieser Qualität zu Kleidungsstücken im Herstellerbetrieb überhaupt oder in belgischen Herstellerbetrieben insbesondere üblich ist, wird aber von der Beklagten nicht einmal behauptet und nicht im einzelnen dargelegt. Zwar wäre denkbar, dass sich in die maschinelle Fertigung bei der Klägerin ein Fehler eingeschlichen hätte, etwa infolge eines Maschinenfehlers. Aber auch hierzu fehlt jeder Vortrag der Beklagten, obwohl sie als Stoffverarbeiterin wissen kann, wo die Ursache der behaupteten Fehler zu suchen sein könnte und ob danach die Klägerin diese Fehlerquelle kannte oder bei geringer Sorgfalt hätte erkennen können. Es muß daher im vorliegenden Fall dabei verbleiben, dass die Beklagte nicht ihrerseits der Klägerin eine Verletzung von Untersuchungspflichten vorwerfen kann, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin den behaupteten Mangel der Stoffe gekannt hat oder unschwer hätte erkennen können. Es bedarf daher weder der hierzu beantragten Parteivernehmung noch der Beweiserhebung darüber, ob seitens der Klägerin fernmündlich erklärt worden ist, derartige Stoffe würden vor dem Versand nicht untersucht. Wenn die Klägerin diese Stoffe ihrerseits nicht geprüft, d.h. vor dem Versand probeweise verarbeitet hat und dazu auch nicht verpflichtet war, kann die Klägerin weder gewußt haben, dass die Stoffe den behaupteten Fehler aufwiesen, noch konnten ihr diese Fehler infolge grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben sein.
Nach alledem kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf Art. 40 EKG berufen.
III. Dagegen hat die Anschlussberufung der Klägerin teilweise Erfolg.
Mit ihr beansprucht die Klägerin Verzugszinsen nach Art. 83 EKG. Diese hat der Käufer nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 06.02.1987, 2 U 68/86, RIW 1987, 313) auf den Betrag in der Landeswährung des Verkäufers zu zahlen, der dem Kaufpreis zum Zeitpunkt der Fälligkeit gemäß Art. 60, 71 EKG mangels anderweitiger Zahlungsvereinbarung ohne Mahnung mit der Lieferung eintritt (vgl. Mertens/Rehbinder.aaO Anm. 3 und 4 zu Art. 60 EKG). Die Klägerin trägt unwidersprochen vor, dass die Lieferungen am 18.04.1987, 22.04.1987 und 08.05.1987 erfolgt sind. Entsprechend war das angefochtene Urteil abzuändern. Die weitergehende Anschlussberufung der Klägerin war zurückzuweisen.