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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger wohnt in Berlin, die Beklagte hat ihren Sitz in Dänemark. Der Kläger buchte bei einem Reisebüro in Berlin aufgrund eines dort vorrätigen Prospekts der Beklagten ein Ferienhaus in Dänemark. Die Beklagte war laut Vertragsurkunde lediglich Vermittlerin. Der Kläger behauptete, das Ferienhaus sei mangelhaft gewesen; deshalb habe er vor Ort ein anderes Ferienhaus gemietet, wofür er 1.500 DM bezahlt habe. Er fordert nun vor den deutschen Gerichten den Ersatz dieser Summe von der Beklagten.
Das Landgericht Berlin (DE) bejaht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die dänischen Gerichte seien nicht gemäß Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ ausschließlich zuständig. Zwar erfasse Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ die Vermietung von Ferienhäusern; das Vertragsverhältnis sei aber nicht als Miete zu qualifizieren. Verträge, bei denen ein Veranstalter Ferienhäuser von Dritten vermittelt, seien Werkverträge. Der Zweck des Art. 16 Nr. 1 gebiete es nicht, den Mietbegriff auf die Vermittlung von Ferienhäusern zu erstrecken. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge aus Art. 14 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ. Bei der Buchung des Ferienhauses handle es sich um einen Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung i.S.v. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ. Der Dienstleistungsbegriff des EuGVÜ sei ein europäischer Begriff, zu dessen Auslegung der Dienstleistungsbegriff des Art. 60 EWG-Vertrag herangezogen werden könne. Werkleistungen im Sinne des deutschen Rechts seien als Dienstleistungen im Sinne des EWG-Vertrags anzusehen; es bestehe kein Anlass, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ enger auszulegen. Die weiteren Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ seien gegeben. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten, wonach der Gerichtsstand in Dänemark sei, stehen der Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht entgegen; denn die Vorschrift des Art. 14 EuGVÜ könne gemäß Art. 15 EuGVÜ zu Lasten des Klägers nur nach Entstehung der Streitigkeit abbedungen werden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Kläger wohnt in Berlin, die Beklagte hat ihren Sitz in Dänemark. Am 24. Januar 1989 buchte der Kläger bei einem Berliner Reisebüro aufgrund eines dort vorrätigen Prospekts der Beklagten ein Ferienhaus in Dänemark. Nach der maschinell erstellten und nicht unterzeichneten Vertragsurkunde trat die Beklagte lediglich als Vermittlerin auf. Als Vertragspartner des Klägers ist der dänische „Ferienhaus-Besitzer“ namentlich benannt.
Der Kläger hat behauptet, das Ferienhaus sei mangelhaft gewesen. Deshalb habe er vor Ort ein anderes Ferienhaus gemietet und dafür 1.500 DM gezahlt. Er hat von der Beklagten den Ersatz dieser Summe begehrt.
Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.500,‑ DM nebst 8 % Zinsen seit dem 8. November 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt.
Durch das am 28. September 1990 verkündete Urteil hat das Amtsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, daß deutsche Gerichte gemäß Art. 16 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ; BGBl 1972 II 774, in der Fassung des Beitrittsübereinkommens vom 25.10.1982, BGBl 1988 II 454; in den hier relevanten Teilen abgedruckt bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 49. Aufl., Schlußanhang V C 1) für die vorliegende Klage unzuständig seien.
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 16. Oktober 1990 zugestellte Urteil am 16. November 1990 Berufung eingelegt. Diese hat er nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 16. Januar 1991 mit einem am 16. Januar 1991 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Er wendet sich gegen die Rechtsauffassung des Amtsgerichts.
Er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28. September 1990 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.500,‑ DM nebst 8 % Zinsen seit dem 8. November 1989 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Sie beurteilt sieh gemäß Art. 1, 3, 53 Abs. 1 EuGVÜ allein nach den Vorschriften dieses Übereinkommens; denn die Beklagte hat ihren Sitz in einem anderen Vertragsstaat des EuGVÜ.
Zu Unrecht leitet das Amtsgericht aus Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ die ausschließliche Zuständigkeit dänischer Gerichte her. Diese Vorschrift, nach der für Klagen, die die Miete von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, ausschließlich zuständig sind, ist für die Buchung eines Ferienhauses bei einem Vermittler wie der Beklagten nicht einschlägig. Zwar erfaßt Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ auch die Vermietung von Ferienhäusern (EuGH NJW 1985, 905). Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist aber nicht als Miete zu qualifizieren. Verträge wie der vorliegende, bei denen ein Veranstalter Ferienwohnungen oder -häuser von Dritten vermittelt, werden von der Rechtsprechung als Werkverträge eingeordnet (BGHZ 61, 275 ff. = NJW 1974, 37 ff.; LG Frankfurt/M. NJW 1982, 1949 f.). Sie fallen daher nicht unter die ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ (LG Frankfurt/M. NJW 1982, 1949 f.; LG Offenburg NJW 1983, 1273 f.; LG München I NJW 1985, 331).
Die hiergegen vorgebrachte Kritik (Lorenz, IPRax 1990, 292, 293; Kreuzer, IPRax 1986, 75, 76 f.; siehe auch Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Kommentar zum EuGVÜ, 2. Aufl. 1987, Art. 16 Rn. 21) ist nicht begründet. Zwar handelt es sich beim EuGVÜ um einen völkerrechtlichen Vertrag, dessen Rechtsbegriffe sich nicht mit denen des innerstaatlichen Rechts decken müssen (vgl. Kropholler, aaO, Einl. Rn. 43; Art. 16 Rn. 9). Es besteht aber kein Anlaß dafür, den Mietbegriff des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ auf die Vermittlung von Ferienhäusern zu erstrecken. Die in Art. 16 Nr. 1 vorgesehene ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Vertragsstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, hat ihren Grund in der engen Verknüpfung von Miete und Pacht mit der rechtlichen Regelung des Eigentums an unbeweglichen Sachen und mit den im allgemeinen zwingenden Vorschriften, die seine Nutzung regeln, wie zum Beispiel den Rechtsvorschriften über die Kontrolle der Miet- und Pachthöhe und über den Schutz der Mieter und Pächter (EuGH NJW 1985, 905, Ziff. 19). Diese Erwägungen tragen bei der Vermittlung von Ferienhäusern nicht, da der Sozialschutz bei der Überlassung von Ferienhäusern kaum ausgeprägt ist. Auch der weitere Zweck des Art. 16 Nr. 1, eine zweckmäßige Zuständigkeitsverteilung dadurch zu gewährleisten, daß er dem durch die Nähe zu der unbeweglichen Sache bestimmten Gericht für die Zuständigkeit den Vorzug gibt, da dieses eher in der Lage ist, sich eine unmittelbare Kenntnis von den sich auf den Abschluß und die Durchführung von Miet- oder Pachtverträgen über unbewegliche Sachen beziehenden Sachverhalten zu verschaffen (EuGH aaO, Ziff. 20), trifft nur begrenzt zu. Allerdings sind dänische Gerichte eher in der Lage, den tatsächlichen Zustand des von dem Kläger gebuchten Ferienhauses zu beurteilen. Die Frage, welcher Zustand vertraglich vereinbart war, beurteilt sich indessen auch nach dem Erwartungshorizont des deutschen Klägers. Der Vertragsinhalt ist in erster Linie durch Auslegung des deutschsprachigen Katalogs der Beklagten, der dem Vertragsschluß zugrunde lag, zu ermitteln. Dies kann ein deutsches Gericht am ehesten leisten (vgl. auch LG Frankfurt/M. NJW 1982, 1949, 1950).
Es kommt hinzu, daß die Bestimmung des Art. 16 EuGVÜ im Zuständigkeitssystem des EuGVÜ eine Ausnahme darstellt, die aufgrund ihrer Ausschließlichkeit und Unabdingbarkeit zu besonderen Härten führen kann. Daher ist eine enge Auslegung geboten (Rauscher, NJW 1985, 892, 894; Kropholler, aaO, Art. 16 Rn. 18), die eine Ausdehnung des Mietbegriffes auf die hier vorliegende Vertragsgestaltung verbietet.
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 14 Abs. 1 iVm Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ. Gemäß Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ kann ein Verbraucher die andere Vertragspartei auch in dem Staat verklagen, in dem er seinen Wohnsitz hat. Der Anwendungsbereich des Art. 14 ergibt sich aus Art. 13 EuGVÜ. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alt. gilt Art. 14 für Klagen aus einem Vertrag, die ein Verbraucher abgeschlossen hat, wenn der Vertrag die Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand hat, sofern (a) dem Vertragsschluß in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und (b) der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat.
Der Kläger, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, ist Verbraucher im Sinne dieser Vorschriften, denn er hat das Ferienhaus nicht im Rahmen einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gebucht (Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ).
Bei der Buchung des Ferienhauses handelt es sieh um einen Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ. Der Dienstleistungsbegriff des EuGVÜ ist ein europäischer Begriff, der losgelöst von den rechtlichen Kategorien des deutschen Zivilrechts zu interpretieren ist. Zu seiner Auslegung bietet der Dienstleistungsbegriff des Art. 60 EWG-Vertrag eine Hilfe. Nach dieser Vorschrift sind Dienstleistungen Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten (Art. 60 Abs. 1 und 2 EWG-Vertrag). Demnach sind auch Werkleistungen im Sinne von § 631 BGB als Dienstleistungen im Sinne des EWG-Vertrages anzusehen. Es besteht kein Anlaß, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ, der dem Schutz des Verbrauchers dient, enger auszulegen; denn derjenige, der ein Ferienhaus bucht, und allgemein der Empfänger einer Werkleistung ist als Verbraucher ebenso schutzwürdig wie der Empfänger einer Dienstleistung im engeren Sinne des § 611 BGB. Ein derart weitgefaßter Dienstleistungsbegriff liegt auch der Verbraucherschutzvorschrift des Art. 29 Abs. 1 EGBGB zugrunde (Martiny, in: Münchener Kommentar, Band 7, 2. Aufl. 1990, Art. 29 EGBGB Rn. 9).
Die weiteren Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a und b EuGVÜ sind gleichfalls erfüllt. Dem Vertragsabschluß ist in Deutschland eine Werbung vorausgegangen, da der Kläger das Ferienhaus aufgrund des im Reisebüro vorrätigen deutschen Prospekts der Beklagten gebucht hat. Ferner hat der Kläger den Vertrag in Deutschland abgeschlossen.
Nr. 12 der Allgemeinenen Vertragsbedingungen der Beklagten, wonach Gerichtsstand Arhus/Dänemark ist, steht der Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht entgegen; denn die Vorschrift des Art. 14 EuGVÜ konnte von den Parteien gemäß Art. 17 Abs. 3, 15 EuGVÜ nicht zu Lasten des Klägers abbedungen werden, bevor die Streitigkeit entstanden war.
Da das Amtsgericht nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden hat, ist die Sache gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Eine eigene Sachentscheidung der Kammer erscheint nicht sachdienlich (§ 540 ZPO).