Die Klägerin betreibt ein Textilgeschäft in Essen. Die Beklagte, ein italienisches Unternehmen, verkauft Herrenanzüge. Die Parteien standen in langjährigen Geschäftsbeziehungen.
Die Klägerin bestellte bei der Beklagten am 20.2.1989 Textilien im Gesamtwert von 30.156,‑ DM „hängend frei Essen. verzollt“ für die Herbst-/Winterkollektion. Spätester Liefertermin sollte der 15.9.1989 sein. Der Bestellung waren die Einkaufsbedingungen der Klägerin beigefügt. In diesen heißt es unter Ziff. 1 Abs. 2 S. 2: „Anders lautende Bedingungen, insbesondere Verkaufsbedingungen des Lieferers auf Bestätigungen, Lieferscheinen, Rechnungen usw. gelten nur, wenn wir dies ausdrücklich schriftlich bestätigt haben, sonst sind allein unsere Einkaufsbedingungen maßgebend. Unsere Einkaufsbedingungen gelten auch für nachfolgende Bestellungen.“
Unter Ziff. 8 heißt es: „Der Erfüllungsort für alle Verbindlichkeiten, die aus einem mit uns geschlossenen Kaufvertrag entstehen, ist für beide Teile Essen. Alleiniger Gerichtsstand bei allen aus dem Vertragsverhältnis unmittelbar oder mittelbar sich ergebenden Streitigkeiten ist Essen. Für die Rechtsbeziehungen zwischen dem Lieferer und uns gilt deutsches Recht.“
Diese Bestellung übertrug der deutsche Handelsvertreter der Beklagten auf ein Bestellformular der Beklagten und übersandte es dieser nach Italien.
Diesen Auftrag bestätigte die Beklagte mit einer falschen Lieferzeit (15.3.1989) in einem nicht unterschriebenen Brief. Diesem waren die Allgemeinen Verkaufsbedingungen der Beklagten in vier Sprachen beigefügt. Dort heißt es unter Ziff. 15: „Für jeglichen Rechtsstreit bezüglich und infolge des gegenwärtigen Auftrages ist ausschließlich das Gericht in Mantova. zuständig.“
Mit Telex vom 7. 4. 1989 reklamierte die Klägerin den von der Beklagten genannten Liefertermin.
Darauf antwortete die Beklagte mit einem unterschriebenen Brief wie folgt: „... bedanken wir uns für Ihren geschätzten Auftrag Herbst/Winter 1989-1990, Auftrag der Ihnen bereits ordnungsgem. bestätigt wurde. (...)“
Unter Bezugnahme auf eine Reklamation der Klägerin aus dem Frühjahr/Sommer 89 „annullierte“ die Beklagte den Auftrag Herbst/Winter 1989 am 13. 6. 1989.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 39.204,‑ DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 1.11.1989 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ferner angeregt, die Frage der internationalen Zuständigkeit durch Zwischenurteil zu entscheiden.
Die Beklagte hat die örtliche und die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Essen gerügt.
Die Klage ist der Beklagten am 26.5.1990 in Mantova. zugestellt worden.
Entscheidungsgründe:
Die internationale und die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen ergeben sich aus einer zwischen den Parteien nach § 17 Abs. 1 EuGVÜ getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung.
Das EuGVÜ ist auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbar. Sowohl die allgemeinen Anwendungsvoraussetzungen des EuGVÜ als auch die besonderen des Art. 17 EuGVÜ sind erfüllt. Es handelt sich um einen internationalen Sachverhalt. Die vorliegende Streitigkeit ist eine Zivil- und Handelssache iSd Art. 1 EuGVÜ. Die Klage wurde am 26.5.1990 erhoben. (Art. 54 Abs. 1 EuGVÜ iVm § 253 Abs. 1 ZPO). Mithin ist das EuGVÜ (entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in der Fassung des 1. Beitrittsübereinkommens von 1978, sondern) in der Fassung des 2. Beitrittsübereinkommens vom 25.10.1982 (EuGVÜ 1982) anwendbar. Dieses gilt im Verhältnis der Bundesrepublik zu Italien seit dem 1.4.1989 (BGB1. 1989 II, 214).
Die Frage, ob sich die Parteien auf einen Gerichtsstand geeinigt haben, muß aus dem EuGVÜ heraus autonom beantwortet werden. Zwar beruft grundsätzlich das Kollisionsrecht des Forums, also das Internationale Privatrecht desjenigen Staates, vor dessen Gerichten der Rechtsstreit geführt wird, das über die Einigung bestimmende Recht. In seinem Anwendungsbereich entscheidet Art. 17 EuGVÜ ausschließlich über die Zulässigkeit, die Form und die Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 16). Zugunsten des EuGVÜ gilt indes eine Ausnahme insoweit, als Art. 17 wegen unlösbarer Zusammenhänge zwischen Form und Willenseinigung selbst eine Regelung trifft (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 16; Müller, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblattsammlung, Band 1, 606/145). Insoweit ist das Einigungsstatut einheitlich für alle Vertragsstaaten der Wortlaut des Art. 17 EuGVÜ selbst und nicht eine erst durch das IPR des Forums zu berufene Rechtsordnung (Zuletzt: Jayme, IPRax 1989, 361 (362)).
Lediglich Vorfragen wie Stellvertretung etc. regelt Art. 17 EuGVÜ nicht. Insoweit bleibt es bei dem o.g. Grundsatz, nach dem das IPR des Forums das anwendbare materielle Recht beruft (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 16; Sandrock/Jung, in: Sandrock, Handbuch der Internationalen Vertragsgestaltung, Band 2, D § 13).
Ob die Parteien sich schriftlich auf den Gerichtsstand Essen geeinigt haben (Art. 17 Abs. 1 S. 1 iVm S. 2 1. Mögl. EuGVÜ) oder dies mündlich mit nachfolgender schriftlicher Bestätigung geschehen ist (Art. 17 Abs. 1 S 1 iVm S. 2 2. Mögl. EuGVÜ), kann hier dahinstehen. Auf jeden Fall liegt eine Einigung gemäß internationalen Handelsbräuchen vor (Art. 17 Abs. 1 S. 1 iVm S. 2 3. Mögl. EuGVÜ).
Die Frage, ob eine Einigung vorliegt, wird dabei nicht allein aus Art. 17 Abs. 1 S. 1 EuGVÜ heraus beantwortet. Vielmehr haben die Formvorschriften des Satz 2 über ihre Formfunktion hinaus Bedeutung für die Frage, welche Anforderungen an eine autonom, d.h. für alle Vertragsstaaten einheitlich zu bestimmende Einigung zu stellen sind (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 21 a.E.). Daher sind die internationalen Handelsbräuche schon im Rahmen der Einigung zu berücksichtigen. Ebenso darf unter Handelsbräuchen nicht der deutsche Begriff des Handelsbrauchs iSd § 346 HGB verstanden werden (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 41; Schlosser, RIW 1984, 913). Vielmehr ergibt sich aus dem englischen Text („which accords with practices in that trade or commerce“) und der französischen Fassung („admise par les usages dans ce domaine“) daß es darauf ankommt, was tatsächlich üblich ist, ohne daß die Parteien tatsächlich Kaufleute sein müssten (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 41). Ferner muß dieser Handelsbrauch den Parteien bekannt sein oder als ihnen bekannt angesehen werden können.
Es ist international üblich und damit internationaler Handelsbrauch, daß Parteien AGB verwenden (Für AGB allgemein: von Hippel, RabelsZ 41 (1977) S. 237 ff.: Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 2. Aufl. 1989), die Gerichtsstandsklauseln enthalten. Dies ergibt sich schon aus der Begründung dafür, warum diese dritte Möglichkeit in Satz 2 eingefügt wurde (Vgl. insoweit: Schlosser, Bericht zum EuGVÜ, Amtsblatt der EG vom 5. 3. 1979, Nr. C 59 RN 179). Die Rechtsprechung des EuGH zur Fassung des Art. 17 Abs. 1 S. 2 EuGVÜ, wie sie sich in der Ursprungsfassung des Übereinkommens von 1968 fand (EuGH, Urteil vom 14.12.1976 — 24/76, Colzani/Rüwa, S1g. 1976, 1831 f., 1835; Urteil vom 14.12.1976 — 25/76, Segoura/Bonakdarian, Slg. 1976, 1851 f., 1862 f), wurde von den Autoren des 1. Beitrittsübereinkommens von 1978 als für den internationalen Handelsverkehr zu umständlich angesehen. So schrieb Schlosser in seinem Bericht: „Der Vertragsschluss muß aus Gründen der Kalkulation auf der Grundlage der momentan gegebenen Marktpreise rasch durch Auftragsbestätigung unter Einbeziehung von Bedingungswerken möglich sein.“ (Schlosser, Bericht zum EuGVÜ, Amtsblatt der EG vom 5.3.1979, Nr. C 59 RN 179). Überdies war schon für den Wortlaut des Art. 17 EuGVÜ, wie er in der Ursprungsfassung von 1968 lautete, anerkannt, daß ein Gerichtsstand durch Bezugnahme auf AGB (EuGH, Urteil vom 14.12.1976 – 24/76, Colzani/Rüwa, Slg. 1976, 1831 f., Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 17) und auch stillschweigend vereinbart werden kann (Baumgärtel, in: Festschrift für Kegel, S. 301; Grunsky, RIW 1977, 6; Von Hoffmann, AWD 1973, 62; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art.17 RN 20; Müller, RIW 1977, 164; Samtleben, NJW 1974, 1592; Sandrock/Jung, in: Sandrock, Handbuch der Internationalen Vertragsgestaltung, Band 2, E RN 125).
Das OLG Köln sieht auch das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben als internationalen Handelsbrauch iSd Art. 17 Abs. 1 S. 2 3. Mögl. EuGVÜ und damit als Einbeziehungstatbestand für eine Gerichtsstandsklausel an (OLG Köln RIW 1988, 555 (557) unter Bezugnahme auf Ebenroth, ZvglRW 77 (1978) S. 161 ff.)
Soweit ersichtlich, hat sich bisher als einziges europäisches Gericht das OLG Köln mit der Frage des internationalen Handelsbrauchs in Art. 17 Abs. 1 S. 2 3 Mögl. EuGVÜ auseinandergesetzt. Darüber hinaus liegt noch keine veröffentlichte Rechtsprechung vor, die sich mit dem im Verhältnis zu Italien seit dem 01.11.1986 geltenden Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 S. 2 3. Mögl. EuGVÜ (BGB1. 1986. II, 1020) auseinandersetzt. Die sonstige Rechtsprechung der übrigen nationalen europäischen Gerichte liegt – abgesehen von einer einzelnen Entscheidung der belgischen Cour d‘appel de Mons (Cour d‘appel de Mons, Urteil vom 17.10.1977, SA Societété nouvelle des paveurs réunis (SPNR)/Sprl Joseph Maillien et Fils, Slg. I – 17.1.2 – B 11.) auf der restriktiven Linie des EuGH und ist noch zum alten Recht (EuGVÜ 1968) ergangen, welches die Möglichkeit einer Vereinbarung nach internationalen Handelsbräuchen noch nicht vorsah (Corte di Cassazione Italiana Nr. 3397 vom 20.10.1975; OLG Frankfurt NJW 1977, 506).
In diesem Zusammenhang ist in der Literatur durchweg anerkannt, daß eine Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit neuerdings auch durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben möglich ist (Collins, The Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982, 1983, S. 86; Geimer, in: Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Band 1, 1. Halbband, 1983, § 75 III. 1. b), 96 XXVI. 6.; Jung, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach dem EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und nach § 38 Abs. 2 ZPO, 1980, S. 170; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 42; Sandrock/Jung, in: Sandrock, Handbuch der Internationalen Vertragsgestaltung, Band 2, E RN 162; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozeßrecht, 1985, S. 56).
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits standen in langjährigen Geschäftsbeziehungen. Es ist davon auszugehen, daß die Klägerin ihren Bestellungen stets ihre Einkaufsbedingungen mit der Gerichtsstandsklausel beigefügt hatte. Ein Verweis auf diese Einkaufsbedingungen fand sich auf der Vorderseite der von der Klägerin benutzten Bestellformulare (z.B. Bl. 6 der Akten). Dieser verbarg sich nicht etwa in der Rubrik „Zahlungskonditionen“, wie die Beklagte auf S. 2 ihres Schriftsatzes vom 10.12.1990 (Bl. 135 der Akten) behauptet. Vielmehr fand sich überdies auf den klägerischen Bestellformularen unten rechts ein Hinweis, wonach „ausschließlich“ die „umseitigen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen“ gelten sollten. Ohne diesen zu widersprechen, hat die Beklagte die Verträge stets erfüllt. Darin ist insoweit eine konkludente Annahme der klägerischen AGB unter Einschluß der Gerichtsstandsklausel zu sehen. Dies war spätestens mit dem Beklagtenschreiben vom 13.4.1989 der Fall, in dem die Beklagte darauf hinwies, den streitbefangenen Auftrag „bereits ordnungsgemäß bestätigt“ zu haben.
Zwar wird man davon ausgehen können, daß die Beklagte ihrerseits den Bestätigungen zuvor jeweils ihre eigenen AGB beigefügt hatte. Diese enthielten in Ziff. 15 eine Gerichtsstandsklausel zugunsten des italienischen Gerichts in Mantova. Diese Gerichtsstandsklausel ist nicht deshalb unwirksam, weil die AGB der Beklagten optisch nur erschwert wahrnehmbar seien, wie es die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 9.10.1990 unter Bezugnahme auf deutsche Rechtsprechung und Literatur sowie auf italienisches Recht formuliert (Bl. 91 und 96 der Akten). Auf das deutsche oder italienische Recht kommt es im Anwendungsbereich des Art. 17 EuGVÜ wegen des Gebotes der für alle Vertragsstaaten einheitlichen Auslegung nicht an. Etwas anderes könnte allenfalls für die – hier nicht zu erörternde – Frage gelten, ob die übrigen AGB Bestandteil des Hauptvertrages geworden sind, weil insoweit ein anderes Sachrecht vom IPR des Forums berufen wird. Durch das Beifügen ihrer eigenen AGB mit einer anderslautenden Gerichtsstandsklausel hat die Beklagte dem Gerichtsstand Essen konkludent widersprochen.
Dieser Widerspruch gegen den Gerichtsstand Essen wurde allerdings nicht wirksam. Die Beklagte hat nämlich nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie den Vertrag auf keinen Fall ohne die Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der italienischen Gerichte abschließen wollte. Im Gegenteil: Ihrem Schreiben vom 15.3.1989 waren die AGB lediglich beigefügt. Ein besonderer Hinweis auf die AGB fand sich in der Auftragsbestätigung selbst nicht. In der zweiten Auftragsbestätigung vom 13.4.1989 schreibt die Beklagte offensichtlich unter Bezugnahme auf ihr eigenes Schreiben vom 15.3.1989, sie habe den fraglichen Auftrag der Klägerin vom 20.2.1989 bereits „ordnungsgemäß bestätigt“. Diesem Schreiben waren die Beklagten-AGB nicht einmal mehr beigefügt. Hätte der Beklagten daran gelegen, den Auftrag nur unter Einschluss ihrer Gerichtsstandsklausel abzuschließen, wäre hier ein deutlicherer Widerspruch erforderlich gewesen.
Auf der anderen Seite hat zwar auch die Klägerin den von der Beklagten dem Schreiben vom 15.3.1989 beigefügten AGB nicht ausdrücklich widersprochen. In ihrem Telex vom 7.4.1989 rügte die Klägerin lediglich die Lieferzeit, nicht aber den italienischen Gerichtsstand Mantova. Hätte der Klägerin ebenfalls derart an der Einbeziehung der auf Essen lautenden Gerichtsstandsklausel gelegen, so wäre auch ihr zuzumuten gewesen, den Gerichtsstand Mantova zu rügen. Allerdings hat die Klägerin den italienischen Gerichtsstand konkludent gerügt. Die klägerischen Einkaufsbedingungen enthalten in Ziff. 1 Abs. 2 eine Vorrangklausel. Danach gelten Bedingungen des Lieferers auf Bestätigungen, Lieferscheinen, Rechnungen etc. nur im Falle ausdrücklicher Bestätigung. Die Einkaufsbedingungen der Klägerin hingegen sollten gemäß Ziff. 1 Abs. 2 auch für nachfolgende Bestellungen gelten. Insoweit ist ein Widerspruch der Klägerin bereits dadurch konkludent erfolgt, daß sie stets ihre eigenen AGB mit der Vorrangklausel beifügte. Dies entspricht auch der Auslegung wie sie im deutschen Recht vorgenommen wird („vorweggenommener Widerspruch“) (BGH NJW 1982, 1749; NJW-RR 1986, 984; OLG Hamm BB 1983, 1814; statt aller: Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 2. Aufl. 1989, § 3 RN 76). Nach Kropholler habe die deutsche Rechtsprechung, die durch die erste Fassung des EuGVÜ als überholt gelten mußte, durch die Neufassung des Art. 17 EuGVÜ ihre volle Bedeutung zurück erlangt (Kropholler, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Band 1, 1982, Kap. III, RN 850). Dem stimmt das Gericht so nicht zu. Die im deutschen Recht zu Vorrang- bzw. Abwehr- oder Ausschschließlichkeitsklauseln entwickelten Grundsätze sind hier nicht direkt anwendbar, sondern es kommt auf eine für alle Vertragsstaaten einheitliche Auslegung im Rahmen des Art. 17 EuGVÜ an. Wohl aber kann den von der deutschen Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen mangels bisher zu Art. 17 Abs. 1 S. 2 3. Mögl. EuGVÜ ergangener Rechtsprechung eine Indizwirkung zukommen.
Diesem qualifizierten Widerspruch der Klägerin hat die Beklagte selbst nicht mehr widersprochen. Eine entsprechende Vorbehaltsklausel fehlt in den Verkaufsbedingungen der Beklagten. Überdies hat sie ihrem Schreiben vom 13.4.1989 nicht einmal mehr ihre eigenen Verkaufsbedingungen beigefügt. Dem Widerspruch der Klägerin steht mithin kein qualifizierter Widerspruch der Beklagten gegenüber.
Dieses Ergebnis findet eine gewisse Bestätigung in der (früheren) restriktiven Rechtsprechung zum EuGVÜ 1968. Dort hatte der EuGH bereits eine Erleichterung seiner strengen Rechtssprechung für den Fall angedeutet, daß die Parteien in laufenden Geschäftsbeziehungen stehen (EuGH, Urteil vom 14.12.1976 – 25/76, Segoura/Bonakdarian, Slg. 1976, 1851 (1852, 1863). Dieses Merkmal dürfte gerade innerhalb der internationalen Handelsbräuche besondere Bedeutung erhalten.
Diesen internationalen Handelsbrauch mußte die Beklagte auch kennen.
Hinsichtlich des Kennenmüssens kommt es grundsätzlich darauf an, ob die Partei nach ihrem Wohnsitzrecht damit rechnen mußte, daß ihr Schweigen als Willenserklärung gewertet wird (OLG Köln RIW 1988, 555 (557); Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 42). Insoweit findet grundsätzlich eine Sonderanknüpfung an das Heimatrecht des Schweigenden statt.
Die Beklagte hat ihren Sitz in Italien. Es käme hier eigentlich insoweit auf italienisches Recht an.
Im vorliegenden Fall kommt aber eine weitere Besonderheit hinzu: Die Beklagte nahm die Bestellungen in Deutschland durch ihren deutschen Handelsvertreter entgegen. Dessen Kenntnis muß sie sich zurechnen lassen. Die Frage, was sie sich zurechnen lassen muß, wird nach deutschem Sachrecht beantwortet. Dieses ist Vollmachtsstatut. Wie bereits erwähnt, ist nur für die Frage der Willenseinigung im Rahmen des EuGVÜ autonom auszulegen. Fragen der Stellvertretung und Geschäftsfähigkeit etc. hingegen werden nach demjenigen Recht beurteilt, welches vom Kollisionsrecht des Forums berufen wird (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1987, Art. 17 RN 16 und 22; Sandrock/Jung, in: Sandrock, Handbuch der Internationalen Vertragsgestaltung, Band 2, D § 13).
Im Gegensatz zum materiellen Recht wendet jedes Gericht stets nur sein eigenes Kollisionsrecht an (Firsching, Einführung in das Internationale Privatrecht, 3. Aufl. 1987, S. 31). Da der Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht geführt wird, bestimmt das deutsche Kollisionsrecht das für die Stellvertretung maßgebende Recht (Vollmachtsstatut).
Das Haager Stellvertretungsabkommen vom 14.3.1978 wurde bisher erst von Frankreich und Portugal ratifiziert. Es ist daher noch nicht in Kraft (Kropholler, Internationales Privatrecht, 1990, § 43 1 c) und kann folglich nicht als deutsches IPR angewandt werden. Eine gesetzliche Regelung für die Frage der Anknüpfung von rechtsgeschäftlicher Vertretung gibt es in der Bundesrepublik nicht. Es ist daher auf die von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze zurückzugreifen (BGHZ 43, 21; BGHZ 64, 183; NJW 1982, 2733; Kropholler, Internationales Privatrecht, 1990, § 43 I). Danach wird das Vollmachtsstatut selbständig angeknüpft und nicht nach derjenigen Anknüpfung, die für das Innenverhältnis zwischen Prinzipal und Vertreter bestimmend ist. Auch stimmt es nicht automatisch mit dem Statut des Hauptgeschäfts überein (z.B.: BGHZ 84, 183 (192); Sandrock/Jung, in: Sandrock, Handbuch der Internationalen Vertragsgestaltung, Band 2, D RN 8 mwN).
Vielmehr kommt es nach herrschender Meinung auf das Recht desjenigen Landes an, in dem die Vollmacht Wirkung entfalten sollte (BGH WM 1958, 557 (558); BGHZ 43, 21 (26); BGHZ 64, 183 (192 f.); Kropholler, Internationales Privatrecht, 1990, § 43 1. 2). Im vorliegenden Fall ist der Handelsvertreter der Beklagten in Deutschland aufgetreten. Mithin ist deutsches Sachrecht Vollmachtsstatut.
Nach den im deutschen Recht zu §§ 164 Abs. 3, 166 BGB entwickelten Grundsätzen muß sich die Beklagte die Kenntnis ihres Handelsvertreters von den klägerischen AGB zurechnen lassen. Dieser war offensichtlich ständig damit betraut, Bestellungen für die Beklagte in Deutschland entgegenzunehmen. Für die Frage der Kenntnis von AGB ist daher auf die Person des Handelsvertreters abzustellen. Aus diesem Grunde kann hier auch dahinstehen, ob die klägerischen AGB bei der Beklagten in Mantova tatsächlich zugegangen sind. Auf jeden Fall sind sie ihrem Handelsvertreter in Deutschland zugegangen. Dessen Kennenmüssen aus dem deutschen Vollmachtsstatut muß sich die Beklagte insoweit innerhalb des ansonsten autonom auszulegenden Art. 17 EuGVÜ entgegen halten lassen.
Die in Satz 2 des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ genannten Formerfordernisse sind keine bloßen Formvorschriften. Sie wurden wegen der bereits oben dargestellten untrennbaren Zusammenhänge zwischen der materiellen Einigung und der Form bereits berücksichtigt. Auf Formfragen braucht im vorliegenden Fall mithin nicht mehr isoliert eingegangen werden. Sie wurden bereits im Rahmen der Einigung berücksichtigt.