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Zusammenfassung der Entscheidung Der in den Niederlanden wohnhafte Beklagte mietete in Mönchengladbach (DE) vom Kläger zur Untermiete ein Ladenlokal zum Betrieb eines Geschäfts. Im Vertrag wurde vereinbart, dass der Mietzins monatlich im Voraus porto- und spesenfrei zu zahlen sei, und der Mieter sich verpflichtet, dem Vermieter eine Einzugsermächtigung zu erteilen. Der deutsche Kläger hatte die Räumlichkeiten von den Eigentümern gemietet. In beiden Verträgen wurde eine Mietdauer bis Ende 1993 vereinbart. Im Jahr 1987 stellte der Beklagte die Mietzinszahlungen ein und räumte das Mietobjekt. Der Kläger machte Mietzinsausfall sowie Schadensersatzanspruch geltend. Das Landgericht Mönchengladbach (DE) hielt sich für international unzuständig.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (DE) bejaht die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach (DE). Es könne dahin stehen, ob Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ anzuwenden sei. Ausführungen des EuGH in der Rechtssache C-241/83 (Rösler/Rottwinkel) könnten den Schluss nahelegen, dass auch Unterpachtverhältnisse über ein Ladenlokal der Regelung des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ unterfallen müssten. Es könne weiterhin dahinstehen, ob der Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ in Mönchengladbach liege. Nach dem anwendbaren deutschen Recht und besonders unter Berücksichtigung der Regelung über den Mietzins im Vertrag spreche einiges dafür, den Erfüllungsort für die Pflichten beider Vertragsparteien in Mönchengladbach zu sehen. Das Landgericht Mönchengladbach (DE) sei jedenfalls nach Art. 18 EuGVÜ zuständig. Bis zu welchem Zeitpunkt die Einrede der Unzuständigkeit geltend gemacht werden könne, entscheide das innerstaatliche Verfahrensrecht. Hier habe sich der Beklagte spätestens mit Schriftsatz vom 3.4.1989 zur Sache eingelassen; erst im Verhandlungstermin im Mai habe er nach einem Hinweis des Gerichts die örtliche Unzuständigkeit gerügt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er aber sein Rügerecht bereits verloren.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der in den N. wohnhafte Beklagte mietete durch Vertrag vom 10. Januar 1987 mit Wirkung ab dem 1. Februar 1987 auf der H. in M. ein Ladenlokal zum Betrieb eines Blumengeschäfts. Der Kläger hatte seinerseits die Räumlichkeiten von den Eigentümern am 25. November 1983 gemietet. Zwischen den Parteien wurde eine Mietdauer bis zum 31. Dezember 1993 vereinbart.
Der Mietvertrag zwischen dem Kläger und den Eigentümern war ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden. Im Jahre 1987 stellte der Beklagte aus Gründen, über die die Parteien streiten, die Mietzinszahlungen ein und räumte das Mietobjekt.
Mit der Klage macht der Kläger den Mietzinsausfall für den Zeitraum von April bis September 1987 in Höhe von 13.680 DM sowie einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 35.340 DM geltend. Hierzu hat er vorgetragen, die Eigentümer seien nur gegen eine Abstandszahlung in dieser Höhe bereit gewesen, das mit ihm bestehende Mietverhältnis vorzeitig aufzulösen.
Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts auf seine etwaige internationale Unzuständigkeit hat der Kläger seine Auffassung dargelegt, aus welchen Gründen er das angerufene Gericht für zuständig halte.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 49.020 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. April 1987 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, das Landgericht Mönchengladbach sei unzuständig.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, seine internationale Zuständigkeit sei nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens, insbesondere auch zur Frage der Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Mönchengladbach, beantragt er, nach seinen erstinstanzlichen Schlußanträgen zu erkennen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als sie gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führt. Denn dieses hat zu Unrecht die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung verneint, seine internationale Zuständigkeit nach den Bestimmungen des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (im folgenden: EuGVÜ) sei nicht gegeben.
Es ist bereits zweifelhaft, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, daß Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ keine Anwendung finde. In dieser Vorschrift ist bestimmt, daß für Klagen, die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaates, in dem die unbewegliche Sache gelegen ist, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der zu verklagenden Person ausschließlich zuständig sind. Der Beklagte, der seinen Wohnsitz in den N. hat, hatte nun aber ein Objekt von dem Kläger gemietet, das in einem anderen Vertragsstaat als dem seines Wohnsitzes, nämlich in der Bundesrepublik Deutschland, gelegen war.
Orientiert man sich allein an dem Wortlaut des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ, so wäre danach die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach als des Gerichts des Belegenheitsstaates ohne weiteres gegeben. Das Landgericht hat allerdings die Anwendbarkeit des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH vom 14. Dezember 1977 – Rechtssache 73/77 – (NJW 1978, 1107) verneint. In jener Entscheidung hat der EuGH ausgeführt: Miete und Pacht von unbeweglichen Sachen seien im allgemeinen durch besondere Rechtsvorschriften geregelt; die Anwendung dieser Vorschriften solle, namentlich wegen ihrer Kompliziertheit, besser den Gerichten des Landes ausschließlich überlassen bleiben, in dem sie Geltung hätten. Diese Erwägungen erklärten auch, warum für Klagen, die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen im eigentlichen Sinne zum Gegenstand hätten, eine ausschließliche Zuständigkeit eingeräumt werde. Diese Überlegungen würden jedoch dann nicht gelten, wenn der Hauptgegenstand des Vertrages anderer Natur sei, insbesondere wenn dieser die Verpachtung eines Ladengeschäfts zum Gegenstand habe.
Der Begriff „Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ in Art. 16 EuGVÜ sei deshalb nicht in dem Sinne auszulegen, daß er einen Vertrag über die Verpachtung eines Ladengeschäfts umfasse, das auf einem vom Verpächter von einem Dritten gemieteten Grundstück betrieben werde. Diese Ausführungen des EuGH sprechen tatsächlich dafür, daß er im Wege der sogenannten „autonomen Qualifikation“, nämlich im Sinne des Abkommens, die Begriffe Miete und Pacht ausgelegt und die (Unter-)Pacht eines Ladengeschäfts wegen der Natur des Vertragsgegenstandes aus dem Anwendungsbereich der ausschließlichen Zuständigkeit gemäß Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ ausgegrenzt hat (vgl. hierzu auch Rauscher in NJW 1985, 892 f., 897). Andererseits hat der EuGH in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahre 1985 – Rechtssache 241/83 – (vgl. NJW 1985, 905 f.) ausgeführt, daß alle Rechtsstreitigkeiten, welche die Verpflichtungen des Vermieters und des Mieters aus dem Mietvertrag beträfen, so etwa auch die Einziehung des Mietzinses, in die in Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ vorgesehene ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Staates fallen, in dem die unbewegliche Sache gelegen sei.
In dieser Entscheidung ist ausdrücklich dargelegt, daß die in Frage stehende Vorschrift für alle Verträge über die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen unabhängig von ihren besonderen Merkmalen gelte. Konsequenterweise hat der EuGH in dieser Entscheidung die Geltung des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ auch für kurzfristige Verträge und für solche, die sich etwa nur auf die Gebrauchsüberlassung einer Ferienwohnung beziehen, ausgesprochen.
Diese Ausführungen des EuGH könnten die Überlegung nahelegen, ob nach den von ihm genannten Kriterien alsdann nicht auch ein Unterpachtverhältnis über ein Ladenlokal der Regelung in Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaates unterfallen müßte. Das mag aber letztlich dahinstehen. Denn die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist jedenfalls aufgrund anderer Bestimmungen des EuGVÜ gegeben.
Zu denken ist zunächst an Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 EuGVÜ. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Zwar ist gemäß § 269 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 270 Abs. 4 BGB Leistungsort für Geldschulden regelmäßig der Wohnsitz des Schuldners zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses, so daß grundsätzlich die Zuständigkeit der Gerichte in den Niederlanden gegeben wäre. Ein anderer Leistungsort kann sich aber aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben. Insbesondere kann bei einem Mietvertrag der Ort, an dem sich das Mietobjekt befindet, als Erfüllungsort für beide Teile anzusehen sein (vgl. etwa Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl., Anm. 3 b zu § 269). Hierfür spricht die in § 4 des Mietvertrages enthaltene Regelung über die Zahlung des Mietzinses und der Nebenkosten. Dort ist bestimmt, daß der Mieter den Mietzins und die Nebenkosten monatlich im voraus, spätestens am dritten Werktag des Monats porto- und spesenfrei an den Vermieter zu zahlen habe. Weiter heißt es, daß Mietzins und Nebenkosten im Lastschrifteinzugsverfahren von einem vom Mieter zu benennenden Konto abgebucht werde und der Mieter sich verpflichte, dem Vermieter eine Einzugsermächtigung zu erteilen. Damit spricht alles dafür, daß Leistungsort für die von dem Beklagten aufgrund des Mietvertrages zu erbringenden Geldzahlungen Mönchengladbach sein sollte. Aber auch dies mag letztlich auf sich beruhen.
Jedenfalls ist das angerufene Gericht gemäß Art. 18 EuGVÜ durch Einlassung des Beklagten auf das Verfahren zuständig geworden. Nach ordnungsgemäßer Auslandszustellung von Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid hat der Beklagte in seinem Einspruchsschreiben nämlich nicht etwa gerügt, das deutsche Gericht sei nicht zuständig, sondern dargelegt, aus welchen sachlichen Gründen er sich zur Zahlung nicht für verpflichtet halte. Insoweit ist auch – anders als in § 39 ZPO – eine Einlassung auf die Hauptsache nicht erforderlich (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Kommentar zum EuGVÜ, 2. Aufl. Rn. 7 zu § 18). Insofern hat auch der EuGH in der Rechtssache 150/80 – Elefantenschuh/ Jacqmain – ausgeführt, daß das innerstaatliche Verfahrensrecht darüber entscheide, bis zu welchen Zeitpunkt die Einrede der Unzuständigkeit wirksam geltend gemacht werden könne; die Rüge dürfe also nicht erst nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben werden, die nach dem innerstaatlichen Prozeßrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen sei. Hier ist die Sachverteidigung des Beklagten jedoch spätestens am 3. April 1989 unter Bezugnahme auf die Begründung des Klageabweisungsantrags im Schriftsatz vom 8. Februar 1989 erfolgt. Erst im Verhandlungstermin vom 9. Mai 1989 äußerte das Gericht gegenüber den Parteien Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit. Danach rügte der Beklagte erstmals die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Im Termin vom 14. November 1989 verhandelten die Parteien mit den schriftsätzlich angekündigten Anträgen – zumindest auch – zur Sache. Selbst wenn insoweit lediglich eine hilfsweise Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache vorgelegen hätte – wovon nicht ausgegangen werden kann – hätte er bereits, wie ausgeführt, mit seiner Einlassung zur Sache vor dem ersten Verhandlungstermin sein Rügerecht im Sinne des Art. 18 EuGVÜ verloren.
Folglich ist das Landgericht jedenfalls gemäß Art. 18 EuGVÜ zuständig geworden.
Da das Erstgericht mithin zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit verneint und deshalb die Klage als unzulässig abgewiesen hat, mußte die Sache gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO notwendigerweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, zurückverwiesen werden.
Eine eigene Sachentscheidung gemäß § 540 ZPO hält der Senat nicht für sachdienlich, da eine weitere Sachaufklärung erforderlich erscheint und den Parteien keine Tatsacheninstanz genommen werden darf.
Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit kommt nicht in Betracht, weil bei einem aufhebenden und zurückverweisenden Urteil, das eine Kostenentscheidung nicht enthält, jegliche Vollstreckungsmöglichkeit fehlt (vgl. Zöller-Schneider, ZPO, 15. Aufl., Rn. 4 zu § 538 und 24 zu § 543).